TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/14 Ra 2020/04/0184

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Veröffentlicht am 14.12.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §344 Abs2 Z1
VwRallg

Beachte


Besprechung in:
RPA 2/2022, S. 88-92;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der a GmbH in K, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen das Erkenntnis sowie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. November 2020, Zlen. W134 2235510-2/26E und W134 2235510-3/2E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. Bund, Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß den Ausschreibungsunterlagen, alle vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19; 2. G GmbH in W, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1)A)I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen wird die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Die (erstmitbeteiligten) Auftraggeber haben mittels Bekanntmachung im April 2020 im Oberschwellenbereich einen Dienstleistungsauftrag (betreffend die Überprüfung und Reparatur von Turn- und Sportgeräten) im Wege eines offenen Verfahrens zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung ausgeschrieben. Die Vergabe sollte in vier Losen erfolgen, wobei in den gegenständlichen Losen 1 und 2 der Abschluss der Rahmenvereinbarung mit jeweils einem Unternehmer vorgesehen war. Die Revisionswerberin legte - ebenso wie die (zweitmitbeteiligte) G GmbH - ein Angebot (ua.) für die Lose 1 und 2.

2        Mit Schreiben vom 2. Juli 2020 (im Folgenden: Aufklärungsschreiben) informierten die Auftraggeber die Revisionswerberin davon, dass im Hinblick auf aufgetretene Zweifel an der Angemessenheit der angebotenen Preise eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt werde. Verlangt wurde, die Kalkulation aller Einheitspreise offen zu legen, wobei dafür zwingend ein (ebenfalls übermitteltes) Dokument (im Folgenden: Kalkulationsformblatt) zu verwenden war und der derart aufgeschlüsselte Preis dem angebotenen Einheitspreis zu entsprechen hatte.

3        Mit Schreiben vom 18. September 2020 übermittelten die Auftraggeber der Revisionswerberin die Auswahlentscheidungen (die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden sollte) betreffend die Lose 1 und 2, die jeweils auf die Zweitmitbeteiligte lautete.

4        Mit Schriftsatz vom 28. September 2020 beantragte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung dieser Auswahlentscheidungen sowie des Kalkulationsformblatts und des Aufklärungsschreibens. Begründend wurde darin festgehalten, dass der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ungewöhnlich niedrig sei und keine bzw. keine ordnungsgemäße vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt worden sei. Das Kalkulationsformblatt sei untauglich und damit rechtswidrig, weil nicht sämtliche Kosten dargestellt werden hätten können, welche die Bieter nach den Vorgaben in der Ausschreibung zulässigerweise in ihre Kalkulation miteinrechnen hätten können (dies betreffe die Zeiten für die Planung und Organisation der Routen, die Touren- und Wegkosten, die Geschäftsgemeinkosten sowie die Servicegebühr an die BBG).

5        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. November 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Nichtigerklärungsanträge betreffend das Kalkulationsformblatt und das Aufklärungsschreiben ab (Spruchpunkt 1)A)I.) und gab dem Nichtigerklärungsantrag betreffend die Auswahlentscheidungen vom 18. September 2020 nicht statt (Spruchpunkt 1)A)II.). Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Antrag auf Pauschalgebührenersatz abgewiesen (Spruchpunkt 2)A)). Die Revision wurde jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt (Spruchpunkte 1)B) und 2)B)).

6        Nach auszugsweiser Darstellung der Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung sowie Wiedergabe des Aufklärungsschreibens und des Kalkulationsformblattes hielt das BVwG fest, dass die von der Revisionswerberin im Kalkulationsformblatt ausgewiesenen Einheitspreise (sowohl bezüglich Los 1 als auch bezüglich Los 2) in allen 18 Positionen von den Einheitspreisen laut ihrem Angebot abweichen würden.

7        Bei einer vertieften Angebotsprüfung - so das BVwG in seiner rechtlichen Beurteilung - handle es sich um eine Plausibilitätsprüfung, bei der nur grob geprüft werden müsse, ob ein seriöser Bieter die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen könne. Diesen Anforderungen würden das Kalkulationsformblatt und das Aufklärungsschreiben entsprechen. Eine Verpflichtung der Auftraggeber, die gesamte Kalkulation eines Bieters minutiös nachzuvollziehen, bestehe nicht. Im Übrigen wäre es der Revisionswerberin möglich gewesen, im Kalkulationsformblatt in der Spalte „Erläuterungen“ die Besonderheiten ihrer Kalkulation zu erläutern, was sie jedoch unterlassen habe. Zudem seien im Kalkulationsformblatt ähnliche Formulierungen verwendet worden, wie in der Beschreibung im bereits präkludierten Preisblatt. Das Kalkulationsformblatt und das Aufklärungsschreiben seien daher nicht rechtswidrig.

8        Da die Auftraggeber die Revisionswerberin in ihrem Aufklärungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen hätten, dass der (im Kalkulationsformblatt) aufgeschlüsselte Preis dem angebotenen Einheitspreis entsprechen müsse, wäre das Angebot der Revisionswerberin auszuscheiden gewesen, weil es eine durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte nicht plausible Zusammensetzung des Einheitspreises aufweise.

9        Anschließend prüfte das BVwG, ob die Angebote aller anderen Bieter auszuscheiden wären und deshalb die Antragslegitimation der Revisionswerberin - ungeachtet dessen, dass ihr Angebot auszuscheiden gewesen wäre - im Hinblick auf näher zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union bestehe. Das Angebot der Zweitmitbeteiligten sei - so das BVwG - von den Auftraggebern angesichts der außergewöhnlichen Preisunterschiede (zwischen den geschätzten Auftragswerten und den angebotenen Preisen) einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen worden. Das BVwG gelangte zum Ergebnis, dass die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden sei und ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen könne. Der im Kalkulationsformblatt angegebene Stundensatz erscheine (auch unter Berücksichtigung eines von der Revisionswerberin im Verfahren vorgelegten Gutachtens) ebenso plausibel wie die von der Zweitmitbeteiligten angegebenen kürzeren Zeiten (für die Überprüfung und Wartung). Weiters habe die mündliche Verhandlung ergeben, dass es sich auch beim Angebot der (am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligten) T GmbH um ein ausschreibungskonformes Angebot handle. Ausgehend davon mangle es der Revisionswerberin an der Antragslegitimation, weil ihr durch die behauptete Rechtsverletzung kein Schaden entstehen könne.

10       3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11       Die Auftraggeber sowie die Zweitmitbeteiligte erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       4. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision ua. vor, das BVwG habe die Frage der Rechtmäßigkeit des Kalkulationsformblattes und des Aufklärungsschreibens zu Unrecht zu einem Bestandteil der Plausibilitätsprüfung im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung gemacht. Zudem habe sich das BVwG nicht mit dem Vorbringen der Revisionswerberin befasst, wonach nicht sämtliche festgelegten Kosten im Kalkulationsformblatt dargestellt werden hätten können und die Auftraggeber somit von den bestandfesten Ausschreibungsunterlagen abgewichen seien. Die vom BVwG in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, es sei zulässig, „ähnliche Formulierungen“ zu verwenden, sei unzutreffend.

13       Die Revision erweist sich im Hinblick darauf als zulässig und auf Grund nachstehender Erwägungen teilweise als berechtigt.

14       5. Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung des Aufklärungsschreibens und des Kalkulationsformblattes (Spruchpunkt 1)A)I. des angefochtenen Erkenntnisses) ist Folgendes festzuhalten:

15       Die Auftraggeber haben vorliegend ein offenes Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung durchgeführt. Gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. jj BVergG 2018 sind bei einer Rahmenvereinbarung folgende Entscheidungen gesondert anfechtbar: hinsichtlich des zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden (hier) offenen Verfahrens gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. aa BVergG 2018 die Ausschreibung, sonstige Entscheidungen während der Angebotsfrist, das Ausscheiden eines Angebotes und die Widerrufsentscheidung sowie hinsichtlich der Rahmenvereinbarung die Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, der erneute Aufruf zum Wettbewerb, das Ausscheiden eines Angebotes, die Widerrufsentscheidung und die Zuschlagsentscheidung.

16       Das Aufklärungsschreiben und das Kalkulationsformblatt stellen Festlegungen der Auftraggeber gegenüber der Revisionswerberin im Zuge der Angebotsprüfung dar. Die Angebotsprüfung setzt wiederum die Angebotsöffnung voraus, die nach § 133 Abs. 1 BVergG 2018 nach Ablauf der Angebotsfrist zu erfolgen hat. Zwar enthält das angefochtene Erkenntnis keine Feststellungen zum Ende der Angebotsfrist (in der vorliegenden Revision wird als diesbezügliches Datum der 25. Mai 2020 genannt), es gibt allerdings auch keine Hinweise darauf, dass die Angebotsprüfung unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben bereits vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt wäre. Ausgehend davon stellen das Aufklärungsschreiben und das Kalkulationsformblatt keine sonstigen Entscheidungen während der Angebotsfrist dar. Da auch keine der anderen (eingangs aufgezählten) gesondert anfechtbaren Entscheidungen einschlägig ist, handelt es sich bei den beiden genannten Entscheidungen um nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen, die gemäß § 2 Z 15 lit. b BVergG 2018 nur in dem gegen die nächst folgende gesondert anfechtbare Entscheidung gerichteten Nachprüfungsantrag angefochten werden können.

17       Gemäß § 344 Abs. 2 Z 1 BVergG 2018 ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet (siehe - zu den vergleichbaren Vorgängerregelungen im BVergG 2006 und im BVergG 2002 - VwGH 20.5.2015, 2013/04/0004; 20.10.2004, 2004/04/0105). Auch die Erläuterungen (RV 69 BlgNR 26. GP, 191, 199) halten fest, dass eine ausdrückliche Nichtigerklärung von nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen nicht zulässig ist und auch nicht gemeinsam mit einem Antrag auf Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung beantragt werden kann.

18       Im vorliegenden Fall hat das BVwG die Anträge auf Nichtigerklärung des Aufklärungsschreibens und des Kalkulationsformblattes zwar abgewiesen und nicht zurückgewiesen. Dass die Revisionswerberin dadurch in Rechten verletzt werden konnte, ist aber nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht aufgezeigt (vgl. diesbezüglich etwa VwGH 27.2.2019, Ra 2018/10/0095, Rn. 20).

19       6. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidungen (Spruchpunkt 1)A)II. des angefochtenen Erkenntnisses) ist Folgendes festzuhalten:

20       6.1. Die Auftraggeber haben das Angebot der Revisionswerberin nicht ausgeschieden (und somit das Aufklärungsschreiben und das Kalkulationsformblatt nicht zur Grundlage einer gesondert anfechtbaren Ausscheidensentscheidung gemacht). Allerdings hat das BVwG dem Antrag auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidungen auf Grund der mangelnden Antragslegitimation der Revisionswerberin nicht stattgegeben und dies damit begründet, dass das Angebot der Revisionswerberin auszuscheiden gewesen wäre, weil der von der Revisionswerberin im Kalkulationsformblatt aufgeschlüsselte Preis entgegen der Vorgabe der Auftraggeber im Aufklärungsschreiben (in allen Positionen) vom angebotenen Einheitspreis abgewichen sei. Zwar spricht das BVwG in seiner rechtlichen Begründung abschließend davon, es sei auch kein Grund hervorgekommen, die angefochtenen Auswahlentscheidungen für nichtig zu erklären. Der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich aber nicht entnehmen, dass das BVwG den diesbezüglichen Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin - ungeachtet der Verneinung der Antragslegitimation - auch einer abschließenden inhaltlichen Beurteilung unterzogen hätte.

21       Ausgehend davon ist die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG über den Antrag auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidungen davon abhängig, ob sich die Beurteilung des Aufklärungsschreibens und des Kalkulationsformblattes durch das BVwG als zutreffend erweist. Ist dies nicht der Fall, hätte dies zur Folge, dass ein (auf das Aufklärungsschreiben und das Kalkulationsformblatt gestützter) Ausscheidensgrund nicht vorläge und die Antragslegitimation der Revisionswerberin hinsichtlich der Anfechtung der Auswahlentscheidungen jedenfalls nicht aus diesem Grund verneint werden könnte.

22       6.2. Zu den (im Zusammenhang mit Spruchpunkt 1)A)I. erfolgten) Ausführungen des BVwG betreffend die Rechtmäßigkeit des Aufklärungsschreibens und des Kalkulationsformblattes ist zunächst Folgendes anzumerken: Das angefochtene Erkenntnis enthält zwar Feststellungen zum Inhalt des Aufklärungsschreibens und des Kalkulationsformblattes, jedoch keine Feststellungen zu den in der Ausschreibung bestandfest festgelegten Vorgaben für die Kalkulation der Angebote bzw. zu den Preisbestandteilen. Somit ist es dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, den seitens der Revisionswerberin behaupteten Widerspruch zwischen der Ausschreibung und dem Kalkulationsformblatt einer abschließenden Überprüfung zu unterziehen. Der im angefochtenen Erkenntnis enthaltene Hinweis darauf, dass im Kalkulationsformblatt und im Preisblatt (somit in der Ausschreibung) „ähnliche Formulierungen“ verwendet würden, ist jedenfalls nicht hinreichend, weil damit noch keine Aussage dahingehend verbunden ist, ob alle in der Ausschreibung vorgesehenen Preisbestandteile im Kalkulationsformblatt abgebildet werden konnten.

23       6.3. Für den Fall des Vorliegens eines derartigen Widerspruches käme dem Vorbringen der Revisionswerberin aus folgenden Erwägungen Berechtigung zu:

24       Das BVwG begründete die Verneinung der Antragslegitimation der Revisionswerberin - wie dargelegt - damit, dass bei einer vertieften Angebotsprüfung nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen werden müsse und das Aufklärungsschreiben und das Kalkulationsformblatt diesen Anforderungen entsprächen. Entgegen der damit zum Ausdruck gebrachten Auffassung geht es bei der hier zu klärenden Frage aber nicht darum, ob die Auftraggeber den im Zuge der vertieften Angebotsprüfung zu beachtenden Vorgaben entsprochen haben, sondern darum, ob - wie in der Revision vorgebracht - die Ausgestaltung des Kalkulationsformblattes (das laut Aufklärungsschreiben zwingend zu verwenden war) es der Revisionswerberin verunmöglichte, alle in der Ausschreibung vorgesehenen (und im Angebot enthaltenen) Preisbestandteile in diesem Formblatt darzustellen. Wäre es der Revisionswerberin auf Grund der von ihr behaupteten Widersprüche zwischen der Ausschreibung und dem Kalkulationsformblatt daher unmöglich gewesen, den Vorgaben des Kalkulationsformblattes (in Verbindung mit dem Aufklärungsschreiben) unter Wahrung ihres Angebotes (und damit unter Beachtung der Vorgaben der Ausschreibung) vollständig zu entsprechen, dann könnten die vom BVwG festgestellten Unterschiede zwischen den Preisen laut Angebot und den im Kalkulationsformblatt aufgeschlüsselten Einheitspreisen nicht (jedenfalls nicht ohne Weiteres) einen vom BVwG im Nachprüfungsverfahren aufzugreifenden Grund für ein Ausscheiden des Angebotes der Revisionswerberin darstellen. Aus der vom BVwG in diesem Zusammenhang zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vertieften Angebotsprüfung lässt sich für die hier zu beantwortende Frage jedenfalls nichts gewinnen. Somit erweist sich die Begründung des BVwG zum Vorliegen eines Ausscheidensgrundes und zum Fehlen der Antragslegitimation als für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

25       Daran vermag auch der („im Übrigen“ erfolgte) Hinweis des Verwaltungsgerichtes darauf, die Revisionswerberin habe in der Spalte „Erläuterungen“ die Besonderheiten ihrer Kalkulation nicht erläutert, nichts zu ändern. Die Revisionswerberin hat bereits im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vorgebracht, dass es nicht darum ging, in der Spalte „Erläuterungen“ verbale Hinweise zu Unterschieden bei einzelnen Preispositionen aufzunehmen, sondern dass auf Grund der konkreten Ausgestaltung bestimmte, näher angegebene Kostenbestandteile (siehe insoweit Rn. 4) schon dem Grunde nach nicht in die Aufschlüsselung des Kalkulationsformblattes aufgenommen werden konnten. Mit diesem Vorbringen hat sich das BVwG aber nicht in erkennbarer Weise auseinandergesetzt.

26       Aus diesen Erwägungen hat das BVwG den Spruchpunkt 1)A)II. seines Erkenntnisses mit einem relevanten Begründungsmangel belastet.

27       7. Ausgehend davon war die angefochtene Entscheidung mit Ausnahme ihres Spruchpunktes 1)A)I. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (die Abweisung des Antrags auf Pauschalgebührenersatz in Spruchpunkt 2)A) kann infolge der Aufhebung des Spruchpunktes 1)A)II. keinen Bestand haben). Im Übrigen war die Revision, soweit sie sich somit gegen Spruchpunkt 1)A)I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, aus den in Pkt. 5 dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

28       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

29       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. Dezember 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020040184.L00

Im RIS seit

05.07.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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