TE Vwgh Erkenntnis 1967/12/18 0318/67

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Veröffentlicht am 18.12.1967
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
BauO Wr §129 Abs10
BauO Wr §134 Abs5
BauRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Regierungsoberkommissärs Dr. Schatzmann, über die Beschwerde des Ing. GW und der KW, beide in W, beide vertreten durch Dr. Karl Sager, Rechtsanwalt in Wien I, Walfischgasse 8, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. April 1966, Zl. MDR-B XIII-7/66, betreffend Abweisung des Antrages auf Zustellung eines gegen den Nachbarn gerichteten baupolizeilichen Auftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Gemeinde Wien Aufwendungen in der Höhe von je S 195,-- (zusammen S 390,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Liegenschaft Wien, N-gasse, EZ. (Pz. 902/11) des Grundbuches der Katastralgemeinde O. Die Parzelle 902/11 befand sich zusammen mit den angrenzenden Parzellen 902/12 (ostwärts von 902/11) und 902/22 und 902/21 (beide südlich von 902/11) im Jahre 1933 im Eigentum des FG und mehrerer Mitbesitzer; die Grundstücke sollen zu dieser Zeit versumpft gewesen sein. Im Jahre 1933 bemühten sich die damaligen Grundeigentümer, die Parzellierung dieser Grundstücke zu erreichen und sie sodann als Baugründe zu verkaufen. Das mit der Erschließung beauftragte Bauunternehmen soll zu diesem Zweck im Jahre 1933 auf der Parzelle 902/11 ein Gartenhaus aufgestellt und von dort aus Verhandlungen über die Grundverkäufe sowie die notwendigen Erhebungen über zweckmäßige Entwässerungsmaßnahmen angestellt haben. Zur Durchführung der Entwässerung soll im Herbst des Jahres 1933 eine Drainageleitung im Boden angelegt und vor dem 14. April 1934 fertiggestellt worden sein. Die für den Beschwerdefall in Frage kommende Drainageleitung beginnt etwa nahe der nördlichen Grundgrenze der Parzelle 209/11 und führt sodann in südlicher Richtung über die Parzelle 902/22 (heutige Liegenschaft Wien, W-straße) und mündet an der südlichen Grundgrenze in die W-straße. Für diese Drainageleitung wurde seinerzeit keine Baubewilligung erteilt. 1934 erwarben die Beschwerdeführer die Parzelle 902/11 und erhielten auf Grund des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 9. Juni 1934 die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung der darauf befindlichen Holzhütte und zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses. Dabei wurde u. a. vorgeschrieben, daß die Unratsabteilung gegen eine Senkgrube und die Abwässerableitung gegen eine Sickergrube zu erfolgen habe. Für den Fall, daß in der vor dem Gebäude vorbeiführenden Straße (heute N-gasse) ein Hauptunratskanal hergestellt werden sollte, wurde angeordnet, daß die Senkgrube aufzulassen und eine ordnungsgemäße Einmündung des Hauskanales in den Straßenkanal herzustellen sei.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - M. Abt. 37/XIII - vom 12. März 1965 wurde der Eigentümerin der Parzelle 902/22 (nunmehr einliegend in EZ. des Grundbuches der Katastralgemeinde O - Wien, W-straße) gemäß § 129 Abs. 4 und 10 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, diese, von der Parzelle 209/11 über die Parzelle 209/22 führende, ohne baubehördliche Bewilligung errichtete Rohrleitung (Drainageleitung) im Bereiche der Parzelle 209/22 zu beseitigen oder zumindest vor der Einfriedungsmauer (südliche Grundgrenze zur W-straße) und an der rückwärtigen Grundgrenze (zur Parzelle 209/11) so abzumauern, daß kein Wasser mehr auf die Verkehrsfläche (W-straße) auslaufen kann und auch eine Unterwaschung der Einfriedungsmauer verhindert wird. Die Eigentümerin der Parzelle 209/22 hat diesen Bescheid in Rechtskraft erwachsen lassen und den Auftrag erfüllt. Dieser Bescheid wurde der Eigentümerin der Liegenschaft Wien, W-straße 42, nicht aber den Beschwerdeführern zugestellt. Am 4. Jänner 1966 stellten die Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien den Antrag auf Zustellung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 12. März 1965, Zl. M. Abt. 37/XIII-W-straße 42. Der Magistrat der Stadt Wien wies mit Bescheid vom 13. Jänner 1966 diesen Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien und §§ 8 und 18 AVG 1950 zurück. In der Begründung wird ausgeführt, daß es sich bei dem Bescheid vom 12. März 1965 um einen von Amts wegen erlassenen Bescheid handle, da auf die Erlassung eines Bauauftrages niemandem ein Rechtsanspruch zustehe. In diesem Falle sei gemäß § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien aber nur die Person Partei, die hiedurch zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet werde. Dies sei im gegenständlichen Fall der Eigentümer der Liegenschaft Wien, W-straße 42. Da den Antragstellern keine Parteistellung zukomme, habe der Antrag auf Zustellung des Bescheides zurückgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem auf einem Beschluß der Bauoberbehörde für Wien vom 15. April 1966 beruhenden Bescheid vom gleichen Tage wurde über die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, daß der Antrag der Beschwerdeführer auf Zustellung des Bescheides abgewiesen wurde. Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dem erstinstanzlichen Verfahren sei ein Antrag zugrunde gelegen, worin die Berufungswerber behauptet hätten, daß sie zu Unrecht in dem Verfahren, welches zur Erlassung des Bauauftrages vom 12. März 1965 geführt habe, als Parteien übergangen worden seien. Sie hätten daher beantragt, daß ihnen dieser Bescheid zugestellt werde. Da, wie aus § 18 und § 62 AVG 1950 zu erschließen sei, nur eine Partei das Recht auf Zustellung eines Bescheides habe, habe daher die Behörde erster Instanz zu Recht die Frage geprüft, ob den Berufungswerbern die Parteistellung in den genannten baubehördlichen Auftragsverfahren zugekommen ist. Die Verneinung dieser Frage könne aber - und dies habe die Behörde erster Instanz verkannt - nicht zu einer Zurückweisung, sondern lediglich zu einer Abweisung des Antrages führen. Inhaltlich sei bei der Prüfung dieser Frage die Behörde erster Instanz zu Recht davon ausgegangen, daß gemäß § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien im baubehördlichen Auftragsverfahren nur die Person Partei sei, die zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet werde. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder Interessen betroffen würden, seien gemäß der zitierten Gesetzesstelle im verwaltungsrechtlichen Verfahren nur als Beteiligte anzusehen. Es sei hiebei davon auszugehen, daß § 134 der Bauordnung für Wien die Parteistellung von Personen im baubehördlichen Auftragsverfahren in einer ausschließlichen Weise regle. Es könne daher nicht zu Recht behauptet werden, daß die Berufungswerber auf Grund der Bestimmungen des § 8 AVG als Parteien anzusehen seien, zumal § 8 AVG lediglich regle, wie eine Verwaltungsvorschrift beschaffen sein müsse; daß ihr entnommen werden könne, ob jemandem Parteistellung zukomme. Im Sinne des § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien seien daher die Berufungswerber jedenfalls nur als Beteiligte anzusehen. Hinsichtlich der von den Berufungswerbern zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes sei zu sagen, daß diese einen anderen Sachverhalt zum Gegenstand hätten, der zum Teil jedenfalls vor Wirksamwerden der jetzt geltenden Bauordnung eingetreten gewesen sei. Darüber hinaus könne für die Frage der Parteistellung im baubehördlichen Verfahren nicht von einer „Bausache“ ausgegangen werden, wie dies die Berufungswerber tun, sondern es sei im Sinne des § 134 der Bauordnung für Wien zu unterscheiden, ob es sich um ein baubehördliches Auftragsverfahren, ein Enteignungsverfahren, ein Baubewilligungsverfahren oder ein sonstiges Verfahren nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien handle. So regle etwa § 134 Abs. 3 für die Baubewilligungsverfahren, daß die Eigentümer der unmittelbar angrenzenden und benachbarten Liegenschaften Beteiligte seien, denen aber Parteistellung dann zustehe, wenn ihre in der Bauordnung begründeten subjektiven öffentlichen Rechte berührt werden. Es könne also nicht einmal für das Baubewilligungsverfahren gesagt werden, daß der Anrainer in allen Fällen Partei sei. Sollten aber die Berufungswerber mit ihrem Vorbringen zum Ausdruck bringen wollen, daß in Wahrheit der genannte Bescheid vom 12. März 1965 an sie zu adressieren gewesen wäre, dann sei ihnen entgegenzuhalten, daß sie sich selbst in der nunmehr eingebrachten Berufung lediglich als Eigentümer des oberen Teiles der Entwässerungsanlage bezeichneten und daher auch nicht davon gesprochen werden könne, daß ihnen etwa eine Parteistellung de jure, wenn schon nicht eine Parteistellung de facto, zukomme. In diesem Zusammenhang solle nicht unerwähnt bleiben, daß die Berufungswerber in ihrer Berufung gegen den Bescheid vom 16. Oktober 1964, Zl. M. Abt. 37/XIII-N-gasse , ausgeführt hätten, daß ihnen zu Unrecht der Auftrag erteilt worden sei, die gegenständliche Drainageleitung zur Gänze aufzulassen, da diese Drainageleitung Zubehörteile der einzelnen Grundstücke darstelle. Dieser Berufung sei mit Berufungsbescheid vom 6. Oktober 1965, Zl. MDR-B XIII-4/65, insoweit stattgegeben worden, als nach Auffassung der Berufungsbehörde der Auftrag zur Beseitigung der Drainageleitung der nunmehrigen Berufungswerber nur hinsichtlich jenes Teiles treffen könne, der sich auf ihrer Liegenschaft befinde, zumal die Drainageleitung im vorliegenden Fall jedenfalls kein Superädifikat darstelle. Parteistellung könnten daher die Berufungswerber im vorliegenden Verfahren nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn sie den Beweis erbracht hätten, daß die Drainageleitung, soweit sie auf der Liegenschaft Wien, W-straße , zu liegen komme, als Superädifikat in ihrem Eigentum stehe. In diesem Fall hätte nämlich die Behörde erster Instanz zu Unrecht den Auftrag den Eigentümern der Liegenschaft Wien, W-straße 42, erteilt, da gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Eigentümer des vorschriftswidrigen Bauwerkes Normadressat sei. Ob aber den Berufungswerbern in einem wasserrechtlichen Verfahren die Parteistellung zukomme, könne dahingestellt bleiben. In einem baubehördlichen Auftragsverfahren zur Beseitigung des konsenslosen Bauwerkes hätten die Berufungswerber jedenfalls keine Parteistellung.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art. 144 B-VG gestützt Beschwerde wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Mit Erkenntnis vom 7. Dezember 1966, Zl. B 251/66-9, wurde jedoch die Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof als unbegründet abgewiesen und zufolge des rechtzeitig im Sinne des Art. 144 Abs. 2 B-VG gestellten Antrages dem Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

In der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Auf Grund der Aktenlage steht fest, daß die Beschwerdeführer nicht Eigentümer der Liegenschaft Wien, W-straße 42, sind und daß ihnen kein Baurecht betreffend dieser Liegenschaft zusteht. Auch die ausdrückliche Vereinbarung einer Qualifikation der über die beiden Parzellen 209/11 und 209/22 führenden Drainageleitung als Superädifikat wurde nie behauptet. Gegen eine stillschweigende Vereinbarung spricht aber gerade der Umstand, daß die Beschwerdeführer im seinerzeitigen Verwaltungsverfahren ihr Eigentum an dem jenseits ihrer Grundgrenze gelegenen Teil der Leitung bestritten haben. Ist aber die Frage des Vorliegens eines Superädifikates zu verneinen, dann steht auf Grund der Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 297) eindeutig fest, daß die Eigentümer der Liegenschaft Wien, W-straße 42, soweit Eigentümer der gegenständlichen Drainageleitung sind, als sie auf deren Grundstück gelegen ist. Zufolge § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien ist nun, sofern es sich um einen von Amts wegen erlassenen Bescheid handelt, nur die Person Partei, die hiedurch zu einer Leistung - im vorliegenden Fall Beseitigung der ohne baubehördliches Bewilligung errichteten Drainageleitung -, Unterlassung oder Duldung verpflichtet wird. Alle sonstigen Personen, die hiedurch in ihren Privatrechten oder Interessen betroffen werden, sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur als Beteiligte anzusehen. Der in Rede stehende baupolizeiliche Auftrag ist zu Recht an die Eigentümer der Liegenschaft Wien, W-straße 42, ergangen, da, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat (vgl. Erkenntnis vom 4. Februar 1909, Slg. 6505/A, vom 23. April 1926, Slg. 14277/A, u. a.), die Pflicht zur Beseitigung einer konsensbedürftigen, aber konsenslos errichteten baulichen Anlage als eine öffentlich rechtliche Verpflichtung auf der Liegenschaft selbst haftet und auf den jeweiligen Eigentümer derselben übergeht. Die Beschwerdeführer können aber ihre Parteistellung auch nicht mit § 8 AVG 1950 begründen. Dies ist dann nicht zulässig, wenn die Verwaltungsvorschrift, hier § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien erkennen läßt, daß eine Parteistellung nicht vorgesehen ist. Daß die Verwaltungsvorschrift im Hinblick auf § 8 AVG 1950 und Art. 11 B-VG verfassungsgesetzlich bedenklich wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof, wie er bereits in seinem Erkenntnis vom 9. Jänner 1967, Zl. 2095/65 - auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird - nicht annehmen. Die Bestimmung der Wiener Bauordnung, die im Regelfall nur den Liegenschaftseigentümer unmittelbar verantwortlich und daher als ausschließliche Partei im diesbezüglichen Auftragsverfahren behandelt, ist sachlich begründet.

Soweit in der Beschwerde eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, kann dieses Vorbringen, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht hervorgehoben hat, deshalb unerörtert bleiben, weil alle von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang genannten Bestimmungen der Wiener Bauordnung bzw. des Wiener Kanalgesetzes im vorliegenden Fall überhaupt nicht angewendet wurden.

Aus allen diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über die Prozeßkosten stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 lit. a und b und 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG 1965 sowie auf Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, am 18. Dezember 1967

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1967:1967000318.X00

Im RIS seit

27.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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