TE Vwgh Erkenntnis 2022/1/5 Ra 2020/17/0093

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Veröffentlicht am 05.01.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §64 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs3
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §52 Abs1
VwGVG 2014 §52 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des N J in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 14. Februar 2020, LVwG-2015/21/0945-11, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Spruchpunkte 1. lit. b), 2. und 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis vom 17. März 2015 erkannte die Landespolizeidirektion Tirol den Revisionswerber als Obmann eines näher genannten Vereins schuldig, vier Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz - GSpG iVm § 9 VStG begangen zu haben, verhängte über ihn vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) und verpflichtete ihn zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens.

2        Mit Erkenntnis vom 1. August 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.), verpflichtete ihn zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (Spruchpunkt 2.) und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).

3        Aufgrund der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision des Revisionswerbers hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis „im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens“ mit Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ra 2018/16/0149, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil es das LVwG unterlassen hatte, die Strafsanktionsnorm zu ergänzen oder richtigzustellen. Im Übrigen (nämlich hinsichtlich des den Schuldspruch betreffenden übrigen Zulässigkeitsvorbringens) wurde die Revision zurückgewiesen.

4        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 14. Februar 2020 „ergänzte“ das LVwG „sein Erkenntnis vom 1. August 2018 dahingehend“, dass es die verletzte Rechtsnorm konkretisierte (Spruchpunkt 1. lit. a)) und die Strafsanktionsnorm mit „§ 52 Abs 2 2. Strafsatz“ GSpG ergänzte (Spruchpunkt 1. lit. b)). Weiters bestimmte das LVwG die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens mit EUR 1.200,-- (Spruchpunkt 2.) und die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit EUR 2.400,-- (Spruchpunkt 3.). Das LVwG sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 4.).

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 949/2020-3, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass - wenn trennbare Absprüche vorliegen - die Zulässigkeit einer Revision getrennt zu prüfen ist (vgl. VwGH 27.1.2020, Ra 2019/04/0005, 0006, mwN).

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, das LVwG habe die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens ohne Strafausspruch bestimmt, hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 3.des angefochtenen Erkenntnisses als zulässig. Sie ist auch begründet.

12       Mit Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ra 2018/16/0149, hat der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des LVwG vom 1. August 2018 im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens aufgehoben.

13       Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung eines angefochtenen Erkenntnisses (oder Beschlusses) die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses (bzw. Beschlusses) befunden hat (vgl. dazu etwa VwGH 8.9.2020, Ra 2020/17/0036, mwN). Bei einer bloß teilweisen Aufhebung tritt die Rechtssache lediglich in Ansehung der durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Spruchpunkte in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung befunden hat (vgl. VwGH 22.5.2018, Ra 2017/17/0812).

14       Nach § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Die Höhe der dem Bestraften vorgeschriebenen Kosten richtet sich nach der Höhe der verhängten Strafe (§ 64 Abs. 2 VStG und § 52 Abs. 2 VwGVG).

15       Im Revisionsfall wurde der Strafausspruch des Erkenntnisses des LVwG vom 1. August 2018 einschließlich der damit getroffenen Aussprüche über die Verfahrenskosten durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Februar 2019 aufgehoben. Das angefochtene Erkenntnis enthält keinen Ausspruch über die Strafe. Damit erweist sich aber auch die der revisionswerbenden Partei in den Spruchpunkten 2. und 3. des angefochtenen Erkenntnisses auferlegte Kostenersatzpflicht als rechtswidrig.

16       Darüber hinaus macht die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auch die Rechtswidrigkeit des Spruchpunktes 1. lit. b) des angefochtenen Erkenntnisses geltend, weil dieses im Widerspruch mit dem Schuldausspruch stehe. Auch dieses Vorbringen erweist sich als zulässig und begründet:

17       Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch eines Straferkenntnisses die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. z.B. VwGH 25.3.2020, Ra 2018/17/0203, mwN).

18       Spruchpunkt 1. lit. b) des angefochtenen Erkenntnisses bestimmt als Strafsanktionsnorm „§ 52 Abs 2 2. Strafsatz“ GSpG. Dabei übersieht das LVwG jedoch, dass der Schuldspruch des Straferkenntnisses vom 17. März 2015, welcher durch das Erkenntnis des LVwG vom 1. August 2018 bestätigt wurde und der auch nach dem hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ra 2018/16/0149, weiterhin dem Rechtsbestand angehört, den Revisionswerber der Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit insgesamt vier Glücksspielautomaten schuldig erkennt. Der vom LVwG angeführte zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG ist aber lediglich auf Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit bis zu drei Glücksspielautomaten anzuwenden. Damit erweist sich auch Spruchpunkt 1. lit. b) des angefochtenen Erkenntnisses als rechtswidrig.

19       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG in dem im Spruch genannten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

20       Zu Spruchpunkt 1. lit. a) enthält die Revision kein Vorbringen. Sie erweist sie sich in dieser Hinsicht als unzulässig, weshalb sie insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

21       Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. Jänner 2022

Schlagworte

Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020170093.L00

Im RIS seit

01.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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