TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/1 96/11/0233

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Veröffentlicht am 01.10.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §56;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §75 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des C in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst vom 24. Juli 1996, Zl. 421.506/2-I/10/96, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgendes:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 5. Februar 1996 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm eine neue Lenkerberechtigung nicht vor Ablauf von 3 Jahren (gerechnet ab 16. Dezember 1995) erteilt werden darf. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers langte beim Landeshauptmann von Salzburg am 15. Februar 1996 ein. Wegen Säumigkeit der Berufungsbehörde machte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Übergang der Entscheidungspflicht auf sie geltend. Der Antrag langte bei der belangten Behörde am 25. Juni 1996 ein. Er wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 73 Abs. 2 AVG abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß dem letzten Satz des § 73 Abs. 2 AVG ist ein Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Devolutionsantrages mit mangelndem Verschulden des Landeshauptmannes von Salzburg. Die von ihm zu treffende Entscheidung sei von der Vorfrage abhängig, ob der Beschwerdeführer am 16. Dezember 1995 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, hiebei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet und anschließend Fahrerflucht begangen habe. Darüber sei ein Strafverfahren beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg anhängig. Der Landeshauptmann von Salzburg sei berechtigt, den Ausgang dieses präjudiziellen Strafverfahrens abzuwarten.

Der Beschwerdeführer wendet ein, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg habe nicht die außer Streit stehende "Frage der tatsächlich gemessenen Alkoholmenge" zu beurteilen, "sondern einzig die Beweisfrage, wie es dazu gekommen ist bzw. ob - wie der Beschwerdeführer darstellte - ein Nachtrunk stattgefunden hatte". Nur diese die Begründung betreffende Frage sei die im Beschwerdefall strittige Vorfrage. Im übrigen herrschten im Verwaltungsstrafverfahren andere Beweisregeln als im Entziehungsverfahren, in dem die "Zweifelsregel" keine Anwendung finde. Es sei dem Landeshauptmann selbst bei Einstellung des Strafverfahrens unbenommen, "den Führerscheinentziehungsbescheid dennoch nicht aufzuheben".

Der Beschwerdeführer ist damit nicht im Recht. Vorfrage ist im Beschwerdefall, ob der Beschwerdeführer am 16. Dezember 1995 eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat und daher vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 auszugehen ist. Die Frage der Begehung dieser Übertretung ist im Verwaltungsstrafverfahren vom Unabhängigen Verwaltungssenat im Landes Salzburg als Hauptfrage zu entscheiden. Dabei ist auch der Einwand des Beschwerdeführers betreffend den behaupteten Nachtrunk zu prüfen. Bei dieser letzteren Frage handelt es sich entgegen seiner Meinung nicht um die hier maßgebliche Vorfrage im Sinne des § 38 AVG, sondern lediglich um eine Beweisfrage, von deren Lösung freilich die Entscheidung über die Hauptfrage abhängt. Sollte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg im Strafverfahren zur Auffassung gelangen, der Beschwerdeführer habe das in Rede stehende Alkoholdelikt nicht begangen, und das Strafverfahren deshalb einstellen, so wären - anders als im Falle einer Einstellung aus einem bloß formalen Grund - die Kraftfahrbehörden im Entziehungsverfahren daran gebunden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes

Slg. Nr. 12555 A/1987 und vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0094).

Soweit der Beschwerdeführer die Aussetzung eines Entziehungsverfahrens gemäß § 38 AVG im gegebenen Zusammenhang für unzulässig hält, weil andernfalls die Anordnung des § 75 Abs. 5 KFG 1967 betreffend die Verkürzung der Entscheidungsfrist im Entziehungsverfahren unterlaufen würde, und die Verneinung schuldhafter Säumigkeit im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG aus Gründen des Säumnisschutzes an die Voraussetzung der Erlassung eines Aussetzungsbescheides knüpft, verkennt er gleichfalls die Rechtslage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 10. April 1987, Zl. 87/11/0013 mit weiteren Judikaturhinweisen, und vom 11. Februar 1992, Zl. 92/11/0006) kann auch ein Entziehungsverfahren bis zur Entscheidung einer Vorfrage durch die zu ihrer Beurteilung als Hauptfrage zuständige Behörde ausgesetzt werden. Dazu bedarf es keines Aussetzungsbescheides nach § 38 AVG. Die Kraftfahrbehörde kann vielmehr - sofern die Voraussetzungen für einen Aussetzungsbescheid vorliegen - auch ohne Erlassung eines solchen den Ausgang des über die Vorfrage anhängigen Verfahrens abwarten. Eine Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen und demnach die Behörde kein Verschulden an der behaupteten Säumigkeit trifft, kann durch Stellung eines Devolutionsantrages erzwungen werden.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996110233.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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