TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/14 W208 2245190-1

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Veröffentlicht am 14.12.2021
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Entscheidungsdatum

14.12.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GebAG §17
GebAG §18 Abs1 Z2 litb
GebAG §19
GebAG §3
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W208 2245190-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde des Revisor des Oberlandesgerichts WIEN gegen den Bescheid der Präsidentin des Handelsgerichtes WIEN, XXXX , vom 15.04.2021, wegen Zeugengebühren zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Spruch des bekämpften Bescheides wie folgt zu lauten hat:

„Die Gebühren des Zeugen Mag. XXXX […] werden für die Teilnahme an der Tagsatzung vor dem Handelsgericht Wien am 19.01.2021 bestimmt wie folgt:

1. Reisekosten

LEOBEN - WIEN – retour        € 70,80

Summe                              € 70,80

Das Mehrbegehren des Zeugen auf Ersatz von Fahrtkosten nach Kilometergeld iHv € 0,42 pro Kilometer (€ 134,40) und auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis in Form eines Verdienstentganges nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG im Ausmaß von 2 Stunden á € 250,00 zzgl. € 100,00 USt. (€ 600,00) wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Mitbeteiligte Mag. XXXX (im Folgenden: Zeuge), wurde in einer mündlichen Verhandlung am 19.01.2021 in einem Verfahren zu XXXX vor dem Handelsgericht WIEN (im Folgenden: HG) von 14:30 Uhr bis 15:54 Uhr als Zeuge einvernommen.

2. Der Zeuge beantragte am 21.01.2021 einen Verdienstentgang von € 600,00 (2 Stunden zu je € 250,00 zzgl. € 100,00 USt.) sowie Reisekosten (Kilometergeld) iHv € 134,40.

3. Mit Schreiben vom 25.01.2021 forderte das HG den Zeugen auf, ein beiliegendes Formular hinsichtlich seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgefüllt binnen 14 Tagen zu retournieren, sowie binnen gleicher Frist die geltend gemachte Entschädigung für Zeitversäumnis iHv € 600,00 aufzuschlüsseln.

4. Diesem Verbesserungsauftrag leistete der Zeuge folge und retournierte mit Schreiben vom 05.02.2021 die unterschriebene Bestätigung, wonach er als Notar selbstständig erwerbstätig sei und führte betreffend Aufschlüsselung der Zeitversäumnis aus: Er sei als Notarpartner Gesellschafter der Mag. XXXX und Partner OG und somit selbstständig erwerbstätig. Sein Stundensatz betrage € 250,00 netto für jede angefangene Stunde, für zwei Stunden ergebe dies daher € 500,00 netto und gesamt sohin € 600,00 brutto. Die Fahrtkosten würden sich mit € 0,42 pro Kilometer bemessen und von einer Fahrstrecke XXXX – WIEN – XXXX ausgehen.

5. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid der Präsidentin des HG (im Folgenden belangte Behörde) wurden die Gebühren des Zeugen für die Teilnahme an der Verhandlung gemäß dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG) mit insgesamt € 570,80, davon unter „Entschädigung für Zeitversäumnis“ ein Verdienstentgang von € 500,00, sowie Reisekosten iHv € 70,80 als Kosten für die Benützung eines Massenbeförderungsmittels auf der Strecke XXXX – WIEN – XXXX , bestimmt. Das Mehrbegehren auf Ersatz von Fahrtkosten nach Kilometergeld iHv € 0,42 pro Kilometer (€ 134,00) und USt. für Verdienstsentgang von € 100,00 wurde abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zeugengebühr, und zwar auch die Entschädigung für Zeitversäumnis weder der Einkommen- noch der Umsatzsteuer unterliege, weshalb dem beantragten Ersatz der USt. nicht entsprochen werden könne. Die Kosten für die Benützung eines Beförderungsmittels, das nicht Massebeförderungsmittel sei, wären dem Zeugen gemäß § 9 Abs 1 Z 1 – 4 GebAG nur in einem der dort genannten Fälle zu ersetzen (1. wenn ein Massenbeförderungsmittel nicht zur Verfügung steht oder nach der Lage der Verhältnisse nicht benützt werden kann und die Zurücklegung der Wegstrecke zu Fuß nicht zumutbar ist, 2. wenn die Gebühr bei Benützung des anderen Beförderungsmittels nicht höher ist als bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels, 3. wenn die Rechtssache die sofortige Vernehmung des Zeugen erfordert, dieser aber bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels zur Vernehmung nicht mehr rechtzeitig kommen könnte, oder 4. wenn ihm wegen eines körperlichen Gebrechens die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht zugemutet werden kann). Sofern der Zeuge ein anderes Beförderungsmittel als ein Massebeförderungsmittel benutze, ohne, dass die Voraussetzungen nach Abs 1 hierfür vorliegen würden, so gebühre ihm gemäß § 9 Abs 3 GebAG der Ersatz der Kosten, die er für die Benützung des Massebeförderungsmittels hätte aufwenden müssen. Der Fahrplan der ÖBB zeige, dass von XXXX Hauptbahnhof nach WIEN, Bahnhof WIEN Mitte, Züge im Intervall von :41, :34, :41:, :41, :34, :41, :41, :34 Minuten fahren würden. Die Wegstrecke von der angegebenen Anschrift bis zum Hauptbahnhof XXXX betrage laut Google 10:15 Minuten Gehzeit. Dem Zeugen sei daher die Benützung eines Massebeförderungsmittels zumutbar und könne daher dem Antrag auf Zuerkennung von Kilometergeld nicht Folge geleistet werden.

6. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 22.06.2021) richtet sich die am 25.06.2021 eingebrachte Beschwerde des Revisors des Oberlandesgerichts WIEN. In dieser wird der Bescheid insofern angefochten, als dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis iHv € 500,00 zugesprochen wurde. Die zugesprochenen Reisekosten iHv € 70,80 blieben unangefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zeuge keine tauglichen Bescheinigungen darüber vorgelegt habe, dass er einen konkreten Schaden erlitten habe, sei es in Form eines Stellvertreters oder sonstiger Maßnahmen, die er bei rechtzeitiger Ankündigung der Schließung seines Büros am 19.01.2021 dennoch hätte durchführen müssen. Eine eintägige Abwesenheit indiziere nicht, dass Aufträge verloren gegangen seien. Der Zeuge habe die Ladung bereits am 27.10.2020 erhalten und habe daher Termine dementsprechend disponieren können. Dem Zeugen würde daher lediglich eine Pauschalentschädigung für Zeitversäumnis für 8 Stunden á € 14,20 zustehen.

7. Mit Schreiben vom 20.07.2021 (beim BVwG eingelangt am 10.08.2021), legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Entscheidung vor.

8. Das BVwG veranlasste mit Schreiben vom 06.09.2021 eine Beschwerdemitteilung an die Parteien des Grundverfahrens sowie den Zeugen und räumte diesen die Möglichkeit zu einer Stellungnahme binnen zwei Wochen ein. Der Zeuge wurde damit gleichzeitig explizit aufgefordert, insbesondere zu bescheinigen welcher konkreten unaufschiebbaren Tätigkeit er im Vernehmungszeitraum nachgegangen wäre, die er auch danach nicht hätte erbringen können und welchen Vermögensnachteil er dadurch tatsächlich erlitten habe (ON 2).

9. Der Zeuge – und die übrigen Parteien – ließen die Frist zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.

Der Zeuge war zum Zeitpunkt seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem HG zu XXXX am 19.01.2021 von 14:30 Uhr bis 15:54 Uhr als selbstständiger Notar erwerbstätig.

Dem Zeugen ist durch seine Vernehmung im genannten Zeitraum jedoch kein konkreter Auftrag, folglich keine Verrichtung einer bestimmten, unaufschiebbaren Tätigkeit entgangen. Dementsprechend hat er auch nicht durch Versäumung einer solchen Tätigkeit einen konkreten Vermögensnachteil tatsächlich erlitten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Gemäß § 19 Abs 2 GebAG hat der Zeuge die Umstände die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu bescheinigen. Nach der ständigen Rsp des VwGH bedeutet „bescheinigen“, dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss (VwGH 18.09.2000, 96/17/0360; 08.09.2009, 2008/17/0235; 20.06.2012, 2010/17/0099).

Dem Zeugen ist es trotz Aufforderung sowohl seitens der belangten Behörde (Schreiben vom 25.01.2021) als auch im Beschwerdeverfahren (Schreiben vom 06.09.2021) mangels Vorlage von tauglichen Bestätigungen nicht gelungen zu bescheinigen, dass er einen Verdienstentgang weder dem Grunde nach, noch in der von ihm genannten Höhe erlitten hat. So war mit dem in Reaktion auf den von der belangten Behörde erlassenen Verbesserungsauftrag vom 25.01.2021 vorgelegten Schreiben des Zeugen vom 05.02.2021, in welchem er seinen Stundensatz aufschlüsselte für den Zeugen nichts gewonnen, zumal dies nicht geeignet ist, den Grund bzw die Höhe eines bestimmten Anspruches nachzuweisen.

Auf die abermalige explizite Aufforderung zur Bescheinigung seines Anspruchs im Beschwerdeverfahren durch das BVwG mit Schreiben vom 06.09.2021 hat der Zeuge nicht reagiert.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, wobei kein Verbot einer „reformatio in peius“ besteht und kein Neuerungsverbot (vgl Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2; stRsp des VwGH, zB 29.06.2017, Ra 2017/16/0085 mwN).

Auch hinsichtlich des Beschwerdebegehrens nach § 9 Abs 1 Z 4 VwGVG ist eine Bindung des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich zu verneinen; allerdings ist eine durch die Prozesserklärung bewirkte Teilrechtskraft (etwa von einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides) vom Verwaltungsgericht zu beachten (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K6).

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Das war hier der Fall.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - ungeachtet eines Parteienantrags, der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von „civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht und die Rechtsfrage nicht derart komplex ist, dass es deren Erörterung in einer Verhandlung bedürfte.
Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen (Auszug, Hervorhebung durch BVwG)

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG), BGBl Nr 136/1975 idgF, lauten:

„Umfang der Gebühr

§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfasst

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2.       die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet. […]

Entschädigung für Zeitversäumnis

§ 17. Die Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 3 Abs. 1 Z 2) bezieht sich, vorbehaltlich des § 4, auf den Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muß.

Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis

§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1.         14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2.         anstatt der Entschädigung nach Z 1
a)         beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,
b)         beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,
c)         anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,
d)         die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.“

Geltendmachung der Gebühr

§ 19. (1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen, im Fall des § 16 binnen vier Wochen nach Abschluß seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen. Dies gilt für die Beiziehung zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen (§ 2 Abs. 1) mit der Maßgabe sinngemäß, daß der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr bei dem Gericht geltend zu machen hat, das den Sachverständigen bestellt hat.

(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren § 3 Abs. 2), zu bescheinigen. [...]

In der Regierungsvorlage zu BGBl 136/1975 [zu Abs 2 (gemeint: § 18 Abs 2 GebAG)] wurde ausgeführt: „Der Ersatz [nach § 1 Z 2] soll dem Zeugen aber nur dann zustehen, wenn er seine Ansprüche bescheinigt (s. Abs. 2). Die Art der Bescheinigung wird verschieden sein, je nachdem, ob es sich um einen unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigen handelt. Der Lohn- oder Gehaltsempfänger wird in der Regel eine Bestätigung seines Arbeitgebers beizubringen haben, aus der hervorgeht, dass ihm wegen der Befolgung seiner Zeugenpflicht für jede Stunde seiner Abwesenheit von der Arbeit ein bestimmter Betrag an Arbeitseinkommen, das heißt auf dasjenige, was der Zeuge auf die Hand bekommen hätte. Ausdrücklich wird bestimmt, dass auch die dem Zeugen zusätzlich zu seinem Lohn oder Gehalt zustehende Vergütungen zu ersetzen sind (Abs. 1). Bei einem selbständig Erwerbstätigen wird im Einzelfall zu prüfen sein, welche Bestätigung entspricht […].“

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entschädigung für Zeitversäumnis gebührt dem Zeugen nur, soweit er in dem in § 17 GebAG genannten Zeitraum (i.e. jener Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muss) durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet (vgl VwGH 25.05.2005, 2005/17/0085), denn das GebAG will dem Zeugen die mit seiner Mitwirkung an der Rechtspflege verbundenen finanziellen Einbußen ausgleichen, ihn aber nicht entlohnen (s. Krammer/Schmidt, SDG - GebAG³ [2001] Anmerkung 6 zu § 18 GebAG).

Nach stRsp des VwGH kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang bei einem selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging. Unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen iSd § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG ist nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 22.11.1999, 98/17/0357).

Die Frage der BESCHEINIGUNG muss von jener der BEHAUPTUNG eines konkreten Vermögensschadens unterschieden werden. Der selbständig erwerbstätige Zeuge hat KONKRET den Entgang einer oder mehrerer Verdienstmöglichkeiten zu behaupten, was in vielen Fällen eine Aufgliederung erforderlich macht. Lediglich für die DARTUUNG eines solcherart konkret behaupteten Vermögensschadens begnügt sich das Gesetz mit einer Bescheinigung (Glaubhaftmachung), dh, dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss. Ob hiefür die bloßen Behauptungen des Antragstellers genügen, ist von Fall zu Fall zu prüfen (VwGH 25.05.2005, 2004/17/0004).

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren ausschließlich die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG in Form eines Verdienstentganges nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG. Die Reisekosten nach §§ 6 – 12 GebAG (iHv € 70,80) sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

Die belangte Behörde hat dem Zeugen von seinen insgesamt beantragten € 600,00, lediglich € 100,00 Umsatzsteuer abgezogen und ihm die restlichen € 500,00 als Verdienstentgang nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG zugesprochen.

Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG umfasst gemäß § 3 Abs 1 Z 2 GebAG beim selbständig Erwerbstätigen das durch die Befolgung der Zeugenpflicht tatsächlich entgangene Einkommen.

Die Geltendmachung der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 1 Z 2 GebAG umfasst sowohl den Grund des Anspruches als auch dessen Höhe (vgl VwGH 15.04.1994, 92/17/0231).

Dem Zeugen soll die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 2 iVm § 19 Abs 2 GebAG dann gebühren, wenn er die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, bescheinigt; dies ist dem Zeugen im vorliegenden Fall trotz abermaliger Aufforderung im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 06.09.2021 – mangels Vorlage einer tauglichen Bescheinigung weder über den Grund noch über die Höhe des Anspruches – gelungen.

Daher ist dem Revisor Recht zu geben, wenn er in seiner Beschwerde vorbringt, die Abwesenheit des Zeugen indiziere nicht, dass Aufträge verloren gegangen seien und dieser habe keine tauglichen Bescheinigungen darüber vorgelegt, dass er einen konkreten Schaden erlitten habe.

Der Zeuge hat demnach ein tatsächlich entgangenes Einkommen für 2 Stunden iHv insgesamt € 500,00 (zzgl. € 100,00 nicht ersatzfähige USt.) nach § 3 Abs 1 Z 2 iVm § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG nicht bescheinigt.

Die belangte Behörde hätte daher dem Zeugen lediglich aufgrund des angegebenen Stundensatzes als Notar eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG nicht zuerkennen dürfen, zumal dies allein nicht geeignet ist, die nach Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen nachzuweisen.

Dass die vom Gesetz geforderte erhöhte Bescheinigungspflicht als Voraussetzung für die Zuerkennung auf Verdienstentgang nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b nicht unsachlich und damit rechtens ist, wurde unlängst wieder im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 26.11.2020, Zl G 237/2020-9 u.a., ausgesprochen bzw bestätigt.

In der Folge ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall die Zuerkennung einer Pauschalentschädigung nach § 18 Abs 1 Z 1 GebAG ebenfalls ausscheidet, zumal diese die Bescheinigung über den Grund des Anspruches erfordert, welcher in einem Vermögensnachteil liegen muss (§ 18 Abs 2 iVm § 3 Abs 1 Z 2 GebAG). Ein entsprechender Vermögensnachteil wurde - wie oben ausgeführt – vom Zeugen nicht bescheinigt, zumal dieser überhaupt keine Tätigkeiten anführt, die er in der relevanten Zeit verrichtet hätte. Dem Zeugen ist daher auch – entgegen den Ausführungen in der Beschwerde – keine Pauschalentschädigung für Zeitversäumnis für 8 Stunden á € 14,20 zuzusprechen.

Die Voraussetzungen, dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG zuzuerkennen, sind somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Der Beschwerde kommt daher im Ergebnis Berechtigung zu und ist der Bescheid, soweit dem Zeugen Entschädigung für Zeitversäumnis iHv € 500,00 zugesprochen wurde, aufzuheben bzw. dieser wie im Spruch angeführt, abzuändern.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH sowie auf die Entscheidung des VfGH vom 26.11.2020, Zl G 237/2020-9 u.a, wird verwiesen.

Schlagworte

Bescheinigungspflicht Pauschalentschädigung Verdienstentgang Zeitversäumnis Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2245190.1.00

Im RIS seit

17.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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