TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/3 W246 2244348-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.2021
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Entscheidungsdatum

03.11.2021

Norm

AVG §71
B-GlBG §18a
B-GlBG §20 Abs3
B-GlBG §20 Abs6
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W246 2244348-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Alexander EBNER, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 04.07.2021, Zl. 2021-0.043.729, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG und betreffend Ersatz des Vermögensschadens gemäß § 18a B-GlBG zu Recht:

A) I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen und dieser Spruchpunkt mit der Maßgabe bestätigt, dass er zu lauten hat:

„I. Der Antrag des XXXX vom 19.01.2021 auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a B-GlBG wird als unzulässig zurückgewiesen.“

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 13.11.2018 bewarb sich der Beschwerdeführer, ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehender Justizwachebeamter der Justizanstalt XXXX unter Anschluss von Bewerbungsunterlagen auf die ausgeschriebene Planstelle des „Traktkommandanten“ im „Traktkommando D-E Trakt“ (Verwendungsgruppe E2a, Funktionsgruppe 5) der Justizanstalt XXXX .

2. Die Leiterin der Justizanstalt XXXX teilte dem Beschwerdeführer mit E-Mail vom 11.04.2019 mit, dass ein anderer Bewerber mit der o.a. Planstelle betraut worden sei.

3. Der Beschwerdeführer übergab der Gleichbehandlungsbeauftragten in der Justiz (in der Folge: die Gleichbehandlungsbeauftragte) am 07.05.2019 einen Antrag auf Erstellung eines Gutachtens wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 23a B-GlBG, welcher an den Senat II der Bundes-Gleichbehandlungskommission gerichtet war. Die Gleichbehandlungsbeauftragte leitete diesen Antrag in der Folge an die Bundes-Gleichbehandlungskommission weiter, bei der er am 10.07.2019 einlangte.

4. Das in der Folge erstattete Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission vom 07.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer mit E-Mail vom 09.10.2020 übermittelt.

5. Mit Schreiben vom 19.01.2021, bei der Behörde eingelangt am 20.01.2021, stellte der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und einen Antrag auf Ersatz des Vermögensschadens nach § 18a B-GlBG.

Dabei führte der Beschwerdeführer zu dem von ihm erhobenen Wiedereinsetzungsantrag aus, er sei irrtümlich davon ausgegangen, dass die Gleichbehandlungsbeauftragte der Bundes-Gleichbehandlungskommission zuzurechnen sei und dass sein Antrag an die Bundes-Gleichbehandlungskommission somit durch die Übergabe an die Gleichbehandlungsbeauftragte am 07.05.2019 als bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission eingebracht gegolten habe. Zudem habe er angenommen, dass sein Antrag an die Bundes-Gleichbehandlungskommission von der Gleichbehandlungsbeauftragten auch umgehend an die Bundes-Gleichbehandlungskommission weitergeleitet werde, was aber offenbar nicht geschehen sei. Der Beschwerdeführer sei am 11.01.2021 in der Kanzlei des einschreitenden Rechtsvertreters gewesen, um infolge des für ihn positiven Gutachtens der Bundes-Gleichbehandlungskommission seine Ansprüche prüfen zu lassen und allenfalls geltend zu machen. Zu diesem Zeitpunkt sei er davon ausgegangen, dass von der sechsmonatigen Frist des § 20 Abs. 3 B-GlBG infolge Hemmung dieser Frist durch das mit seinem Antrag vom 07.05.2019 eingeleitete Verfahren vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission und der erst ca. drei Monate zurückliegenden Zustellung des Gutachtens der Bundes-Gleichhandlungskommission noch mehr als zwei Monate offen gewesen seien.

6. Die Bundesministerin für Justiz (in der Folge: die Behörde) teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18.05.2021 mit näherer Begründung mit, dass im vorliegenden Fall aus ihrer Sicht kein minderer Grad des Versehens vorliege und die Voraussetzungen des § 71 AVG somit nicht erfüllt seien.

7. Der Beschwerdeführer nahm hierzu mit Schreiben vom 20.05.2021 im Wege seines Rechtsvertreters Stellung. Dabei führte er aus, dass er zum Zeitpunkt der Einbringung seines Antrages nach § 23a B-GlBG keine Kenntnis von der sechsmonatigen Frist des § 20 Abs. 3 leg.cit. gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm auch nicht bewusst gewesen, dass die Übergabe seines Antrages nach § 23a leg.cit. an die Gleichbehandlungsbeauftragte nicht mit einer Einbringung bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission gleichzusetzen sei und dass die Gleichbehandlungsbeauftragte seinen Antrag erst über zwei Monate später weiterleiten würde. Er sei diesbezüglich auch nicht von der Gleichbehandlungsbeauftragten oder der Bundes-Gleichbehandlungskommission aufgeklärt worden. Der Beschwerdeführer sei daher einem der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglichen Rechtsirrtum hinsichtlich der Zurechenbarkeit der Gleichbehandlungsbeauftragten zur Bundes-Gleichbehandlungskommission und des Bestehens/der Unterbrechung der sechsmonatigen Einbringungsfrist unterlegen, woran ihn allenfalls ein minderer Grad des Versehens treffe.

8. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Geltendmachung seines Anspruches nach § 18a B-GlBG ab (Spruchpunkt I.) und seinen Antrag nach § 18a leg.cit. auf Ersatz des Vermögensschadens als unzulässig zurück (Spruchpunkt II.).

8.1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei aus Sicht der Behörde schon deshalb abzuweisen, weil Rechtsunkenntnis alleine nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen tauglichen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darstelle. Darüber hinaus liege im vorliegenden Fall nicht nur ein minderer Grad des Versehens iSd § 71 AVG vor. Der Beschwerdeführer hätte nämlich bereits bei Durchsicht des Gutachtens der Bundes-Gleichbehandlungskommission erkennen müssen, dass zwischen dem von ihm vermuteten Einlangen seines Antrages nach § 23a B-GlBG bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission (zum Zeitpunkt der Übergabe an die Gleichbehandlungsbeauftragte am 07.05.2019) und dem im Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission angeführten Datum des Einlangens seines Antrages (10.07.2019) eine erhebliche Diskrepanz gelegen sei, womit er nicht mehr von einer Zurechnung der Gleichbehandlungsbeauftragten zur Bundes-Gleichbehandlungskommission ausgehen hätte dürfen. Obwohl im Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission ausdrücklich auf die relevanten Bestimmungen des B-GlBG hingewiesen worden sei, habe der Beschwerdeführer den Ausgang eines weiteren Bewerbungsverfahrens abgewartet, was als eklatante Sorglosigkeit in eigenen Belangen und nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren sei.

8.2. Zur Zurückweisung des Antrages nach § 18a B-GlBG hielt die Behörde fest, dass Ansprüche gemäß § 18a leg.cit. binnen sechs Monate mittels Antrages bei der Dienstbehörde geltend zu machen seien, welche die Bewerbung abgelehnt habe; die Frist für die Geltendmachung dieses Anspruches beginne mit Ablauf des Tages zu laufen, an dem der Beamte Kenntnis von der Ablehnung seiner Bewerbung erhalten habe. Laut den der Behörde vorliegenden Unterlagen habe der Beschwerdeführer am 11.04.2019 (oder einige Tage später) Kenntnis von der Ablehnung seiner Bewerbung erlangt, weshalb die angeführte Frist zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. In der Folge sei diese Frist durch das Einlangen des Antrages bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission am 10.07.2019 nach § 20 Abs. 6 leg.cit. bis zur Zustellung des Gutachtens der Bundes-Gleichhandlungskommission an den Beschwerdeführer mit 09.10.2020 gehemmt gewesen. Der Antrag nach § 18a leg.cit. vom 19.01.2021, bei der Behörde am 20.01.2021 eingelangt, sei daher verspätet eingebracht worden und somit zurückzuweisen.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde, in welcher er den im angefochtenen Bescheid getroffenen Ausführungen entgegentrat.

10. Die vorliegende Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde mit Schreiben vom 14.07.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehender Justizwachebeamter der Justizanstalt XXXX .

1.2. Er bewarb sich mit Schreiben vom 13.11.2018 auf die ausgeschriebene Planstelle des „Traktkommandanten“ im „Traktkommando D-E Trakt“ (Verwendungsgruppe E2a, Funktionsgruppe 5) der Justizanstalt XXXX .

Mit E-Mail vom 11.04.2019 teilte die Leiterin der Justizanstalt XXXX dem Beschwerdeführer mit, dass ein anderer Bewerber mit der ausgeschriebenen Planstelle betraut worden sei.

Am 07.05.2019 übergab der Beschwerdeführer der Gleichbehandlungsbeauftragten einen Antrag auf Erstellung eines Gutachtens wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 23a B-GlBG, welcher an den Senat II der Bundes-Gleichbehandlungskommission gerichtet war. Die Gleichbehandlungsbeauftragte leitete diesen Antrag in der Folge an die Bundes-Gleichbehandlungskommission weiter, bei der er am 10.07.2019 einlangte.

Die Bundes-Gleichbehandlungskommission erstattete daraufhin am 07.10.2020 ein Gutachten, das dem Beschwerdeführer mit E-Mail vom 09.10.2020 übermittelt wurde.

Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 19.01.2021, bei der Behörde am 20.01.2021 eingelangt, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a B-GlBG und zudem einen Antrag auf Ersatz des Vermögensschadens nach § 18a leg.cit.

2. Beweiswürdigung:

Die unter Pkt. II.1. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden erstinstanzlichen Verwaltungsakt des gegenständlichen Verfahrens.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 87/2021, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen, womit im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 109/2021, (in der Folge: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der – zulässigen – Beschwerde:

3.1. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des B-GlBG, BGBl. Nr. 100/1993 idF BGBl. I Nr. 153/2020, (in der Folge: B-GlBG) lautet auszugsweise wie folgt:

„Geltendmachung von Ansprüchen

Fristen

§ 20. (1) – (2) […]

(3) Ansprüche von Beamtinnen oder Beamten gegenüber dem Bund nach § 18a sind binnen sechs Monaten mit Antrag bei der Dienstbehörde geltend zu machen, die die Bewerbung oder Beförderung abgelehnt hat. Die Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Beamtin oder der Beamte Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung erlangt hat.

(4) – (5a) […]

(6) Die Einbringung des Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Gleichbehandlungskommission bewirkt die Hemmung der Fristen nach Abs. 1 bis 4 bis zur Entscheidung der Bundes-Gleichbehandlungskommission. Die Zustellung des Gutachtens der Kommission oder einer schriftlichen Verständigung, wonach die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht oder nicht mehr vorliegen, beendet die Hemmung der Fristen.

(7) […]“

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

3.2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG ist nur gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist zulässig. Es muss sich also um eine Frist handeln, durch die die Möglichkeit, in einem anhängigen Verwaltungsverfahren eine Handlung mit prozessualen Rechtswirkungen (Verfahrenshandlung) zu setzen, zeitlich beschränkt wird, d.h., nach deren Ablauf die Verfahrenshandlung, wie z.B. die Einbringung einer Beschwerde oder die Verbesserung eines Antrages, nicht mehr zulässig ist. Dazu gehören in erster Linie die in den Verfahrensgesetzen, insbesondere im AVG und VwGVG selbst, festgelegten Fristen, aber auch die in den Materiengesetzen vorgesehenen Fristen verfahrensrechtlicher Natur. Nach der restriktiveren Sicht des Verfassungsgerichtshofes sind verfahrensrechtliche Fristen nur solche, die entweder durch ein Verfahren ausgelöst werden oder die in einem Verfahren laufen (s. mit zahlreichen Judikatur- und Literaturhinweisen Hengstschläger/Leeb, AVG, § 72, Rz 12).

Gegen die Versäumung einer materiell-rechtlichen Frist, also einer Frist, vor deren Ablauf ein materiell-rechtlicher Anspruch – bei sonstigem Verlust des diesem zugrundeliegenden Rechts selbst (nicht nur der behördlichen Durchsetzungsmöglichkeit) – geltend gemacht werden muss bzw. nach deren Ablauf ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch erlischt, ist eine Wiedereinsetzung gemäß § 71 leg.cit. nicht zulässig. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Anordnung in § 72 Abs. 1 leg.cit., wonach durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung der Frist befunden hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 72, Rz 13, mit Hinweisen auf Judikatur und Literatur). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss die Wertung einer Frist als materiell-rechtliche vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden; im Zweifel ist von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen. Für die Annahme einer materiell-rechtlichen Frist ist dabei nicht erforderlich, dass in der Rechtsgrundlage ausdrücklich angeführt wird, dass der Anspruch bei verspäteter Geltendmachung untergeht (vgl. dazu etwa VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0085; 26.04.2011, 2011/03/0017; 27.09.2007, 2003/11/0063).

3.3.1. Zur Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1.1. § 20 Abs. 3 B-GlBG sieht u.a. vor, dass Ansprüche von Beamten gegenüber dem Bund iSd § 18a leg.cit. binnen sechs Monaten mit Antrag bei der Dienstbehörde geltend zu machen sind, die die Bewerbung abgelehnt hat. Die Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a leg.cit. beginnt mit Ablauf des Tages zu laufen, an dem der Beamte Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung erlangt hat. § 20 Abs. 6 leg.cit. hält fest, dass die Einbringung des Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission u.a. die Hemmung der Frist nach § 20 Abs. 3 leg.cit. bis zur Entscheidung der Bundes-Gleichbehandlungskommission bewirkt. Die Zustellung des Gutachtens der Bundes-Gleichbehandlungskommission oder einer schriftlichen Verständigung, wonach die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht oder nicht mehr vorliegen, beendet die Hemmung dieser Frist.

3.3.1.2. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes handelt es sich bei der sechsmonatigen Frist des § 20 Abs. 3 B-GlBG um eine materiell-rechtliche Frist, hinsichtlich deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG iSd o.a. Judikatur und Literatur nicht zulässig ist. In der Bestimmung des § 20 Abs. 3 leg.cit. wird hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass bei nicht fristgerechter (also nicht innerhalb von sechs Monaten erfolgter) Geltendmachung der Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens gemäß § 18a leg.cit. selbst untergeht (gemäß § 20 Abs. 3 leg.cit. „sind“ die „Ansprüche“ nach § 18a leg.cit. innerhalb der angeführten Frist „geltend zu machen“). Der Verwaltungsgerichthof qualifizierte in seiner Judikatur zudem ähnlich gelagerte Fristen (dort: zur Geltendmachung von Entschädigungs- und Rückzahlungsansprüchen) als materiell-rechtliche Fristen, die zum Untergang des Anspruchs nach Ablauf der jeweiligen Frist führen (vgl. etwa zur Frist zur Stellung eines Antrages auf Entschädigung für verfallene Waffen gemäß § 12 Abs. 4 WaffenG VwGH 31.03.2005, 2005/03/0033, oder zur Frist zur Stellung eines Antrages auf Rückzahlung eines bereits entrichteten Studienbeitrages gemäß § 2b Abs. 2 StubeiV 2004 dritter Satz VwGH 09.12.2013, 2011/10/0179). Schließlich ist im Hinblick auf die oben wiedergegebene Judikatur und Literatur festzuhalten, dass es sich bei der Frist des § 20 Abs. 3 B-GlBG auch nicht um eine Frist in einem anhängigen Verwaltungsverfahren handelt, die in einem solchen prozessuale Rechtswirkungen auslöst, was nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ebenso für das Vorliegen einer materiell-rechtlichen Frist spricht.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in § 20 Abs. 3
B-GlBG normierten Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 18a leg.cit. kommt daher nicht in Betracht.

3.3.1.3. Fällt die belangte Behörde anlässlich eines Antrages eine Sachentscheidung, obwohl dieser wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen gewesen wäre, hat das Verwaltungsgericht die gegen den abweisenden Bescheid erhobene Beschwerde mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Spruch des verwaltungsbehördlichen Bescheids auf „Zurückweisung“ zu lauten hat (vgl. dazu etwa VwGH 19.01.2010, 2009/05/0097; 28.06.1994, 92/05/0063). Da im vorliegenden Fall der Antrag des Beschwerdeführers auf Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 18 B-GlBG nach den oben getroffenen Ausführungen von der Behörde zurückzuweisen gewesen wäre, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit der im Spruch des vorliegenden Erkenntnisses erfolgten Maßgabe abzuweisen.

3.3.2. Zur Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Ersatz des Vermögensschadens gemäß § 18a B-GlBG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.3.2.1. Ansprüche nach § 18a B-GlBG sind – wie oben ausgeführt – binnen sechs Monaten ab Kenntnis der Ablehnung der Bewerbung geltend zu machen (§ 20 Abs. 3 leg.cit.), wobei die Einbringung des Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission iSd § 23a leg.cit. die Hemmung dieser sechsmonatigen Frist bewirkt. Diese Hemmung wird mit der Zustellung des Gutachtens der Bundes-Gleichbehandlungskommission beendet (§ 20 Abs. 6 leg.cit.).

3.3.2.2. Dem Beschwerdeführer wurde mit E-Mail vom 11.04.2019 seitens der Leiterin der Justizanstalt XXXX mitgeteilt, dass ein anderer Bewerber mit der ausgeschriebenen Planstelle betraut worden sei. In der Folge stellte er einen, am 10.07.2019 eingelangten, Antrag bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes, woraufhin diese nach durchgeführtem Verfahren am 07.10.2019 ein Gutachten erstellte, welches dem Beschwerdeführer am 09.10.2019 übermittelt wurde. Mit Schreiben vom 19.01.2021 stellte der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters den gegenständlichen Antrag nach § 18a B-GlBG (s. Pkt. II.1.2.).

3.3.2.3. Die sechsmonatige Frist zur Geltendmachung des Anspruchs nach § 18a B-GlBG begann mit der Mitteilung hinsichtlich der Bewerbungsablehnung am 11.04.2019 zu laufen. Die Einbringung des Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission am 10.07.2019 führte zur Hemmung dieser Frist bis zur Zustellung des Gutachtens der Bundes-Gleichbehandlungskommission an den Beschwerdeführer am 09.10.2019. Der am 19.01.2020 gestellte Antrag des Beschwerdeführers wurde außerhalb der dafür vorgesehenen Frist und somit verspätet erhoben.

Soweit der Beschwerdeführer – im Gegensatz zu seinen Beschwerdeausführungen (S. 2) – auf S. 2 des Wiedereinsetzungsantrages noch ausführte, dass er das E-Mail vom 11.04.2019 „wohl erst einige Tage später gelesen“ habe und dass ihm „nicht mehr genau erinnerlich“ sei, wann er genau von dieser E-Mail Kenntnis erlangt habe, ist seitens des Bundesverwaltungsgerichtes festzuhalten, dass selbst bei Wahrunterstellung dieser Angaben zum Lesen der E-Mail erst „einige Tage“ nach ihrem Einlangen aufgrund der zwischen dem Ablauf der sechsmonatigen Frist und der Erhebung des Antrages bestehenden Zeitspanne an der angenommenen Fristversäumnis aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kein Zweifel besteht.

3.3.2.4. Die Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers nach § 18a B-GlBG somit im Ergebnis zu Recht wegen Verspätung zurück. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

3.4. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.09.2017, Ro 2016/12/0024, mwN). Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 leg.cit. nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (s. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).

Da sich im vorliegenden Fall der unstrittige Sachverhalt aus den vorliegenden Akten ergibt und es sich auch um keine übermäßig komplexe Rechtsfrage handelt, kann von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der genannten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristversäumung Gleichbehandlung Gutachten materiellrechtliche Frist öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Rechtsmittelfrist Vermögensnachteil Verspätung Wiedereinsetzung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W246.2244348.1.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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