TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/25 95/01/0243

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Veröffentlicht am 25.09.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Februar 1995, Zl. 4.345.696/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, reiste am 14. Dezember 1994 in das Bundesgebiet ein und stellte am 19. Dezember 1994 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren.

Bei seinen Einvernahmen am 19. und 21. Dezember 1994 vor dem Bundesasylamt beschrieb er seine Fluchtgründe wie folgt:

"Seit 1.12.1992 kämpfte ich auf seiten der bosnischen Armee. Zuerst verteidigte ich meinen Heimatort B auf Seite der Territorialverteidigung und dann blieb ich dabei und das bekam offiziellen Charakter.

Jetzt hatte ich genug von den Kämpfen und entschloß mich dazu, das Land zu verlassen.

Letztes Jahr heiratete ich während einiger Urlaubstage. Ich war schon einige Male verwundet und wollte nun eben nicht mehr mein Leben riskieren.

Meine Frau verließ bereits im Mai 1994 Bosnien, weil sie schwanger war, und ich nicht wollte, daß unser Kind unter derartigen Umständen zur Welt kommt

Ich wollte mich nicht in einem anderen Teil Bosniens niederlassen, weil ich befürchtete, irgendwann aufgegriffen und zur Armee gebracht zu werden. Die bosnische Armee braucht jeden einzelnen wehrpflichtigen Mann. Wie schon gesagt, wollte ich nicht mehr kämpfen.

Auf konkrete Befragung gebe ich an, daß ich gerade jetzt das Land verließ, weil es mir früher nicht möglich gewesen wäre. Ich hatte schon längere Zeit den Entschluß gefaßt, Bosnien zu verlassen, doch ich fand keinen Weg, die Front zu verlassen.

Mein Frau hinterließ bei einer Verwandten in Tuzla eine Nachricht, daß sie sich in Österreich bei ihrer Schwester befindet und so wollte ich unbedingt auch nach Österreich.

Frage: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe anzuführen oder andere Angaben zu machen?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?

Antwort: Ja."

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1995 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl im wesentlichen mit der Begründung ab, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe keine Anhaltspunkte für eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Behörden seines Heimatstaates ergeben, Desertion bilde keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991. Des weiteren erachtete die Behörde erster Instanz auch den Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 als gegeben, weil der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Kroatien bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer die anläßlich seiner Ersteinvernahme gemachten Ausführungen und ergänzte dieses Vorbringen - ohne daß er eine Verfahrensverletzung im Verfahren erster Instanz geltend gemacht hätte -, der eigentliche Grund für seine Flucht sei die aus religiös-ethnisch-nationalen Motiven angestrebte Vernichtung seiner Volksgruppe, weil jedoch keine Aussicht auf eine Beendigung der Kämpfe mehr bestanden habe, habe er es schließlich mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren können, weiterzukämpfen und in dem tödlichen Kriegsgeschehen mitzumachen. Er habe keine Möglichkeit gehabt, mit seiner Familie anderswo in seinem Heimatstaat eine neue Existenz aufzubauen. Auch Verfolgungssicherheit sei vor Einreise in das Bundesgebiet für ihn nicht gegeben gewesen, da er bedingungslos auf den Mann angewiesen gewesen sei, der ihn in seinem LKW mitgenommen habe, und er im übrigen ja versteckt und in der Plane eingerollt keine Möglichkeit zum Aussteigen gehabt habe. Im übrigen sei die Durchreise ohne Unterbrechung erfolgt; das erste Land, in dem er Behördenkontakt aufgenommen habe, sei Österreich gewesen.

Mit dem Bescheid vom 1. Februar 1995 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie übernahm dabei die von der Erstbehörde "klar und übersichtlich zusammengefaßten" Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der Fluchtgründe vollinhaltlich und erhob diese zum Inhalt ihres Bescheides. Die Ausführungen zu der von der Erstbehörde herangezogenen Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 hingegen erachtete die belangte Behörde als "obsolet", da dem Beschwerdeführer bereits die Flüchtlingseigenschaft fehle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeausführungen erschöpfen sich in ihrem rechtlichen Inhalt lediglich darin, der von den Verwaltungsbehörden vertretenen Rechtsmeinung eine gegenteilige entgegenzusetzen, ohne dafür eine - über eine Wiederholung der Sachverhaltsfeststellungen hinausgehende - Begründung zu liefern. Vielmehr wiederholt der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde, wesentlicher Grund für seine Flucht aus seinem Heimatland seien "die Eindrücke der Kriegsereignisse" gewesen bzw. die Verletzungen, welche er während seiner Militärzeit erlitten habe. Der belangten Behörde kann jedoch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie diese Behauptung - auch unter Berücksichtigung der notorischen Ereignisse im Heimatland des Beschwerdeführers - als ungeeignet erachtet hat, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (inhaltlich gleichbedeutend mit Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) glaubhaft zu machen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist weder die wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung ohne weiteren Hinweis auf die im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, genannten Kriterien, noch Bürgerkrieg, Revolte oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen im Heimatland eines Asylwerbers allein oder dessen Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit allein geeignet, eine derartige Verfolgungsgefahr zu begründen, ohne daß der Asylwerber den Zusammenhang zwischen diesen allgemeinen Umständen und der ihn persönlich individuell und konkret drohenden Verfolgungsgefahr selbst herstellt. Derartige Behauptungen hat der Beschwerdeführer jedoch im vorliegenden Fall nicht aufgestellt, weshalb sich auch die von der belangten Behörde daran geknüpfte Rechtsauffassung als zutreffend erweist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995010243.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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