TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/20 W155 2241942-1

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Veröffentlicht am 20.12.2021
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Entscheidungsdatum

20.12.2021

Norm

BFA-VG §39
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35

Spruch


W155 2241942-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch RA Gregor Klammer, gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Sicherstellung von Dokumenten (Reisepass, Aufenthaltskarte) zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die vorläufige Sicherstellung von Dokumenten (Reisepass, Aufenthaltskarte) wird abgewiesen. Die vorläufige Sicherstellung von Dokumenten (Reisepass, Aufenthaltskarte) ist rechtmäßig.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird abgewiesen.

III. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 461,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste legal in das österreichische Bundesgebiet ein. Er wurde am 23.04.2021 beim Verkauf einer Zeitung fremdenpolizeilich kontrolliert. Er konnte sich mit einem nigerianischen Reisepass und einer spanischen Aufenthaltskarte ausweisen und wurde eine aufrechte Meldung im Zentralen Melderegister festgestellt.

Am selben Tag stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des BF fest, erstattetet Anzeige nach dem Fremdenpolizeigesetz, leitete ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein und ordnetet die Sicherstellung einer Aufenthaltskarte und eines Reisepasses an. Der BF wurde am selben Tag (23.04.2021) vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt. Der BF gab keine Stellungnahme ab.

Am 29.04.2021 wurde der BF über seinen Arbeitgeber informiert, dass er sich an die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU) wenden soll, um seine Ausreise zu organisieren. Die Dokumente würden gegen die Vorlage eines Ausreisetickets ausgehändigt werden.

Mit Schriftsatz vom 28.04.2021 erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter eine Maßnahmenbeschwerde mit der Begründung, dass er sich seit 08.03.2021 – nicht mehr als 90 Tage - in Österreich aufhalte. Er habe ein bisschen Geld dazuverdienen wollen, weil er die Kommunikation mit Menschen liebe. Er sei grundsätzlich zu touristischen Zwecken bzw. zum Besuch eines Freundes nach Österreich gekommen. Er verfüge über ausreichend finanzielle Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, die er durch den Verkauf von Zeitungen erworben habe. Er habe weder eine verbotene Erwerbstätigkeit ausgeübt, noch habe er sich unrechtmäßig im Österreich aufgehalten. Der BF begehrte die Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Sicherstellung und den Kostenaufwand für Schriftsatz und Verhandlung.

In einer Stellungnahme vom 30.04.2022 führte die belangte Behörde aus, dass auf Grund der Meldedatei davon auszugehen sei, dass der BF den zulässigen Aufenthalt von 90 Tagen in 180 Tagen überschritten habe. Dass der BF nicht über genüge finanzielle Mittel verfüge, ergebe sich aus seiner Beschäftigung als Zeitungsverkäufer. Da keine entsprechenden Bescheinigungsmittel vorlägen, sei ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung eingeleitet worden, es sei keine Stellungnahme durch den BF bzw. seinem Rechtsvertreter eingelangt. Der BF könne das Bundesgebiet jederzeit unter Vorlage eines Ausreisetickets freiwillig verlassen.

Am 09.05.2021 reiste der BF mit organisatorischer Unterstützungsleistung der BBU nach Spanien. Er wurde bis zum Gate von einem BBU Mitarbeiter begleitet.

Mit Schriftsatz vom 02.12.2021 stellte der BF durch seinen Rechtsvertreter einen Fristsetzungsantrag.

Über Nachfrage teilte die belangte Behörde am 10.12.2021 mit, dass das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Grund der Ausreise des BF nicht mehr fortgesetzt worden sei. Die Personaldokumente wären einem Vertreter der BBU ausgefolgt und dem BF bei seiner Ausreise übergeben worden.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Der BF ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria, er trägt den im Spruch genannten Namen und das im Spruch genannte Geburtsdatum.

Der BF ist in Spanien aufenthaltsberechtigt, seine Aufenthaltskarte XXXX ist bis 31.10.2023 gültig.

Der BF verfügt über einen Reisepass der federal republic of nigeria, ausgestellt am 27.08.2018, gültig bis 29.08.2021.

Der BF wurde am 23.04.2021 um 10:30 Uhr beim Verkauf einer „ XXXX “- Zeitung einer polizeilichen Kontrolle unterzogen.

Der BF war seit 2.11.2017 bis zuletzt immer wieder in Wien Haupt -bzw. Nebenwohnsitz- gemeldet, unter anderem hatte er

vom 15.06.2020 bis 02.10.2020 einen Hauptwohnsitz in XXXX Wien,

vom 20.10.2020 bis 10.02.2021 einen Hauptwohnsitz in XXXX Wien,

und zuletzt vom 08.03.2021 bis 10.05. 2021 einen Hauptwohnsitz in XXXX Wien.

Der BF hat seinen zulässigen Aufenthalt von 90 Tagen in 180 Tagen überschritten.

Der BF ist am 09.05.2021 aus dem Bundesgebiet nach Spanien ausgereist. Die sichergestellten Dokumente wurde dem BF vor seiner Ausreise übergeben.

Das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde eingestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde.

Die Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus seinem Reisepass, die Aufenthaltsberechtigung in Spanien aus seiner Aufenthaltsberechtigungskarte mit der Zahl XXXX ausgestellt in Madrid.

Die Wohnsitzmeldungen sind aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich. Die Überschreitung seines zulässigen Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister, das seine Aufenthalte dokumentiert. Auf die rechtlichen Ausführungen (unter Punkt 3.) wird verwiesen.

Die Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus der von der belangten Behörde vorgelegten Bestätigung der Ausreise nach Spanien. Die Ausreise bedingt auch die Übergabe der sichergestellten Dokumente und die Einstellung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt („Maßnahmenbeschwerden“) gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 13 Abs. 3 FPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter anderem ermächtigt, die ihnen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück eingeräumten Befugnisse und Aufträge des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen.

Zu Spruchpunkt A) I.

§ 39 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

„Sicherstellen von Beweismitteln und Bargeld

§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Gegenstände und Dokumente, die für ein Verfahren vor dem Bundesamt oder für eine Abschiebung gemäß § 46 FPG als Beweismittel benötigt werden, vorläufig sicherzustellen. Im Falle einer Anordnung gemäß § 43 Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch ermächtigt, jenen Teil des mitgeführten Bargeldes, der einen dem Fremden jedenfalls zu belassenden Betrag von 120 Euro oder Euro-Gegenwert, nicht aber einen Höchstbetrag von 840 Euro oder Euro-Gegenwert überschreitet, sicherzustellen. Wird Bargeld sichergestellt, so ist der Fremde nachweislich über die Beitragspflicht, den Anspruch auf Ausfolgung eines allfälligen Differenzbetrages und das Recht, dessen Feststellung zu beantragen, sowie die Rechtsfolge des Verfalls gemäß § 2 Abs. 1b bis 1e GVG-B 2005 zu informieren.

[…]

(2) Als Beweismittel gelten auch Gegenstände oder Dokumente, die im Zuge der Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für die Abschiebung, benötigt werden.

(3) Über eine Sicherstellung gemäß Abs. 1 und 1a ist dem Betroffenen eine schriftliche Bestätigung auszufolgen, aus der, wenn Bargeld sichergestellt wird, die Höhe des sichergestellten Betrages hervorgehen muss. Die Beweismittel sind dem Bundesamt zu übergeben und von diesem, sobald sie nicht mehr für Verfahren oder für eine Abschiebung benötigt werden, dem Betroffenen zurückzustellen, es sei denn, sie wären nach einem anderen Bundesgesetz sicherzustellen. Im Falle der Sicherstellung von Datenträgern sind nicht diese, sondern die Ergebnisse der Auswertung samt Sicherungskopie (§ 39a) dem Bundesamt zu übermitteln. Im Falle der Sicherstellung von Bargeld sind dem Bundesamt der sichergestellte Bargeldbetrag und eine Kopie der dem Asylwerber ausgefolgten Bestätigung zu übermitteln.“

Schengener Übereinkommen-Durchführung (SDÜ), auszugsweise:

„Artikel 21

(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich auf Grund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen, soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen.

(2) Das gleiche gilt für Drittausländer, die Inhaber eines von einer der Vertragsparteien ausgestellten vorläufigen Aufenthaltstitels und eines von dieser Vertragspartei ausgestellten Reisedokuments sind.

(3) Die Vertragsparteien übermitteln dem Exekutivausschuß die Liste der Dokumente, die sie als Aufenthaltserlaubnis oder vorläufigen Aufenthaltstitel und als Reisedokument im Sinne dieses Artikels ausstellen.

(4) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten unbeschadet des Artikels 22.“

„Artikel 5

(1) Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten kann einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden, wenn er die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt:
a)         Er muß im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein, die von dem Exekutivausschuß bestimmt werden.
b)         Er muß, soweit erforderlich, im Besitz eines gültigen Sichtvermerks sein.
c)         Er muß gegebenenfalls die Dokumente vorzeigen, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.
d)         Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.
e)         Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen.

(2) Einem Drittausländer, der nicht alle diese Voraussetzungen erfüllt, muß die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien verweigert werden, es sei denn, eine Vertragspartei hält es aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder auf Grund internationaler Verpflichtungen für erforderlich, von diesem Grundsatz abzuweichen. In diesen Fällen wird die Zulassung auf das Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragspartei beschränkt, die die übrigen Vertragsparteien darüber unterrichten muß. Die besonderen Bestimmungen des Asylrechts und des Artikels 18 bleiben unberührt.

(3) Einem Drittausländer, der über eine von einer der Vertragsparteien ausgestellte Aufenthaltserlaubnis, einen von einer der Vertragsparteien ausgestellten Rückreisesichtvermerk oder erforderlichenfalls beide Dokumente verfügt, ist die Durchreise zu gestatten, es sei denn, daß er auf der nationalen Ausschreibungsliste der Vertragspartei steht, an deren Außengrenzen er die Einreise begehrt.“

Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 (Schengener Grenzkodex)- SGK,auszugeseise:
„Art. 6 Einreisevoraussetzungen für Drittstaatsangehörige

(1) Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen folgende Einreisevoraussetzungen:

a) Er muss im Besitz eines gültigen Reisedokuments sein, das seinen Inhaber zum Überschreiten der Grenze berechtigt und folgende Anforderungen erfüllt:
i) Es muss mindestens noch drei Monate nach der geplanten Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültig. In begründeten Notfällen kann von dieser Verpflichtung abgesehen werden.
ii) Es muss innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre ausgestellt worden sein.

b) Er muss im Besitz eines gültigen Visums sein, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vorgeschrieben ist, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist.

c)Er muss den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen, und er muss über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben

d) Er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.

e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

[…]“

Fremdenpolizeigesetz 2005 - (FPG), auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

[…]

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

[…]“

Die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen die der belangten Behörde zurechenbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der im Auftrag der belangten Behörde von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Sicherstellung von Dokumenten als Beweismittel für die Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

Der BF ist in Spanien bis mindestens 31.10.2023 aufenthaltsberechtigt und verfügte über einen bis 26.08.2021 gültigen Reisepass. Er ist im Sinne der SDÜ als Drittausländer unter bestimmten Voraussetzungen zu einem höchstens 3-monatigen Aufenthalt in Österreich berechtigt. Unter anderem muss er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des Aufenthalts und für die Rückreise verfügen oder diese auf legale Weise erwerben. Der BF hat im Ermittlungsverfahren den Zweck seines Aufenthaltes nicht bekanntgegeben und auch nicht bekanntgegeben, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet und in welchem Rechtsverhältnis er seine Unterkunft benutzt (Miete, Eigentum …): Erst in der Beschwerde gab er an, dass er sich aus touristischen Zwecken und zum Besuch eines Freundes in Österreich aufhält und Zeitungen verkauft, um etwas „dazuzuverdienen“. Zudem liebe er die Kommunikation mit Menschen. Er hat weder einen Beschäftigungsnachweis über sein Einkommen, noch konkret dargelegt, über welche ausreichend finanziellen Mittel er verfügt, um den Lebensunterhalt und die Miete zu bestreiten. Wie schon die belangte Behörde geht das erkennende Gericht davon aus, dass der BF die Voraussetzungen der Art. 5 Abs. 1 lit c (entspricht Art. 6 Abs. 1 lit c SGK) nicht erfüllt.

Ungeachtet dessen hat sich der BF unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

Der BF gab in der Beschwerde an, dass er am 08.03.2021 nach Österreich gekommen ist, was der Auskunft im Zentralen Melderegister entspricht. Er hat aber nach den melderechtlichen Bestimmungen auch vom 15.06.2020 bis 02.10.2020 und vom 20.10.2020 bis 10.02.2021 seinen Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der BF in diesen genannten Zeiträumen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Nach Art. 6 Abs. 1 SGK konnte der BF unter bestimmten Voraussetzungen, u.a. von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, in das österreichische Bundesgebiet einreisen. Der BF reiste am 08.03.2021 ein und hielt sich innerhalb der letzten 180 Tagen („Rückwärtsrechnung“, vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2019/22/0126), also innerhalb des Zeitraumes von ca. 09.09.2020 bis 08.03.2021 über 90 Tage auf (20.10.2021 bis 10.02.2021 = 114 Tage). Er hätte erst wieder am 12.05.2021 einreisen dürfen. Er hat seinen zulässigen Aufenthalt überschritten und war daher unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, sodass die belangte Behörde zu Recht ein Rückkehrentscheidungsverfahren eingeleitet hat (§ 52 Abs. 1 Z1 FPG). Die Sicherstellung der Dokumente war in diesem Zusammenhang zulässig und die Beschwerde gem. § 39 Abs. 1 BFA-VG abzuweisen.

Im Übrigen wird festgehalten, dass sich der BF auch bei der vorherigen Einreise am 20.10.2020 innerhalb eines Zeitraumes von 180 Tagen über 110 Tage (15.06.2020 bis 02.10.2020) aufgehalten und auch damals die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten hat.

Zu Spruchpunkt A) II., III.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen die vorläufige Sicherstellung von Dokumenten Maßnahmenbeschwerde erhoben. Der BF hat einen Antrag auf Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen gestellt. Dem BF gebührt als unterlegene Parteien jedoch kein Kostenersatz.

Im vorliegenden Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde ausreichend geklärt war.

Zu Spruchpunkt B)

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme Befehls- und Zwangsgewalt Beweismittel Dokumente Kostenersatz Maßnahmenbeschwerde Sicherstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W155.2241942.1.00

Im RIS seit

24.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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