TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/15 Ra 2021/02/0185

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art18 Abs1
MRK Art7
TierschutzG 2005 §38 Abs3 idF 2017/I/061
TierschutzG 2005 §8a Abs1 idF 2018/I/086
TierschutzG 2005 §8a Abs2 idF 2018/I/086
TierschutzG 2005 §8a idF 2018/I/086
VStG §1 Abs1
VwGG §42 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der D in G, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in 8055 Seiersberg-Pirka, Mitterstraße 177, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 22. Juni 2021, LVwG 30.28-790/2021-12, betreffend Übertretung des TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson Dr. Barbara Fiala-Köck in 8010 Graz, Stempfergasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Februar 2021 wurde der Revisionswerberin folgendes Verhalten angelastet:

„Sie haben am 14. Jänner 2020 um 17:24 Uhr, Tiere öffentlich feilgeboten, indem Sie diese auf ‚Facebook‘ inseriert und angeboten haben, obwohl das öffentliche Feilhalten, Feil- oder Anbieten zum Kauf oder zur Abgabe (Inverkehrbringen) von Tieren nur im Rahmen einer gemäß § 31 Abs. 1 genehmigten Haltung oder durch Züchter, die gemäß § 31 Abs. 4 diese Tätigkeit gemeldet haben, sofern sie nicht auf Grund einer Verordnung von dieser Verpflichtung ausgenommen sind, oder im Rahmen oder zum Zweck der Land- und Forstwirtschaft bzw. von in § 24 Abs. 1 Z 1 genannten Tieren oder die Suche von Interessenten für einzelne, individuell bestimmte Tiere mit einem Alter von mehr als sechs Monaten bzw. für Hunde und Katzen bei denen die bleibenden Eckzähne bereits ausgebildet sind, die nicht bei ihrem bisherigen Halter bleiben können und dürfen, durch den Halter oder eine gemäß § 30 mit den Pflichten eines Halters betraute Person, Vereinigung oder Institution, wobei bei Hunden nachzuweisen ist, dass diese seit mindestens sechzehn Wochen in der Heimtierdatenbank gemeldet sind, gestattet ist. Dies gilt auch für derartige Aktivitäten im Internet.

Feilgeboten wurden:

2 Katzen (‚Flocki‘ und ‚Rollo‘) beide im Alter von ca. 13-14 Wochen“.

2        Die Revisionswerberin habe dadurch § 38 Abs. 3 iVm. § 8a Abs. 2 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl. I Nr. 35/2008 verletzt, weshalb über sie gemäß § 38 Abs. 3 TSchG eine Geldstrafe in der Höhe von € 380,-- (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde und ihr ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben wurde.

3        2.1. Die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Revisionswerberin ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben (Spruchpunkt II.). Die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen dieses Erkenntnis wurde vom LVwG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

4        2.2. Das LVwG stellte fest, die Revisionswerberin habe nach den in Kopie vorgelegten „Verwahrungsvereinbarungen“ an eine oder mehrere Personen zwei näher beschriebene ca. 13 Wochen alte, entflohte und entwurmte männliche Katzen zur unentgeltlichen Verwahrung in die Obhut und Verantwortung des Übernehmers übergeben. In den Vereinbarungen sei der Satz enthalten, dass die Übergeberin weiterhin Eigentümerin der Katzen bleibe. Diese Tiere seien zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt im Internet beworben worden. Nach der Abbildung der Seite, die der Meldung an die belangte Behörde beigelegt sei, sei der Internetbeitrag mit „Katzen zu vergeben“ überschrieben. Weiters sei folgender Text enthalten: „Flocki und Rollo, meine zwei Wikinger, einer mutiger als der andere. Diese zwei Buben waren ein Haufen Elend, als sie gefunden wurden. Ich erspar euch die Details. Heute sieht man, wie glücklich und dankbar sie sind. Wenn sich jemand ernsthaft für die beiden interessiert, dann werden ihr oder ihm die zwei Buben sicher viel Freude bereiten. Flocki ist der schwarze Bub und Rollo der grau-weiße. Beide sind ca. 13 - 14 Wochen alt. Derzeit sind beide in Graz-Umgebung zuhause. Bei Interesse könnt ihr euch unter der Nr. [...] melden.“ Weiters seien dort Fotos der Katzen enthalten.

5        2.3. Rechtlich führte das LVwG nach Darstellung der Rechtslage aus, die Revisionswerberin sei der Meinung, deshalb nicht gegen das Verkaufsverbot verstoßen zu haben, weil sie die Tiere nur in Verwahrung gegeben hätte. Überdies wäre sie im Rahmen der von ihr betriebenen Landwirtschaft berechtigt, die beiden genannten Katzen weiterzugeben. Gemäß § 30 TSchG habe aber die Behörde, soweit eine Übergabe an den Halter nicht in Betracht komme, Vorsorge dafür zu treffen, dass entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere an Personen, Institutionen und Vereinigungen übergeben würden, die eine Tierhaltung im Sinne dieses Gesetzes gewährleisten könnten. Nach dieser Bestimmung sei allein die Tierschutzbehörde verpflichtet, die genannten Tiere in Verwahrung zu nehmen. Dies bedeute, dass andere Personen oder Institutionen als die Tierschutzbehörde eine Verwahrung im Sinne der tierschutzrechtlichen Bestimmungen nicht rechtmäßig durchführen könnten. Dies bedeute, dass es sich bei den von der Revisionswerberin abgeschlossenen Verträgen nicht um solche im tierschutzrechtlichen Sinn handle. Die Bestimmung des § 31a TSchG werde von der Revisionswerberin nicht ins Treffen geführt, weil sie die Eigentümerin der Katzen sei und die Katzen nicht im Sinne dieser Bestimmung „aufgenommen, weitergegeben oder vermittelt“ worden seien. Gemäß § 31 Abs. 1 TSchG bedürfe die Haltung von Tieren im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit oder im Rahmen einer sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeit, ausgenommen die Haltung von in § 24 Abs. 1 Z 1 leg. cit. genannten Tieren sowie von anderen Haustieren im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft einer Bewilligung nach § 23 TSchG. Dies bedeute, dass Katzen im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft ohne Bewilligung nach § 23 TSchG gehalten werden dürften. Dass Katzen jedoch nicht im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft öffentlich zur Abgabe angeboten werden dürften, zeige § 31 Abs. 4 TSchG, wonach auch Landwirte die Haltung von Katzen zum Zweck der Zucht oder des Verkaufs der Tierschutzbehörde melden müssten. Dies bedeute, dass das Tierschutzrecht wohl die Haltung von Katzen im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft bewilligungsfrei erkläre, sonst jedoch keine Ausnahme zugunsten der Land- und Forstwirtschaft für Katzen vorgesehen habe und damit auch keine Ausnahme von § 8a TSchG. Dass das Tierschutzgesetz konsequent die Regelung für die Haltung von Katzen und Hunden, auch wenn sie im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft einfach als Haustiere oder auch zum Nutzen für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehalten würden, von der Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere unterscheide, zeige auch die getrennte Verordnungsermächtigung für die in § 24 Abs. 1 Z 1 TSchG genannten Tiere und anderer Wirbeltiere, zu denen Katzen zählten. Es bestehe daher hinsichtlich des Anbietens der Katzen im Internet keine Ausnahme vom Verbot des § 8a TSchG. Die Revisionswerberin habe aus näheren Gründen die zumindest fahrlässige Übertretung des § 8a TSchG zu verantworten. Weiters begründete das LVwG die Strafbemessung.

6        3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        3.2. Die Tierschutzombudsperson des Landes Steiermark erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8        4.1. Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, es fehle Rechtsprechung zur Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 8a Abs. 2 Z 3 TSchG als zulässig.

9        4.2. Sie ist aber nicht begründet:

10       4.2.1. Die Rechtslage stellt sich dar wie folgt:

11       § 8a Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004 idF BGBl. I Nr. 86/2018 lautet wie folgt:

Verkaufsverbot von Tieren

§ 8a. (1) Das Feilbieten und das Verkaufen von Tieren auf öffentlich zugänglichen Plätzen, soweit dies nicht im Rahmen einer Veranstaltung gemäß § 28 erfolgt, sowie das Feilbieten von Tieren im Umherziehen sind verboten.

(2) Das öffentliche Feilhalten, Feil- oder Anbieten zum Kauf oder zur Abgabe (Inverkehrbringen) von Tieren ist nur in folgenden Fällen gestattet:

1.   im Rahmen einer gemäß §§ 29 Abs. 1 und 31 Abs. 1 genehmigten Haltung oder

2.   durch Züchter, die gemäß § 31 Abs. 4 diese Tätigkeit gemeldet haben, sofern sie nicht auf Grund einer Verordnung von dieser Verpflichtung ausgenommen sind, oder

3.   im Rahmen oder zum Zweck der Land- und Forstwirtschaft bzw. von in § 24 Abs. 1 Z 1 genannten Tieren oder

4.   die Suche von Interessenten für einzelne, individuell bestimmte Tiere mit einem Alter von mehr als sechs Monaten bzw. für Hunde und Katzen bei denen die bleibenden Eckzähne bereits ausgebildet sind, die nicht bei ihrem bisherigen Halter bleiben können oder dürfen, durch den Halter oder eine gemäß § 30 mit den Pflichten eines Halters betraute Person, Vereinigung oder Institution, wobei bei Hunden nachzuweisen ist, dass diese seit mindestens sechzehn Wochen in der Heimtierdatenbank gemeldet sind.

Dies gilt auch für derartige Aktivitäten im Internet.

Tierhaltungsverordnung

§ 24. (1) Unter Berücksichtigung der Zielsetzung und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie unter Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der ökonomischen Auswirkungen hat die Bundesministerin/der Bundesminister für Gesundheit und Frauen, in Bezug auf Tiere gemäß Z 1 im Einvernehmen mit der Bundesministerin/dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, für die Haltung

1.   von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Neuweltkameliden, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen sowie

2.   anderer Wirbeltiere

durch Verordnung die Mindestanforderungen für die in § 13 Abs. 2 genannten Haltungsbedingungen und erforderlichenfalls Bestimmungen hinsichtlich zulässiger Eingriffe sowie sonstiger zusätzlicher Haltungsanforderungen zu erlassen.“

12       § 30 TSchG, BGBl. I Nr. 118/2004 idF BGBl. I Nr. 61/2017, lautet auszugsweise:

Entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere

§ 30. (1) Die Behörde hat - soweit eine Übergabe an den Halter nicht in Betracht kommt - Vorsorge zu treffen, dass entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere an Personen, Institutionen und Vereinigungen übergeben werden, die eine Tierhaltung im Sinne dieses Bundesgesetzes gewährleisten können. Diese Personen, Vereinigungen oder Institutionen (im Folgenden: Verwahrer) haben die Pflichten eines Halters.

(2) [...]“.

13       § 31 TSchG, BGBl. I Nr. 118/2004 idF BGBl. I Nr. 86/2018, lautet wie folgt:

Haltung von Tieren im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeiten oder zur Zucht oder zum Verkauf

§ 31. (1) Die Haltung von Tieren im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (§ 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994) oder im Rahmen einer sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeit, ausgenommen die Haltung von in § 24 Abs. 1 Z 1 genannten Tieren sowie von anderen Haustieren im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft, bedarf einer Bewilligung nach § 23.

(2) In jeder Betriebsstätte, in der Tiere im Rahmen einer gewerblichen oder sonstigen wirtschaftlichen - ausgenommen land- und forstwirtschaftlichen - Tätigkeit gehalten werden, muss eine ausreichende Anzahl von Personen mit Kenntnissen über artgemäße Tierhaltung regelmäßig und dauernd tätig sein. In Tierhandlungen sind diese Personen verpflichtet, Kunden über die tiergerechte Haltung und die erforderlichen Impfungen der zum Verkauf angebotenen Tiere zu beraten sowie über allfällige Bewilligungspflichten zu informieren. Die Erfüllung dieser Verpflichtung muss der Behörde, etwa in Form der Bereithaltung entsprechender Informationsangebote, glaubhaft gemacht werden können. Bei der Abgabe von Hunden oder Katzen ist eine solche Information auch vom Züchter durchzuführen.

(3) Die Bundesministerin/der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat im Einvernehmen mit der Bundesminsterin/dem Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung und die sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch Verordnung Vorschriften über die Haltung von Tieren im Rahmen wirtschaftlicher oder gewerblicher, ausgenommen land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeiten, insbesondere auch über die von den mit der Tierhaltung beschäftigten Personen nachzuweisende Ausbildung, zu erlassen.

(4) Sofern die Haltung von Tieren zum Zwecke der Zucht oder des Verkaufs, ausgenommen von in § 24 Abs. 1 Z 1 genannten Tieren im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft oder Tieren in Zoos oder Tieren in Zoofachhandlungen, nicht bereits einer Genehmigung nach Abs. 1 bedarf, ist sie vom Halter der Behörde vor Aufnahme der Tätigkeit zu melden. Die Anzeige hat den Namen und die Anschrift des Halters, die Art und Höchstzahl der gehaltenen Tiere sowie den Ort der Haltung zu enthalten. Nähere Bestimmungen sowie Ausnahmen von der Meldepflicht sind durch Verordnung der Bundesministerin/des Bundesministers für Gesundheit und Frauen zu regeln. Wird anlässlich einer Kontrolle festgestellt, dass die Haltungsbedingungen nicht den Anforderungen dieses Gesetzes oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung entsprechen, hat die Behörde die Setzung entsprechender Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist vorzuschreiben. Kommt der Halter dem innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist nicht nach, hat die Behörde § 23 Abs. 2 und 3 sinngemäß anzuwenden.

(5) Hunde und Katzen dürfen im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten gemäß Abs. 1 in Zoofachgeschäften und anderen gewerblichen Einrichtungen, in denen Tiere angeboten werden, zum Zwecke des Verkaufes, der Vermittlung oder sonstiger gewerblicher Tätigkeiten nicht gehalten und ausgestellt werden.“

14       § 38 TSchG, BGBl. I Nr. 118/2004 idF BGBl. I Nr. 61/2017, lautet auszugsweise wie folgt:

Strafbestimmungen

§ 38. (1) Wer

1.   einem Tier entgegen § 5 Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt oder

2.   ein Tier entgegen § 6 tötet oder

3.   an einem Tier entgegen § 7 Eingriffe vornimmt oder

4.   gegen § 8 verstößt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15 000 Euro zu bestrafen.

(2) [...]

(3) Wer außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 gegen §§ 5, 7, 8a, 9, 11 bis 32, 36 Abs. 2 oder 39 oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 3 750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7 500 Euro zu bestrafen.

(4) [...]

(5) [...]

(6) Die Behörde hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 3, sofern sie nicht nach § 21 Abs. 1a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52, vorgeht, ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung für das Wohlbefinden der gehaltenen Tiere unbedeutend sind. Die Behörde hat den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid zu ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Unter den in diesem Absatz angeführten Voraussetzungen können die Kontrollorgane gemäß § 35 von der Erstattung einer Anzeige, erforderlichenfalls nach Herstellung des rechtmäßigen Zustandes durch den Beanstandeten, absehen; sie haben den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam zu machen.

(7) [...]

(8) [...]“.

15       4.2.2. Die Materialien zu § 8a TSchG lauten (RV 291, BlgNR 23. GP, 4):

„Das Verbot des § 8a Abs. 1 soll den unkontrollierbaren Handel mit Tieren aus dem Kofferraum insofern unterbinden, als derartige Verkäufe häufig auf Parkplätzen stattfinden. Durch ein generelles Verbot des Feilbietens und Verkaufens von Tieren auf öffentlich (frei und allgemein) zugänglichen Plätzen (wie insbesondere auf Parkplätzen, Straßen, Gehsteigen, öffentlichen Plätzen) und das Feilbieten von Tieren im Umherziehen sollen verbunden mit den (neuen) Bestimmungen des § 31 Abs. 5 TSchG, welcher neue Regelungen betreffend den Verkauf von Hunden und Katzen über Zoofachgeschäfte beinhaltet, der Tierhandel in kontrollierbare, gesetzlich geregelte Bahnen gelenkt werden. Es wird damit kein generelles Verkaufsverbot ausgesprochen, lediglich die Verkaufsmodalitäten sollen den Anforderungen des Tierschutzes angepasst werden. Mit den Bestimmungen des Abs. 2 wird klargestellt, dass das Feilbieten von Tieren auch im Internet nur gewerblichen Tierhandlungen bzw. Züchtern vorbehalten ist. Nicht betroffen von dieser Regelungen sind Internetseiten, die zum Zwecke der unentgeldlichen Vermittlung von Tieren von Tierschutzvereinen, Veterinärmedizinischen Einrichtungen oder Tierheimen eingerichtet wurden.“

16       Die Erläuterungen zur Novelle des § 8a TSchG idF BGBl. I Nr. 61/2017 lauten wie folgt (RV 1515 BlgNR 25. GP, 3):

„Da der Begriff des Feilbietens in der österreichischen Rechtsordnung unterschiedlich gebraucht wird und daher zu Fehlinterpretationen geführt hat, soll klargestellt werden, dass jedes Angebot zur Abgabe von Tieren, die nicht von Züchtern oder autorisierten Personen bzw. Vereinen stammen, unzulässig ist. Ebenso soll klargestellt werden, dass der Tatbestand auch durch Anbieten im Internet erfüllt wird. Dabei wäre anzumerken, dass Betreiber von Internetplattformen diesfalls als Beitragstäter in Betracht kommen. Die Ausnahme in Z 2 betrifft Fälle, in denen insbesondere älteren oder kranken Personen eine Tierhaltung nicht mehr zugemutet werden kann und dient zudem der Entlastung von Tierheimen. Um den - vor allem im Internet stattfindenden - illegalen Tierhandel effektiv unterbinden zu können, wird die Vermittlung von einzelnen Tieren an ein Mindestalter der zu vermittelnden Tiere geknüpft, das anhand der bereits ausgebildeten Eckzähne festzustellen ist.“

17       Die Erläuterungen zur Novelle des § 8a TSchG mit BGBl. I Nr. 148/2017 lauten wie folgt (IA 2286/A 25. GP):

„Z 3 soll zur Klarstellung dienen, dass unter die Ausnahmeregelung auch Pferde und Pferdeartige fallen. D. h., dass auch diese Tiere öffentlich (online) vermittelt werden dürfen.

Die Ausnahme in Z 4 betrifft Fälle, in denen Personen eine Tierhaltung nicht mehr möglich ist (insbesondere ältere oder kranke Personen, aufgrund von Haftstrafen) und dient zudem der Entlastung von Tierheimen. Um den - vor allem im Internet stattfindenden - illegalen Tierhandel effektiv unterbinden zu können, wird die Vermittlung von einzelnen Tieren an ein Mindestalter der zu vermittelnden Tiere geknüpft, das z.B. anhand der bereits ausgebildeten Eckzähne oder anderer Altersnachweise festzustellen ist. Weiters wird als Nachweis, dass Hunde bereits vor gewünschter Weitergabe in Österreich gehalten wurden, ein diesbezüglicher zeitlicher Nachweis durch einen Auszug aus der Heimtierdatenbank eingeführt.“

18       4.2.3. Die Revisionswerberin bringt vor, § 8a TSchG normiere lediglich ein Verkaufsverbot für Tiere; sie habe die beiden Katzen jedoch nicht verkauft. § 8a TSchG enthalte kein Verbot des Inserierens von Tieren, die unentgeltlich in Verwahrung gegeben würden. Die Formulierung der Norm sei missverständlich; die „Abgabe“ und das „Inverkehrbringen“ impliziere die endgültige und dauerhafte Weitergabe des Tieres an einen Dritten in dessen Eigentum. Die Voraussetzungen des § 30 TSchG lägen nicht vor, weil es sich nicht um entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene oder von der Behörde beschlagnahmte Tiere gehandelt hätte. Mit dem Inserat habe jemand gefunden werden sollen, der die Katzen in Verwahrung nehme.

19       Das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens (vgl. hiezu VfSlg 13.785/1994). Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (vgl. z.B. VwGH 23.5.2002, 99/03/0144, mwH).

20       Blankettstrafnormen sind zulässig; auch in einem solchen Fall muss aber der Tatbestand durch das Gesetz selbst mit genügender Klarheit als Verbotsnorm und damit als strafbarer Tatbestand gekennzeichnet sein, und zwar so, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag. Eine Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln oder zur Unterlassung einer bestimmten Tätigkeit muss in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ablesbar sein (vgl. VwGH 13.10.2010, 2009/06/0189, mwN).

21       Im vorliegenden Fall trifft es nun zu, dass die Überschrift des § 8a TSchG „Verkaufsverbot von Tieren“ lautet und § 8a Abs. 1 lediglich das - sich bereits aus dem verwendeten Wort ergebende entgeltliche - „Feilbieten“ und „Verkaufen“ von Tieren verbietet. Daran schließt allerdings der insoweit völlig eindeutige Abs. 2 an, der das Inverkehrbringen von Tieren nur in bestimmten, taxativ genannten Fällen erlaubt, woraus folgt, dass das „Inverkehrbringen“ immer dann, wenn eine Ausnahmebestimmung nicht erfüllt ist, in Zusammenschau mit § 38 Abs. 3 TSchG verboten ist. Unter dem Inverkehrbringen ist nach dem Gesetzeswortlaut das „öffentliche Feilhalten, Feil- oder Anbieten zum Kauf oder zur Abgabe“ zu verstehen. Dies heißt, dass nicht nur entgeltliche Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäfte, sondern auch unentgeltliche nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut verboten sind (so auch Herbrüggen/Wessely, Österreichisches Tierschutzrecht³, 140 f, sowie Binder, Das österreichische Tierschutzrecht, 2019, 73). Ein Tier wird demnach auch dann „abgegeben“ im Sinne des § 8a Abs. 2 TSchG, wenn es einer anderen Person zur Verwahrung gegeben wird.

22       Auch die von der Revisionswerberin auf einer Internetseite inserierte „unentgeltliche“ Abgabe zur Verwahrung erfüllt daher als „Abgabe“ den Tatbestand des § 8a TSchG und ist daher verboten, sofern nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 8a Abs. 2 TSchG erfüllt ist.

23       4.2.4. Die Revisionswerberin bringt dazu vor, es liege der Ausnahmetatbestand des § 8a Abs. 2 Z 3 TSchG vor; sie sei Eigentümerin einer Landwirtschaft.

24       Die Revisionswerberin hat damit weder vorgebracht noch ist aus den Feststellungen zu entnehmen, dass die inserierten Katzen in irgendeinem Bezug zu ihrem landwirtschaftlichen Betrieb stünden. Die von ihr angezogene Ausnahmebestimmung des § 8a Abs. 2 Z 3 TSchG kommt daher nicht zum Tragen.

25       4.3. Der Revision gelingt es nach dem Gesagten daher nicht, eine Fehlbeurteilung des LVwG in Ansehung der Revisionswerberin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung aufzuzeigen.

26       4.4. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1VwGG als unbegründet abzuweisen.

27       4.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/02/0333).

Wien, am 15. Dezember 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020185.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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