TE Bvwg Beschluss 2022/1/12 W246 2249377-1

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Veröffentlicht am 12.01.2022
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Entscheidungsdatum

12.01.2022

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG §169f
GehG §169g
VwGVG §34 Abs3

Spruch


W246 2249377-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des Mag.(FH) XXXX , vertreten durch die HOCHWIMMER & HORCICKA Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Kommando Streitkräfte vom 15.11.2021, Zl. P811946/84-KdoSK/J1/2020(3), in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 03.12.2021, Zl. P811946/84-KdoSK/J1/2020(4), den Beschluss:

A) Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dem zur Zl. Ra 2020/12/0068 anhängigen Verfahren ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Schreiben vom 17.12.2010 beantragte der Beschwerdeführer, ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehender Beamter des militärischen Dienstes, die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages durch Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten.

2. Mit Bescheid vom 10.11.2021 setzte das Kommando Streitkräfte (in der Folge: die Behörde) das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers gemäß § 169f Abs. 1 GehG fest.

3. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 11.11.2021 eine Säumnisbeschwerde.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 15.11.2021 hob die Behörde den Bescheid vom 10.11.2021 gemäß § 68 Abs. 2 AVG auf und setzte das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers gemäß § 169f Abs. 3 GehG sowie den Verjährungszeitpunkt der Ansprüche (18.06.2006) fest. Weiters stellte die Behörde das Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG ein.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde. Darin vertritt er im Wesentlichen die Ansicht, dass die nunmehr für die Festsetzung seines Besoldungsdienstalters angewendete gesetzliche Neufassung seine Diskriminierung nicht beseitige.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 03.12.2021 korrigierte die Behörde den o.a. Verjährungszeitpunkt auf 05.10.2006.

7. Mit Schreiben vom 14.12.2021 beantragte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertreter, seine Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

8. Die vorliegende Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde mit Schreiben vom 16.12.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Nach § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3, zweiter Absatz, VwGVG das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

2. Aus den Erläuterungen zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren (RV 2009 BlgNR 24. GP, 8).

Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleichen Rechtsfragen strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes.

Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, Anm. 14 zu § 34 VwGVG).

3. Beim Bundesverwaltungsgericht sind aktuell über 400 gleichgelagerte Verfahren zur Klärung derselben Rechtsfrage anhängig. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall bereits entsprechend der aktuellen Rechtslage entschieden und das Besoldungsdienstalter des betreffenden Beamten um einen Tag verbessert (Zl. W128 2151136-1). Beim Verwaltungsgerichtshof ist zu diesem Erkenntnis das im Spruch genannte Verfahren, dem dieselbe Rechtsfrage wie in dem hier vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, anhängig. In der im genannten Verfahren erhobenen Revision argumentiert der Beschwerdeführer im Wesentlichen – wie auch der Beschwerdeführer in der vorliegenden Beschwerde –, dass der Abzug von vier Jahren zur Hälfte iSd § 169g Abs. 4 GehG unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges unangewendet zu bleiben hätte. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist daher auch für den vorliegenden Fall relevant.

Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass des im Spruch genannten Revisionsverfahrens am 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, beschlossen hat, dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen:

„1) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein Besoldungssystem ersetzt wird, bei dem sich die Einstufung eines Beamten weiterhin nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem zu einem bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) nicht diskriminierungsfrei ermittelten Besoldungsdienstalter bestimmt und dabei zwar einer Korrektur hinsichtlich der ursprünglich ermittelten Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags unterzogen wird, bei dem aber hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag gelegenen Zeiten nur die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten einer Überprüfung unterliegen und bei dem der Ausweitung des Zeitraums, in dem Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind, um vier Jahre damit begegnet wird, dass die sonstigen, zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzusetzen sind, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen (Pauschalabzug von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren)?

2) Ist die Frage zu 1) für jene Verfahren anders zu beantworten, in welchen vor dem Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 rechtskräftig zwar bereits ein neuer Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, dieser aber noch keine Auswirkung auf die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten hatte, weil eine Entscheidung der Behörde unter unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts noch nicht erfolgt war, und in denen nunmehr neuerlich ohne Berücksichtigung des inzwischen festgesetzten Vorrückungsstichtags der Vergleichsstichtag abermals in Bezug auf den altersdiskriminierend festgesetzten Vorrückungsstichtag zu ermitteln ist und die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten dem Pauschalabzug unterliegen?

3) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der trotz Neuermittlung des Besoldungsdienstalters und der besoldungsrechtlichen Stellung Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft bei Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann voranzusetzen sind, wenn der Beamte nach dem 31. März 2000 in das Dienstverhältnis eingetreten ist, und andernfalls diese Zeiten nur als sonstige zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten vorangestellt werden und damit dem Pauschalabzug unterliegen, wobei diese Regelung tendenziell dienstältere Beamte benachteiligt?“

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.

Schlagworte

Aussetzung Besoldungsdienstalter besoldungsrechtliche Stellung EuGH Rechtsfrage Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:W246.2249377.1.00

Im RIS seit

04.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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