TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/20 94/17/0299

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Veröffentlicht am 20.09.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs2;
AVG §71 Abs3;
AVG §71;
VStG §24;
VStG §49 Abs1;
VStG §51 Abs1 idF 1995/620;
VStG §51 Abs1;
VStG §51 Abs3;
VStG §51e Abs2 idF 1995/620;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. A in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 2. März 1994, Zl. UVS-06/20/00091/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. einer Übertretung des Preisauszeichnungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien vom 28. September 1993 wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 9 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 des Preisauszeichnungsgesetzes eine Geldstrafe von S 1.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt. Diese Strafverfügung wurde nach Vornahme eines ersten Zustellversuches am 25. Oktober 1993 und nach einem zweiten Zustellversuch am 27. Oktober 1993 hinterlegt und ab dem 28. Oktober 1993 zur Abholung bereitgehalten. Nach Verstreichen der Abholfrist wurde das Schriftstück an die Behörde erster Instanz zurückgestellt. Der Berufungswerber sprach am 6. Dezember 1993 bei der Behörde erster Instanz vor und übernahm die Originalstrafverfügung. In einer weiteren Vorsprache am 14. Dezember 1993 brachte der Beschwerdeführer sodann mündlich einen Wiedereinsetzungsantrag bezüglich der Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches ein, da die Zustellung der Strafverfügung rechtswidrig gewesen sei, und erhob mündlich Einspruch gegen die Strafverfügung. Der Antragsteller führte aus, daß er zum Zeitpunkt der Zustellung nicht in Österreich, sondern in Jugoslawien aufhältig gewesen sei und daß er erst am 6. Dezember 1993 von der Zustellung Kenntnis erlangt habe.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 18. Jänner 1994 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Begründet wurde die Abweisung damit, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ortsabwesenheit durch den vom Beschwerdeführer vorgelegten Paß, in dem sich keine entsprechenden Stempel über eine Ausreise zum fraglichen Zeitpunkt fänden, nicht nachgewiesen habe werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Abänderung, daß der Spruch dahingehend zu lauten habe, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen werde. Begründend führt die belangte Behörde aus, daß gemäß § 13 Abs. 2 AVG Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, schriflich einzubringen seien. Da für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages gesetzlich keine Ausnahme vorgesehen sei und es sich dabei um ein Anbringen, das an eine Frist gebunden ist, handle, wäre dieser Antrag schriftlich einzubringen gewesen. Da der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag mündlich bei der Behörde erster Instanz eingebracht habe, sei der Antrag zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf Rechtsbelehrung gemäß § 13a AVG und im Recht auf rechtsrichtige Anwendung des § 71 AVG in Verbindung mit § 13 AVG geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 51 Abs. 1 VStG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 lautet:

"§ 51.(1) Dem Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde."

Nach übereinstimmender Meinung in Lehre und Rechtsprechung bedeutete § 51 Abs. 1 VStG auch, daß die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens gegen verfahrensrechtliche Bescheide im Verwaltungsstrafverfahren Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erheben konnten (vgl. das hg Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0402, und z.B. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Auflage, 203, sowie das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 13. Dezember 1990, GZ. 600.127/14-V/2/90, in: Holzinger/Köhler, Verwaltungsverfahrensrecht, 402, mit Nachweisen aus den Erläuterungen zu den Novellen zum AVG und zum VStG im Jahre 1990, 1089 und 1090 BlgNR XVII. GP, und Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 51c VStG betreffend die Abgrenzung der Kammer- und der Einzelmitgliedzuständigkeit); wenn § 51 Abs. 1 und § 51e Abs. 2 VStG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 nunmehr ausdrücklich auf verfahrensrechtliche Bescheide Bezug nimmt, so stellt das keine Änderung der Rechtslage gegenüber der Fassung vor der Novelle 1995 dar; dazu Walter-Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1995, 98f. Die belangte Behörde war daher zuständig, über die Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages in der Verwaltungsstrafsache wegen Übertretung des Preisauszeichnungsgesetzes zu entscheiden.

2. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, kann die Berufungsbehörde, soferne die Berufung nicht zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst entscheiden und ist "berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern." Dies bedeutet - bezogen auf den Beschwerdefall -, daß die belangte Behörde auch berechtigt war, den bei ihr angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich des Spruches (Zurückweisung anstelle einer Abweisung) und in Verbindung damit auch hinsichtlich der Begründung (Zurückweisung, da durch die mündliche Antragstellung kein zulässiger Antrag vorlag, anstelle der von der Erstbehörde herangezogenen Begründung, daß der vom Beschwerdeführer behauptete Sachverhalt sich nicht habe erweisen lassen) abzuändern.

3. Die belangte Behörde hat die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages damit begründet, daß gemäß § 71 Abs. 2 AVG, demzufolge der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen ist, in Verbindung mit § 13 Abs. 2 AVG ein Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG schriftlich zu stellen sei. Im Hinblick auf § 49 Abs. 1 und § 51 Abs. 3 VStG, die die Erhebung des Einspruches bzw. der Berufung im Berufungsverfahren nach dem VStG auch mündlich zulassen, kann der belangten Behörde in dieser Rechtsauffassung insoweit nicht gefolgt werden, als bei der gleichzeitigen Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages mit der versäumten Berufung oder dem versäumten Einspruch (§ 71 Abs. 3 AVG) nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Einschreiter zwar den Einspruch oder die Berufung mündlich einbringen könne, dies aber für den Wiedereinsetzungsantrag nicht gelten solle. Im Hinblick auf die Anordnung des § 71 Abs. 3 AVG ist der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsauffassung, daß bei der gleichzeitigen Einbringung von Rechtsmitteln im Verwaltungsstrafverfahren mit einem Wiedereinsetzungsantrag auch für den Wiedereinsetzungsantrag die für den Einspruch bzw. die Berufung vorgesehene Form ausreichend ist.

Die belangte Behörde hätte daher die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages nicht darauf stützen dürfen, daß der Beschwerdeführer den Wiedereinsetzungsantrag nicht schriftlich gestellt hat.

4. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid jedoch auch ergänzend darauf hingewiesen, die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung führe dazu, daß er keinen Wiedereinsetzungstatbestand dargetan habe, weil er nach diesen seinen Angaben keine Frist versäumt hätte. Diese Feststellung konnte die belangte Behörde jedoch auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse und insbesondere auch auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers selbst nicht ohne weiteres treffen. Der Sachverhalt war in diesem Zusammenhang mangels Vorliegens schlüssiger Beweisergebnisse aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag einerseits und der Feststellungen der Behörde erster Instanz andererseits nicht dahingehend klargestellt, daß tatsächlich keine wirksame Zustellung iSd § 17 ZustG stattgefunden habe und der Wiedereinsetzungsantrag deshalb zurückzuweisen gewesen wäre.

5. Da die belangte Behörde, offenbar ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht, Erhebungen darüber unterlassen hat, ob die Zustellung der Strafverfügung an den Beschwerdeführer wirksam gewesen ist, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrags auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994170299.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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