TE Vwgh Beschluss 1996/10/4 96/02/0139

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Veröffentlicht am 04.10.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §13 Abs4;
ZustG §20 Abs1;
ZustG §21 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, in der Beschwerdesache des M in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend eine Beschwerde nach § 51 FrG, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 6.910,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Säumnisbeschwerde vom 19. März 1996 wurde die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde mit Bezug auf eine am 18. September 1995 bei der belangten Behörde mittels Telefax eingebrachten Beschwerde gemäß § 51 Fremdengesetz (FrG) geltend gemacht. Nach Behauptung des Beschwerdeführers sei bis zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde keine "Entscheidung" durch die belangte Behörde "erfolgt".

Im Vorverfahren legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und wies in der erstatteten Gegenschrift darauf hin, daß ihrer Ansicht nach sehr wohl eine behördliche Erledigung in Form eines Bescheides vom 12. März 1996, Zl. UVS-01/29/154/95, erlassen worden sei.

Am 15. März 1996 sei per Boten eine Ausfertigung dieses Bescheides in die Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers "befördert" worden. Die Annahme dieses Bescheides sei nach kurzem Zögern und nach Rücksprache mit einer anderen in der Kanzlei anwesenden Person durch den anwesenden "Kanzleibediensteten" verweigert worden; dieser habe dem Boten gegenüber auch mitgeteilt, daß der Beschwerdevertreter vom 15. bis 23. März 1996 verreist sei. Der Bescheid sei daraufhin, zumal eine Zurücklassung an der Abgabestelle auch nicht möglich gewesen sei, vom Boten wieder mitgenommen worden und befinde sich seither im Verwaltungsakt.

In der Folge sei der Bescheid am 18. März 1996 mit Telekopie an den Beschwerdevertreter in dessen Kanzlei übermittelt worden. Dort sei die Bescheidausfertigung vollständig eingelangt und auf dieser von einem Kanzleiangestellten ein Eingangsstempel mit Datum angebracht worden. Noch am selben Tag sei jedoch die Bescheidausfertigung von einem an diesem Kanzleisitz gleichfalls tätigen anderen Rechtsanwalt mit dem Hinweis zurückgesendet worden, daß der "Kollege Dr. R. ortsabwesend" sei.

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 470/1995 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn unter anderem der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist, daß die belangte Behörde (bis zur Einbringung der Beschwerde) überhaupt nicht entschieden hat (vgl. die bei Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 196, erster Absatz wiedergegebene Judikatur).

Unbestritten ist, daß - abgesehen von den dargelegten Zustellvorgängen - ein darüber hinausgehender Zustellversuch hinsichtlich des Bescheides vom 12. März 1996 nicht stattgefunden hat. Wesentlich ist daher, ob eine der beiden, von der belangten Behörde veranlaßten Zustellungen an den Beschwerdevertreter wirksam war.

Gemäß § 13 Abs. 4 erster Teilsatz des Zustellgesetzes (ZustG) ist im Falle, daß der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ist, die Sendung in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden. Sachverhaltsbezogen ist nicht hervorgekommen, daß der am 15. März 1996 in der Kanzlei des Beschwerdevertreters anwesende "Angestellte" im Sinne des Zustellgesetzes (vgl. den hg. Beschluß vom 19. April 1989, Slg. Nr. 12.903/A) gemäß § 13 Abs. 4 letzter Satz ZustG von der Zustellung ausgeschlossen gewesen wäre. Die Zustellung an ihn wäre daher trotz der Ortsabwesenheit des Parteienvertreters zulässig gewesen (vgl. den hg. Beschluß vom 21. Oktober 1986, Slg. Nr. 12.267/A, nur Rechtssatz). Allerdings wurde von diesem "Angestellten" die Annahme des Bescheides verweigert, sodaß hiedurch eine Zustellung unmöglich gemacht wurde (vgl. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, S. 83, FN 23, letzter Abs., zu § 13 ZustG). Eine Sanierung dieses Zustellvorganges nach § 20 Abs. 1 ZustG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der "Angestellte" nach § 13 Abs. 4 leg. cit. nicht unter den Kreis der Ersatzempfänger nach § 20 Abs. 1 leg. cit. fällt (vgl. Walter-Mayer, a.a.O., S. 111, FN 3 zu § 20 ZustG).

Gemäß § 18 Abs. 3 sechster und siebenter Satz AVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 hat die Zustellung (einer u.a. mittels Telefax erfolgten Mitteilung des Inhalts von Erledigungen) an das vom Empfänger bekanntgegebene Empfangsgerät zu erfolgen. Eine Zustimmung (im Sinne der vorangehenden Bestimmungen des § 18 Abs. 3 leg. cit.) ist dann nicht erforderlich, wenn die Übermittlung an eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person in deren Kanzlei in einer Angelegenheit erfolgte, in der sie als Parteienvertreter eingeschritten ist, sofern nicht zuvor der Empfänger gegenüber der Behörde dieser Übermittlungsart ausdrücklich widersprochen hat.

Den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß der Beschwerdevertreter auf der gemäß § 51 ff FrG bei der belangten Behörde anhängig gemachten Beschwerde auch die Nummer des seiner Kanzlei zuzuordnenden Telekopiegerätes bekanntgegeben hat. An dieses Gerät wurde von der belangten Behörde aufgrund des den Verwaltungsakten zuliegenden Übertragungsprotokolls am 18. März 1996 der Inhalt des Bescheides der belangten Behörde vom 12. März 1996 im Wege der Telekopie mitgeteilt. Dies wurde auch noch durch Rücksendung der vollständigen Ausfertigung dieser Telekopie an die belangte Behörde durch den Kanzleipartner des Beschwerdevertreters am 18. März 1996 bestätigt.

Gemäß § 1a ZustG gilt es als Zustellung, wenn die Mitteilung behördlicher Erledigungen telegrafisch, fernschriftlich, im Wege der automationsunterstützten Datenübertragung oder in einer anderen technisch möglichen Weise an den Empfänger erfolgt. Dabei gilt unter anderem § 26 Abs. 2 ZustG.

Aufgrund der zuletzt genannten Bestimmung gilt unter anderem in den Fällen der Mitteilung des Inhaltes von Erledigungen im Wege der automationsunterstüzten Datenübertragung oder in einer anderen technisch möglichen Weise die Zustellung im Zeitpunkt der Mitteilung als bewirkt. Im Zweifel obliegt es der Behörde, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen. War der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG im Zeitpunkt der Zustellung vorübergehend von der Abgabestelle abwesend, so wird die Zustellung erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde der Beschwerdevertreter mit Verfügung vom 18. Juli 1996 zu einer ergänzenden Stellungnahme sowie zum Nachweis seiner behaupteten Ortsabwesenheit aufgefordert. Im ergänzenden Schriftsatz vom 8. August 1996 führte der Beschwerdevertreter unter Vorlage von Kopien der entsprechenden Belege (Fahrscheine etc.) unter anderem aus, daß er am 15. März 1996 gegen 13.10 Uhr - also noch vor dem dargestellten ersten Zustellversuch - am Westbahnhof einen näher bezeichneten Zug bestiegen habe, der um

13.40 Uhr abgefahren sei. Die Rückkehr des Beschwerdevertreters sei erst am Samstag, dem 23. März 1996 erfolgt, sodaß die (Telefax-)Zustellung erst als mit Montag, dem 25. März 1996, als bewirkt gelte.

Aufgrund der dargelegten Ortsabwesenheit des Beschwerdevertreters gilt aufgrund des nach § 1a ZustG anzuwendenden § 26 Abs. 2 leg. cit. die am 18. März 1996 vorgenommene Übermittlung des Inhalts des Bescheides der belangten Behörde vom 12. März 1996 erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag als bewirkt. Selbst wenn man von einer Rückkehr des Beschwerdevertreters an die Abgabestelle (Kanzlei) noch am Samstag, den 23. März 1996, ausgeht - was vom Beschwerdevertreter in seiner Beantwortung offengelassen wurde -, wurde die Zustellung frühestens am Sonntag, den 24. März 1996, wirksam (siehe § 26 Abs. 2 ZustG). Sohin gilt der Bescheid der belangten Behörde als mit dem auf die Rückkehr des Beschwerdevertreters an die Abgabestelle (Kanzlei) folgenden Tag als bewirkt.

Wird der versäumte Bescheid vor Einleitung des Vorverfahrens über die Säumnisbeschwerde erlassen - dies trifft im Beschwerdefall zu -, so ist die Klaglosstellung nach § 33 Abs. 1 VwGG eingetreten (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 321 wiedergegebene Judikatur). Das anhängige Säumnisbeschwerdeverfahren war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat einzustellen.

Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind auch keine Umstände hervorgekommen, daß die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 oder Abs. 3 VwGG im Beschwerdefall gegeben seien. Insbesondere hat die belangte Behörde im Zuge der erstatteten Gegenschrift nicht aufzuzeigen vermocht, daß ein ausschließliches Verschulden der Partei hinsichtlich der Verzögerung der behördlichen Entscheidung vorliegen würde.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff - insbesondere § 55 Abs. 1 - VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 (vgl. zum halben Schriftsatzaufwand den Beschluß eines verstärkten Senates vom 30. März 1977, Slg. Nr. 5.111/F). Das Mehrbegehren betreffend die Zuerkennung eines weiteren Schriftsatzaufwandes für eine Äußerung des Beschwerdevertreters aufgrund der Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes (weitere S 12.500,--) war gleichfalls abzuweisen, weil § 48 Abs. 1 VwGG eine Erstattung des Schriftsatzaufwandes nur für die Einbringung der Beschwerde vorsieht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 686 wiedergegebene Judikatur).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996020139.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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