TE Vwgh Beschluss 2022/1/20 Ra 2021/04/0226

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2022
beobachten
merken

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §87 Abs1 Z3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des M M in R, vertreten durch die Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. November 2021, Zl. LVwG-AV-1349/001-2021, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Der Revisionswerber betreibt seit 21. Jänner 2015 das reglementierte Gewerbe „Baumeister“ an einem bestimmten Standort.

2        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 2018 wurde dem Revisionswerber auf Grund des Vorliegens von vier Verwaltungsübertretungen im Zeitraum Juli 2016 bis August 2017 das gegenständliche Gewerbe entzogen. Dieser Bescheid wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. Juli 2018 aufgehoben.

3        Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 12. Juli 2021 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber neuerlich die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Baumeister“.

4        2. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Entziehungsbescheid als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5        Zusammengefasst traf das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Feststellungen, der Revisionswerber beschäftige derzeit selbst keine Mitarbeiter. Er arbeite vielmehr als Projektleiter für andere Unternehmen und betreue ca. sechs Baustellen. Auf den Baustellen würden jeweils ca. 10 bis 15 Arbeiter zum Einsatz kommen. Behördliche Kontrollen seit April 2021 hätten keinen Grund zu Beanstandungen ergeben. Das in Tschechien ansässige Unternehmen des Revisionswerbers sei im April 2020 von diesem verkauft worden. Der Revisionswerber habe keine Funktion als Geschäftsführer mehr in diesem Unternehmen. Seit dem Jahr 2014 seien dem Revisionswerber mehrfach Verwaltungsübertretungen unter anderem gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, die Gewerbeordnung, die Straßenverkehrsordnung, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sowie gegen die Niederösterreichische Bauordnung 2014 vorgeworfen und der Revisionswerber jeweils rechtskräftig bestraft worden. Zu den einzelnen Verwaltungsstrafen traf das Verwaltungsgericht jeweils detaillierte Feststellungen betreffend Tathandlungen und Strafausmaß. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht ausgehend von den einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung, seit der zuletzt erfolgten und letztlich mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts aufgehobenen Entziehung der Gewerbeberechtigung seien seitens der belangten Behörde weitere rechtskräftige Verwaltungsstrafen im Zusammenhang mit dem Baumeistergewerbe vorgebracht worden. Auch eine Vielzahl für sich genommen geringfügige Verletzungen könne nach der Rechtsprechung dazu führen, dass ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten sei und insofern das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 Gewerbeordnung 1994 erfüllt sei. Entscheidend sei in einem solchen Fall, dass sich aus der Vielzahl, der Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere der Verletzungen der Schluss ziehen lasse, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Die Schwere der Rechtsverletzung sei anhand der rechtskräftigen Straferkenntnisse und den verhängten Strafen zu beurteilen. Ausgehend von den festgestellten rechtskräftigen Straferkenntnissen hätten sich insbesondere in den wiederholten Verstößen gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des LSD-BG Verstöße gegen die Verpflichtungen eines Arbeitgebers gezeigt. Der Berücksichtigung dieser Verstöße stehe es nicht entgegen, dass der Revisionswerber - wie von ihm vorgebracht - mittlerweile sein tschechisches Unternehmen verkauft habe, weil es nicht darauf ankomme, dass sich exakt dieselben Verstöße wiederholen könnten. Der Revisionswerber habe das Gericht nicht über ein geeignetes Kontrollsystem betreffend die Einhaltung der Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Baumeistergewerbe überzeugen können. Daran vermöge der Einwand, dass es bis dato zu keinen Verletzungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes gekommen sei, nichts zu ändern. Gerade in dem Zeitraum, in welchem nach dem Vorbringen des Revisionswerbers eine Informationsaufnahme bei der Finanzpolizei stattgefunden habe, sei es neuerlich zu Übertretungen des LSD-BG seitens des Revisionswerbers gekommen. Im gegenständlichen Fall ergebe sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als Rechtsvermutung aus den - nicht getilgten - schwerwiegenden Verstößen, weshalb es bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z 3 Gewerbeordnung 1994 erfüllt sei, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers bedürfe. Dabei sei die Beurteilung, ob das Vorliegen bestimmter Verstöße zur Schlussfolgerung zu führen habe, dass der Gewerbebetreibende die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze, von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Die gegenteilige Stellungnahme der Wirtschaftskammer Niederösterreich vermöge an diesen Schlussfolgerungen nichts zu ändern. Insgesamt ergebe sich bei Berücksichtigung der Vielzahl und der näheren Betrachtung der festgestellten Rechtsverletzungen, dass betreffend den Revisionswerber diezur Ausübung des gegenständlichen Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr vorliege.

6        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

7        4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass die Erstellung der Prognose, die für die Frage der Berechtigung der Entziehung der Gewerbeberechtigung anzustellen ist, von den Umständen des Einzelfalls abhängt, die jeweils einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind. Eine schematische Festlegung betreffend die Dauer des erforderlichen Wohlverhaltens ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig angebracht, wie eine schematische Festlegung der Umstände des Einzelfalles betreffend die Strafzumessung oder die Gründe für die Verhängung einer bedingten Nachsicht oder Teilnachsicht der verhängten Strafe (vgl. etwa VwGH 21.4.2021, Ra 2021/04/0074, mwN). Wenn das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die jeweiligen fallbezogenen Umstände im Rahmen der bestehenden Rechtsprechung gewürdigt hat und ihm im Rahmen dieser fallbezogenen Beurteilung keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, kann ein solches Erkenntnis nicht erfolgreich mit Revision angefochten werden.

11       4.3. Die vorliegende Revision zeigt in der Zulässigkeitsbegründung nicht auf, inwiefern die rechtliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht, das in seiner Begründung die Umstände der wiederholten Tathandlungen, die der Strafzumessung jeweils zugrundeliegenden Umstände und darüber hinausgehend die in der mündlichen Verhandlung erzielten Ermittlungsergebnisse ausführlich gegenüber abgewogen hat, eine zu korrigierende Fehlbeurteilung darstelle. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Revision keine konkrete Abweichung durch das Verwaltungsgericht von einer konkret bezeichneten Rechtsprechung aufzeigt.

12       4.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021040226.L00

Im RIS seit

04.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten