TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/15 W158 2240644-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.10.2021

Norm

AVG §17 Abs1
AVG §17 Abs3
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
BWG §70 Abs2
FMABG §1 Abs1
FMABG §2 Abs1
FMABG §22 Abs2a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W158 2240644-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Vorsitzende und die Richter Dr. Martin MORITZ und Mag. Volker NOWAK als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX Versicherungsmakler- und beratungsgesellschaft mbH, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 28.01.2021, GZ: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. lit. a und b wird stattgegeben und der Bescheid insoweit aufgehoben.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. lit c und Spruchpunkt II. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit dem hier angefochtenen Bescheid wies die Finanzmarktaufsichtsbehörde (im Folgenden: FMA) die von der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) gestellten Anträge auf Bekanntgabe des Aktenzeichens und Akteneinsicht im Verfahren zur erfolgten Untersagung des Geschäftsbetriebs einer Bank (Spruchpunkt I. lit. a), Bekanntgabe der eingesetzten Aufsichtsperson samt Kontaktdaten zu dieser (Spruchpunkt I. lit. b), Bekanntgabe der Aktenzeichen und Akteneinsicht in allfällige weitere Verfahren, welche den Verdacht der Malversationen um die Bank betreffen (Spruchpunkt I. lit. c) und auf Auszahlung oder Refundierung eines bestimmten Betrags (Spruchpunkt II.) zurück.

Dem Verfahren liegt zugrunde, dass einer Bank der Geschäftsbetrieb durch die FMA untersagt wurde. Die BF behaupte, sie sei dadurch geschädigt. Sie plane weitere Schritte zu setzen, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Dazu beantragte sie Akteneinsicht in in Spruchpunkt I. genanntem Umfang. Die FMA wies diese Anträge zurück und führte begründend aus, dass die von der BF geltend gemachten Umstände kein Recht auf Akteneinsicht begründeten. Es handle sich dabei lediglich um ein wirtschaftliches Interesse. Der BF komme somit kein Recht auf Akteneinsicht zu. Zu Spruchpunkt II. führte die FMA aus, es bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Auszahlung. Beide Anträge seien daher zurückzuweisen.

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF Beschwerde und beantragte, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der BF Akteneinsicht im Verfahren zur erfolgten Untersagung des Geschäftsbetriebs der Bank und in allfällige weitere Verfahren, welche den Verdacht der Malversationen um die Bank betreffen würden, gewährt werde, sowie die Refundierung des Betrags zu veranlassen, in eventu den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der BF zumindest teilweise Einsicht in das Verfahren zur erfolgten Untersagung des Geschäftsbetriebs der Bank gewährt werde, nämlich in den Mandatsbescheid, mit dem der Geschäftsbetrieb untersagt worden sei, dazu, ab wann der Bescheid wirksam zugestellt worden beziehungsweise generell wirksam geworden sei, sowie die Möglichkeit der Anfertigung einer Aktenabschrift für die BF zu den beiden genannten Unterlagen. Außerdem beantragte die BF zu einer näher ausgeführten Frage eine Vorlage an den EuGH.

Die BF führte dazu mit näherer Begründung aus, dass sich eine Parteistellung aus mehreren Gründen ergebe. Ihr sei daher jedenfalls im beantragten Ausmaß Akteneinsicht zu gewähren. Die Beschwerde zu Spruchpunkt II. werde lediglich aus advokatorischer Umsicht erhoben, da der Betrag im mittlerweile eröffneten Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könne.

I.3. Am 22.03.2021 legte die FMA den Akt und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die BF hatte bei der XXXX Aktiengesellschaft (im Folgenden: Bank) ein Geschäftskonto, dessen Stand am 15.07.2020 € XXXX betrug. Über die Bank wurde nach zwischenzeitiger Untersagung des Geschäftsbetriebs mittels Mandatsbescheids durch die FMA das Insolvenzverfahren eröffnet. In diesem Verfahren hat die BF ihre Forderung nach Abzug der erhaltenen Einlagensicherung in Höhe von € XXXX angemeldet. Einen Teil in Höhe von € XXXX meldete die BF als Masseforderung, in eventu als Insolvenzforderung an, da dieser Betrag erst nach Untersagung des Geschäftsbetriebs am Geschäftskonto eingegangen sei. Der Restbetrag wurde als Insolvenzforderung angemeldet. Die Forderung der BF wurde vom Insolvenzverwalter mit einem Teilbetrag von € XXXX als Insolvenzforderung anerkannt. Die Anmeldung als Masseforderung wurde ebenso bestritten wie ein Teilbetrag von € XXXX , da die Pauschalgebühr nicht ersetzbar und die Zinsenberechnung nicht nachvollziehbar sei.

II.2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist unstrittig und beruht auf unbedenklichen von der BF vorgelegten Unterlagen. Die Feststellungen konnten der Entscheidung daher bedenkenlos zugrunde gelegt werden.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zu Spruchpunkt A):

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Über Beschwerden gegen Bescheide der FMA entscheidet gemäß § 22 Abs. 2a FMABG das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Es ist daher ein Senat zur Entscheidung berufen.

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie ist auch teilweise berechtigt.

II.3.1.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Nach § 17 Abs. 1 AVG können, soweit die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen.

Voraussetzung für die Gestattung von Akteneinsicht nach § 17 AVG ist, dass von der Behörde, der gegenüber Akteneinsicht begehrt wird, ein Verwaltungsverfahren („behördliches Verfahren“ im Sinne des Art. II EGVG) geführt wird beziehungsweise geführt wurde, in dem der Akteneinsichtswerber Parteistellung hat. Damit ein Verfahren als ein derartiges behördliches Verfahren qualifiziert werden kann, in dem von der Verwaltungsbehörde das AVG anzuwenden und gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben beziehungsweise auf Bescheiderlassung zielen (VwGH 04.12.2019, Ra 2019/12/0065).

Dass es sich im gegenständlichen Fall beim Akt, in dem die BF Akteneinsicht beantragt, um ein behördliches Verfahren im Sinne des Art. 2 EGVG handelt, das individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand hat beziehungsweise auf eine Bescheiderlassung zielt, liegt auf der Hand und braucht nicht näher erörtert zu werden. Strittig ist daher allein, ob der BF in diesem Verfahren Parteistellung zukam beziehungsweise zukommt.

Die FMA verneint die Parteistellung damit, dass sich aus dem Vorbringen der BF, sie sei durch die Untersagung der Fortführung des Geschäftsbetriebs geschädigt worden, und es sei aufgrund der erforderlich werdenden Rechtsverfolgung ein rechtliches Interesse gegeben, kein Recht auf Akteneinsicht ableiten ließe. Alleine der Umstand, dass die Einsicht in Akten für jemanden im Hinblick auf die Durchsetzung seiner Interessen in einem anderen Verfahren von Bedeutung wäre, rechtfertige dies nicht. Ebenso wenig vermittle das wirtschaftliche Interesse der BF Parteistellung.

Die BF führt in der Beschwerde zu ihrer angeblichen Parteistellung drei Gründe an. Erstens ergebe sich diese aus § 70 Abs. 2 BWG selbst, zweitens sei sie aus Grundrechten ableitbar, drittens stützt sie sich auf die Kapitalverkehrsfreiheit.

Zum ersten Grund führt die BF näher aus, § 70 Abs. 2 BWG gewähre der Behörde die Möglichkeit, die Fortführung des Geschäftsbetriebs ganz oder auch nur teilweise zu untersagen. Das bedeute, dass es der Behörde nicht frei stehe, in jedem Fall immer den gesamten Geschäftsbetrieb zu schließen, auch wenn dies nur für einzelne Teile beziehungsweise Sparten erforderlich wäre. Für die BF sei gegenwärtig nicht erkennbar, warum aus der normalen Führung/Bereitstellung von Girokonten irgendeine Gefährdung für irgendjemanden entstehen solle. Sie habe dementsprechend ein subjektives Recht darauf, dass § 70 Abs. 2 BWG nicht in einem Ausmaß angewandt werde, das ein Einfrieren ihres Geschäftskontos beinhalte.

Bereits mit diesem Vorbringen ist die BF (zumindest im Ergebnis) im Recht. Zufolge § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichen Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Demnach kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, anhand des AVG alleine nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden. Auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechts muss sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und nach dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung in Verwaltungsangelegenheiten bestimmt sich demnach nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Die Begriffe „Rechtsanspruch“ und „rechtliches Interesse“ gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, nach dem allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann. Das bloß faktische, insbesondere auch wirtschaftliche Interesse an der Einhaltung von Vorschriften des objektiven Rechts begründet keine Parteistellung gemäß § 8 AVG (VwGH 02.08.2019, Ra 2017/11/0021).

Bei der Beurteilung der Frage, woran man ein subjektives Recht erkennt, kommt es auf den Schutzzweck der Norm an. Im Zweifel ist demnach ein subjektives Recht und damit eine Befugnis zur Rechtsverfolgung im Rechts(schutz)staat immer dann zu vermuten, wenn nicht ausschließlich öffentliche Interessen, sondern zumindest auch das Interesse einer im Besonderen betroffenen und damit von der Allgemeinheit abgrenzbaren Person für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war („Schutznormtheorie“). Parteistellung kraft Berührung von Privatrechten setzt voraus, dass deren Wahrung der Verwaltungsbehörde vom (Verwaltungsrechts-)Gesetzgeber zur Pflicht gemacht wird. Ein die Parteistellung vermittelndes subjektiv-öffentliches Recht ist aber im Zweifel schon aus verfassungsrechtlichen Gründen anzunehmen, wenn einer Person als unmittelbare Folge eines Bescheides eine erhebliche Beeinträchtigung eines nicht verfahrensgegenständlichen öffentlichen oder privaten Rechts droht. Nach der ständigen Rechtsprechung vermittelt dagegen das bloß faktische, insbesondere auch wirtschaftliche Interesse an der Einhaltung von Vorschriften des objektiven Rechts noch nicht die Parteistellung einer (weiteren) Person. Anderes gilt nur dann, wenn diese Interessen (Dritter) zu rechtlichen erhoben werden, wenn also die anzuwendenden Normen erkennen lassen, dass sie insofern nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch im Interesse des jeweiligen – besonders betroffenen – Privaten erlassen wurden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 8, Rz 4, 6f mN aus der Rsp).

In seinem Erkenntnis vom 24.10.2006, 2006/17/0143, verneinte der Verwaltungsgerichtshof die Parteistellung einer Aktionärin einer Bank, gegen die ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 Z 7 BWG eingeleitet worden war. Begründend führte er aus, dass eine Parteistellung in einem Verfahren gemäß § 70 Abs. 4 BWG dann gegeben sei, wenn aus dem BWG ersichtlich sei, dass bei der Entscheidung der Behörde über eine allfällige Maßnahme gemäß § 70 Abs. 4 BWG auch auf Rechte Dritter (vom betroffenen Kreditinstitut verschiedener Rechtsträger) Bedacht zu nehmen sei. Parteistellung könne einer vom Kreditinstitut verschiedenen Person nur dann zukommen, wenn aus der anwendbaren materiellen Verwaltungsvorschrift erkennbar wäre, dass der Gesetzgeber individuelle Interessen wahren wollte und nicht bloß Vorschriften im öffentlichen Interesse erlassen hat. Das liege im dort entschiedenen Fall aber nicht vor. Aus § 70 Abs. 4 BWG sei nämlich nicht abzuleiten, dass sich die belangte Behörde bei ihren Entscheidungen über Maßnahmen gemäß § 70 Abs. 4 BWG über den Aspekt der rechtlichen Betroffenheit des Kreditinstitutes (welchem ein Recht darauf zukommt, dass ein Auftrag nach § 70 Abs. 4 BWG nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und nur in dem gesetzlich gedeckten Umfang erteilt wird) hinaus mit Fragen der Interessen der Aktionäre des Kreditinstitutes auseinander zu setzen hätte (die dadurch zu rechtlich geschützten Interessen würden).

In Angelegenheiten nach § 70 Abs. 2 BWG spricht das Gesetz aber selbst davon, dass nicht nur die Interessen des betroffenen Kreditinstituts zu beachten sind, sondern es legt ausdrücklich fest, dass auch die Interessen der betroffenen Gläubiger zu wahren sind (arg „Bei Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Kreditinstitutes gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte oder zur Gewährleistung der Stabilität des Finanzsektors, kann die FMA zur Abwendung dieser Gefahr befristete Maßnahmen durch Bescheid anordnen …“ [Hervorhebung durch den Senat]). § 70 Abs. 2 BWG lasst damit aber erkennen, dass er nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch im Interesse der betroffenen Gläubiger erlassen wurde. Damit handelt es sich aber um rechtlich geschützte Interessen, womit die BF entgegen der Ansicht der FMA Partei ist. Ihr ist daher Akteneinsicht zu gewähren. Dieses Recht bezieht sich allerdings nur auf das Verfahren zur Untersagung des Geschäftsbetriebs. Dagegen kommt ihr keine Parteistellung in allfälligen weiteren gegen die Bank geführten Verfahren zu, da insoweit ihre Interessen keine rechtlich geschützten sind. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste. Auch der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung ist daher nicht nachzukommen.

„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist im Fall einer Zurückweisung durch die erste Instanz ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134, 17.12.2019, Ra 2017/04/0141). Insoweit sind daher die Beschwerdeanträge verfehlt und überschreiten die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher auch nicht befugt, der BF selbst Akteneinsicht zu gewähren, vielmehr war der Bescheid – soweit er rechtswidrig war – aufzuheben. Die FMA wird (§ 28 Abs. 5 VwGVG) im weiteren Verfahren entweder der BF Akteneinsicht zu gewähren haben – wobei sie im Sinne des § 17 Abs. 3 AVG auch prüfen wird müssen, ob und welche Daten von der Einsicht auszunehmen sind – oder aber mit Bescheid über die inhaltliche Berechtigung des Akteneinsichtsbegehrens abzusprechen haben (VwGH 24.03.2021, Ra 2018/13/0062).

II.3.1.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Die FMA ist eine mit Bundesgesetz eingerichtete Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs. 1 FMABG). Ihre Aufgaben sind nach § 1 Abs. 1 FMABG die Durchführung der Bankenaufsicht, der Versicherungsaufsicht, der Wertpapieraufsicht und der Pensionskassenaufsicht. In § 2 FMABG wird dies dahingehend konkretisiert, dass dazu die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben und Befugnisse, die in den dort genannten Gesetzen geregelt und der FMA zugewiesen werden, zählt.

Wie oben bereits ausgeführt, ist hier insbesondere das in § 2 Abs. 1 Z 1 FMABG genannte BWG relevant, das in seinem § 70 der FMA (bei gewissen Voraussetzungen) unter anderem erlaubt, einer Bank die Fortführung des Geschäftsbetriebs ganz oder teilweise zu untersagen. Das BWG sieht allerdings weder in einem solchen noch in einem sonstigen Fall eine behördliche Aufgabe oder Befugnis der FMA vor, einem Gläubiger der Bank einen Betrag auszuzahlen oder zu refundieren. Es besteht daher keine hoheitliche Zuständigkeit der FMA, die in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren geltend gemacht werden könnte. Die FMA hat den Antrag daher zurecht zurückgewiesen und die Beschwerde ist abzuweisen. Abgesehen davon liefert das BWG auch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Untersagung der Fortführung des Geschäftsbetriebs irgendeine Auswirkung auf das bestehende Schuldverhältnis haben sollte. Vielmehr bleibt die Bank Schuldnerin und die BF Gläubigerin der Forderung. Die FMA tritt in dieses Schuldverhältnis nicht ein, wie es scheinbar die BF vor Augen hat. Die FMA ist somit nicht passiv legitimiert. Der Anspruch auf Auszahlung hat sich daher nicht gegen die FMA, sondern die Bank zu richten. Das hat die BF mittlerweile im Übrigen auch durch Anmeldung ihrer Forderung im Insolvenzverfahren gemacht.

II.3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Hinsichtlich der Beschwerdestattgabe in Spruchpunkt A.I. des gegenständlichen Erkenntnisses konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid aufzuheben ist.

Zur Abweisung der Beschwerde in Spruchpunkt A.II. des gegenständlichen Erkenntnisses hat der Verwaltungsgerichtshof (unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR zu Art. 6 EMRK) ausgesprochen, dass in einer Beschwerde aufgeworfene Rechtsfragen, die nicht bloß beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität sind, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordern können (VwGH 27.03.2018, Ra 2016/06/0053). Er hat eine mündliche Verhandlung insbesondere dann nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (VwGH 25.02.2020, Ro 2019/03/0029). In Bezug auf die Abweisung der Beschwerde ist der Sachverhalt geklärt und auch die Rechtslage eindeutig. Mit den Ausführungen, die Beschwerde werde nur aus advokatorischer Umsicht erhoben und die Entscheidung dem Verwaltungsgericht überlassen, werden auch keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen werden, die eine mündliche Verhandlung erfordern würden. Es konnte daher von der Durchführung einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden, da lediglich einfache Rechtsfragen zu klären waren und der Sachverhalt unstrittig war, sodass trotz Antrags keine Verhandlungspflicht bestand (VwGH 14.11.2018, Ra 2018/11/0199; 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

II.3.3. Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier relevanten Fragen zur Akteneinsicht und wann ein rechtliches Interesse im Sinne des § 8 AVG vorliegt, sind in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, wozu auf die oben zitierte Rechtsprechung verwiesen werden kann. Von dieser einheitlichen Rechtsprechung weicht die gegenständliche Entscheidung auch nicht ab. Zur Frage der Zulässigkeit der Refundierung des Betrags ist die Rechtslage klar und eindeutig, sodass trotz fehlender Rechtsprechung die Revision nicht zuzulassen war.

Schlagworte

Akteneinsicht Aufsichtsbehörde Bankenaufsicht Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Finanzmarktaufsicht Gläubiger Gläubigerschutz Insolvenzverfahren Kassation Kontoverbindung öffentliche Interessen Parteistellung rechtliches Interesse Rechtsschutzinteresse Rückzahlung Schutzzweck subjektive Rechte Untersagung Unzuständigkeit wirtschaftliche Interessen Zurückweisung Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2240644.1.00

Im RIS seit

02.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten