TE Vwgh Beschluss 2021/12/13 Ra 2018/04/0111

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Veröffentlicht am 13.12.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

AVG §52
BVergG 2006 §125 Abs4 Z1
BVergG 2006 §125 Abs4 Z2
BVergG 2006 §125 Abs4 Z3
BVergG 2006 §129 Abs1 Z3
BVergG 2006 §320

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der Marktgemeinde L, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 31. Oktober 2017, Zl. LVwG 44.20-2627/2017-30, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: G GmbH in G, vertreten durch die Mecenovic Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Burggasse 16/III), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Die Gemeinde L (Revisionswerberin und Auftraggeberin) führte im Jahr 2017 ein näher bezeichnetes Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich betreffend Bauleistungen durch. Die mitbeteiligte G GmbH legte ein Angebot. Mit Schreiben vom 25. September 2017 teilte die Auftraggeberin mit, es sei beabsichtigt, den Zuschlag der S GmbH zu erteilen.

2        Mit Nachprüfungsantrag vom 2. Oktober 2017 begehrte die (im Vergabeverfahren zweitgereihte) Mitbeteiligte die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass der von der S GmbH angebotene Preis um 43,16 % niedriger sei als der von ihr angebotene Preis, weshalb davon auszugehen sei, dass das Angebot der S GmbH eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufweise bzw. die Auftraggeberin keine - den Vorgaben des § 125 BVergG 2006 entsprechende - vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt habe.

3        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 31. Oktober 2017 wurde diesem Antrag Folge gegeben und die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt sowie die Revisionswerberin zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren und (in noch zu bestimmender Höhe) der Kosten des beigezogenen Sachverständigen verpflichtet. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

4        2.2. In der Begründung verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf die seitens der Auftraggeberin im Verfahren erstattete Stellungnahme, in der diese angegeben habe, dass eine vertiefte Angebotsprüfung von sachverständiger Seite, nämlich der I GmbH, durchgeführt worden sei. Diese Prüfung habe ergeben, dass sich das Angebot der S GmbH im Rahmen der üblichen Marktpreise bewege.

5        Daran anschließend stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Kostenschätzung für das gegenständliche Projekt in einer näher bezeichneten Position eine Menge von 10.500 t (zu geschätzt je € 45,-) zugrunde gelegen sei, während in der Ausschreibung bei dieser Position 18.050 t verlangt worden seien. Dem Prüfbericht sei die ursprüngliche niedrigere Menge von 10.500 t zu Grunde gelegen. Im Angebot der S GmbH hätten sich circa 70 Positionen mit Einheitspreisen gefunden, die bis über das Tausendfache niedriger als der Mittelpreis und der Marktpreis gewesen seien. Umgekehrt hätten sich im Angebot der S GmbH 18 Positionen mit Einheitspreisen gefunden, die erheblich - um bis zu 258 % - teurer als der Mittelpreis und der Marktpreis gewesen seien. Die vertiefte Angebotsprüfung sei in Form einer Sensitivitätsanalyse erfolgt, bei der lediglich rechnerisch mit Massenvarianzen von plus minus 15 % festgestellt worden sei, dass dies zu keinem Bietersturz führen würde. Der niedrige Gesamtpreis und die niedrigen Einzelpositionen im Angebot der S GmbH seien - so das Verwaltungsgericht - nicht erklärbar.

6        Die Feststellungen ergäben sich aus den Einvernahmen in der mündlichen Verhandlung sowie aus dem Gutachten des beigezogenen Sachverständigen. Dieser habe nachvollziehbar ausgeführt, dass die ursprüngliche Kostenschätzung zumindest in einer wesentlichen Position zu geringe Mengenangaben aufweise. Die Korrektur habe dazu geführt, dass sich die Gesamtkosten von (geschätzten) € 2,1 Mio. auf circa € 2,4 Mio. erhöhen würden. Daher läge hinsichtlich des Angebotes der S GmbH eine wesentliche Preisdifferenz vor. Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien weder einzelne ausschlaggebende Einheitspreise noch der Gesamtpreis nachvollziehbar, weil auch bei größter Erfahrung ein Angebotspreis von circa 30 % (nämlich von € 14 pro t) im Vergleich zu dem als marktüblich erkannten Schätzpreis (von € 45 pro t) nicht kostendeckend sein könne. Auch der Zeuge S, der das Angebot der S GmbH kalkuliert habe, habe den niedrigen Preis nicht nachvollziehbar erklären können.

7        Ausgehend davon hielt das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung fest, dass eine vertiefte Angebotsprüfung aus den Gründen des § 125 Abs. 3 Z 1 und 2 BVergG 2006 angezeigt gewesen sei. Die vorgenommene sogenannte Sensitivitätsanalyse sei keine Vorgehensweise, mit der man zum Schluss kommen könne, dass sich die Preise im Rahmen der üblichen Marktpreise bewegten. Der Sachverständige habe nachvollziehbar erläutert, dass jedenfalls der Einheitspreis in einer näher bezeichneten Position nicht kostendeckend sein könne. Ebenso wenig habe die S GmbH die Unter- und Überpreise in ihrem Angebot nachvollziehbar erklären können. Das Angebot der S GmbH wäre daher gemäß § 129 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden gewesen.

8        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       5. In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es sei unklar, ob das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwendete Prüfungskriterium, ob ein seriöser Unternehmer die angefochtene Leistung zu den angebotenen Preisen erbringen könne, bedeute, dass das Angebot kostendeckend kalkuliert sein müsse, bzw. - selbst wenn dies zu bejahen wäre - welche Kosten vom angebotenen Preis gedeckt sein müssten. Des Weiteren fehle Rechtsprechung dazu, ob ein Unterangebot zwingend auszuscheiden sei. Schließlich bringt die Revisionswerberin vor, dass die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses den Anforderungen an die Begründungspflicht nicht gerecht werde und somit keine nachprüfende Kontrolle ermögliche.

12       6. Gemäß dem - vom Verwaltungsgericht herangezogenen, im vorliegenden Fall noch maßgeblichen - § 129 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 hatte der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung Angebote auszuscheiden, die eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufwiesen.

13       Gemäß § 125 Abs. 4 BVergG 2006 war bei einer (hier vorgenommenen) vertieften Angebotsprüfung zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind, wobei dafür insbesondere geprüft werden konnte, ob im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind (Z 1), ob der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen (Z 2) sowie ob die gemäß § 97 Abs. 3 Z 3 BVergG 2006 geforderte oder vom Bieter gemäß § 109 Abs. 2 BVergG 2006 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist (Z 3).

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass das Verwaltungsgericht in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen auch selbst die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen hat, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs. 4 Z 1 bis 3 BVergG 2006 genannten (deklarativ aufgezählten) Kriterien maßgeblich sind (vgl. speziell zum Kriterium der Z 1 etwa VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0132, Rn. 7; sowie - dort bezüglich Fremdleistungskosten - VwGH 22.11.2011, 2007/04/0201). Da es sich dabei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (siehe zu allem VwGH 16.5.2018, Ra 2017/04/0152, Rn. 17 und 30, mwN).

15       Aus dem Verweis auf das Kriterium der Z 1 des § 125 Abs. 4 BVergG 2006 ergibt sich, dass die Frage der Kostendeckung als einer von mehreren für die vertiefte Angebotsprüfung maßgeblichen Aspekten anzusehen ist. Somit stellt die Kostendeckung im Sinn des § 125 Abs. 4 Z 1 BVergG 2006 auch einen (wenn auch nicht allein ausschlaggebenden) Umstand dar, der in die Prüfung miteinzubeziehen ist, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann. Die in dieser Ziffer enthaltene Aufzählung liefert wiederum Anhaltspunkte dafür, welche Kosten insoweit zu berücksichtigen sind.

16       Das Verwaltungsgericht hat sich - wie dargelegt - für die Beurteilung der betriebswirtschaftlichen Erklär- und Nachvollziehbarkeit des Angebotes der S GmbH auf ein Sachverständigengutachten gestützt. Diesem Gutachten ist die Revisionswerberin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. zur Möglichkeit, einem seitens des Verwaltungsgerichtes zur Frage der Preisplausibilität eingeholten Sachverständigengutachten durch ein Privatgutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, VwGH 11.9.2020, Ra 2018/04/0189, Rn. 36).

17       Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht allein mit der mangelnden Kostendeckung in der bezogenen Position begründet, sondern überzeugend auch damit, dass die auffallend günstigen Preise (in circa 70 Positionen) sowie die auffallend teuren Preise (in circa 20 Positionen) in keiner Weise nachvollziehbar erklärt worden seien. Auf die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob ein Unterangebot „per se zwingend ausgeschieden“ werden müsse, kommt es fallbezogen daher nicht an (vgl. jedoch zu möglichen Argumenten für eine Unterdeckung etwa VwGH 25.1.2011, 2008/04/0082).

18       7. In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

19       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040111.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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