TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/20 Ro 2019/03/0012

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2021
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
21/01 Handelsrecht
91/02 Post

Norm

ABGB §869
PostmarktG 2009 §6
PostmarktG 2009 §6 Abs2
PostmarktG 2009 §6 Abs2 Z2
PostmarktG 2009 §6 Abs3
PostmarktG 2009 §6 Abs8
UGB §451
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2018, Zl. W271 2195264-1/13E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Postmarktgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Post-Control-Kommission; weitere Partei: Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 19. Februar 2018 forderte die Post-Control-Kommission (PCK) die revisionswerbende Partei auf, hinsichtlich näher beschriebener Produktgruppen einige Produkte inklusive deren (Entgelt-)Bestandteile in den jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) inklusive Produkt- und Preisverzeichnisse eindeutig als Universaldienstleistungen zu kennzeichnen, sofern diese Produkte Postsendungen bis maximal 10 kg beträfen, sowie die diesbezüglichen AGB inklusive Produkt- und Preisverzeichnisse der PCK gemäß § 20 Abs. 1 des Postmarktgesetzes (PMG) bis spätestens 20. März 2018 anzuzeigen. Angesprochen waren dabei folgende Produkte:

i) Paketmarke aus dem Frankierautomaten,

ii) Online Paketmarke Österreich (Standard),

iii) Online Paketmarke Deutschland,

iv) Online Paketmarke EU-Länder,

für i) bis iv) jeweils für PM 45, PM 70 und PM 120, und

v) Zusatzleistung Online (Österreich): Persönliche Zustellung.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.

3        In seiner Begründung traf das BVwG zunächst Feststellungen zu den AGB der Paketmarke sowie der im Rahmen des Universaldienstes angebotenen Leistungen „Paket Österreich“ und „Paket International“. In der rechtlichen Beurteilung führte das BVwG - nach Wiedergabe der gesetzlichen Regelungen sowie einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - aus, ein Vergleich der AGB „Paketmarke“ mit den AGB „Paket Österreich“ sowie „Paket International“ zeige, dass in den AGB „Paketmarke“ nichts zur Abholung, Beförderung oder Zustellung geregelt sei, was über die „klassischen“ Universaldienstleistungen nach den AGB „Paket Österreich“ und „Paket International“ hinausgehe. Dass die beschränkte Gültigkeit der Paketmarke eine über den Universaldienst hinausgehende Leistung darstelle, sei nicht ersichtlich; vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Nicht maßgeblich sei in diesem Zusammenhang, dass sich die Tarifstruktur der Paketmarke am Format des Pakets orientiere und jene der Produkte im Bereich „Paket Österreich“ und „Paket International“ am Gewicht des Pakets, weil dadurch zum einen keine maßgebliche Zusatzleistung für einen Kunden entstehe und ein mit Paketmarke freigemachtes Paket auch nur bis 10 kg wiegen und daher zum Universaldienst nach § 6 Abs. 2 PMG gehören könne. Bei den Paketen, die mit den verfahrensgegenständlichen Produkten der Paketmarke versendet werden könnten, handle es sich daher um eine bloße Teilmenge jener Pakete, die auch mit den Produkten „Paket Österreich“ und „Paket International“ versendet werden könnten. Bei der Paketmarke handle es sich lediglich um eine besondere Vertriebsform für Frankierungen von Paketen. Pakete, die mit den Produkten der Paketmarke frankiert und bis 10 kg wiegen würden, seien daher vom Universaldienst nach § 6 Abs. 2 Z 2 PMG umfasst. Eine Prüfung, ob die Paketmarke zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig sei, erübrige sich mangels der Erbringung zusätzlicher Leistungen.

4        Da der Beförderungsvertrag auch im Falle der Freimachung mittels Paketmarke erst durch die Aufgabe in einer Post-Geschäftsstelle oder an einem anderen dafür vorgesehen Zugangspunkt zustande komme, seien die verfahrensgegenständlichen Produkte - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch deshalb nicht vom Universaldienst ausgeschlossen, weil der zugrundeliegende Vertragüber die zu erbringenden Postdienste nicht durch Aufgabe in Postbriefkästen oder durch Übergabe der Postsendungen an einem anderen Zugangspunkt abgeschlossen werde.

5        Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, dass Abgrenzungsfragen betreffend den Universaldienst vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht abschließend beantwortet worden seien. Insbesondere stelle sich die Frage, ob auch bei Diensten, die - wie im vorliegenden Fall - hinsichtlich ihres Vertragsinhaltes nicht wesentlich über die Mindestleistungen des Universaldienstes im Sinn des § 6 Abs. 2 PMG hinausgingen, zu prüfen sei, ob die betrachteten Dienste zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig seien. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, welche Kriterien für diese Beurteilung heranzuziehen seien und dazu, ob ein Postbeförderungsvertrag immer an jenem Punkt geschlossen werde, an dem eine Postsendung in das Postnetz eingeführt werde.

6        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Revision, die sich zu ihrer Zulässigkeit den vom BVwG aufgeworfenen Rechtsfragen anschließt und zudem geltend macht, das BVwG weiche mit seiner Rechtsansicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die Regelungen über den Universaldienst nicht ausschließen würden, dass der Universaldienstbetreiber neben dem Angebot an Leistungen des Universaldienstes auch weitere Dienste erbringe, die ebenfalls eine Beförderung herkömmlicher Postsendungen umfassten, aber aufgrund besonderer Spezifikationen oder Zusatzleistungen nicht zwingend als Angebot des Universaldienstes anzusehen seien. Zudem sei der revisionswerbenden Partei keine angemessene Leistungsfrist gewährt worden.

7        Die PCK erstattet eine Revisionsbeantwortung, in der sie im Wesentlichen auf die Ausführungen im Bescheid sowie im angefochtenen Erkenntnis verwies und die Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8        Die Revision erweist sich aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen als zulässig; sie ist aber nicht begründet.

9        Die maßgebenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Regulierung des Postmarktes (Postmarktgesetz - PMG), BGBl. I Nr. 123/2009, in der Fassung BGBl. I Nr. 78/2018, lauten - auszugsweise - wie folgt:

Allgemeine Bestimmungen

Zweck

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz soll gewährleisten, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte und qualitativ hochwertige Postdienste angeboten werden. Es soll insbesondere

a)   für die Bevölkerung im gesamten Bundesgebiet eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung mit Postdiensten (Universaldienst) gewährleisten und

b)   einen fairen Wettbewerb beim Erbringen von Postdiensten ermöglichen.

(2) Durch dieses Bundesgesetz wird die Richtlinie 97/67/EG über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, ABl. Nr. L 15 vom 21.1.1998 S. 14, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2008/6/EG zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 52 vom 27.2.2008, S. 3, umgesetzt.

(...)

Universaldienst

Begriff und Umfang

§ 6. (1) Der Universaldienst ist ein Mindestangebot an Postdiensten, die allgemein zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer als notwendig angesehen werden, die flächendeckend im Bundesgebiet angeboten werden und zu denen alle Nutzerinnen und Nutzer zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben. Die Verpflichtung zur Erbringung des Universaldienstes besteht nicht, soweit allgemeine Notstände die Postbeförderung hindern.

(2) Der Universaldienst umfasst folgende Leistungen:

1.   Abholung, Sortierung, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2 kg,

2.   Abholung, Sortierung, Transport und Zustellung von Postpaketen bis 10 kg,

3.   Dienste für Einschreib- und Wertsendungen.

(3) Der Universaldienst umfasst sowohl im Inland als auch grenzüberschreitend jene Leistungen, die zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig sind. Als solche gelten jene Leistungen, bei denen die zu Grunde liegenden Verträge über die zu erbringenden Postdienste durch Aufgabe in Postbriefkästen oder durch Übergabe der Postsendungen an einem anderen Zugangspunkt abgeschlossen werden. Jedenfalls vom Universaldienst mit umfasst sind Zeitungen und Zeitschriften betreffende Postdienste.

(4) Der Universaldienst umfasst nicht Retourpakete, das sind Pakete, welche auf Grund einer Vereinbarung zwischen Absenderin oder Absender und Postdiensteanbieter gegebenenfalls von der Empfängerin oder vom Empfänger an die Absenderin oder den Absender unfrei zurückgeschickt werden können.

(5) Im Rahmen des Universaldienstes ist vom Betreiber zu gewährleisten, dass den Nutzerinnen und Nutzern ständig Postdienste flächendeckend zu allgemein erschwinglichen Preisen und in einer solchen Qualität angeboten werden, dass den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer durch eine entsprechende Dichte an Abhol- und Zugangspunkten sowie durch die Abhol- und Zustellfrequenz entsprochen wird. Soweit vergleichbare Voraussetzungen gegeben sind, sind gleiche Leistungen für die Nutzerinnen und Nutzer zu erbringen. Bei der Erbringung des Universaldienstes ist auf technische Entwicklungen sowie auf gesamtwirtschaftliche, regionale und soziale Aspekte sowie auf die Nachfrage der Nutzerinnen und Nutzer Rücksicht zu nehmen.

(6) Ausstattung, Beschaffenheit und Maße der im Rahmen des Universaldienstes zu befördernden Postsendungen haben den Bestimmungen des Weltpostvertrages und der sonstigen Abkommen des Weltpostvereines zu entsprechen. Die Bestimmungen des Weltpostvertrages und der sonstigen Abkommen des Weltpostvereines bleiben unberührt.

(7) (...)

(8) Der Universaldienstbetreiber ist verpflichtet, den Universaldienst im Sinne der Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern weiter zu entwickeln und durch geeignete Maßnahmen und Vorschläge zur Sicherung der Versorgung mit Postdiensten und zur Weiterentwicklung des Universaldienstes beizutragen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere längere Öffnungszeiten, bessere Erreichbarkeit und alle Möglichkeiten der Standortsicherung, insbesondere durch fremdbetriebene Post-Geschäftsstellen, zu prüfen.

(9) Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie kann durch Verordnung für die dem Universaldienst zuzurechnenden Dienstleistungen nähere Bestimmungen erlassen, wie insbesondere über die Berichtspflicht an die Regulierungsbehörde und die Weiterentwicklung des Universaldienstes.

(...)

Allgemeine Geschäftsbedingungen des Universaldienstbetreibers

§ 20. (1) Der Universaldienstbetreiber hat in Entsprechung der Vorgaben dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen für Dienste im Universaldienstbereich Allgemeine Geschäftsbedingungen zu erlassen. In diesen sind die angebotenen Dienste zu regeln und die vorgesehenen Entgelte festzulegen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind der Regulierungsbehörde bei Veröffentlichung anzuzeigen.

(2) Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind vom Betreiber in geeigneter Form zu veröffentlichen. Sie haben auch zu regeln, wann sie in Kraft treten. Die Nutzerinnen und Nutzer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und neu erlassene Allgemeine Geschäftsbedingungen treten frühestens zwei Monate nach Veröffentlichung in Kraft.

(...)

Aufsichtsverfahren

§ 51. (1) Hat die Regulierungsbehörde Anhaltspunkte dafür, dass ein Postdiensteanbieter gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes, gegen die Bestimmungen einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung oder gegen einen auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Bescheid verstößt, hat sie dies dem Unternehmen mitzuteilen und gleichzeitig Gelegenheit einzuräumen, zu den Vorhalten Stellung zu nehmen oder etwaige Mängel in angemessener Frist nach Erhalt der Mitteilung abzustellen.

(2) Die Regulierungsbehörde kann die Vorlage von Unterlagen zum Nachweis der Einhaltung der in Abs. 1 genannten Vorschriften in Papierform und elektronisch verarbeitbarer Form verlangen und diese auch durch Sachverständige überprüfen lassen.

(3) Stellt die Regulierungsbehörde fest, dass nach Ablauf der gesetzten Frist die Verstöße, deretwegen das Aufsichtsverfahren eingeleitet wurde, nicht abgestellt sind, ordnet sie mit Bescheid die gebotenen, angemessenen Maßnahmen an, die die Einhaltung der verletzten Bestimmungen sicherstellen, und setzt eine angemessene Frist fest, innerhalb der der Maßnahme zu entsprechen ist.

(...)“

10       Der Verwaltungsgerichthof hat sich in seinem Erkenntnis von 28. Februar 2014, 2011/03/0192, bereits mit den Kriterien für die Zuordnung von Produkten bzw. Leistungen zum Universaldienst gemäß § 6 PMG auseinandergesetzt und diesbezüglich festgehalten, dass neben dem in § 6 Abs. 2 leg. cit. normierten Mindestangebot an Postdienstleistungen auch solche Postdienstleistungen als Universaldienstleistungen anzubieten sind, die über das Mindestangebot hinausgehen (etwa besondere Formen der Zustellung oder des Transports), sofern diese Postdienstleistungen zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig sind (§ 6 Abs. 3 PMG).

11       § 6 Abs. 8 PMG verpflichtet den Universaldienstbetreiber, den Universaldienst im Sinne der Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern weiter zu entwickeln, und damit gegebenenfalls auch die Leistungen der Abholung, der Sortierung, des Transports und der Zustellung von Postsendungen und Postpaketen zu verbessern, wie dies beispielsweise mit dem Angebot von „Annexleistungen“ erfolgen kann. Damit kann aus der Aufzählung des Mindestangebots an Universaldienstleistungen in § 6 Abs. 2 PMG nicht geschlossen werden, dass die Einbeziehung beispielsweise unterschiedlicher Formen der Zustellung von Postsendungen oder Postpaketen in den Universaldienst, soweit dies zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig ist, ausgeschlossen wäre (vgl. VwGH 28.2.2014, 2011/03/0192, Pkt. 5.2).

12       Das BVwG unterscheidet im angefochtenen Erkenntnis zwischen „Annexleistungen“ im Sinn des § 6 Abs. 8 PMG und Zusatzleistungen im Sinn des § 6 Abs. 3 PMG und geht davon aus, dass beim Vorliegen bloßer „Annexleistungen“ nicht zu prüfen sei, ob diese auch zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig sind. Diese Rechtsansicht trifft jedoch nicht zu.

13       Während § 6 Abs. 3 PMG regelt, welche vom Universaldienstbetreiber angebotenen, über das Mindestangebot gemäß § 6 Abs. 2 PMG hinausgehenden (Zusatz-)Leistungen als Universaldienst zu qualifizieren sind, normiert § 6 Abs. 8 PMG eine Verpflichtung des Universaldienstleisters, den Universaldienst im Sinne der Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzer weiter zu entwickeln. Werden zur Erfüllung dieser Verpflichtung zusätzliche, über das Mindestangebot hinausgehende Leistungen angeboten, ist für die Beurteilung, ob diese zusätzlich erbrachten Leistungen als Teil des Universaldiensts zu erbringen sind, in jedem Fall zu prüfen, ob die entsprechende Leistung zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig ist.

14       In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ob es sich bei der angebotenen Leistung überhaupt um eine über das Mindestangebot im Sinn des § 6 Abs. 2 PMG hinausgehende Leistung handelt. Ob eine solche Zusatzleistung vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Es muss sich dabei aber jedenfalls um eine Leistung im Zusammenhang mit der Abholung, der Sortierung, dem Transport und der Zustellung handeln, die über das in Abs. 2 normierte Mindestangebot hinausgeht und in der Regel mit einem wie auch immer gearteten Mehraufwand für den Universaldienstleister verbunden ist, wie etwa die Leistung, ein Paket „unfrei“ zu befördern und das Entgelt erst beim Empfänger einzuheben oder ein Paket persönlich zuzustellen, weil sich diese Leistungen von dem bereits durch das Mindestangebot des Universaldienstes abgedeckten Regelfall, nämlich der Einhebung des Entgelts beim Absender bzw. der Zustellung, die auch an Ersatzempfänger erfolgen kann, unterscheiden (vgl. in diesem Sinn VwGH 28.2.2014, 2011/03/0192, Pkt. 6.2.1. und 6.2.2., wo diese - im Verfahren als „Annexleistungen“ bezeichneten - Leistungen als zusätzlich erbrachte Leistungen gewertet wurden, bei denen eine Prüfung der Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer gefordert wurde).

15       Laut den - im Erkenntnis auszugsweise wiedergegebenen - AGB handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Paketmarke um eine Art der Paketfrankierung, die entweder an einem Frankierautomaten oder Online erworben und ausgedruckt werden kann. Die Beförderung und Zustellung des mittels Paketmarke freigemachten Pakets erfolgt gemäß den AGB „Paket Österreich“ bzw. den AGB „Paket International“.

16       Bei den angebotenen Produkten der Paketmarke handelt es sich daher nicht um eine über die in § 6 Abs. 2 PMG genannten Leistungen der Abholung, der Sortierung, des Transports und der Zustellung von Postpaketen hinausgehende zusätzliche Leistung, sondern lediglich um besondere Modalitäten des Erwerbs eines Postwertzeichens, das zur späteren Inanspruchnahme des Mindestangebots nach § 6 Abs. 2 Z 2 PMG berechtigt. Nicht ausschlaggebend ist, dass sich die Paketmarke durch eine formatabhängige Preisgestaltung von der Bezahlung in einer Postgeschäftsstelle unterscheidet, weil auch damit keine über das Mindestangebot hinausgehende Leistung erbracht wird.

17       Vor diesem Hintergrund ist dem BVwG, das die Produkte „Paketmarke aus dem Frankierautomaten“, „Online Paketmarke Österreich (Standard)“, „Online Paketmarke Deutschland“ und „Online Paketmarke EU-Länder“ ohne Prüfung, ob diese Produkte zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig sind, als Teil des Universaldiensts wertete, im Ergebnis nicht entgegenzutreten.

18       Anders verhält es sich mit dem Produkt „Zusatzleistung Online (Österreich): Persönliche Zustellung“, das - wie das BVwG zutreffend ausführte - eine zusätzliche Leistung im Vergleich zur Zustellung im Rahmen des Mindestangebots darstellt, bei der zu prüfen ist, ob die Leistung zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig ist.

19       Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass die Beurteilung, welche Dienste zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung in diesem Sinne notwendig sind, auf der Grundlage ausreichender Feststellungen, insbesondere auch zur Beschreibung des konkret zu beurteilenden Dienstes, vorzunehmen ist. Von einem zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung notwendigen Dienst wird man dann ausgehen können, wenn die Inanspruchnahme des jeweiligen Dienstes von einer breiten Gruppe von Nutzerinnen und Nutzern nachgefragt wird und ein Ausschluss von der Nutzung dieses Dienstes zu spürbaren Nachteilen für die Betroffenen führen würde, wie dies etwa bei einer Einschränkung wirtschaftlicher Teilhabemöglichkeiten der Fall sein könnte (vgl. erneut VwGH 28.2.2014, 2011/03/0192, Pkt. 5.2).

20       Das BVwG führte diesbezüglich aus, es könne für die Abwicklung von Fernabsatzgeschäften wesentlich sein, dass eine Postsendung nur an jene Person zugestellt werde, die als Empfänger bezeichnet werde, weshalb die revisionswerbende Partei die Zusatzleistung „Persönliche Zustellung“ in der Produktgruppe „Paket Österreich“ als Universaldienstleistung anbiete. Dieselbe Überlegung treffe auch auf die „Persönliche Zustellung“ bei der Paketmarke zu, weswegen diese zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig sei und damit gemäß § 6 Abs. 3 PMG zum Universaldienst zähle.

21       Dem setzt die Revision mit ihrem Vorbringen, die Dienste im Zusammenhang mit der Paketmarke seien nicht zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer notwendig, weil die mittels Paketmarke beförderten Pakete nur einen Prozentbruchteil der insgesamt beförderten Pakete ausmachen würden, nichts Stichhaltiges entgegen. Wie bereits ausgeführt stellt die Paketmarke nämlich bereits gar keine Zusatzleistung dar, sondern ist Teil des Mindestangebots im Sinn des § 6 Abs. 2 Z 2 PMG. Für das Produkt „Zusatzleistung Online (Österreich): Persönliche Zustellung“ kann daher nichts Anderes gelten, als für die persönliche Zustellung im Rahmen der Produktgruppe „Paket Österreich“, weil sich diese Zusatzleistungen lediglich durch die Art der Entrichtung des Entgelts - die nach dem oben Gesagten für die Beurteilung, ob eine Leistung Teil des Universaldienstes ist, nicht ausschlaggebend ist - unterscheiden.

22       Die revisionswerbende Partei bringt zudem vor, dass der zugrundeliegende Vertrag bei den Produkten der Paketmarke nicht durch Aufgabe in Postbriefkästen oder durch Übergabe der Postsendungen an einem anderen Zugangspunkt abgeschlossen wird, weshalb die Produkte gemäß § 6 Abs. 3 PMG vom Universaldienst ausgeschlossen seien.

23       Nach herrschender Rechtsansicht ist ein Postbeförderungsvertrag als Frachtvertrag zu qualifizieren, weshalb sowohl die transportrechtlichen Vorschriften als auch subsidiär das Werkvertragsrecht zur Anwendung kommen (vgl. Stögerer/Preisinger in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 451, Rn. 3; Krejci in Rummel, ABGB3 § 1166 ABGB, Rn. 26; Zankel, Rechtsbehelfe bei Fehlzustellungen von Postdienstleistungsunternehmen, wbl 2020, 376). Gemäß § 1151 Abs. 1 ABGB entsteht ein Werkvertrag, wenn jemand die Herstellung eines Werkes - im vorliegenden Fall die Beförderung einer Paketsendung - gegen Entgelt übernimmt. Die Bestimmungen des ABGB-Werkvertragsrechts sind dispositiv und können durch AGB abbedungen werden (vgl. Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 1165, Rn. 1)

24       Nach den Feststellungen des BVwG enthalten die AGB „Paketmarke“ keine Bestimmungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Sie verweisen jedoch auf die AGB „Paket Österreich“ und „Paket International“, wonach das Vertragsverhältnis mit dem Absender mit Übergang des Paketes in den Gewahrsam der Post (Aufgabe) zustande kommt. Nichts Anderes kann aber für den Vertrag über die Beförderung eines mittels Paketmarke freigemachten Pakets gelten. Zwar verbrieft die Paketmarke das entrichtete Entgelt für die Beförderung irgendeines Pakets an einen bestimmten Empfänger. Solange nicht bestimmt ist, welches Paket befördert werden soll, wurde mangels Konkretisierung des Vertragsinhaltes aber noch kein Beförderungsvertrag geschlossen (vgl. zum Bestimmtheitserfordernis des § 869 ABGB OGH 15.6.2016, 7 Ob 52/16x). Das Vertragsverhältnis kommt daher auch in diesem Fall erst mit Übergabe des Pakets an einem dafür vorgesehenen Zugangspunkt zustande.

25       Auch die - sowohl vom BVwG als auch von der Revision ins Treffen geführte - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30. August 2012, 2 Ob 206/11z, wonach bereits durch den Erwerb einer Zeitkarte für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels ein Beförderungsvertrag zustande kommt, steht dem nicht entgegen. Während eine Zeitkarte (Monats- oder Jahreskarte) nämlich zur wiederholten Beförderung einer Person innerhalb eines bestimmten Zeitraums berechtigt, berechtigt die Paketmarke lediglich zur einmaligen Beförderung irgendeines Pakets, mit durch den Preis der Paketmarke bestimmten Höchstmaßen. Wenngleich auch die Paketmarke nur einen bestimmten Gültigkeitszeitraum hat, wird sie - im Gegensatz zu einer Zeitkarte - erst durch das Anbringen auf einem bestimmten Paket und die Aufgabe dieses Pakets entwertet und die zu erbringende Leistung dadurch konkretisiert.

26       Es entspricht im Übrigen auch nicht dem Zweck der in § 6 Abs. 3 PMG normierten Beschränkung, Paketsendungen, die mittels einer online oder an einem Automaten erworbenen Frankierung freigemacht wurden, vom Universaldienst auszuschließen. Vielmehr dient diese Bestimmung dazu, Sendungen, die bei Verteilzentren eingeliefert werden, vom Universaldienst auszunehmen, um zu verhindern, dass - insbesondere durch Mitbewerber - vorsortierte bzw. Massensendungen im Rahmen des Universaldienstes in Verteilzentren eingeliefert werden (vgl. die Erläuterungen zur RV 319 BlgNR 24. GP, 5; Schneider, Das neue Postmarktgesetz, ÖZW 2010/2).

27       Schließlich wendet sich die revisionswerbende Partei gegen die gemäß § 51 Abs. 3 PMG gesetzte Leistungsfrist und bringt dazu vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach für die Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung bei der Festsetzung von Leistungsfristen entscheidend sei, dass die Frist objektiv geeignet ist, dem Leistungspflichtigen unter Anspannung aller seiner Kräfte nach der Lage des konkreten Falls die Erfüllung der aufgetragenen Leistung zu ermöglichen (Verweis auf VwGH 29.11.2012, 2011/01/0167, 0168).

28       Dem Vorbringen, eine Erfüllung des Auftrages, die entsprechenden Produkte in den AGB eindeutig als Universaldienst zu kennzeichnen, sei der revisionswerbenden Partei innerhalb der von der belangten Behörde gesetzten Frist nicht möglich, weil die EDV-technische Umstellung zum Vertrieb der Paketmarke ohne Umsatzsteuer sechs bis neun Monate dauern würde, hielt das BVwG bereits entgegen, dass der revisionswerbenden Partei lediglich aufgetragen wurde, die entsprechenden Produkte in den AGB eindeutig als Universaldienst zu kennzeichnen und die entsprechenden AGB der PCK anzuzeigen.

29       Soweit die revisionswerbende Partei einwendet, gemäß § 20 Abs. 1 PMG seien die AGB der Regulierungsbehörde bei Veröffentlichung anzuzeigen, weshalb die Anzeige mit der Veröffentlichung gleichzusetzen sei und bereits zu diesem Zeitpunkt eine EDV-technische Umstellung erfolgt sein müsse, ist darauf hinzuweisen, dass es der revisionswerbenden Partei gemäß Abs. 2 freisteht, den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der AGB entsprechend zu bestimmen.

30       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

31       Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das BVwG - ein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. VwGH 29.3.2021, Ro 2020/03/0023, mwN).

32       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Dezember 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019030012.J00

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten