RS Vfgh 2021/9/22 E2443/2021

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 22.09.2021
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Index

34 Monopole

Norm

B-VG Art7 Abs1
GlücksspielG §52 Abs1, §52 Abs2
VStG §31 Abs2
VwGVG §29
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Verhängung einer Geldstrafe mangels zeitnaher schriftlicher Ausfertigung der nahezu drei Jahre vorher mündlich verkündeten Entscheidung

Rechtssatz

Nach der Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist bezüglich der Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung der Zustellung einer Entscheidung ihre mündliche Verkündung gleichzuhalten. Mit der mündlichen Verkündung wird die Entscheidung unabhängig von der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung (§29 Abs4 VwGVG) rechtlich existent, wenn sowohl der Inhalt einer Entscheidung als auch die Tatsache ihrer Verkündung in der Niederschrift festgehalten werden. Bereits an die Verkündung einer Entscheidung knüpfen sich daher deren Rechtswirkungen. Aus diesem Grund kann die Entscheidung bereits nach der mündlichen Verkündung mit Beschwerde gemäß Art144 B-VG angefochten werden, sofern mindestens ein hiezu Berechtigter einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung der Entscheidung gemäß §29 Abs4 VwGVG gestellt hat (§82 Abs3b letzter Satz VfGG).

Unabhängig von der Möglichkeit, die Entscheidung bereits nach der mündlichen Verkündung anzufechten, ist der Rechtsschutzsuchende in der Regel auf die - nähere und ausführliche - Begründung der Entscheidung in der schriftlichen Ausfertigung gemäß §29 Abs4 VwGVG angewiesen, um die Entscheidung auf Grund der maßgebenden Erwägungen gegebenenfalls mit einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG bekämpfen zu können. Aus der rechtsstaatlich gebotenen Pflicht zur Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen folgt daher im Zusammenhang mit der Regelungssystematik des §29 VwGVG auch die Pflicht zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung, weil andernfalls dem Rechtsschutzsuchenden effektiver Rechtsschutz verwehrt sein könnte, was rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erlassung gerichtlicher Entscheidungen widerspricht.

Die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung erfolgte vorliegend nahezu drei Jahre nach der mündlichen Verkündung. Eine derart lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidungen, für die im Beschwerdeverfahren auch keine besonderen Umstände hervorgekommen sind, welche diese Verzögerung rechtfertigen könnten, widerspricht jedenfalls der Pflicht zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidungen und somit den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Glücksspiel, Verhandlung mündliche, Entscheidungsverkündung, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip, Verwaltungsgerichtsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E2443.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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