TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/3 95/19/1084

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Veröffentlicht am 03.10.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §2;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1993 §4 Abs1;
IPRG §4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des L in M, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995, Zl. 302.529/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer am 6. September 1993 ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet "gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz" (gemeint aufgrund der gemäß §§ 12, 13 AufG ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 402/1993) hatte. Die belangte Behörde vertrat nunmehr die Ansicht, daß der Beschwerdeführer nicht mehr als Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina zu behandeln sei, weil für ihn (am 20. April 1994) ein Reisepaß des "Staates Jugoslawien" ausgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer hätte somit einen "Erstantrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG" aus dem Ausland zu stellen gehabt.

Der Beschwerdeführer verweist zutreffend sinngemäß darauf, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, Feststellungen über den Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsbürgerschaft zu treffen. Nach dem Text der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 (insoweit gleichlautend auch die Verordnungen BGBl. Nr. 368/1994, BGBl. Nr. 1038/1994 und BGBl. Nr. 389/1995) gewährt nämlich Österreich bestimmten Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet (§ 4 Abs. 1 der erstzitierten Verordnung). Wesentlich für das vorläufige Aufenthaltsrecht ist daher - neben den sonst normierten Voraussetzungen - das Vorliegen der Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina, nicht aber der Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft, falls ein solcher aufgrund der Ausstellung eines Passes namens der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien am 20. April 1994 überhaupt angenommen werden könnte. Schon im Hinblick auf die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft (vgl. dazu näher die Bestimmungen der Republik Bosnien-Herzegowina über die doppelte Staatsbürgerschaft im Amtsblatt der Republik Bosnien-Herzegowina, Jahrgang I, Nr. 18, vom 7. Oktober 1992) bedarf daher der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung dahin, ob der Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft Bosniens und der Herzegowina verloren hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zlen. 95/19/0912 bis 0915), wobei die belangte Behörde - analog § 4 Abs. 1 IPRG - das zur Beurteilung dieser Frage erforderliche fremde Staatsbürgerschaftsrecht amtswegig zu ermitteln haben wird.

Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 17. August 1995 hatte die belangte Behörde die Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 anzuwenden. Gemäß deren § 2 konnten Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 ein Aufenthaltsrecht hatten, den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen. Unstrittig ist, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 erfüllte. Für eine Änderung der für das Bestehen des vorübergehenden Aufenthaltsrechtes maßgeblichen Voraussetzungen bis 1. Jänner 1995 bestehen keine Anhaltspunkte. Bei aufrechtem Bestand der Staatsbürgerschaft Bosnien-Herzegowinas wäre daher davon auszugehen, daß dem Beschwerdeführer am 1. Jänner 1995 gemäß § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukam und er daher aus dem Grunde des § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zur Antragstellung im Inland berechtigt war.

Der bekämpfte Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191084.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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