TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/7 94/10/0183

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Veröffentlicht am 07.10.1996
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Index

82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §26 Abs2;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §9 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführer Dr. Fegerl und Mag. Suda, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Oktober 1994, Zl. UVS-07/06/00545/94, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer - in Bestätigung des Straferkenntnisses des Magistrats der Stadt Wien - zweier Übertretungen nach § 74 Abs. 1 iVm § 26 Abs. 1 lit. d des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) schuldig erkannt. Die ihm zur Last gelegte Tat wurde im Sinne des § 44a Z. 1 VStG wie folgt umschrieben:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der "N" Gesellschaft m.b.H. und damit als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten, daß diese Gesellschaft im Rahmen der Gewerbeberechtigung "Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Großhandel mit Kosmetik- und Parfumeriewaren" im Standort Wien n1, ..., kosmetische Mittel und zwar "Feuchtigkeitsregulierende Tagespflege", 1.) am 21.11.1991 an die Firma T OHG in Wien n2, ..., geliefert wurden und dort am 11.2.1992 zum Verkauf bereitgehalten wurden, und 2.) am 24.2.1992 im Betrieb in Wien n1, ..., zum Verkauf bereit gehalten wurden, die insoferne als falsch bezeichnet zu beurteilen waren, da sich auf den Verpackungen und Beipacktexten u.a. die Worte:

"... Sie regt die Zellerneuerung an ... stimuliert die Zellaktivität ..." somit verbotene gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a des Lebensmittelgesetzes, befanden."

Über den Beschwerdeführer wurden deshalb zwei Geldstrafen von je S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von je 24 Stunden) verhängt.

Nach der Begründung sei die Bezeichnung "Zellerneuerung" falsch und somit rechtswidrig. Dazu führe nämlich das amtliche Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 19. November 1993 folgendes aus:

"Die Anpreisung: "regt die ZELLERNEUERUNG an" - da im Text nicht näher erläutert - erweckt beim Konsumenten den Eindruck einer Anregung der ZELLREGENERATION, dh. einer lang anhaltenden Wiederherstellung des biologischen Zustandes (in diesem Fall der alters- und UV- bedingten Hautveränderung). Da der Wirkungsbereich der kosmetischen Mittel nur auf die oberen Schichten der Epidermis begrenzt ist, kann so eine Wirkung nicht erzielt werden."

In der weiteren Folge der Begründung vertrat die belangte Behörde ferner die Auffassung, daß die Bezeichnung "Revitalisierung" insofern irreführend sei, weil eine Wiederbelebung von abgestorbenen Zellen nicht möglich sei. Tote Zellen würden abgestoßen und könnten nicht wieder belebt werden. Der Eindruck der Machbarkeit, tote Zellen zu beleben, in Verbindung mit dem Begriff "stimuliert die Zellaktivität" und dem gehobenen Preissegment des gegenständlichen Produktes sei schon geeignet, eine gesteigerte Erwartungshaltung, gemessen am durchschnittlichen Empfängerhorizont der Käuferschichten herbeizuführen. Die gegenständlichen Anpreisungen seien geeignet, die Verkehrsauffassung zu prägen und beeinflußten so die Kauf- und Anwendungsentscheidung. Der Wahrheitsgehalt der gegenständlichen Angaben sei durch das amtliche Gutachten weitestgehend widerlegt. Für die Untermauerung der auf der Verpackung aufgedruckten gesundheitsbezogenen Angaben fehlten wissenschaftlich gesicherte klinische Untersuchungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Nach § 74 Abs. 1 LMG 1975 macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z. 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

§ 26 Abs. 2 LMG 1975 bestimmt, daß beim Verkehr mit kosmetischen Mitteln § 8 lit. a, b und f sinngemäß gelten und § 9 mit der Maßgabe gilt, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind.

Abs. 1 lit. a des mit "Verbote gesundheitsbezogener Angaben" überschriebenen § 9 verbietet, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jung erhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt sich, daß beim Verkehr mit kosmetischen Mitteln Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen verboten und unter Strafe gestellt sind, wenn diese Hinweise irreführend sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 30. September 1992, Zlen. 92/10/0095, 0112).

1.2. Nach § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

2.1. Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer das Inverkehrbringen eines kosmetischen Produktes mit einer verbotenen gesundheitsbezogenen Angabe vorgeworfen. Aus der Begründung ergibt sich, daß die belangte Behörde die Hinweise "... Sie regt die Zellerneuerung an ... stimuliert die Zellaktivität ..." als irreführende Hinweise auf physiologische Wirkungen beurteilt hat, da das kosmetische Mittel nicht geeignet sei, jene physiologische Wirkungen hervorzubringen. Sie ist damit im wesentlichen dem Anzeigegutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 21. Oktober 1992 gefolgt.

2.2. Innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 74 Abs. 6 LMG 1975 wurde ein behördlicher Akt gesetzt, der als Verfolgungshandlung in Betracht kommt, nämlich die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. November 1992 (zugestellt am 18. November 1992).

Eine Verfolgungshandlung unterbricht allerdings nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. z.B. die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 19. Oktober 1978, VwSlg. 9664/A, und vom 19. September 1984, VwSlg. 11525/A, sowie das Erkenntnis vom 9. Juli 1992, Zl. 92/10/0004).

Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. November 1992 enthält lediglich den Wortlaut jener Hinweise, mit denen das kosmetische Mittel in Verkehr gebracht worden ist. Der Aufforderung ist allerdings nicht zu entnehmen, worin die Irreführungseignung der Hinweise besteht. Diese Hinweise können für sich allein nicht den Tatbestand des § 74 Abs. 1 LMG 1975 iVm dem § 26 Abs. 2 und 9 Abs. 1 lit. a leg. cit. erfüllen. Ihre Qualifikation als irreführend ergibt sich erst aus einem weiteren Sachverhaltselement, nämlich dem von der belangten Behörde angenommenen Umstand, daß das kosmetische Mittel nicht geeignet ist, jene Wirkungen hervorzubringen, die von den Hinweisen, mit denen es in Verkehr gebracht wurde, indiziert werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0003). Dieses Sachverhaltselement war aber in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. November 1992 nicht enthalten. Einer Bestrafung des Bfrs steht daher Verfolgungsverjährung entgegen.

3. Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

4. Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur für drei Beschwerdeausfertigungen und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zugesprochen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994100183.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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