TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/10 W227 2246784-1

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Veröffentlicht am 10.12.2021
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Entscheidungsdatum

10.12.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs3
SchPflG 1985 §11 Abs4
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §3
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §42 Abs1

Spruch


W227 2246784-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX und XXXX , Erziehungsberechtigte des mj. XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 26. August 2021, Zl. I-1043/7716-2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„1. Die Teilnahme des schulpflichtigen XXXX , geboren am XXXX , an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/2022 wird gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz (SchPflG) untersagt.

2. Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG hat XXXX seine Schulpflicht im Schuljahr 2021/2022 durch den Besuch einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen.“

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Sohn der Beschwerdeführer erfüllte seine allgemeine Schulpflicht im Schuljahr 2020/2021 (erste Schulstufe der Schulart Volksschule) durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht.

2. Er bestand die Externistenprüfung am 15. Juni 2021 nicht, weil er im Pflichtgegenstand „Deutsch, Lesen, Schreiben“ mit „Nicht genügend“ beurteilt wurde. Im Externistenprüfungszeugnis wurde jedoch zunächst fehlerhaft die Klausel „bestanden“ aufgenommen.

3. Am 29. Juli 2021 zeigten die Beschwerdeführer (erneut) die Teilnahme ihres Sohnes an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/2022 für die 2. Schulstufe an.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die Bildungsdirektion für Niederösterreich (bloß) an, dass gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz (SchPflG) der Sohn der Beschwerdeführer im Schuljahr 2021/2022 eine öffentliche Schule bzw. eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete „Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung“ zu besuchen habe.

Begründend führte die Bildungsdirektion für Niederösterreich (nur) aus, dass der Sohn der Beschwerdeführer die Externistenprüfung am Ende des Schuljahres 2020/2021 nicht bestanden habe.

5. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der sie im Wesentlichen vorbringen:

Das Externistenprüfungszeugnis weise zwar im Fach „Deutsch, Lesen, Schreiben“ die Beurteilung „Nicht genügend“ auf, im Hinblick auf die schulrechtlichen Bestimmungen zum Schulerfolg in den ersten beiden Schulstufen der Volksschule, wonach das lehrplanmäßige Ziel erst mit Ende der zweiten Schulstufe erreicht werden müsse und ein Wiederhohlen der Schulstufe nicht vorgesehen sei, habe diese Beurteilung in einem einzelnen Fach „nur informative“ Bedeutung und bewirke jedenfalls nicht eine negative Gesamtbeurteilung der Prüfung.

Auch seien gemäß § 25 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) Schüler der ersten Schulstufe berechtigt, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen. Damit sei, auch wenn ihr Sohn in einem Gegenstand eine Leistungsbeurteilung „Nicht Genügend“ aufweise, sein Schulerfolg dennoch „zureichend“ im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der am XXXX geborene Sohn der Beschwerdeführer erfüllte im Schuljahr 2020/2021 seine allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht über die 1. Schulstufe.

Er erbrachte vor Schulschluss keinen Nachweis über den zureichenden Erfolg dieses Unterrichts.

Am 29. Juli 2021 zeigten die Beschwerdeführer die Teilnahme ihres Sohnes an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/2022 für die 2. Schulstufe an.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere aus dem Externistenprüfungszeugnis vom 15. Juni 2021.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchpunkt A)]

3.1.1. Gemäß § 1 Abs. 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 SchPflG dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer in § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 3 erster Satz SchPflG haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberech-tigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen.

Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Gemäß § 42 Abs. 1 SchUG können die mit dem Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) sowie die mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlußprüfung verbundenen Berechtigungen auch ohne vorhergegangenen Schulbesuch durch die erfolgreiche Ablegung einer entsprechenden Externistenprüfung erworben werden.

Gemäß § 20 Abs. 5 Z 1 lit. d Externistenprüfungsverordnung ist in Externistenprüfungszeugnissen die Klausel „nicht bestanden” aufzunehmen, wenn Beurteilungen über den Lehrstoff von einem oder mehreren Pflichtgegenständen mit „Nicht genügend” erfolgen.

3.1.2. Sowohl für den Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG als auch für den häuslichen Unterricht gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG schreibt § 11 Abs. 4 SchPflG gleichermaßen vor, dass der zureichende Erfolg eines solchen Unter-richts jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer in § 5 SchPflG genannten ent-sprechenden Schule nachzuweisen ist, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinn des § 5 SchPflG zu erfüllen hat (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007 m.w.N.).

Was unter der in § 11 Abs. 4 SchPflG angeordneten „Prüfung“ zu verstehen ist, ergibt sich aus den Regelungen des Schulunterrichtsgesetzes. Nach § 42 Abs. 14 SchUG gelten die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen auch für die auf Grund der §§ 11 Abs. 4, 13 Abs. 3 und 22 Abs. 4 SchPflG abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen.

Aus diesen Regelungen folgt, dass der „Nachweis des zureichenden Erfolges des Unter-richts“ im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen abgelegte Prüfung erbracht werden kann, deren Gesamt-beurteilung in dem über die Prüfung auszustellenden Zeugnis wenigstens mit „bestanden“ beurkundet wurde (siehe etwa VwGH 29.05.1995, 94/10/0187; 25.04.2001, 2000/10/0187; 27.03.2014, 2012/10/0154).

Für den Fall, dass kein Nachweis über den zureichenden Erfolg erbracht wird, schreibt das Gesetz (vgl. § 11 Abs. 4 zweiter Satz SchPflG) der Schulbehörde zwingend vor, die Anord-nung zu treffen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG, also durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule (vgl. § 4 SchPflG), zu erfüllen hat (siehe VwGH 27.03.2014, 2012/10/0154; 24.04.2018, Ra 2018/10/0040, jeweils m.w.N.). Der Besuch des häuslichen Unterrichts in einem Schuljahr, welches direkt auf jenes Schuljahr folgt, in welchem vor Schulschluss kein Nachweis über den zureichenden Erfolg erbracht wurde, scheidet ex lege aus (siehe VwGH 27.03.2014, 2012/10/0154; ferner auch VwGH 27.06.2017, Ra 2017/10/0077).

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Der Sohn der Beschwerdeführer erfüllte im Schuljahr 2020/2021 seine allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht über die 1. Schulstufe.

Wie oben dargelegt ist der zureichende Erfolg dieses Unterrichts im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG vor Schulschluss durch eine bestandene Externistenprüfung nachzuweisen. Folglich kann § 25 Abs. 3 SchUG – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer – nicht zur Anwendung kommen.

Bei der Externistenprüfung am 15. Juni 2021 wurde der Sohn der Beschwerdeführer im Pflichtgegenstand „Deutsch, Lesen, Schreiben“ unstrittig mit „Nicht genügend“ beurteilt. Damit bestand er – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer – gemäß § 20 Abs. 5 Z 1 lit. d Externistenprüfungsverordnung die Externistenprüfung nicht. Die (zunächst) fehlerhafte Aufnahme der Klausel „bestanden“ entfaltet keine Rechtswirkungen.

Da der Sohn der Beschwerdeführer somit keinen Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts über die 1. Schulstufe am Ende des Schuljahres 2020/2021 erbrachte, ist die Teilnahme des Sohnes der Beschwerdeführer am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 zu untersagen und anzuordnen, dass dieser im Schuljahr 2021/2022 seine Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen hat. Davon ist die Bildungsdirektion für Niederösterreich im angefochtenen Bescheid sinngemäß ausgegangen. Der Spruch des angefochtenen Bescheides war jedoch entsprechend abzuändern.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass der Besuch des häuslichen Unterrichts in einem Schuljahr, welches direkt auf jenes Schuljahr folgt, in welchem vor Schulschluss kein Nachweis über den zureichenden Erfolg erbracht wurde, ex lege ausscheidet, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Externistenprüfung häuslicher Unterricht negative Beurteilung öffentliche Schule Pflichtgegenstand Prüfungsbeurteilung Spruchpunkt - Abänderung Unterrichtserfolg Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W227.2246784.1.00

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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