TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/2 95/21/1191

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Veröffentlicht am 02.10.1996
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrG 1993 §15 Abs1 Z2;
FrG 1993 §15 Abs1 Z3;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
VStG §1 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 9. März 1995, Zl. 1-0068/95/E2, betreffend Bestrafung nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 13. Dezember 1994 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- bestraft. Der Spruch dieses Straferkenntnisses wurde - soweit hier relevant - wie folgt formuliert:

"A hat sich vom 7.4.1993 (letzte Bestrafung) bis 5.8.1993 nicht rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten, weil ihm von der Sicherheitsbehörde kein Sichtvermerk erteilt wurde und er weder eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz besaß noch ihm eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz zustand.

Dadurch übertretene Verwaltungsvorschrift, verhängte Strafe und entstandene Verfahrenskosten:

Übertretung gemäß § 82/1 Z.4 iVm § 15/1 Z.2 + 3 Fremdengesetz

Geldstrafe gemäß § 82 Abs.1 Fremdengesetz 2.000,00 S Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden

..."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, aufgrund welcher der Unabhängige Verwaltungssenat für das Bundesland Vorarlberg mit dem mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheid vom 9. März 1995 einen Bescheid mit im wesentlichen folgendem Spruch erließ:

"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die verhängte Strafe auf 1.500 S, im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

..."

Der angefochtene Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß sich der Beschwerdeführer in dem angegebenen Zeitpunkt unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und dies auch in seiner Berufung nicht bestritten habe. Eine Zusicherung, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine bei der Menschenrechtskommission erhobene Beschwerde rechtmäßig gewesen sei, habe sich nicht auf den Tatzeitraum bezogen. Die Festlegung der Strafhöhe sei insbesondere aus spezialpräventiven Gründen schuld- und tatangemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluß vom 25. September 1995, B 1340/95, abgelehnte und mit Beschluß vom 28. November 1995, B 1340/95, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vermeint, er sei seit dem Wirksamwerden des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union aufgrund der Art. 6 und 7 des Beschlusses vom 19. September 1980, Nr. 1/80, des gemäß Art. 6 des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates als Kind eines langjährig aufenthaltsberechtigten türkischen Gastarbeiters in Österreich aufenthaltsberechtigt. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - im Jahre 1995 - hätte er daher nicht wegen eines Verhaltens bestraft werden dürfen, welches zum Zeitpunkt des Strafausspruches nicht mehr strafbar gewesen sei, zumal nur die belangte Behörde den Anforderungen des Art. 6 MRK entsprechen könne. § 1 Abs. 2 VStG, wonach dann, wenn das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre, dieses anzuwenden ist, erscheine daher verfassungswidrig. Auch sei es gemeinschaftsrechtlich unzulässig, den Beschwerdeführer wegen eines Verhaltens nach dem erfolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu bestrafen, das nunmehr aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht mehr strafbar sei.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer, der gar nicht bestreitet, sich in dem im angefochtenen Bescheid genannten Zeitraum unrechtmäßig und insoferne schuldhaft im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die gegen § 1 Abs. 2 VStG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken wurden vom Verfassungsgerichtshof bereits mit dem oben genannten Beschluß vom 25. September 1995 angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 3562/1959, 7098/1973) für nicht stichhältig befunden, der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zu einer gegenteiligen Auffassung nicht veranlaßt. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen europarechtlichen Bedenken kommen ebenfalls nicht zum Tragen. Selbst wenn man nämlich annimmt, daß der Beschwerdeführer nunmehr aufgrund der von ihm herangezogenen Rechtsvorschriften zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt wäre, erscheint seine Bestrafung wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Jahre 1993, als Österreich nicht Mitglied der Europäischen Union gewesen ist, in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht unbedenklich. Dem steht auch die vom Beschwerdeführer herangezogene Verpflichtung aller Organe der Mitgliedsstaaten, dem Gemeinschaftsrecht zur größtmöglichen Effektivität zu verhelfen, nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid auch insoferne für rechtswidrig, als weder die Tatsache der Aberkennung des Flüchtlingsstatus durch den Bundesminister für Inneres noch die Tatsache des bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erfolgten Ansuchens um Erteilung eines Sichtvermerks ein Tatbestandsmerkmal der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat bildeten. Derartige Ausführungen im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides widersprächen § 44a Z. 1 VStG. In einem identischen Vergleichsfall habe die belangte Behörde ein Straferkenntnis der Behörde erster Instanz aus diesen Gründen aufgehoben, welche Überlegungen uneingeschränkt auch für seinen Fall zutreffen müßten.

Der Beschwerdeführer ist dem Irrtum unterlegen, daß der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn als Behörde erster Instanz vom 13. Dezember 1994, auf den der angefochtene Bescheid - auch in seinem Spruch - verweist, derartige Ausführungen enthalte. Dies trifft jedoch nicht zu, weshalb der diesbezügliche Beschwerdevorwurf jeder Grundlage entbehrt.

Die Beschwerde ist somit unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995211191.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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