TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/23 W237 2249370-1

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Veröffentlicht am 23.12.2021
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Entscheidungsdatum

23.12.2021

Norm

AlVG §49
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch


W237 2249370-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin WERNER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Armin KLAUSER und Mag. Elke DE BUCK-LAINER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX als Erwachsenenvertreterin, XXXX , gegen Spruchpunkt B) des Bescheids des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse vom 13.10.2021 betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Ausspruch des befristeten Verlusts der Notstandshilfe von 28.09.2021 bis 06.10.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 13 Abs. 5 iVm Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 13.10.2021 sprach das Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse (in der Folge: AMS) aus, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum von 28.09.2021 bis 06.10.2021 keine Notstandshilfe erhalte (Spruchpunkt A); unter einem erkannte es einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt B).

2. Der Beschwerdeführer erhob durch seine Erwachsenenvertreterin gegen diesen Bescheid vollinhaltlich Beschwerde und stellte den „Antrag“ auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Das AMS legte diese Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der maßgeblichen Teile des Verwaltungsakts (erst) am 16.12.2021 zur Entscheidung über Spruchpunkt B) des angefochtenen Bescheids vor; es sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich nicht ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist seit mehreren Jahren arbeitslos und steht seit dem Jahr 2019 – von mehrtägigen Unterbrechungen (zuletzt vom 09.03. bis 05.04.2021) abgesehen – in Bezug von Notstandshilfe.

Im Juni 2021 regte der Bewährungshelfer des Beschwerdeführers (erneut) die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters an; mit Beschluss vom XXXX .2021 bestellte das Bezirksgericht Hernals die o.a. Rechtsanwältin zur einstweiligen gerichtlichen Erwachsenenvertreterin des Beschwerdeführers zur Vertretung in allen dringenden Angelegenheiten der über Alltägliches hinausgehenden Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie gegenüber Sozialversicherungsträgern. Das Bezirksgericht begründete diesen Beschluss damit, dass der Beschwerdeführer offenbar infolge längerdauernden Alkoholabusus an einem Abbau seiner geistigen Fähigkeiten leide, der sich unter anderem in einem Selbstfürsorgedefizit äußere.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 01.12.2021 in Haft.

1.2.1. Mit Bescheid vom 13.10.2021 sprach das AMS aus, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum von 28.09.2021 bis 06.10.2021 keine Notstandshilfe erhalte, weil er einen ihm vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 28.09.2021 nicht eingehalten und sich erst wieder am 07.10.2021 bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.

Unter einem erkannte das AMS einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab. Dies begründete es damit, dass die Einhaltung einer Kontrollmeldung ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung sei und der raschen Integration in den Arbeitsmarkt diene, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen sei. Die im öffentlichen Interesse gelegene rasche Arbeitsmarktintegration gestalte sich umso schwieriger, je länger der Arbeitslose der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibe, indem er vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen von triftigen Gründen nicht wahrnehme. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich gewesen sei, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung unterlaufe den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.

1.2.2. Der Beschwerdeführer erhob gegen beide Spruchpunkte des Bescheids vom 13.10.2021 durch seine Erwachsenenvertreterin Beschwerde. Diese begründete er damit, dass er krankheitsbedingt den Kontrollmeldetermin am 28.09.2021 nicht einhalten habe können. Er leide an einer schweren psychischen Erkrankung, weshalb ihm die Versäumnis nicht angelastet werden könne. Krankheitsbedingt liege somit ein triftiger Grund für die Unterlassung des Kontrollmeldetermins vor. Den in der Beschwerde gestellten „Antrag“ auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begründete der Beschwerdeführer nicht näher.

1.3. Das AMS legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde nur zur Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung ausschließenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids vor und sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung bis dato nicht ab.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen sind unstrittig und ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die Feststellungen zum Bezug der Notstandshilfe in den letzten Jahren bzw. zu den Unterbrechungen derselben fußen auf einer im Verwaltungsakt aufliegenden Darstellung des Bezugsverlaufs. Darin ist auch der Beschluss des Bezirksgericht Hernals vom XXXX .2021 enthalten, mit dem die einstweilige gerichtliche Erwachsenenvertreterin des Beschwerdeführers bestellt wurde. Dass sich der Beschwerdeführer derzeit in Haft befindet, ergibt sich aus den Aktenvermerken des zuständigen Sachbearbeiters des AMS vom 16.12.2021, wonach dieser unmittelbar vor erfolgter Beschwerdevorlage telefonisch eruiert habe, dass der Beschwerdeführer seit 01.12.2021 und auf unabsehbare Zeit inhaftiert sei. Der angefochtene Bescheid und die Beschwerde liegen ebenso im Verwaltungsakt auf; dass sich die Beschwerde gegen beide Spruchpunkte des Bescheids vom 13.10.2021 richtet, geht klar aus dem Wortlaut derselben hervor. Dass die Beschwerdevorlage nur in Hinblick auf Spruchpunkt B) erfolgte und von einer Beschwerdevorentscheidung nicht abgesehen wurde, ist dem Beschwerdevorlageschreiben vom 16.12.2021 klar zu entnehmen; bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt erfolgte auch kein nachträglicher Verzicht auf eine Beschwerdevorentscheidung

3. Rechtliche Beurteilung:

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer frühestens am 13.10.2021 (dem Tag seiner Datierung) zugestellt. Die am 29.10.2021 beim AMS eingelangte Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig.

Zu A)

3.1. Nach dem im vorliegenden Fall anzuwendenden § 13 Abs. 1 VwGVG (zur Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG idF des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, BGBl. I Nr. 71/2013, vgl. VfGH 02.12.2014, G 74/2014) hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG (vgl. § 64 Abs. 2 AVG) kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid, der die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen hat, keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.2. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). Die vom Verfassungsgerichtshof im o.a. Erkenntnis aufgezeigten Rechtsschutzdefizite bestehen bei der hier anzuwendenden Regelung nicht. § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und das Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides sicherzustellen, zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, § 64 AVG, Rz 31; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG, K 12).

Die vom Gesetzgeber geforderte Interessensabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezugs gefährdet ist. Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. dazu grundlegend das Erk. des VwGH vom 11.4.2018, Ro 2017/08/0033).

Um die Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.

3.3. Eine solche konkrete Darlegung der für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Umstände erfolgte im vorliegenden Fall nicht, zumal die gegenständliche Beschwerde den „Antrag“ auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit keinem Wort näher begründet. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde somit nicht dargetan, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für ihn mit der Durchsetzbarkeit des angefochtenen Bescheids verbunden wären, um die Abwägung mit dem auf der anderen Seite bestehendem öffentlichen Interesse am Hintanhalten einer ungerechtfertigten Auszahlung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und damit der Risikotragung der Zurückforderung vorzunehmen (anders zB BVwG 11.02.2021, W262 2239353-1). Angesichts vergangener Bezugsunterbrechungen von bis zu mehreren Wochen im letzten Jahr ist für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht offensichtlich, warum der seit Anfang Dezember 2021 in Haft befindliche Beschwerdeführer, dessen Einkommens- und Vermögensverwaltung in den Händen seiner gerichtlichen Erwachsenenvertreterin liegt, in eine unverhältnismäßige Notlage geraten würde, wenn ihm die Notstandshilfe für die Dauer von neun Tagen nicht ausbezahlt wird.

Zudem ist prima facie nicht ersichtlich, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkt A) des angefochtenen Bescheids wahrscheinlich Erfolg haben wird, womit freilich noch keine Aussage über die Erfolgsaussichten der Beschwerde getroffen wird. Unter Berücksichtigung des im Rahmen eines Provisorialverfahrens eingeschränkten Prüfungsmaßstabs vermag das Bundesverwaltungsgericht die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen.

3.4. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt B) des Bescheids vom 13.10.2021 ist daher abzuweisen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zur Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen den Verlust von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ist einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden, die auch auszugsweise in der Begründung zu Spruchteil A zitiert wird.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Interessenabwägung Konkretisierung Notstandshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W237.2249370.1.00

Im RIS seit

28.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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