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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung von §1 und §2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 mangels aktueller BetroffenheitSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG begehrt der Antragsteller mit seinem Antrag vom 19. November 2021, eingebracht am 24. November 2021, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die §§1 und 2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021, in eventu, dass die Wortfolge "für die keine Lenkberechtigung im Sinne des §2 Führerscheingesetz, BGBl I Nr 120/1997 in der Fassung BGBl I Nr 48/2021 erforderlich ist" in §1 dieser Verordnung, gesetzwidrig waren bzw war.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021, lautete (ohne Anlagen) wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Auf Grund der §§4 Abs1 und 7 Abs2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020, in der Fassung BGBl I Nr 33/2021, wird verordnet:
Maskentragepflicht
§1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist beim Betreten oder Befahren der in den Anlagen 1 bis 5 planlich dargestellten stark frequentierten öffentlichen Orte im Freien von Fußgängern und Benutzern von Fortbewegungsmitteln jeglicher Art, für die keine Lenkberechtigung im Sinne des §2 Führerscheingesetz, BGBl I Nr 120/1997 in der Fassung BGBl I Nr 48/2021 erforderlich ist, zusätzlich zu den in der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmen-verordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 139/2021, getroffenen Anordnungen eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen.
Ausnahmen von der Maskentragepflicht
§2. (1) Die Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder einer Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard gemäß §1 besteht nicht, sofern ein Ausnahmegrund nach §17 Abs3 bis 6 und Abs8 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 120/2021 vorliegt. Liegt eine solche Ausnahme vor, so gilt §17 Abs3 bis 6 und Abs8 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 139/2021 sinngemäß.
(2) Das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gemäß §17 Abs3 bis 6 und Abs8 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 139/2021 ist auf Verlangen gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes glaubhaft zu machen.
Inkrafttreten
§3. Diese Verordnung tritt mit 1. April 2021 in Kraft und mit Ablauf des 10. April 2021 außer Kraft."
2. Die Anlagen 1 bis 5 zur Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021, stellen den örtlichen Geltungsbereich der Verordnung – fünf nicht zusammenhängende öffentliche Orte in Wien – planlich dar.
3. Mit den Novellen LGBl 20/2021 und LGBl 23/2021 wurde das Außerkrafttreten der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021, (vgl §3 leg. cit.) zunächst auf den 18. April 2021 und sodann endgültig auf den 2. Mai 2021 verschoben.
III. Antragsvorbringen
Der Antragsteller bringt zu seiner Antragslegitimation Folgendes vor:
"Nachstehend wird die Rechtsposition konkret dargelegt und begründet, inwiefern in diese eingegriffen wird, es werden die Unmittelbarkeit und Aktualität des Eingriffs und das Fehlen eines anderen zumutbaren Weges dargestellt.
Die angefochtenen Rechtsvorschriften bestimmten, dass ich an den in den Anlagen 1 bis 5 planlich dargestellten Orten eine FFP2-Schutzmaske zu tragen hatte, wenn ich diese Orte als Fußgänger oder Benützer eines Fortbewegungsmittels jeglicher Art, für das keine Lenkberechtigung im Sinne des §2 Führerscheingesetz erforderlich war, betrat oder befuhr.
Ich bin bzw war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der gegenständlichen Verordnung Einzelunternehmer und betreute den "**************" auf dem Donaukanal ****, **************************. Der ************** war und ist ein Ort für Veranstaltungen aus Kunst und Kultur, Freizeit und Sport, sowie für private Initiativen. Wir bieten Infrastruktur für Veranstaltungen, Feste, Konzerte, Symposien etc.
Ich bin/war daher auf meinem Arbeitsweg bzw bei Geschäftsbesuchen auf die in der bekämpften Verordnung dargestellten Wege angewiesen. Die Verordnung zur Maskentragepflicht traf bzw trifft mich am Donaukanal, am Schwedenplatz, am Maria-Theresien-Platz bzw Museumsplatz, am Karlsplatz und am Stephansplatz.
Nicht nur aus beruflichen, sondern auch aus Sozialverantwortungsgründen bewegte ich mich hauptsächlich mit Fahrzeugen, für die keine Lenkberechtigung im Sinne des §2 Führerscheingesetz erforderlich waren, fort, vornehmlich mit Fahrrädern. Daher galt die Maskentragepflicht des §1 der bekämpften Verordnung für mich an den genannten Orten.
Weiters benütze/benützte ich die Strecken am Donaukanal für die Ausübung meines dem körperlichen Wohlbefinden dienenden Jogginglaufs sowie als Radfahrer. Ich gehörte hierbei keinerlei Verein an, sondern betätigte mich ausschließlich selbstbestimmt für ein körperliches Wohlbefinden entsprechend der WHO-Empfehlung zu mindestens 75 bis 150 Minuten intensivem Ausdauersport pro Woche. Aufgrund der Abwesenheit von Kraftfahrzeugen und dem Erholungszweck bewegte ich mich hauptsächlich am Donaukanal.
Die Stadt Wien stand auf dem Rechtsstandpunkt, dass der §2 der bekämpften Verordnung, der die Ausnahmen der Maskentragepflicht regelte und einen Ausnahmegrund nach §17 Abs3 bis 6 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung vorsah, nicht für die Ausübung von Hobbysport galt, sondern nur für geförderten Sport an betreuten Sportplätzen und Sportstätten, siehe diesbezügliche Facebook- und Twitter-Meldungen der Stadt Wien (Beilagen […]).
Der Individualantrag ist daher zulässig, da ich einerseits privat sowie auch beruflich die in der Verordnung genannten Flächen benütze bzw vor Außerkrafttretens der Verordnung benützte, weshalb die oben genannten Regelungen der Verordnung unmittelbar in meine Rechtssphäre eingriffen und direkt für mich wirksam geworden sind. Letztlich betreibe ich am Donaukanal einen Gastronomiebetrieb und war durch die Verordnung in meinem wirtschaftlichen Fortkommen beeinträchtigt.
Da das COVID-19-Regelungssystem der Bewältigung einer krisenhaften Situation dient, die eine laufende Beobachtung und Anpassung der Maßnahmen verlangt und eine „rasche Abfolge von Bestehen und Änderung einzelner Verordnungen und Verordnungsbestimmungen" bewirkt, können in einer solchen Situation auch außer Kraft getretene Bestimmungen die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers beeinträchtigen, weshalb eine Antragslegitimation meinerseits jedenfalls gegeben ist (vgl V363/2020)."
IV. Zulässigkeit
Der Antrag ist nicht zulässig:
1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
2. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
3. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung der §§1 und 2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021. Diese Verordnung trat mit 1. April 2021 in Kraft und – nach Novellierung des §3 leg.cit. durch LGBl 20/2021 und LGBl 23/2021 – mit Ablauf des 2. Mai 2021 außer Kraft.
4. Da die angefochtene Verordnung im Zeitpunkt der Antragstellung (24. November 2021) bereits seit über einem halben Jahr außer Kraft getreten war, fehlt es bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung einer – aktuellen – Beeinträchtigung von rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung (vgl VfGH 1.10.2020, G272/2020; 29.9.2021, V571/2020). Daran vermag auch der Hinweis des Antragstellers auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, V363/2020, nichts zu ändern, weil der dort zu beurteilende Individualantrag auf Verordnungsprüfung – im Unterschied zum vorliegenden Fall – noch während aufrechter Geltungsdauer der Verordnung gestellt worden war. Auch hat der Antragsteller nicht dargetan, dass besondere Umstände vorliegen, die aus rechtsstaatlichen Gründen die Zulässigkeit der Stellung eines Individualantrags auf Verordnungsprüfung auch noch nach Außerkrafttreten der Verordnung verlangen würden.
5. Der Antrag ist daher – schon aus diesem Grund – unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, COVID (Corona)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:V302.2021Zuletzt aktualisiert am
14.02.2022