TE Bvwg Beschluss 2022/1/4 W259 2240258-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.01.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.01.2022

Norm

AVG §38
B-VG Art133 Abs4
GehG §169f
GehG §169g
VwGVG §17

Spruch


W259 2240258-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der XXXX :

A) Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom XXXX 2017 beantragte der Beschwerdeführer die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages unter Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und die Nachzahlung allenfalls daraus resultierender Bezüge.

2. In der Folge erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX 2020 die gegenständliche Säumnisbeschwerde betreffend seinen Antrag vom XXXX 2017.

5. Der Verwaltungsgerichtshof legte dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vor:

„1) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein Besoldungssystem ersetzt wird, bei dem sich die Einstufung eines Beamten weiterhin nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem zu einem bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) nicht diskriminierungsfrei ermittelten Besoldungsdienstalter bestimmt und dabei zwar einer Korrektur hinsichtlich der ursprünglich ermittelten Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags unterzogen wird, bei dem aber hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag gelegenen Zeiten nur die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten einer Überprüfung unterliegen und bei dem der Ausweitung des Zeitraums, in dem Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind, um vier Jahre damit begegnet wird, dass die sonstigen, zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzusetzen sind, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen (Pauschalabzug von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren)?

2) Ist die Frage zu 1) für jene Verfahren anders zu beantworten, in welchen vor dem Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 rechtskräftig zwar bereits ein neuer Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, dieser aber noch keine Auswirkung auf die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten hatte, weil eine Entscheidung der Behörde unter unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts noch nicht erfolgt war, und in denen nunmehr neuerlich ohne Berücksichtigung des inzwischen festgesetzten Vorrückungsstichtags der Vergleichsstichtag abermals in Bezug auf den altersdiskriminierend festgesetzten Vorrückungsstichtag zu ermitteln ist und die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten dem Pauschalabzug unterliegen?

3) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der trotz Neuermittlung des Besoldungsdienstalters und der besoldungsrechtlichen Stellung Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft bei Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann voranzusetzen sind, wenn der Beamte nach dem 31. März 2000 in das Dienstverhältnis eingetreten ist, und andernfalls diese Zeiten nur als sonstige zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten vorangestellt werden und damit dem Pauschalabzug unterliegen, wobei diese Regelung tendenziell dienstältere Beamte benachteiligt?“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Schreiben vom XXXX 2017 beantragte der Beschwerdeführer die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages unter Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und die Nachzahlung allenfalls daraus resultierender Bezüge. Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.

In der Folge erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX 2020 die gegenständliche Säumnisbeschwerde betreffend seinen Antrag vom XXXX 2017.

Der Verwaltungsgerichtshof legte dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vor:

„1) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein Besoldungssystem ersetzt wird, bei dem sich die Einstufung eines Beamten weiterhin nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem zu einem bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) nicht diskriminierungsfrei ermittelten Besoldungsdienstalter bestimmt und dabei zwar einer Korrektur hinsichtlich der ursprünglich ermittelten Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags unterzogen wird, bei dem aber hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag gelegenen Zeiten nur die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten einer Überprüfung unterliegen und bei dem der Ausweitung des Zeitraums, in dem Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind, um vier Jahre damit begegnet wird, dass die sonstigen, zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzusetzen sind, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen (Pauschalabzug von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren)?

2) Ist die Frage zu 1) für jene Verfahren anders zu beantworten, in welchen vor dem Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 rechtskräftig zwar bereits ein neuer Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, dieser aber noch keine Auswirkung auf die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten hatte, weil eine Entscheidung der Behörde unter unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts noch nicht erfolgt war, und in denen nunmehr neuerlich ohne Berücksichtigung des inzwischen festgesetzten Vorrückungsstichtags der Vergleichsstichtag abermals in Bezug auf den altersdiskriminierend festgesetzten Vorrückungsstichtag zu ermitteln ist und die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten dem Pauschalabzug unterliegen?

3) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der trotz Neuermittlung des Besoldungsdienstalters und der besoldungsrechtlichen Stellung Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft bei Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann voranzusetzen sind, wenn der Beamte nach dem 31. März 2000 in das Dienstverhältnis eingetreten ist, und andernfalls diese Zeiten nur als sonstige zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten vorangestellt werden und damit dem Pauschalabzug unterliegen, wobei diese Regelung tendenziell dienstältere Beamte benachteiligt?“

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt in Verbindung mit der Beschwerdeschrift sowie dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.10.2021, EU 2021/0005.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu Spruchpunkt A) Aussetzung des Verfahrens:

Gemäß § 38 AVG, der gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, ist eine Behörde/ein Verwaltungsgericht berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid/seinem Erkenntnis zugrunde zu legen. Die Behörde/Das Verwaltungsgericht kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. bei dem zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, wie Unionsrecht auszulegen ist, einschließlich der Frage, ob es unmittelbar anwendbar ist und innerstaatliches Recht verdrängt, eine Vorfrage iSd § 38 AVG, weil sie zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Union in Angelegenheiten des primären und sekundären Unionsrechts von einem (diesem) Gericht zu entscheiden ist (s. etwa VwGH 13.12.2011, 2011/22/0316; 09.11.2011, 2011/22/0284; 28.10.2008, 2008/05/0129; 22.02.2001, 2001/04/0034; vgl. hierzu weiters die Vielzahl an Judikatur- und Literaturhinweisen in Hengstschläger/Leeb, AVG, § 38, Rz 17).

Die Beantwortung der festgestellten Fragen im Wege des anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist für das vorliegende, gleich gelagerte Beschwerdeverfahren präjudiziell, weil auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Bestimmungen über die Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung (einschließlich jener über den „Pauschalabzug“ nach § 169g Abs. 4 GehG) zur Anwendung kommen. Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG sind daher gegeben. Das Beschwerdeverfahren ist daher bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, vorgelegten Fragen auszusetzen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die oben unter Pkt. II.3. zitierte Rechtsprechung) oder bestünden Zweifel an der Präjudizialität der Vorlagefragen für das vorliegende Verfahren. Schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aussetzung Besoldungsdienstalter besoldungsrechtliche Stellung EuGH Unionsrecht Vorabentscheidungsverfahren Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:W259.2240258.1.00

Im RIS seit

03.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten