TE Vwgh Beschluss 2021/12/16 Ro 2021/09/0008

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Veröffentlicht am 16.12.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
22/02 Zivilprozessordnung
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz
64/05 Sonstiges besonderes Dienstrecht und Besoldungsrecht

Norm

AVG §63 Abs2
BDG 1979 §123
B-VG Art133
B-VG Art133 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
B-VG Art135 Abs1
B-VG Art87 Abs1
B-VG Art87 Abs2
RStDG
RStDG §104 Abs2
RStDG §112
RStDG §122
RStDG §123
RStDG §123 Abs1
RStDG §164
RStDG §209
RStDG §57
RStDG §57a
RStDG §58
RStDG §66 Abs5
RStDG §66 Abs5 Z1
RStDG §66 Abs6
VwGG §21
VwGG §21 Abs1 Z3
VwGG §22
VwGG §25a
VwGG §25a Abs1
VwGG §25a Abs2
VwGG §25a Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §36
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §31 Abs2
VwGVG 2014 §7 Abs1
VwRallg
ZPO §500

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision des Mag. Dr. A B in C, vertreten durch Mag. Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 5. Februar 2021, DS 001/2020, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem RStDG, aufgrund des Vorlageantrags des Revisionswerbers gegen den Zurückweisungsbeschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 15. April 2021, Ds 001/2020, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung der Bundesministerin für Justiz wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der im Jahr 1976 geborene Revisionswerber ist Richter des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG).

2        Mit Schreiben vom 16. September 2020 erstattete der Präsident des BVwG Disziplinaranzeige gegen den Revisionswerber wegen des Verdachts der Verletzung der allgemeinen richterlichen Pflichten nach § 57 RStDG, weil dieser in näher bezeichneten Verfahren sachlich nicht gerechtfertigte und nicht nachvollziehbare Verfahrensverzögerungen in der Dauer von bis zu vier Jahren bewirkt habe, vielfache („geradezu systematische“) erhebliche Zeitspannen zwischen den mündlichen Verkündungen und den schriftlichen Ausfertigungen von Erkenntnissen verstreichen habe lassen, seine Berichtspflichten verletzt habe, gegenüber dem seiner Gerichtsabteilung zugewiesenen Referenten eine mangelnde Fachaufsicht wahrgenommen habe sowie gegenüber Dienstvorgesetzten ein respektloses Verhalten an den Tag gelegt habe.

3        Mit Nachtragsanzeige vom 23. September 2020 wurde diese um weitere Details zu Verfahrensverzögerungen und hinsichtlich des Verdachts auf weitere Verstöße gegen organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus ergänzt.

4        Mit Schriftsatz vom 25. November 2020 erfolgte die Anhörung des Revisionswerbers zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Der Revisionswerber machte geltend, dass ein Großteil der Vorwürfe objektiv falsch sei, die übrigen zur Last gelegten Umstände unterschieden sich nicht in besonderer Weise von einer Vielzahl von Gerichtsabteilungen des BVwG. Er legte dazu mehrere Beweismittel vor und beantragte Beweisaufnahmen.

5        Die Disziplinaranwältin trat diesen Angaben des Revisionswerbers entgegen, legte ebenfalls Beweismittel vor und beantragte Beweisaufnahmen. Weiters beantragte sie, über den Disziplinarbeschuldigten im Sinn des § 104 Abs. 1 RStDG eine schuld- und tatangemessene Strafe auszusprechen und ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

6        Mit Beschluss vom 5. Februar 2021 leitete das Bundesfinanzgericht (BFG - im Weiteren: Disziplinargericht) wegen des Verdachts der Verletzung der allgemeinen richterlichen Pflichten nach § 57 RStDG aufgrund näher konkretisierter Verhaltensweisen die Disziplinaruntersuchung ein.

7        In der rechtlichen Beurteilung verwies es im Wesentlichen darauf, dass die sich aus der Anzeige ergebenden Sachverhalte objektiv geeignet seien, den Verdacht einer Verletzung der allgemeinen richterlichen Pflichten nach § 57 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 RStDG zu begründen. Der Revisionswerber habe dem Vorbringen in der Anzeige und der Nachtragsanzeige widersprochen. Ohne weitere Ermittlungen lasse sich nicht beurteilen, ob das Vorbringen in der Anzeige oder das Vorbringen in der Stellungnahme des Revisionswerbers zutreffend sei. Unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. November 2020, Ro 2020/09/0014, insbesondere der darin angesprochenen Notwendigkeit eines „Quervergleichs“ bei inkriminierten Rückständen und Verzögerungen der betroffenen Gerichtsabteilungen zu vergleichbaren Gerichtsabteilungen, werde im Disziplinarverfahren zu klären sein, ob eine Verletzung von Dienstpflichten tatsächlich vorgelegen sei. Eine weitere Anhörung vor Entscheidung des Disziplinargerichts über die Einleitung des Disziplinarverfahrens sehe das Gesetz nicht vor. Eine derartige Anhörung wäre auch nicht zweckmäßig, weil die Klärung des relevanten Sachverhalts zunächst im Wege der Disziplinaruntersuchung zu erfolgen habe.

8        Das Disziplinargericht traf in diesem Beschluss keinen Ausspruch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hinsichtlich der Zulässigkeit einer Revision und führte im Rahmen der im Beschluss enthaltenen Rechtsmittelbelehrung aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Einleitungsbeschluss um eine verfahrensleitende Verfügung handle, gegen die kein Rechtsmittel zulässig sei.

9        Der Revisionswerber erhob gegen den Einleitungsbeschluss die vorliegende Revision.

10       Das Disziplinargericht wies diese mit „Vorentscheidung“ vom 15. April 2021 gemäß § 30a Abs. 1 iVm § 25 a Abs. 3 VwGG und Art. 133 Abs. 9 B-VG sowie §§ 124, 209 RStDG als unzulässig zurück.

11       In seiner Begründung führte es zusammengefasst aus, dass eine abgesonderte Revision gegen einen verfahrensleitenden Beschluss gemäß § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig sei, weil bei der Einleitung der Disziplinaruntersuchung nach § 123 Abs. 1 RStDG im Gegensatz zu dem Beschluss nach § 123 Abs. 4 Satz 1 Fall 1 iVm § 124 RStDG, eine Disziplinaruntersuchung nicht einzuleiten, ein prozessbeendender Beschluss nicht vorliege. Vielmehr sei dieser Beschluss auf Durchführung des Disziplinarverfahrens gerichtet und gestalte die Rechtsverhältnisse eines disziplinär Angezeigten nicht endgültig. Der Beschluss über die Einleitung der Disziplinaruntersuchung nach dem RStDG bei einem Verwaltungsrichter diene der notwendigen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens, habe keinen Selbstzweck und auch kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben. Daher liege eine verfahrensleitende Verfügung vor, auf die in weiterer Folge § 25a Abs. 3 VwGG anzuwenden sei. Es könne auch kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis erkannt werden. Es würden keine Rechtsfolgen von Dauer geschaffen werden, auf Grund derer für den Disziplinarbeschuldigten ein Rechtsschutzbedürfnis nach sofortiger Anfechtbarkeit der Erledigung bestehe. Der vom Revisionswerber angeführte Aufschub der Vorrückung bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens gemäß § 66 Abs. 5 Z 1 RStDG sei keine endgültige Rechtsfolge. § 66 Abs. 6 RStDG bestimme, dass die Vorrückung rückwirkend zu vollziehen sei, wenn der Aufschiebungsgrund weggefallen sei. Der Oberste Gerichtshof habe keinen Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gesehen (vgl. OGH 19.1.2009, Ds 11/08). Auch beziehe sich der Ausschluss von der Mitwirkung im Disziplinarverfahren nach § 115 Abs. 1 RStDG lediglich auf den Zeitraum des eigenen Disziplinarverfahrens und sei die Rechtsfolge daher auch nicht von Dauer. Der Revisionswerber sei zudem weder Mitglied noch Ersatzmitglied des Disziplinarsenats des BVwG.

12       Auf Grund des rechtzeitig beim Disziplinargericht eingebrachten Vorlageantrages ist der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Revision berufen (§ 30b Abs. 1 VwGG).

13       Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes (RStDG), BGBl. Nr. 305/1961, in der Fassung BGBl. I. Nr. 153/2020, lauten (auszugsweise):

„Gehalt des Richters

§ 66. (1) ...

(5) Die Vorrückung des Richters wird aufgeschoben

1.   durch Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen Abschluß,

2.   durch eine Suspendierung bis zu deren Aufhebung.

(6) Ist der Aufschiebungsgrund weggefallen, so ist die Vorrückung rückwirkend zu vollziehen; die auf Grund der Aufschiebung zurückbehaltenen Teile des Monatsbezuges und allfälliger Sonderzahlungen sind nachzuzahlen. Dies gilt jedoch nur so weit, als nicht die Vorrückung gehemmt ist oder eingestellt wird.

(7) Die Einstellung der Vorrückung besteht darin, daß die aufgeschobene Vorrückung nicht mehr zu vollziehen ist. Die Einstellung der Vorrückung tritt ein,

1.   wenn der Richter entlassen wird,

     ...

3.   wenn der Richter während eines gegen ihn laufenden Disziplinarverfahrens aus dem Dienstverhältnis austritt.

(8) § 10 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 ist auf Richter mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle des in Z 1 angeführten Hemmungsgrundes folgende Hemmungsgründe treten:

...

2.   Verhängung einer Disziplinarstrafe, wenn der Richter während des Disziplinarverfahrens vom Dienst suspendiert war; die Hemmung gilt für die Zeit der Suspendierung,

3.   eine auf ‚nicht entsprechend‘ lautende Gesamtbeurteilung; die Hemmung beginnt mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Gesamtbeurteilung; die Dauer der Hemmung richtet sich nach der Anzahl der Kalenderjahre, für die die Gesamtbeurteilung auf ‚nicht entsprechend‘ lautet. § 10 Abs. 2 und 3 des Gehaltsgesetzes 1956 ist auf die in den Z 1 bis 3 angeführten Fälle anzuwenden.

...

Vertretung der dienstlichen Interessen

§ 118. (1) Im Disziplinarverfahren hat die dienstlichen Interessen der Disziplinaranwalt zu vertreten. Disziplinaranwalt ist beim Oberlandesgericht der Oberstaatsanwalt, beim Obersten Gerichtshof der Generalprokurator.

(2) Der Disziplinaranwalt ist vor jeder Beschlußfassung des Disziplinargerichtes zu hören.

Ausschließung des Disziplinaranwaltes

§ 119. Als Disziplinaranwalt ist ausgeschlossen, wer selbst Beschuldigter in einem Disziplinarverfahren ist oder eine Disziplinarstrafe noch zu verbüßen hat. Im übrigen sind auf die Ausschließung des Disziplinaranwaltes die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß anzuwenden.

...

Vorerhebungen

§ 122. (1) Vor der Beschlußfassung über die Einleitung oder Ablehnung der Disziplinaruntersuchung kann der Vorsitzende des Disziplinarsenates den Untersuchungskommissär mit der Durchführung von Vorerhebungen beauftragen.

(2) Der Untersuchungskommissär hat bei Durchführung dieser Vorerhebungen die gleichen Rechte und Pflichten wie in der Disziplinaruntersuchung.

Disziplinaruntersuchung

§ 123. (1) Die Disziplinaruntersuchung kann nur durch Beschluß des Disziplinarsenates eingeleitet werden (Einleitungsbeschluß). Vor der Beschlußfassung ist der Beschuldigte durch den Vorsitzenden oder ein von diesem beauftragtes Mitglied des Disziplinarsenates zu hören.

(2) Im Einleitungsbeschluß sind die Beschuldigungspunkte bestimmt zu bezeichnen.

(3) In der Disziplinaruntersuchung ist die erhobene Beschuldigung einer Pflichtverletzung zu prüfen und der Sachverhalt so weit klarzustellen, als es notwendig ist, um das Disziplinarverfahren einstellen oder die Sache zur mündlichen Verhandlung verweisen zu können.

(4) Ist der Sachverhalt hinreichend geklärt, so kann der Disziplinarsenat die Einleitung der Disziplinaruntersuchung ablehnen oder nach Einvernahme des Beschuldigten mit Zustimmung des Disziplinaranwaltes an Stelle der Einleitung der Disziplinaruntersuchung sofort die Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung beschließen (Verweisungsbeschluß).

(5) Die Beschlüsse nach Abs. 4 sind dem Disziplinaranwalt und dem Beschuldigten zuzustellen und der Dienstbehörde, sowie der obersten Dienstbehörde zu übermitteln.

(6) Mit dem Beschluß auf Einleitung der Disziplinaruntersuchung oder sofortige Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung ist das Disziplinarverfahren eingeleitet.

Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Disziplinaruntersuchung

§ 124. Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes, durch den die Einleitung der Disziplinaruntersuchung ohne Zustimmung des Disziplinaranwaltes abgelehnt wird, kann der Disziplinaranwalt Beschwerde an den Obersten Gerichtshof erheben.

...

Ausdehnung der Disziplinaruntersuchung

§ 128. (1) Beantragt der Disziplinaranwalt im Laufe der Disziplinaruntersuchung ihre Ausdehnung auf neue Beschuldigungspunkte, so hat der Untersuchungskommissär darüber einen Beschluß des Disziplinarsenates einzuholen.

(2) Gegen den ablehnenden Beschluß des Oberlandesgerichtes kann der Disziplinaranwalt Beschwerde an den Obersten Gerichtshof erheben.

...

Einstellungs- und Verweisungsbeschluss

§ 130. (1) Erachtet der Disziplinarsenat, dass kein Grund zur Fortsetzung des Disziplinarverfahrens vorliegt, so hat er das Disziplinarverfahren durch Beschluss einzustellen. Dieser Beschluss kann mit dem Ausspruch eines Verweises gemäß den Vorschriften des § 110 Abs. 2 und 3 verbunden werden.

(2) Im entgegengesetzten Fall hat der Disziplinarsenat die Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung zu beschließen (Verweisungsbeschluss).

(3) Im Verweisungsbeschluss sind die Beschuldigungspunkte bestimmt zu bezeichnen.

(4) Die Beschlüsse nach Abs. 1 und 2 sind der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der oder dem Beschuldigten zuzustellen und der Dienstbehörde, sowie der obersten Dienstbehörde zu übermitteln.

Rechtsmittel gegen den Einstellungsbeschluß

§ 131. Gegen den Einstellungsbeschluß des Oberlandesgerichtes kann der Disziplinaranwalt Beschwerde an den Obersten Gerichtshof erheben, sofern er nicht die Einstellung selbst beantragt oder ihr zugestimmt hat.

...

Zulässigkeit von Rechtsmitteln

§ 164. (1) Rechtsmittel im Disziplinarverfahren sind nur in den im 2. Teil dieses Bundesgesetzes vorgesehenen Fällen zulässig. Sie sind binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Oberlandesgericht einzubringen.

(2) Ein unzulässiges, verspätetes oder von einer nicht befugten Person erhobenes Rechtsmittel ist vom Oberlandesgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß zurückzuweisen. Gegen diesen Beschluß können der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt Beschwerde an den Obersten Gerichtshof erheben.

(3) Wird das Rechtsmittel nicht gemäß Abs. 2 zurückgewiesen, dann ist es samt den Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Er hat es zurückzuweisen, wenn das Rechtsmittel unzulässig oder verspätet oder von einer nicht befugten Person erhoben worden ist.

...

Dienst- und Disziplinarrecht

§ 209. Soweit in den Organisationsgesetzen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzgerichts nicht anderes bestimmt ist, sind die für das Dienstverhältnis der Richterinnen und Richter des Landesgerichtes geltenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf das Dienstverhältnis der Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzgerichts mit folgenden Maßgaben sinngemäß anzuwenden:

...

5.   Disziplinargerichte im Sinne des § 111 sind das Bundesverwaltungsgericht für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichtes und das Bundesfinanzgericht für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes. Diese verhandeln und entscheiden in einem Disziplinarsenat (§ 112), der von der Vollversammlung der Richterinnen und Richter aus ihrer Mitte gewählt wird. Die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt im Sinne des § 118 Abs. 1 für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes ist aus dem Kreis dieser Richterinnen und Richter im Rahmen der Justizverwaltung von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes zu bestellen. Die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt im Sinne des § 118 Abs. 1 für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichtes ist aus dem Kreis dieser Richterinnen und Richter im Rahmen der Justizverwaltung von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundesfinanzgerichtes zu bestellen.

In den Erläuterungen zur Dienstrechts-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 120/2012, mit der u.a. § 209 RStDG eingefügt wurde (ErläutRV 2003 BlgNR 24. GP 20), wird ausgeführt:

„Zu § 209 Z 4 und 5 RStDG:

Zukünftig soll der Disziplinarsenat, der Personalsenat und der Dienstsenat direkt durch die Vollversammlung gewählt werden. Die Vollversammlung des Bundesverwaltungsgerichtes wählt diese Senate des Bundesverwaltungsgerichtes und die Vollversammlung des Bundesfinanzgerichtes wählt diese Senate des Bundesfinanzgerichtes. Die Bestimmungen des RStDG über die Besetzung und über das Verfahren kommen zur Anwendung. Gegen Entscheidungen des Disziplinarsenates, des Personalsenates und des Dienstsenates wie auch bei einer Anfechtung der Wahlen dieser Senate kann ein Rechtszug an den VwGH erhoben werden.“

Die Revision ist nicht gemäß § 25a Abs. 3 VwGG unzulässig.

14       Die Disziplinarangelegenheiten der Verwaltungsrichter gehören zu den Angelegenheiten der Justizverwaltung. Aus Art. 87 Abs. 2 B-VG ergibt sich, dass die Tätigkeit eines Richters im Disziplinarsenat des Bundesfinanzgerichts, sohin in einem kollegialen Gremium, der gemäß § 209 RStDG in Disziplinarsachen der Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet, in Ausübung seines richterlichen Amts erfolgt (vgl. VfGH 14.6.2018, G 29/2018-14, G 108/2018-10). Somit sind die Beschlüsse des Disziplinarsenats des Bundesfinanzgerichts als gerichtliche Entscheidungen zu qualifizieren.

15       Nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Revisionen gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen nach Art. 133 Abs. 9 B-VG sinngemäß anzuwenden. Die Regelung des letzten Satzes des Art. 133 Abs. 9 B-VG, demzufolge das die Organisation und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes regelnde besondere Bundesgesetz bestimmt, inwieweit gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision erhoben werden kann, erfährt ihre Konkretisierung in den § 25a Abs. 2 und 3 VwGG, wo jene Beschlüsse genannt sind, gegen die eine Revision nicht zulässig ist. Der Gesetzgeber hat dabei die grundsätzliche Zulässigkeit der Erhebung einer Revision gegen Erkenntnisse und Beschlüsse eines Verwaltungsgerichts auf Grund der in Art. 133 B-VG enthaltenen Regelungen vorausgesetzt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 28.10.2015, Ro 2014/10/0127).

16       Die Frage, ob gegen den Einleitungsbeschluss des Disziplinargerichts eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist, ist ausschließlich anhand der einschlägigen Bestimmung des § 25a VwGG zu beurteilen. Die Bestimmungen betreffend den Rechtsmittelzug im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, insbesondere die in § 164 RStDG verankerten Rechtsmitteleinschränkungen, finden in Verfahren betreffend Verwaltungsrichter hingegen keine Anwendung (vgl. Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG I5 [2021] § 164 RStDG Rz. 18).

17       Dieses Ergebnis wird auch durch die oben wiedergegebenen Materialien zu § 209 RStDG, der zudem nach seinem Wortlaut nur eine sinngemäße Anwendung der für Richter des Landesgerichtes geltenden Bestimmungen anordnet, soweit in den Organisationsgesetzen nicht anderes bestimmt wird, bestätigt, in denen ausdrücklich der Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof gegen Entscheidungen des Disziplinarsenates angeführt wird.

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auch im Fall einer Dienstbeschreibung nach dem RStDG jüngst der vom Verfassungsgerichtshof judizierten Ansicht angeschlossen, wonach Entscheidungen von kollegialen Justizverwaltungsorganen der Verwaltungsgerichte, obwohl es sich materiell betrachtet um erstinstanzliche Justizverwaltungsangelegenheiten handelt, wie jede andere von einem Verwaltungsgericht nach Art. 135 Abs. 1 B-VG erlassene Entscheidung als Erkenntnis oder Beschluss eines Verwaltungsgerichts beim Verwaltungsgerichtshof mit Revision bekämpft werden können (VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0007 und 0030 unter Verweis auf VfGH 25.6.2021, E 1873/2021; 14.6.2018, G 29/2018-14, G 108/2018-10). Nichts anderes kann für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gelten.

19       In einem weiteren Schritt ist zu untersuchen, ob ein Rechtsmittelauschluss für Einleitungsbeschlüsse nach § 25a VwGG vorliegt. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass ein in § 25a Abs. 2 VwGG aufgezählter Beschluss, gegen den eine Revision absolut unzulässig ist, nicht vorliegt.

20       In Betracht käme allerdings ein Rechtsmittelausschluss gemäß § 25a Abs. 3 VwGG. Nach dieser Bestimmung ist nämlich gegen verfahrensleitende Beschlüsse eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

21       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann zur Abgrenzung zwischen - anfechtbaren - verfahrensrechtlichen Beschlüssen und bloß verfahrensleitenden Beschlüssen auf die Judikatur zur Abgrenzung zwischen den mit Berufung anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheiden und den bloßen Verfahrensanordnungen, die nicht gesondert, sondern nur mit dem gegen die Hauptentscheidung eingeräumten Rechtsbehelf anfechtbar sind, zurückgegriffen werden. Danach sprechen verfahrensrechtliche Bescheide über die sich aus verfahrensrechtlichen Bestimmungen ergebenden formalrechtlichen Rechtsverhältnisse gestaltend oder feststellend ab, das heißt sie bestimmen die verfahrensrechtliche Rechtsstellung der Parteien. Nicht gesondert anfechtbare Verfahrensanordnungen regeln hingegen nur den Gang des Verfahrens. Die Entscheidung ist danach zu treffen, ob im konkreten Fall für die betroffene Partei ein Rechtsschutzbedürfnis nach sofortiger Anfechtbarkeit der Erledigung besteht. Zudem kann hinsichtlich der erforderlichen Abgrenzung auf die in der Lehre und Rechtsprechung zu den entsprechenden Bestimmungen der ZPO (das Revisionsmodell solle sich nach den wiedergegebenen Erläuterungen an der Revision nach den Bestimmungen der §§ 500 ff ZPO orientieren) entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (vgl. zum Ganzen VwGH 3.5.2018, Ra 2018/19/0020, mit zahlreichen Judikaturzitaten).

22       Bereits im Hinblick auf die mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens unmittelbar verbundenen gehaltsrechtlichen Auswirkungen (Aufschiebung der Vorrückung gemäß § 66 Abs. 5 RStDG) ist der Einleitungsbeschluss nicht als bloß verfahrensleitender Beschluss zu qualifizieren (vgl. VfGH 15.10.1976, B 55/76 = VfSlg 7907, worin der Verfassungsgerichtshof einen Beschluss, eine Disziplinaruntersuchung gemäß § 113 Dienstpragmatik 1914 einzuleiten, als nicht bloß prozessuale Verfügung qualifizierte und dies unter anderem mit der damit verbundenen Aufschiebung der Vorrückung in höhere Bezüge begründete). Der Einleitungsbeschluss greift unmittelbar in die Rechtssphäre des Disziplinarbeschuldigten ein und hat Einfluss auf seine dienstrechtliche Stellung. Ausgehend davon kann im Einleitungsbeschluss kein bloß den Gang des Verfahrens regelnder verfahrensleitender Beschluss gesehen werden. Daran vermag auch der Umstand, dass gemäß § 66 Abs. 6 RStDG bei Wegfall des Aufschiebungsgrundes die Vorrückung rückwirkend zu vollziehen ist, nichts zu ändern.

23       Der Auffassung des Disziplinargerichts, wonach sich aus § 209 RStDG ergebe, dass die Regelungen des RStDG über Rechtsbehelfe im Disziplinarverfahren zur Beurteilung der Frage, ob ein Beschluss ein verfahrensleitender Beschluss iSd § 25a Abs. 3 VwGG sei, heranzuziehen sei, kann schon deshalb nicht beigetreten werden, weil sich - wie bereits ausgeführt - die hier zu lösende Abgrenzungsfrage zwischen verfahrensrechtlichen und bloß verfahrensleitenden Beschlüssen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen den Einleitungsbeschluss im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit von vorhinein nicht stellt.

24       Da somit der Einleitungsbeschluss nicht dem Revisionsausschluss gemäß § 25a Abs. 3 VwGG unterliegt, hätte das Verwaltungsgericht darin gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aussprechen müssen, ob dagegen die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Mangels eines solchen Ausspruches ist die vorliegende Revision als ordentliche Revision zu behandeln (vgl. VwGH 6.10.2021, Ro 2021/01/0021, 24.3.2015, Ro 2014/05/0089, mwN).

Zur Zulässigkeit der Revision

25       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 27.10.2020, Ro 2020/03/0022; 11.8.2017, Ro 2015/10/0047, jeweils mwN).

26       Soweit zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob Einleitungsbeschlüsse gegen Richter des Bundesverwaltungsgerichts als verfahrensrechtliche Beschlüsse gesondert anfechtbar sind oder diese in den Anwendungsbereich des § 209 RStDG fallen, ist darauf hinzuweisen, dass damit von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG gesprochen werden kann, sie sich inhaltlich auf eine durch die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes mögliche Rechtsverletzung beziehen und sich daher innerhalb der Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht bewegen muss. Ferner muss die Rechtsfrage für die Entscheidung über die Revision präjudiziell und nach dem Vorbringen des Revisionswerbers vom Verwaltungsgericht unrichtig gelöst worden sein. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht vom Vorliegen der Unzulässigkeit der Revision gemäß § 25a Abs. 3 VwGG ausgegangen ist, stellt keine solche den verfahrensgegenständlichen Einleitungsbeschluss in der Sache betreffende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Es geht dabei vielmehr um eine eigene weitere Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG, nämlich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für eine Revision (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2014/05/0089).

27       Weiters erblickt der Revisionswerber die Zulässigkeit seiner Revision darin, dass dem Einleitungsbeschluss nicht zu entnehmen sei, ob für jeden einzelnen der darin aufgezählten Spruchpunkte jeweils gesondert und für sich betrachtet ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, in dem Sinn, dass jeder einzelne Spruchpunkt jeweils als ein eigenes Disziplinarverfahren eingeleitet werde oder ob die einzelnen, im Einleitungsbeschluss aufgezählten Spruchpunkte nur gesamthaft als eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden sollen. Dadurch weiche das Disziplinargericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, wonach dem Einleitungsbeschluss eine Klarstellungsfunktion zukomme. Darüber hinaus dürfe ein Einleitungsbeschluss nicht vom Typus des Vorwurfs, der aus der Disziplinaranzeige hervorgehe, abweichen. Ein Einleitungsbeschluss, der den in der Anzeige angeführten Vorwurf eines gesamthaft zu betrachtenden Verhaltens in mehrere Einzelvorwürfe von jeweils gesondert voneinander zu verfolgender Vergehen umwandle, verändere den Typus des in der Anzeige umschriebenen Vorwurfs in gravierender Weise.

28       Abweichungen des angefochtenen Beschlusses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werden mit diesem Vorbringen jedoch nicht aufgezeigt:

29       Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen ist, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf nämlich keine Disziplinarstrafe wegen eines Verdachtes ausgesprochen werden, der nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. In dieser Phase des Verfahrens ist zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob keine genügenden Verdachtsgründe vorliegen und hingegen allenfalls offenkundige Gründe für die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegeben sind. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Es besteht keine Bindung an die rechtliche Würdigung der Taten im Einleitungsbeschluss (vgl. zu alledem insbesondere zum BDG 1979: VwGH 18.11.2020, Ra 2019/09/0165; 17.2.2015, Ra 2014/09/0007, und 21.9.1995, 93/09/0449; auch etwa zum HDG 2014: VwGH 24.1.2018, Ra 2017/09/0047, und zum LDG 1984: 28.3.2017, Ra 2017/09/0008).

30       Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass diese im Wesentlichen zur (vergleichbaren) Bestimmung des § 123 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) zur Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte/Beamtinnen entwickelten Grundsätze in gleicher Weise auf das Verfahren zur Einleitung einer Disziplinaruntersuchung nach § 123 RStDG gegen Verwaltungsrichter/innen vor den Verwaltungsgerichten als Disziplinargerichte anzuwenden sind (vgl. VwGH 21.12.2020, Ra 2020/09/0056).

31       Der Spruch des Einleitungsbeschlusses genügt diesen von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen, weil darin die dem Revisionswerber angelasteten Verhaltensweisen im Einzelnen beschrieben und die Vorfälle (Sachverhalte) umgrenzt werden. Es geht daraus klar und unverwechselbar hervor, welche Vorgänge dem Revisionswerber angelastet werden, die den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden, sodass ihm eine sachgerechte Verteidigung ermöglicht wird.

32       Soweit der Revisionswerber sich darauf beruft, es sei nicht erkennbar, ob ein Gesamtvorwurf erhoben werde oder mehrere Einzelvorwürfe, ist darauf zu verweisen, dass - wie bereits dargestellt - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Bindung an die rechtliche Würdigung der Taten im Einleitungsbeschluss besteht. Der Revisionswerber übersieht, dass das Dienststrafrecht des RStDG - abgesehen von § 104 Abs. 2 - kein Typenstrafrecht ist und grundsätzlich keine mit Strafe bedrohten konkreten Tatbilder kennt, sondern nur einen einzigen und einheitlichen Tatbildkomplex, nämlich eine Pflichtverletzung. Gegenstand der Beurteilung des Disziplinargerichts ist daher, ob das gesamte inkriminierte Verhalten des Richters (Verletzung von Amts- oder Standespflichten iSd §§ 57 ff RStDG) mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände ein Dienstvergehen darstellt (vgl. OGH 4.3.2014, Ds 26/13, RIS-Justiz RS0072482; Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG § 101 Rz. 7). Ob auch eine einzelne von mehreren pflichtverletzenden Handlungen per se ein Dienstvergehen begründet, ist für die Schuldfrage ohne Bedeutung (vgl. RIS-Justiz RS0072779).

33       Der Einwand eines (allfälligen) Abweichens vom „Vorwurfstypus der Anzeige“ geht schon im Hinblick darauf, dass dem Revisionswerber im Einleitungsbeschluss wie auch in der Disziplinaranzeige eine Verletzung der richterlichen Pflichten nach § 57 RStDG zur Last gelegt wird, ins Leere. Dem Revisionswerber werden im Einleitungsbeschluss keine davon abweichenden Deliktstypen vorgeworfen. Wenn der Revisionswerber im Übrigen geltend macht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen (Hinweis auf VwGH 13.10.1994, 92/09/0376), so vernachlässigt er, dass dem genannten Erkenntnis ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag, weshalb ein Abweichen von der Rechtsprechung schon deshalb nicht dargetan wird. Bei der ins Treffen geführten Entscheidung wurde im gegen den Disziplinarbeschuldigten, einen Beamten des Landes Steiermark, erfolgten Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss zusätzlich ein von der Disziplinaranzeige (dort ging es um die Anstellung der Schwiegertochter des Disziplinarbeschuldigten und dienstliche Einflussnahme) nicht erfasster Tatvorwurf der Verletzung der Amtsverschwiegenheit und damit ein anderer „Deliktstypus“ aufgenommen.

34       Weiters macht der Revisionswerber geltend, der Einleitungsbeschluss sei ohne den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dafür geforderten, mehrjährigen „Quervergleich“ gefasst worden (Verweis auf VwGH 21.12.2020, Ra 2020/09/0056). Der genannten Entscheidung lag jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde, weil dort die Einleitung der Disziplinaruntersuchung gemäß § 123 Abs. 4 RStDG abgelehnt und das Verfahren eingestellt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der genannten Entscheidung klargestellt, dass eine Einstellung eine „hinreichend geklärte“ Sachlage erfordert, welche in der dort vorliegenden Konstellation verneint wurde, weil konkrete Feststellungen zur Belastungssituation der betroffenen Gerichtsabteilung und für einen in der vorliegenden Konstellation notwendigen „Quervergleich“ zu anderen Gerichtsabteilungen gefehlt haben. Im vorliegenden Fall wurde vom Disziplinargericht hingegen ein hinreichend geklärter Sachverhalt gerade nicht angenommen und ein unmittelbarer Verweisungsbeschluss nicht gefasst, sondern ein Einleitungsbeschluss. In weiterer Folge wird es gemäß § 125 iVm § 209 RStDG dem Untersuchungskommissär obliegen, weitere Schritte zur Klärung des Sachverhalts zu setzen.

35       Mit seinen Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung zu den einzelnen im Einleitungsbeschluss angeführten Vorwürfen vermag der Revisionswerber keine grundsätzliche Rechtsfrage aufzuwerfen. Insbesondere zeigt er nicht auf, dass die vom Disziplinargericht vorgenommene Beurteilung im Einzelfall, wonach genügende Verdachtsgründe vorlägen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigten, unvertretbar erfolgt wäre und ein relevanter Begründungsmangel vorläge (zur disziplinären Verantwortung im Zusammenhang mit der Vorlage von Anträgen auf Fristsetzung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch ein Verwaltungsgericht vgl. im Übrigen VwGH 2.11.2020, Ro 2020/09/0014). Eine Klärung der genauen Umstände ist in diesem Verfahrensstadium nicht erforderlich.

36       Der Revisionswerber rügt in der Zulässigkeitsbegründung hinsichtlich einzelner Vorwürfe überdies das Unterlassen der Durchführung von Vorerhebungen gemäß § 122 Abs. 1 RStDG, welche im Hinblick auf seine Stellungnahme vom 25. November 2020, in der er aufgezeigt habe, dass gegen ihn keine genügenden Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme einer konkreten Dienstverpflichtung rechtfertigen würden, geboten gewesen wären. Die Durchführung von Vorerhebungen sind bereits nach dem Gesetzeswortlaut jedoch lediglich fakultativ, wenn dies im Interesse einer Beschleunigung oder Vereinfachung des Verfahrens liegt (vgl. in diesem Sinn RIS-Justiz RS0072646). Vor dem Hintergrund der Vielzahl von Vorwürfen, die teilweise auch in einem sachlichen Zusammenhang stehen und die einer vertieften Untersuchung bedürfen, kann die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung ohne vorherige Durchführung von Vorerhebung nicht als unvertretbar erkannt werden.

37       Der Revisionswerber macht ferner einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot geltend, weil das Disziplinargericht, obwohl die Disziplinaranwältin in ihrer Stellungnahme vom 27. Jänner 2021 weitere Vorwürfe und belastendes Vorbringen erstattet habe, nicht erneut eine Anhörung gemäß § 123 Abs. 1 zweiter Satz RStDG durchgeführt habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Disziplinargericht in seiner Begründung eines ausreichenden Anfangsverdachts sich tragend auf die Disziplinaranzeige und die Nachtragsanzeige gestützt hat, die dem Revisionswerber im Rahmen der „Anhörung“ übermittelt wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Revisionswerber spruchgemäß neue Sachverhalte vorgeworfen werden.

38       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Der gegenständliche Beschluss tritt an die Stelle des Zurückweisungsbeschlusses des Disziplinargerichtes (vgl. VwGH 6.11.2018, Ro 2018/01/0011; 18.3.2015, Ro 2014/10/0108, mwN).

39       Der Verwaltungsgerichtshof hat mittlerweile klargestellt, dass in Verfahren, in denen das Verwaltungsgericht ohne vorgelagerte Verwaltungsbehörde ein Verfahren durchführt - dort Dienstbeschreibung durch den Personalsenat nach dem RStDG - naturgemäß keiner Behörde Parteistellung im Revisionsverfahren zukommt, weil keine im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde vorhanden ist. Ebensowenig ist der Bundesminister oder die Landesregierung zum Eintritt in das Verfahren berechtigt oder weitere Partei im Revisionsverfahren, setzt deren Parteistellung doch voraus, dass entweder von einem staatlichen Organ Revision erhoben worden oder einer belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Parteistellung zugekommen bzw. eine weisungsfrei gestellte Verwaltungsbehörde Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gewesen ist (vgl. neuerlich jüngst VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0007 und 0030). Da es sich beim vom Disziplinargericht erlassenen Einleitungsbeschluss ebenfalls um eine Entscheidung eines Gerichts ohne vorgelagertes verwaltungsbehördliches Verfahren handelt, kommt der Bundesministerin für Justiz keine Parteistellung im gegenständlichen Revisionsverfahren zu. Die von ihr erstattete Revisionsbeantwortung war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021090008.J04

Im RIS seit

25.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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