TE Vwgh Erkenntnis 2021/11/12 Ro 2019/04/0028

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E13301200
E3L E13301300
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
95/02 Maßrecht Eichrecht

Norm

EURallg
MEG 1950 §63 Abs1
MEG 1950 §7 Abs1
MEG 1950 §7 Abs2
MEG 1950 §72 Abs2 Z2
MEG 1950 §8 Abs1 Z1
VStG §2 Abs2
VStG §27 Abs1
VwRallg
31973L0362 Maßverkörperungen-RL
32004L0022 Messgeräte-RL
32014L0030 Elektromagnetische Verträglichkeits-RL Art3 Abs1 Z2
32014L0032 Messgeräte-RL AnhIX
32014L0032 Messgeräte-RL AnhXI
32014L0032 Messgeräte-RL Art2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des U O, vertreten durch Mag. Andreas Sabadello, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 32/Mezzanin, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 9. April 2019, Zl. LVwG-S-1932/001-2018, betreffend Übertretung des Maß- und Eichgesetzes (MEG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 21. Juni 2018, KOS2-V-17 42226/5, wegen Übertretung des Maß- und Eichgesetzes behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt wird.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1.1. Aus dem Akteninhalt ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

2        Der Revisionswerber ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der O* KG mit Sitz in Korneuburg. Die O* KG ist ein Mietwagenunternehmen und steht in Kooperation mit der U* B.V., einem Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden. Am 20. August 2017 beförderte die O* KG einen Fahrgast mit einem Fahrzeug des Mietwagenunternehmens innerhalb Wiens von einem bestimmten Abfahrtsort zu einem näher bezeichneten Zielort. Sowohl die Vermittlung der Beförderung als auch die Berechnung des Fahrpreises wurden dabei jeweils über die Smartphone-Applikation der U* B.V. („U*App“) abgewickelt.

3        1.2. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 21. Juni 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der O* KG zu verantworten, dass diese Gesellschaft im Zusammenhang mit der Personenbeförderung am 20. August 2017 für die Berechnung des Fahrpreises nach Kilometern ein ungeeichtes Messgerät zur Berechnung der Länge, nämlich die Applikation „U*“ auf einem Mobiltelefon, verwendet habe, obwohl die Verwendung eines Messgerätes im rechtsgeschäftlichen Verkehr der Eichpflicht unterliege.

4        Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Revisionswerber gemäß § 63 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 sowie § 8 Abs. 1 Z 1 Maß- und Eichgesetz (MEG) eine Geldstrafe in Höhe von EUR 500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: fünfzehn Stunden) verhängt.

5        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Die Erhebung einer ordentlichen Revision erklärte es für zulässig, weil zu der Frage der Distanz- bzw. Entfernungsmessung durch ein auf einem (nicht geeichten) Smartphone installiertes GPS-System, wobei das Messergebnis zur Berechnung des Fahrpreises herangezogen und dadurch im rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet werde, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

6        2.2. In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zunächst - über den eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend - fest, bei Durchführung eines Personentransports mittels der U*App erfolge die Preisberechnung ausgehend vom Abfahrtsort unter Berücksichtigung sowohl der zurückgelegten Wegstrecke als auch der Fahrzeit. Die vom Abfahrtsort zum Zielort zurückgelegte Distanz werde laufend über GPS bestimmt, wozu ein mit GPS-Empfänger ausgestattetes Smartphone erforderlich sei, auf welchem die U*App installiert sei. Die laufend übermittelten Standortdaten seien nicht nur zur Positionsbestimmung, sondern auch zur Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit sowie der zurückgelegten Wegstrecke geeignet.

7        Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, bei der vom Revisionswerber zu verantwortenden, im rechtsgeschäftlichen Verkehr durchgeführten Personenbeförderung sei die zurückgelegte Fahrtstrecke, welche neben mehreren anderen Komponenten als Basis zur Ermittlung des Fahrpreises gedient habe, durch das mitgeführte Smartphone mit GPS-Funktion des Fahrers ermittelt worden. Der vom Fahrgast zu bezahlende Fahrpreis sei in der Folge aufgrund der auf dem Smartphone installierten U*App von dritter Seite berechnet worden. Die vom GPS-System laufend bekannt gegebenen Positionsdaten seien zur Feststellung der Länge der Fahrtstrecke herangezogen und das Smartphone somit als Messgerät im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 (erste Alternative) MEG verwendet worden. Das Smartphone habe im Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Personenbeförderung unstrittig weder über eine Zulassung noch eine Eichung verfügt. Bei der zugrundeliegenden Fahrt handle es sich um eine Beförderung gegen Entgelt, sodass das Smartphone mit der Applikation im rechtsgeschäftlichen Verkehr zur Messung der Wegstrecke der Fahrt eingesetzt worden und daher eichpflichtig gewesen sei.

8        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts in eventu wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

9        Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

10       4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. Die Revision schließt sich zunächst der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts an. Ergänzend führt sie zur Begründung der Zulässigkeit aus, dass zu den unbestimmten Gesetzesbegriffen „Gerät“, „Einrichtungen“ und „Messung“ im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 1 MEG idF BGBl. I Nr. 72/2017 jede höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

11       Die Revision ist zulässig. Sie ist im Ergebnis auch begründet.

12       4.2. Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Maß- und Eichgesetzes (MEG) idF BGBl. I Nr. 72/2017 lauten auszugsweise:

„Abschnitt A

Eichpflicht

§ 7. (1) Meßgeräte, deren Richtigkeit durch ein rechtlich geschütztes Interesse gefordert wird, sind nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnittes A eichpflichtig. Messgerät im Sinne dieses Gesetzes ist

1.   ein Gerät, das allein oder in Verbindung mit anderen Einrichtungen für die Messung von mindestens einer Meßgröße vorgesehen ist oder

2.   eine Maßverkörperung; dies ist eine Vorrichtung, mit der während ihrer Benutzung ein oder mehrere bekannte Werte einer gegebenen Größe permanent reproduziert oder bereitgestellt werden sollen.

(2) Wer ein eichpflichtiges Meßgerät verwendet oder bereithält, ist dafür verantwortlich, daß das Meßgerät geeicht ist.

...

1. Meßgeräte im amtlichen und im rechtsgeschäftlichen Verkehr

§ 8. (1) Der Eichpflicht unterliegen die nachstehend genannten Meßgeräte, wenn sie im amtlichen oder im rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden:

1.   Meßgeräte zur Bestimmung der Länge, der Fläche und des Raumes sowie Fahrpreisanzeiger (Taxameter) an Fahrzeugen,

2.   ...

Strafbestimmungen

§ 63. (1) Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen, Entscheidungen oder Verfügungen werden, sofern sie nicht nach anderen Vorschriften mit einer strengeren Strafe bedroht sind oder ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 10 900 € bestraft, auch wenn es beim Versuch geblieben ist.

...

§ 72. (...)

(2) Durch dieses Gesetz werden folgende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt:

1.   ...

2.   Richtlinie 2014/31/EU und Richtlinie 2014/32/EU.

...“

13       Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2014/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt (RL 2014/32/EU) lauten auszugsweise:

„Allgemeine Bestimmungen

Art. 2 (Geltungsbereich) Diese Richtlinie gilt für die in den gerätespezifischen Anhängen III bis XII (im Folgenden ‚gerätespezifische Anhänge‘) genauer bezeichneten Messgeräte, und zwar für ... Taxameter (MI-007), ..., Geräte zur Messung von Längen und ihrer Kombinationen (MI-009) ...

...

Anhang IX - Taxameter (MI-007)

...

Begriffsbestimmungen

Taxameter

Ein Taxameter ist ein Gerät, das zusammen mit einem Signalgeber betrieben wird und mit diesem ein Messgerät bildet.

Dieses Gerät misst die Fahrtdauer und errechnet die Wegstrecke auf der Grundlage eines von einem Wegstreckensignalgeber übermittelten Signals. Außerdem errechnet es den für eine Fahrt zu entrichtenden Fahrpreis auf der Grundlage der errechneten Wegstrecke und/oder der gemessenen Fahrtdauer und zeigt diesen Preis an.

...

Anhang XI - Geräte zur Messung von Längen und ihrer Kombinationen (MI-009)

...

Begriffsbestimmungen

Längenmessgerät

Ein Längenmessgerät dient zur Bestimmung der Länge von länglichen Gebilden (z. B. Stoffen, Bändern und Kabeln) während einer Vorschubbewegung des Messguts.

...“

14       4.3. Dem Vorbringen der Revision betreffend die örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts, die zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen zu führen habe, ist Folgendes entgegenzuhalten:

15       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Auslegung des Begriffes des Ortes der Begehung iSd § 27 Abs. 1 VStG der § 2 Abs. 2 VStG heranzuziehen. Eine Verwaltungsübertretung ist regelmäßig als dort begangen anzusehen, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen, wobei es nach § 27 Abs. 1 VStG gleichgültig ist, wo der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (vgl. schon VwGH 29.4.1987, 86/03/0201, 0202, und VwGH 26.3.1987, 87/08/0031). Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird zwar als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen sein, es ist jedoch stets auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen (VwGH 3.10.2019, Ra 2019/02/0125, mwN).

16       Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Unzuständigkeit liegt angesichts des im Sprengel der belangten Behörde angesiedelten Sitzes der O* KG nicht vor: Bei der fallgegenständlich inkriminierten Verletzung der Eichpflicht gemäß § 7 Abs. 2 MEG handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, weshalb als Ort der Begehung jener Ort anzusehen ist, an dem der Revisionswerber hätte handeln sollen. Örtlicher Anknüpfungspunkt für die Erfüllung der Eichpflicht hinsichtlich eines nicht standortgebundenen Gerätes ist daher der Sitz des Unternehmens.

17       4.4. Zur Frage des Vorliegens eines eichpflichtigen Messgeräts:

18       4.4.1. Die dem Revisionswerber angelastete Verletzung der Eichpflicht wird im zugrundeliegenden Straferkenntnis insofern als verwirklicht erachtet, als „für die Berechnung des Fahrpreises nach Kilometern ein ungeeichtes Messgerät zur Berechnung der Länge, nämlich die Applikation ‚U*‘ auf einem Mobiltelefon“, verwendet worden sei.

19       Fallbezogen inkriminiert ist sohin der Tatvorwurf die Verwendung eines Messgerätes zur Bestimmung der Länge im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 MEG.

20       Gemäß § 7 Abs. 1 MEG ist ein Messgerät im Sinne dieses Gesetzes ein Gerät, das allein oder in Verbindung mit anderen Einrichtungen für die Messung von mindestens einer Messgröße vorgesehen ist (Z 1) oder eine Maßverkörperung, dh eine Vorrichtung, mit der während ihrer Benutzung ein oder mehrere bekannte Werte einer gegebenen Größe permanent reproduziert oder bereitgestellt werden sollen (Z 2).

21       4.4.2. Dass es sich im gegenständlichen Fall um eine Maßverkörperung im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 leg. cit. gehandelt habe, ist von vornherein ausgeschlossen.

22       4.4.3. Eine Legaldefinition des Rechtsbegriffes „Gerät“ enthält das Maß- und Eichgesetz nicht. Unter einem „Gerät“ ist dem Sprachgebrauch zufolge jedenfalls ein (beweglicher) Gegenstand zu verstehen. Vor diesem Hintergrund erweist sich, dass eine Software-Applikation auf einem Mobiltelefon selbst kein Gerät im Sinne des MEG ist. Der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 Z 2 der Richtlinie 2014/30/EU zufolge bezeichnet „Gerät“ einen fertigen Apparat oder eine als Funktionseinheit auf dem Markt bereitgestellte Kombination solcher Apparate, der bzw. die für Endnutzer bestimmt ist und elektromagnetische Störungen verursachen kann oder dessen bzw. deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden kann. Auch unter diese Definition ist eine Applikation als bloße Software nicht subsumierbar.

23       Durch den dem Wortlaut des Spruches des Straferkenntnisses zufolge realisierten Sachverhalt, wonach „ein ungeeichtes Messgerät, nämlich die Applikation ‚U*‘ auf einem Mobiltelefon“ verwendet worden sei, wurde mithin der zur Last gelegte Tatbestand der Verwendung eines Messgerätes im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 1 MEG nicht verwirklicht.

24       4.4.4. Eine Tatanlastung dahingehend, dass nicht alleine die Software-Applikation, sondern - wie sich in der Begründung sowohl des zugrundeliegenden Straferkenntnisses als auch des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses widerspiegelt - vielmehr das im Zuge der in der Tatanlastung genannten Personenbeförderung verwendete Mobiltelefon mit GPS-Funktion gemeinsam mit der Applikation „U*“ als das fallbezogen inkriminierte Messgerät anzusehen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis:

25       Das Verwaltungsgericht führte aus, ein im rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendetes Smartphone mit GPS-Funktion sei ein Messgerät im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 MEG. Diese Rechtsansicht gründete es auf die Feststellung, wonach die im Zuge der fallgegenständlich genannten Personenbeförderung vom GPS-System laufend bekannt gegebenen Positionsdaten zur Feststellung der Länge der Fahrtstrecke herangezogen worden seien, sowie die rechtliche Beurteilung, wonach darin eine Messung der Wegstrecke zu erblicken sei.

26       Laut den insofern unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis übermittelte das mit GPS-Empfänger ausgestattete Smartphone laufend seine Standortdaten. Damit steht fest, dass mit diesem Gerät selbst jedenfalls keine Längenmessung bzw. -bestimmung vorgenommen wurde.

27       Ein Taxameter ist gemäß Definition der RL 2014/32/EU ein Gerät, das zusammen mit einem Signalgeber betrieben wird, wobei das Gerät die Fahrtdauer misst und die Wegstrecke auf der Grundlage eines von einem Wegstreckensignalgeber übermittelten Signals errechnet. Die Errechnung einer Wegstrecke ist somit vor diesem rechtlichen Hintergrund von deren Messung zu unterscheiden.

28       Die fallbezogenen Feststellungen ergeben jedoch nicht, dass das Smartphone im gegenständlichen Fall eine andere Funktion übernommen hätte als die eines Signalgebers und -empfängers im Zusammenhang mit der Errechnung einer Wegstrecke, sodass nicht davon auszugehen ist, dass dieses fallbezogen zur Bestimmung (im Sinn einer Messung) der Länge vorgesehen war. Damit stellt das mit GPS-Funktion ausgestattete Handy kein Längenmessgerät im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 (erster Fall) Maß- und Eichgesetz dar.

29       Darüber hinaus ist Folgendes festzuhalten: Gemäß § 72 Abs. 2 Z 2 MEG setzt dieses - unter anderem - die Richtlinie 2014/32/EU um. Ihrem Geltungsbereich zufolge gilt die bezeichnete Richtlinie für die in den gerätespezifischen Anhängen III bis XII genauer bezeichneten Messgeräte, insbesondere für Geräte zur Messung von Längen und ihrer Kombinationen. Der Begriffsbestimmung des Anhangs XI zufolge dient ein Längenmessgerät zur Bestimmung der Länge von länglichen Gebilden (z. B. Stoffen, Bändern und Kabeln) während einer Vorschubbewegung des Messguts. Diese Legaldefinition war auf gemeinschafts- bzw. unionsrechtlicher Ebene erstmals in der Richtlinie 2004/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über Messgeräte (deren Vorgängerin, die Richtlinie des Rates vom 19. November 1973 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über verkörperte Längenmaße (73/362/EWG), noch von verkörperten Längenmaßen sprach) enthalten, welche ihrerseits durch das MEG idF BGBl. I Nr. 115/2010 umgesetzt wurde.

30       Vor dem Hintergrund der Richtlinie 2014/32/EU umfasst der Begriff des Längenmessgeräts ein Smartphone mit GPS-Funktion nicht. Es dient nicht der Bestimmung der Länge eines länglichen Gebildes.

31       Aus diesen Gründen erweist sich auch nach dem - durch die von der belangten Behörde und dem Verwaltungsgericht gegebene Begründung nahegelegten - Verständnis der Tatanlastung, wonach das der Eichpflicht unterliegende Messgerät das im Zuge der vom Straferkenntnis benannten Personenbeförderung verwendete Mobiltelefon mit GPS-Funktion zusammen mit der Applikation „U*“ sei, das objektive Tatbestandselement der Verwendung eines eichpflichtigen Messgeräts fallgegenständlich als nicht erfüllt.

32       4.4.5. Zusammengefasst ergibt sich aus den obigen Erwägungen, dass ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt nicht auf die Verletzung des dem Revisionswerber zur Last gelegten Tatbestandes und die Begehung der ihm vorgeworfenen Übertretung des MEG geschlossen werden kann (§ 45 Abs. 1 Z 1 VStG). Dies hat die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens zur Folge, auf welche gemäß § 42 Abs. 4 VwGG durch den Verwaltungsgerichtshof erkannt werden kann.

33       Von der Durchführung der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht eine Verhandlung durchgeführt hat.

34       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. November 2021

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2 Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019040028.J00

Im RIS seit

29.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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