TE OGH 2021/11/29 8ObA58/21v

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Veröffentlicht am 29.11.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D* N*, vertreten durch Rainer-Rück-Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Österreichischer Rundfunk, 1136 Wien, Würzburggasse 30, vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 39.896,13 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Juli 2021, GZ 15 Ra 41/21y-31, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. März 2021, GZ 79 Cga 22/20h-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreter binnen 14 Tagen brutto 39.896,13 EUR samt 8,58 % Zinsen aus brutto 646,79 EUR seit 1. 5. 2017, 646,79 EUR seit 1. 6. 2017, 646,79 EUR seit 1. 7. 2017, 646,79 EUR seit 1. 8. 2017, 646,79 EUR seit 1. 9. 2017, 646,79 EUR seit 1. 10. 2017, 646,79 EUR seit 1. 10. 2017, 646,79 EUR seit 1. 11. 2017, 646,79 EUR seit 1. 12. 2017, 659,42 EUR seit 1. 1. 2018, 659,42 EUR seit 1. 2. 2018, 824,27 EUR seit 1. 3. 2018, 824,27 EUR seit 1. 4. 2018, 680,58 EUR seit 1. 4. 2018, 824,27 EUR seit 1. 5. 2018, 824,27 EUR seit 1. 6. 2018, 824,27 EUR seit 1. 7. 2018, 824,27 EUR seit 1. 8. 2018, 824,27 EUR seit 1. 9. 2018, 824,27 EUR seit 1. 10. 2018, 824,27 EUR seit 1. 10. 2018, 824,27 EUR seit 1. 11. 2018, 824,27 EUR seit 1. 12. 2018, 840,75 EUR seit 1. 1. 2019, 840,75 EUR seit 1. 2. 2019, 840,75 EUR seit 1. 3. 2019, 840,75 EUR seit 1. 4. 2019, 832,51 EUR seit 1. 4. 2019, 840,75 EUR seit 1. 5. 2019, 840,75 EUR seit  1. 6. 2019, 840,75 EUR seit 1. 7. 2019, 840,75 EUR seit 1. 8. 2019, 840,75 EUR seit 1. 9. 2019, 840,75 EUR seit 1. 10. 2019, 840,75 EUR seit 1. 10. 2019, 840,75 EUR seit 1. 11. 2019, 840,75 EUR seit 1. 12. 2019, 849,46 EUR seit 1. 1. 2020, 867,79 EUR seit 1. 2. 2020, 867,79 EUR seit 1. 3. 2020, 867,79 EUR seit 1. 4. 2020 und 851,22 EUR seit 1. 4. 2020 zu bezahlen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.492,68 EUR (darin 2.248,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 5.210,62 EUR (darin 510,77 EUR USt und 2.146 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit 5.260,74 EUR (darin 368,29 EUR USt und 3.051 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Verfahrens dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Die beim beklagten ORF in dessen Tiroler Landesstudio beschäftigte Klägerin ist vom Beklagten als „Redaktions- und Programmmitarbeiterin in der Verwendungsgruppe 10“ eingestuft und wird entsprechend derselben entlohnt. Bis Jänner 2018 erstellte sie ausschließlich TV-Veranstaltungstipps, ab Februar 2018 kamen Veranstaltungstipps für das Radio dazu. Die Veranstaltungstipps lauten beispielsweise „Beschwingliche und beschwingte Melodien zur Weihnachtszeit erklingen mit Mario und Christoph. Weihnacht in den Bergen, am Samstag in der Pfarrkirche Axams.“ oder „Mit bodenständigem Dialekt und eingängigen Melodien, damit können die drei Schwestern aus dem Mühlviertel ihre Fans überzeugen. Am 7. Dezember geben die Poxrucker Sisters ein besinnliches Konzert in Hochfilzen.“. Die Veranstaltungstipps sind vor der Fernsehsendung „Tirol heute“ ein eigener Programmpunkt der sogenannten – aus Veranstaltungstipps, Ratgebern, Trailern für Sendungen und Hinweisen im öffentlichen Interesse bestehenden – Trailerschiene.

[2]       Für Veranstaltungen wurde vom Beklagten ein eigenes E-Mail-Postfach (veranstaltungen.tirol@orf.at) eingerichtet. Die Klägerin bewertet die dort eingehenden Veranstaltungen selbstständig und ohne Rücksprache mit einem Vorgesetzten dahin, ob sie für Radio oder Fernsehen interessant oder zu verwerfen sind. Zur Auswahl der Veranstaltungen arbeitet sie nicht nur mit den eingehenden Mails und sonstigen ihr zukommenden Hinweisen, sondern schaut sich auch Flyer und Plakate auf der Straße und diverse Homepages an. Sie verfasst den Text des Veranstaltungstipps und spricht diesen selbst für das Fernehen, recherchiert Bildmaterial aus dem ORF-Archiv bzw organisiert solches vom Veranstalter und sucht eventuell untermalende Musik im Archiv oder Internet. Das Audiofile wird von ihr alleine fertig geschnitten und an den Schnittplatz gesendet. Weiters bereitet sie eine Grafik vor, nämlich eine Einblendung mit Titel, Tag, Uhrzeit und Ort der Veranstaltung. Es folgt der Schnitt des TV-Tipps am Fernseh-Regieplatz mit dem diensthabenden Bildmeister, welcher unter Anleitung der Klägerin und nach deren Vorgaben schneidet und die von ihr erstellte Grafik hinzusetzt. Pro Woche werden durchschnittlich 8 bis 10 Fernsehtipps mit einer Länge von etwa 25 Sekunden von der Klägerin erstellt. Die Marketingabteilung sieht sich jeden Tipp, bevor er im Fernsehen ausgestrahlt wird, dahingehend an, ob er technisch in Ordnung ist (zB Lautstärke Ton, Schnitt, Schreibfehler Insert); eine inhaltliche Prüfung wird nicht vorgenommen.

[3]       Im Radio werden die von der Klägerin erstellten Tipps – für die sie auch eventuell dazu passende O-Töne oder Musik- oder Kabarettausschnitte recherchiert – nicht von ihr, sondern dem jeweiligen Moderator gesprochen. Sie werden von diesem entweder verlesen oder entsprechend umformuliert.

[4]       Die Klägerin führt keine Interviews oder Reportagen durch. Sie moderiert keine Sendungen, gestaltet keine Online-Angebote, führt keine Regie und macht keine Mischung. Sie schult und unterweist keine Redaktionsmitarbeiter oder Redakteursaspiranten und ist auch nicht auswärts unterwegs.

[5]       In dem einen Bestandteil des anzuwendenden Kollektivvertrags des Beklagten bildenden „Redakteurschema“ werden die Verwendungsgruppen (VG) 10 und 13 (die Verwendungsgruppen 11 und 12 existieren nicht) wie folgt definiert:

Aufgaben Redaktions- und Programmmitarbeiter VG 10:

Assistenz bei der Vorbereitung, Abwicklung und Nachbetreuung von Sendungen bzw. Sendungsteilen und Online-Angeboten auf Anweisung, in Teilbereichen eigenständig; jedoch keine Redakteurstätigkeit, wie

mediengerechtes Verwerten von Meldungen und Beiträgen für Radio, Fernsehen, Online-Print und interne Kommunikation; Einholen von Statements bei phone-in-Sendungen; Formulieren und Sprechen von Programmansagen und verbindenden Worten (im Radio auch live); Sprechen von Texten; Musikprogrammierung (Füll- und Hintergrundmusik, Programmierung von Sendeflächen nach Vorgaben); technische Bearbeitung und Aktualisierung von Programmelementen (Kürzen, Ergänzen und Ersetzen von Ton, Bild und Grafik); Monitoring; Ablaufregie; Aufnahmeleitung; Herstellung von Online-Angeboten (wie technische Umsetzung des Layouts, Montage, Bearbeitung von Bild, Ton und Grafik, Programmierung und technische Betreuung von Spezialseiten und Audiodateien),

einschließlich der damit verbundenen organisatorisch-administrativen Aufgaben sowie der Bedienung berufsspezifischer technischer Einrichtungen (soweit dafür kein speziell geschultes technisches Personal erforderlich ist).

Aufgaben Redakteur VG 13:

Eigenverantwortliche Planung, Gestaltung und Herstellung (Abwicklung) journalistischer und weiterer Programmangebote, insbesondere von Sendungen (Sendungsteilen) für Hörfunk und Fernsehen, wie

Verfassen und Redigieren von Meldungen, Beiträgen und Manuskripten; Durchführung von Interviews und Reportagen; Gestalten, Sprechen, Moderation und Präsentation von Sendungen (auch live), ausgenommen Fernsehsendungen, die durch das Auswechseln des Präsentators wesentlich in ihrem Charakter verändert würden; Fertigstellung von Produktionen (Schnitt, Regie, Mischung, Nachbearbeitung etc.); Recherchieren, Verifizieren; Auswahl und Beurteilung von Fremdproduktionen; Prüfung der Einhaltung gesetzlicher, programminhaltlicher Auflagen (ORF-Gesetz etc.); Gestaltung von Online-Angeboten; Schulung und Unterweisung von Redaktionsmitarbeitern und Redakteursaspiranten

einschließlich der damit verbundenen organisatorisch-administrativen Aufgaben sowie der Bedienung berufsspezifischer technischer Einrichtungen (soweit dafür kein speziell geschultes technisches Personal erforderlich ist).“

[6]       Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die der Höhe nach unstrittige Differenz aus der ihr vom Beklagten zuerkannten Entlohnung nach der VG 10 und der von ihr beanspruchten Entlohnung nach der VG 13. Sie entscheide völlig eigenständig und eigenverantwortlich, „was, wann und wie“ im Rahmen der Veranstaltungstipps gesendet wird. Die in VG 13 einzureihenden Tätigkeiten würden jedenfalls zeitlich überwiegen. Die Klägerin werde innerhalb des ORF seit jeher als die für die Veranstaltungstipps zuständige Redakteurin wahrgenommen und auch nach außen hin als entsprechende Ansprechperson des ORF Tirol genannt. Vor der Klägerin seien die Veranstaltungstipps ausschließlich von Redakteuren, die zumindest in VG 13 eingestuft gewesen seien, verfasst worden, die Klägerin sei die erste „Veranstaltungstipp-Produzentin“, bei der dies nicht der Fall sei.

[7]            Der Beklagte bestritt das Klagebegehren (nur) dem Grunde nach. Er wandte unter anderem ein, dass selbst die Tätigkeit der Klägerin für das Fernsehen und umso mehr jene für das Radio bloß eine assistierende Tätigkeit iSd VG 10 sei.

[8]       Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen den eingangs – gekürzt auf das Wesentliche – wiedergegebenen Sachverhalt fest. Weiters traf es negative Feststellungen zu den Fragen, ob vor der Klägerin die TV-Veranstaltungstipps ausschließlich von Redakteuren, die zumindest in VG 13 eingestuft waren, gestaltet und produziert wurden und ob vor der Klägerin jemand überwiegend oder ausschließlich Veranstaltungstipps machte und in VG 13 eingestuft war.

[9]       Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt – soweit für das Verständnis des Revisionsurteils wesentlich – dahin, dass nicht entscheidend sei, ob die Klägerin als Redakteurin wahrgenommen wird, sondern ob ihre Tätigkeit überwiegend dem Tätigkeitsbild VG 13 entspricht. Die selbstständige Herstellung der TV-Veranstaltungstipps erfülle die Voraussetzungen der VG 13, wohingegen die Tätigkeit der Klägerin für das Radio nur VG 10 zu unterstellen sei.

[10]     Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es verwarf die Verfahrens- und Tatsachenrügen des Beklagten und trat rechtlich – soweit für das Verständnis des Revisionsurteils wesentlich – der Beurteilung des Erstgerichts bei, dass die Erstellung der Veranstaltungstipps für das Fernsehen unter die VG 13, jene für das Radio aber unter die VG 10 falle. Zwar überwiege ab Februar 2018 die bloß unter VG 10 fallende Tätigkeit der Klägerin. Das Berufungsgericht vertrat aber die Ansicht, dass ein Dienstnehmer, der in einer höheren Verwendungsgruppe eingestuft war oder einzustufen gewesen wäre, dann, wenn er – wie hier – über Initiative des Dienstgebers und infolge geänderter technischer Voraussetzungen und erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten zusätzliche Arbeitskapazitäten erlange und weitere Tätigkeiten überantwortetet erhalte und verrichte, die tatsächlich einer niedrigeren Verwendungsgruppe zuzuordnen sind, nicht gegen seinen Willen bzw ohne Änderungskündigung geringer entlohnt werden dürfe. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen.

[11]     Gegen das Berufungsurteil richtet sich die aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision des Beklagten mit einem auf Abweisung der Klage gerichteten Abänderungsantrag.

[12]     Die Klägerin beantragt in der ihr vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[13]     Die außerordentliche Revision ist zur Klarstellung zulässig, sie ist auch berechtigt.

[14]     1. Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen; maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RS0010088). In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089 [T2]).

[15]     Zentral maßgeblich für die Einstufungsmodelle der Kollektivverträge ist die Tätigkeit des Arbeitnehmers, weil aus ihr die Wertschöpfung für den Arbeitgeber und damit seine eigentliche Motivation für die Begründung des Arbeitsverhältnisses liegt. Für die Einstufung kommt es daher in der Regel auf die Tätigkeitsmerkmale, auf den Inhalt der Arbeit und auf die tatsächlich vorwiegend ausgeübte Tätigkeit an (8 ObA 20/09p; RS0064956 [T1]), sofern im Kollektivvertrag keine Sonderregelung vorliegt, die für die Einstufung etwa auf eine bestimmte Ausbildung oder auf eine unabhängig vom tatsächlichen Tätigkeitsbereich ausgeübte formale Funktion des Arbeitnehmers im Betrieb abstellt (8 ObA 74/18t mwN). Insoweit bedarf es aber auch keiner Änderungskündigung wenn bloß noch nach dem Kollektivvertrag geringer eingestufte Tätigkeiten verrichtet werden (vgl auch § 101 ArbVG).

[16]     2. Dies bedeutet für den zu entscheidenden Fall, dass – wie bereits von den Vorinstanzen erkannt – für die Einstufung der Klägerin nicht maßgeblich ist, ob sie im Betrieb des Beklagten (und/oder aus Sicht von dessen Kunden) als „die für Veranstaltungstipps zuständige Redakteurin“ wahrgenommen wird, sondern ob die von ihr (vorwiegend) verrichtete Tätigkeit unter eine bestimmte kollektivvertragliche Verwendungsgruppe (VG) des Redakteursschemas des Beklagten zu subsumieren ist.

[17]     3.1. Eine systematische Auslegung von VG 10 und VG 13 (sowie auch VG 15; vgl dazu 8 ObA 74/18t) des Redakteursschemas zeigt, dass von VG zu VG die Bedeutung der Tätigkeit im Sinne einer journalistischen Wertigkeit zunimmt (VG 10: „Assistenz …“; VG 13: „Eigenverantwortliche …“, VG 15: „Leitung …“). Das jeweils im ersten Absatz von VG 10 und VG 13 allgemein Umschriebene („Assistenz …“ bzw „Eigenverantwortliche …“) wird jeweils im zweiten Absatz demonstrativ (argumento „wie …“) erläutert. So reicht für die Annahme bloßer „Assistenz ...“ (VG 10) zB das „Einholen von Statements bei phone-in-Sendungen“ oder das „Formulieren und Sprechen von Programmansagen und verbindenden Worten“ sowie das „Sprechen von Texten“, während als Beispiele für VG 13 – deutlich höherwertig – zB ein „Verfassen und Redigieren von Meldungen, Beiträgen und Manuskripten“, die „Durchführung von Interviews und Reportagen“ oder „Gestalten, Sprechen, Moderation und Präsentation von Sendungen“ angeführt sind. Weil die Beispiele im jeweils zweiten Absatz von VG 10 und VG 13 nur demonstrativ angeführt sind, steht einer Einstufung in die eine oder andere VG zwar nicht zwingend entgegen, dass die konkrete Tätigkeit unter keinen der Beispielsfälle zu subsumieren ist. Aus den Beispielen ist aber ersichtlich, welche Wertigkeit in etwa eine Tätigkeit haben muss, um der einen oder anderen VG zugeordnet werden zu können. Um eine Tätigkeit unter VG 13 subsumieren zu können, muss daher nicht nur eine Einordnung unter den ersten Absatz dieser Bestimmung möglich sein, es muss die Tätigkeit zudem eine Wertigkeit erreichen, die jener der im zweiten Absatz aufgezählten Beispiele entspricht.

[18]     3.2. Gerade dies ist bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht der Fall. Die Herstellung von 25-sekündigen Veranstaltungstipps für das Fernsehen erreicht nicht die Wertigkeit jener Tätigkeiten, die die Kollektivvertragsparteien – wie aus dem zweiten Absatz der Bestimmung ersichtlich – vor Augen hatten und als Beispiele (argumento „wie“) für Tätigkeiten im Sinn des ersten Absatzes von VG 13 anführten.

[19]     3.3. Die Tätigkeit der Klägerin entspricht ihrer Wertigkeit nach vielmehr dem in VG 10 genannten „Formulieren und Sprechen von Programmansagen“ (dies im Übrigen auch hinsichtlich der Länge der von ihr hergestellten Veranstaltungstipps). Dass die Klägerin dabei auch „recherchiert“ mag sein, es handelt sich aber um kein „Recherchieren“ iSv VG 13. Um ein solches anzunehmen müsste eine Recherchetätigkeit vorliegen, die an journalistischem Gewicht zB der Durchführung von Interviews entspräche. Dass dies hier nicht der Fall ist, liegt auf der Hand. Nicht jede Informationsbeschaffung kann als – tiefgehende, „journalistische“ – Recherche iSd VG 13 des Redakteursschemas des beklagten ORF angesehen werden.

[20]           3.4. Die Formulierung des ersten Absatzes der VG 10 steht einer Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin unter diese nicht entgegen. Aus den Worten „in Teilbereichen selbstständig“ ist kein Umkehrschluss zu ziehen. Es liegt nahe und zeigt sich auch am Beispiel der Klägerin, dass mit zunehmender Erfahrung „Assistenztätigkeiten“ völlig eigenständig verrichtet werden. Ist ein solcher Mitarbeiter völlig – also nicht nur in Teilbereichen – „eigenständig“, so macht dies ihn aber noch nicht zu einem „Redakteur“ iSd VG 13. Auch kann die Tätigkeit der Klägerin sehr wohl als „Assistenz bei der Vorbereitung … von Sendungen bzw Sendungsteilen“ qualifiziert werden, weil es sich bei der eigentlichen Sendung, dem die Trailerschiene bloß vorgelagert ist, um die Sendung „Tirol heute“ handelt. Bei der Trailerschiene handelt es sich – wenngleich als Vorspann – bloß um einen „Sendungsteil“ dieser Sendung. Von diesem Sendungsteil (Trailerschiene) stellt die Klägerin nur einen (Unter-)Teil her. Durch die Herstellung der 25-sekündigen Veranstaltungstipps assistiert sie demnach bei der „Vorbereitung“ des „Sendungsteils“ Trailerschiene.

[21]           4. Es erweist sich daher der Einwand des Beklagten als berechtigt, dass selbst die Tätigkeit der Klägerin für das Fernsehen keine solche iSd VG 13 ist. Eine Entlohnung der Tätigkeit der Klägerin für das Radio nach VG 13 scheidet umso mehr aus, als diese wertungsmäßig hinter ihrer Fernsehtätigkeit zurückbleibt, sind es doch im Radio die Moderatoren, die ihre Veranstaltungstipps vortragen. Damit ist die Entlohnung der gesamten Tätigkeit der Klägerin nach VG 10 nicht zu beanstanden. Weil sowohl die Fernseh- als auch Radiotätigkeit der Klägerin unter VG 10 einzuordnen ist, kommt es nicht mehr auf die Frage an, welche Tätigkeit – Fernsehen oder Radio – der Klägerin überwiegt und ob das Hinzutreten einer „minderwertigen“ Tätigkeit nach Aufstockung des Beschäftigungsausmaßes dazu führen kann, dass wegen des Umstands, dass die „minderwertige“ Tätigkeit fortan überwiegt, der Dienstnehmer – obgleich er mehr arbeitet und sämtliche bisherige Arbeit weiter leistet – letztlich einer niedrigeren Stufe unterliegt.

[22]     Aufgrund der nicht zu beanstandenden Entlohnung der Klägerin nach VG 10 war ihre Klage abzuweisen.

[23]           4.1. Die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen macht eine neue Kostenentscheidung erforderlich. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jene über die Verfahrenskosten zweiter und dritter Instanz auf §§ 41 iVm 50 ZPO (jeweils iVm § 2 Abs 1 ASGG).

[24]           4.2. Warum der Beklagte, dessen Landesstudio Tirol vom vor dem Landesgericht Innsbruck ausgetragenen Rechtsstreit betroffen ist, eine Wiener Anwaltskanzlei betraute, ist selbst aus der Äußerung des Beklagten ON 23 zu dieser Kosteneinwendung der Klägerin nicht ersichtlich. Nur wenn eine Prozesspartei besondere Gründe für die Beauftragung eines auswärtigen Anwaltes vorzubringen vermag, ist es gerechtfertigt, die durch die Beauftragung eines solchen entstehenden zusätzlichen Kosten dem unterliegenden Prozessgegner aufzulasten (vgl Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.260).

[25]           4.3. Berechtigt ist zudem der Einwand der Klägerin, der am 3. 9. 2020 gestellte Antrag auf Protokollberichtigung sei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen. Tatsächlich war der beanstandete Übertragungsfehler „Sie erstellt keine ordinären [richtig: originär] neuen Beiträge, sondern verwertet ausschließlich bereits bei der beklagten Partei vorhandenes Material.“ offenkundig, weshalb er auch auf bloßen Hinweis durch den Beklagten in der nächsten Tagsatzung nach § 212 Abs 5 letzter Satz ZPO vom Erstgericht zu korrigieren gewesen wäre.

[26]           4.4. Berechtigt ist weiters der Einwand der Klägerin, die nach Anm 1 zu TP 9 begehrten anwaltlichen Fahrtkosten seien nicht bescheinigt worden, zumal alle nicht aktenkundigen Umstände, aus denen eine Partei in der Kostennote einen Kostenersatzanspruch ableitet, einer Bescheinigung bedürfen (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.52). Anm 1 zu TP 9 sieht vor, dass der „Fahrpreis ... zu vergüten“ ist, setzt also eine tatsächliche Entrichtung eines solchen voraus; dieser Umstand bedarf einer Bescheinigung, an der es hier mangelt.

[27]           4.5. Die vom Beklagten verzeichneten Kosten erster Instanz waren daher – gemäß dem Antrag der Klägerin in den Kosteneinwendungen – wie aus dem Spruch ersichtlich herabzusetzen.

Textnummer

E133777

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00058.21V.1129.000

Im RIS seit

10.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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