TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/8 W242 2129286-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W242 2129286-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch Prof. Dr. XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.09.2021, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder im April 2015 über verschiedene Länder von Armenien nach Österreich und stellte am 16.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 07.06.2016 als unbegründet abwies.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.08.2020, GZ. L518 2129286-1/7E, als unbegründet ab.

Am 31.08.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

Der Beschwerdeführer legte ein ÖSD-Deutschzertifikat auf Sprachniveau A2, eine Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeiten beim Roten Kreuz, Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten im Rahmen eines Weihnachtsballs für Kinder, eine Einstellungszusage als Fahrer und Auslieferer mit einem voraussichtlichen monatlichen Bruttoeinkommen von EUR 1.800,00, eine notariell beglaubigte Patenschaftserklärung seiner Freundin samt Kontoauszug und Gehaltsabrechnung für Juli 2020 sowie diverse Empfehlungsschreiben vor und führte dazu im Antragsformular aus, dass er Ersparnisse in Höhe von EUR 700,00 habe, seit vier Jahren in einer Beziehung sei und ihm trotz seiner gesundheitlichen Schwierigkeiten eine vorbildliche Integration gelungen sei.

Am 01.09.2020 übermittelte der Beschwerdeführer einen von seinem Vater am 17.12.2016 unterzeichneten Mietvertrag, der am 06.11.2019 bis 01.01.2022 verlängert wurde.

Mit Schreiben vom 25.09.2020, dem Beschwerdeführer zugestellt am 29.09.2020, forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer auf, binnen zwei Wochen ein gültiges Reisedokument vorzulegen bzw. bekanntzugeben, aus welchen Gründen die Erlangung eines Reisepasses nicht möglich ist.

Am 06.10.2020 übermittelte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Reisepasses und brachte vor, dass ihm das Original im Zuge der Flucht nach Österreich im Jahr 2015 vom Schlepper abgenommen worden sei und er dieses mangels Kontakt zum Schlepper nicht wiederbeschaffen könne.

Am 15.12.2020 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Unterstützungsschreiben eines mit dem Beschwerdeführer und seiner Familie befreundeten Mannes ein.

Mit Schreiben vom 22.01.2021 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer von den bisherigen Ergebnissen des Beweisverfahrens und gab ihm Gelegenheit, binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 15.02.2021 führte der Beschwerdeführer aus, dass er das vorangegangene Asylverfahren weder verzögert, noch Unwahrheiten vorgebracht habe. Vielmehr sei das Bundesverwaltungsgericht im Asylverfahren zum Ergebnis gekommen, dass es ihm nicht ausreichend gelungen sei, sein Vorbringen zu beweisen. Gleichzeitig habe das Bundesverwaltungsgericht aber auch festgestellt, dass die Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund von einem Vertrauensanwalt seines Herkunftsstaates bestätigt worden seien. Der Beschwerdeführer habe unmittelbar nach Aufforderung seine Geburtsurkunde im Original vorgelegt, die Vorlage des Originalreisepasses sei jedoch aufgrund der Abnahme während der Flucht nicht möglich gewesen. Aus den vorgelegten Kopien ergebe sich, dass die angegebenen Daten von Beginn an korrekt gewesen seien. Zutreffend sei, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Umstände in Zusammenhang mit COVID-19 nicht sofort ausgereist sei, die Zeit genützt habe und einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG gestellt habe, jedoch könne ihm dies nicht negativ angelastet werden. Der Beschwerdeführer sei mit seiner Lebensgefährtin seit vier Jahren zusammen und spreche sehr gut Deutsch.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Armenien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass sich im Zuge des vorangegangenen Asylverfahrens Widersprüche und Ungereimtheiten in Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen ergeben hätten, sodass der Sinn des § 56 AsylG, nämlich die Legalisierung von zumindest zur Hälfte legalen Aufenthalten von über fünf Jahren, durch Unwahrheiten untergraben werde. Dem Beschwerdeführer habe schon bei Antragstellung bewusst sein müssen, dass sein Aufenthalt im Falle einer negativen Entscheidung bloß vorübergehend sei und er das Bundesgebiet nach Beendigung des Asylverfahrens verlassen müsse. Der Beschwerdeführer habe zwar Integrationsschritte gesetzt, jedoch könne eine Aufenthaltsbeendigung nach einem Aufenthalt von sechs Jahren dennoch im öffentlichen Interesse liegen und seien Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz letztlich als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden Grund für die Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes, im öffentlichen Interesse am geordneten Fremdenwesen hinzunehmen. Der mit der Aufenthaltsbeendigung verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei daher verhältnismäßig und die Rückkehrentscheidung zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wiederholte sein bisheriges Vorbringen.

Mit Schreiben vom 12.07.2021 wurde für 01.09.2021 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt und dem Beschwerdeführer sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen die Einvernahme von Zeugen unter Angabe einer ladungsfähigen Adresse und des genau bezeichneten Beweisthemas zu beantragen sowie die als Beweismittel beabsichtigten Urkunden und Dokumente im Original sowie in Kopie vorzulegen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass fremdsprachigen Dokumenten eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen ist.

Infolge einer am 15.07.2021 eingebrachten Vertagungsbitte des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers verlegte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 21.07.2021 die ursprünglich für 01.09.2021 anberaumte mündliche Verhandlung auf 24.09.2021.

Mit Schriftsatz vom 26.07.2021 beantragte der Beschwerdeführer zum Beweis seines Aufenthaltes seit über fünf Jahren, seiner überdurchschnittlichen Integration sowie dafür, dass der beantragte Titel öffentlichen Interessen nicht widerstreite, die Einvernahme seiner Freundin sowie dreier Freunde der Familie.

Am 24.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Armenisch sowie des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer weitere Integrationsunterlagen vorlegte und der Beschwerdeführer, seine Eltern und sein jüngerer Bruder ausführlich zu ihrer Identität und Herkunft sowie ihren persönlichen Lebensumständen in Armenien, ihrer Integration in Österreich und der Situation im Falle der Rückkehr befragt wurden.

Mit Schreiben vom 15.10.2021 gab das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Gelegenheit, binnen einer Woche zum Länderinformationsblatt zu Armenien vom 06.10.2021 Stellung zu nehmen.

In seiner schriftlichen Äußerung vom 21.10.2021 brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Familie von Personen, die zum Teil Mitglieder der Sicherheitskräfte seien und nach wie vor in Armenien lebten, mit dem Tod bedroht und verfolgt worden sei. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in Armenien seien eine zusätzliche Gefahrenquelle für den Beschwerdeführer und ihre Familie. Eine allfällige medizinische Behandlung im Falle einer Ansteckung mit COVID-19 sei für den Beschwerdeführer nicht finanzierbar, zumal Behandlungsmethoden in Armenien kostspielig seien und privat finanziert werden müssten.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdaten und ist Staatsangehöriger Armeniens. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Armenier an und bekennt sich zum Christentum. Seine Muttersprache ist Armenisch. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer stammt aus Etschmiadsin. Sein Vater hat dort ein Haus, in dem seine Mutter und sein jüngerer Bruder bis zur Ausreise im Jahr 2015 lebten und seine Mutter ein Lebensmittelgeschäft führte. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete von 1993 bis 2015 bei einer gemeinnützigen Organisation ( XXXX ), zuletzt als Assistent der Geschäftsführung und hielt sich deshalb immer wieder länger am Einsatzort der Organisation in Berg-Karabach auf. Der Beschwerdeführer besuchte zehn Jahre die Mittelschule und lebte vor der Ausreise in Berg-Karabach bei der Organisation, für die sein Vater arbeitete. Sein jüngerer Bruder besuchte neun Jahre Schule in Armenien und anschließend ein College für Bank- und Rechnungswesen, das er nicht abschloss.

Die Enkelkinder der Tante und ein Cousin des Vaters des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Etschmiadsin. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt mehr zu den Verwandten seines Vaters.

Der Beschwerdeführer leidet an einem Status post Halswirbelsäulentrauma infolge einer Stichverletzung und Tetraspastik. Die Erkrankungen sind in Armenien behandelbar. Der Beschwerdeführer hat auch Zugang zum armenischen Gesundheitssystem. Die medizinische Grundversorgung ist in Armenien flächendeckend gewährleistet.


Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer reiste mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder im April 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 16.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.08.2020 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder in einer Mietwohnung. Der Mietvertrag für die Mietwohnung wurde am 17.12.2016 vom Vater des Beschwerdeführers abgeschlossen. Am 06.11.2019 wurde das Mietverhältnis bis 01.01.2022 verlängert. Für den Lebensunterhalt der Familie einschließlich der Miete in Höhe von derzeit EUR 520,00 kommt der jüngere Bruder des Beschwerdeführers, der von 05.04.2018 bis 04.04.2021 eine Lehre als Systemgastronomiefachmann absolvierte, am 16.09.2021 die Lehrabschlussprüfung bestand und bis zumindest 30.09.2021 monatlich zumindest EUR 1.500,00 netto verdiente, auf.

Der Beschwerdeführer bezog bis zumindest September 2020 Grundversorgungsleistungen. Er hat am 23.11.2018 die ÖSD-Deutschprüfung auf Sprachniveau A2 bestanden und spricht sehr gut Deutsch. Er hilft seit 12.01.2019 ehrenamtlich bei der Tafel des Roten Kreuzes und war am 12.12.2018 und 11.12.2019 ehrenamtlich beim Weihnachtsball für Kinder der XXXX Social Foundation tätig. Er hat eine Einstellungszusage als Fahrer und Auslieferer für 40 Stunden pro Woche gegen eine monatliche Bruttoentlohnung in Höhe von EUR 1.800,00, die am 30.08.2020 ausgestellt wurde sowie eine Einstellungszusage als Arbeiter bei einem Bauunternehmen für 40 Stunden pro Woche gegen eine monatliche Entlohnung von EUR 1.800,00, die am 16.08.2021 ausgestellt wurde.

Der Beschwerdeführer führt seit 2016 eine Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen, die in Österreich lebt und als Sachbearbeiterin bei einem Unternehmen für Autovermietung arbeitet. Der Beschwerdeführer übernachtet gelegentlich bei seiner Freundin, ein gemeinsamer Haushalt besteht jedoch nicht. Die Freundin des Beschwerdeführers unterzeichnete am 31.08.2020 für ihn eine für fünf Jahre gültige Patenschaftserklärung. Sie bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von ungefähr EUR 1.500,00 und hat Ersparnisse in Höhe von EUR 5.000,00.

Der Beschwerdeführer und seine Familie werden durch den Verein XXXX in ihrer Wohnsitzgemeinde unterstützt und nehmen in diesem Rahmen mit anderen ehrenamtlichen Mitgliedern an diversen Veranstaltungen teil. Der Beschwerdeführer beteiligt sich an Veranstaltungen in seiner Wohnsitzgemeinde und hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Er hat in Österreich – abgesehen von seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder – keine Verwandten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat:

Seit rechtskräftiger Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.08.2020 haben sich weder die persönlichen Verhältnisse noch die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers maßgeblich und nachhaltig verändert.

Im Falle der Rückkehr nach Armenien und einer Wiederansiedelung in seiner Heimatstadt Etschmiadsin hat der Beschwerdeführer eine Wohnmöglichkeit im Haus seines Vaters und kann grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Zur maßgeblichen Situation in Armenien:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 8 vom 06.10.2021, wiedergegeben:


COVID-19

Letzte Änderung: 05.10.2021

[…]

Der Ausnahmezustand wurde seit März 2020 insgesamt fünf Mal verlängert und anschließend durch die Nationale Quarantäne ersetzt (vom 11. September 2020 bis 11. Juli 2021). Der Lockdown für armenische Unternehmen wurde bereits im Mai 2020 aufgehoben, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwehren. Kindergärten wurden im Mai 2020 und Schulen im September 2020 wieder geöffnet (WKO 14.7.2021).

Die Einreise nach Armenien ist mit einem im Ausland durchgeführten negativen PCR-Test erlaubt, der bei Einreise nicht älter als 72 Stunden sein darf. Das Ergebnis des ausländischen Tests muss auf Englisch, Russisch oder Armenisch vorliegen. Anstelle des PCR-Tests kann auch ein vollständiger Impfnachweis gegen COVID-19 vorgelegt werden, dessen zweite Impfung spätestens 14 Tage vor Einreise erfolgt ist. Für Kinder unter einem Jahr ist kein PCR-Test erforderlich. Ohne Nachweis eines solchen ausländischen Tests müssen sich Reisende einem kostenpflichtigen Test am Flughafen in Eriwan unterziehen und sich bis zur Vorlage eines negativen Testergebnisses in Selbstisolation begeben. Entsprechende Teststellen sind in der Ankunftshalle eingerichtet. Eine Einreise nach Armenien ohne Test ist nicht gestattet. Bei der Einreise müssen Reisende eine Erklärung zu ihrem Gesundheitsstatus vorlegen bzw. ausfüllen (AA 28.9.2021; vgl WKO 14.7.2021).

Die Ergebnisse dieser PCR-Tests werden im ARMED-System registriert und der getesteten Person innerhalb von 48 Stunden zur Verfügung gestellt. Für Reisende, die im ARMED-System registriert sind, kann das Impfzertifikat über die App „ArmedeHealth“ bereitgestellt werden. Es gibt keine Einreiseerleichterungen Genesene. Erleichterungen gibt es für Geimpfte und Getestete (WKO 14.7.2021).

Die internationalen regulären Flugverbindungen nach/von Jerewan sind wieder möglich (WKO 14.7.2021; vgl AA 28.9.2021).

Am 19. März 2020 haben die armenischen Behörden ein vorübergehendes Ausfuhr-Verbot für bestimmte medizinische Waren erlassen, um die Versorgung des Landes sicherzustellen. Das betrifft solche Güter wie medizinische Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte, COVID-19-Test Kits, Atemschutzmasken, medizinische Masken, Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis und andere Artikel (WKO 14.7.2021).

Anfang Mai 2020 wurden die Ausgangsbeschränkungen und Reisebeschränkungen innerhalb Armeniens aufgehoben. Home-Office-Empfehlung und die obligatorische Maskenpflicht wurden am 1. Juli 2021 aufgehoben. Wer möchte, kann natürlich auch weiterhin eine Maske tragen. Das Versammlungsverbot wurde aufgehoben. Erlaubt sind nun öffentliche und private Versammlungen bei Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern (WKO 14.7.2021).

Die Regierung hat verschiedene finanzielle Hilfspakete für sozial gefährdete Haushalte und Privatpersonen und wirtschaftlich betroffene KMUs, Freizeit- und Tourismusunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe, etc. bereitgestellt. Dazu zählen zinsfreie Kredite und staatliche Garantien, Stundungen für Kreditrückzahlungen, Subventionen für Gas- und Stromkosten (WKO 14.7.2021).

Es bestehen aufgrund der Pandemie keine besonderen Beschränkungen innerhalb des Landes (AA 28.9.2021).

[…]

Politische Lage

Letzte Änderung: 05.10.2021

Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 findet in Armenien ein umfangreicher Reformprozess auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene hin zu einem demokratisch und marktwirtschaftlich strukturierten Staat statt. Die im Dezember 2015 per Referendum gebilligte Verfassungsreform zielte auf den Umbau von einer semi-präsidialen in eine parlamentarische Demokratie ab (USDOS 30.3.201; vgl. FH 3.3.2021, AA 20.6.2021). Die Änderungen betreffen u.a. eine Ausweitung des Grundrechtekatalogs sowie die weitere Stärkung des Parlaments (auch der Opposition). Das Amt des Staatspräsidenten wurde im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert, gleichzeitig die Rolle des Premierministers und des Parlaments gestärkt (AA 20.6.2021). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister steht an der Spitze der Regierung, während der Präsident vorwiegend repräsentative Funktionen ausübt (USDOS 30.3.2021).

Die Nationalversammlung besteht aus mindestens 101 Mitgliedern, die für eine fünfjährige Amtszeit durch eine Kombination aus nationalem und bezirksbezogenem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Bis zu vier zusätzliche Sitze sind für Vertreter ethnischer Minderheiten reserviert. Weitere Sitze können hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien mindestens 30 Prozent der Sitze halten (FH 3.3.2021).

Neue Rahmenbedingungen haben sich zunächst durch die friedlich verlaufende sog. „Samtene Revolution“ im April/Mai 2018 ergeben, die von einer autokratischen Regierung unter dem ehemaligen Staatspräsidenten Serzh Sargsyan zu einer demokratisch legitimierten Regierung unter Premierminister Nikol Pashinyan führte. Die Niederlage im Berg-Karabach-Krieg (27. September –9. November 2020) und eine für Armenien schmerzhafte Waffenstillstandsvereinbarung werden in weiten Teilen der armenischen Bevölkerung Pashinyan angelastet. Obwohl seine Popularität in der Bevölkerung stark abgenommen hat, konnte die Opposition im Lande ihre Forderung nach Rücktritt von PM Pashinyan zunächst nicht durchsetzen. Ende März 2021 hat PM Pashinyan dann aber doch vorgezogene Neuwahlen für den 20. Juni 2021 angekündigt und am 25. April seinen Rücktritt eingereicht, um Neuwahlen zu ermöglichen (AA 20.6.2021).

Die internationalen Beobachter der OSZE haben die vorgezogene Parlamentswahl in Armenien am 20.06.21 als demokratisch, fair und frei eingestuft. Den Wählern seien eine breite Palette von Möglichkeiten geboten, die freiheitlichen Grundrechte seien respektiert worden und die Kandidaten konnten einen freien Wahlkampf führen. Die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan hatte die Parlamentswahl mit rund 54 Prozent der Stimmen gewonnen (BAMF 28.6.2021; vgl EurasiaNet 21.6.2021). Nach dem vorläufigen Wahlergebnis könnten daneben nur die Parteienbündnisse von Ex-Präsident Robert Kotscharjan mit rund 21 Prozent und des früheren Präsidenten Sersch Sargsjan und des ehemaligen Geheimdienstchefs Artur Wanezjan mit 5,2 Prozent der Stimmen in das Parlament einziehen (BAMF 28.6.2021).

Sechs Wochen nach der Parlamentswahl in Armenien ist Nikol Paschinjan am 02.08.21 für eine neue Amtszeit zum Ministerpräsidenten der Südkaukasus-Republik ernannt worden. Paschinjans Partei Bürgervertrag war bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 20.06.21 auf knapp 54 Prozent der Stimmen gekommen BMAF 16.8.2021).

Die Republikanische Partei (HHK) und ihre Verbündeten nutzten in der Vergangenheit Stimmenkauf, Wählereinschüchterung und den Missbrauch von Verwaltungsressourcen, um den Volkswillen zu verzerren, aber das Parlament verabschiedete 2018 ein Gesetz, das verschiedene Handlungen im Zusammenhang mit dem Stimmenkauf unter Strafe stellte. Bei den vorgezogenen Wahlen und den Kommunalwahlen 2018 und 2019 gingen diese Praktiken zurück (FH 3.3.2021).

Armenien befindet sich nach den Massenprotesten gegen die Regierung und den Wahlen im Jahr 2018, die eine etablierte politische Elite vertrieben, inmitten eines bedeutenden Übergangs. Die neue Regierung hat versprochen, sich mit langjährigen Problemen wie systemischer Korruption, undurchsichtiger Politikgestaltung, einem fehlerhaften Wahlsystem und schwacher Rechtsstaatlichkeit zu befassen. Die Politik des Landes wurde ernsthaft destabilisiert und mehr als 2.400 Soldaten wurden 2020 getötet, als Kämpfe mit Aserbaidschan über die Kontrolle des Territoriums von Berg-Karabach ausbrachen (FH 3.3.2021).

Seit Paschinjans Machtübernahme hat sich das innenpolitische Klima deutlich verbessert und dessen Regierung geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an, auch wenn immer noch Defizite bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze bestehen (AA 20.6.2021).

[…]

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.10.2021

Im Ende September 2020 aufgeflammten Konflikt um die von Armenien kontrollierte Region Bergkarabach gelang es, unter Vermittlung Russlands, einen Waffenstillstand zu erreichen. Armenien, das als Schutzmacht für Bergkarabach agiert, stimmte unter massivem Druck der Neun-Punkte-Erklärung zu. In der Erklärung verpflichteten sich die Parteien zu einem vollständigen Einstellen aller Kampfhandlungen auf den zuletzt gehaltenen Positionen. Darüber hinaus werden die von Armenien im ersten Karabach-Krieg Anfang der 1990er Jahre eroberten sieben aserbaidschanische Bezirke rund um Bergkarabach schrittweise an Baku zurückgegeben. Vier davon gingen bereits im Zuge der Kampfhandlungen seit September weitgehend an Aserbaidschan verloren. Mit der Erklärung wurde ebenso eine russische Friedensmission etabliert, die den Waffenstillstand entlang der Kontaktlinie auf Seiten Bergkarabachs sichern soll. Neben den Peacekeepern soll auch ein außerhalb Karabachs befindliches Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe entstehen. Ebenso vereinbart wurde ein Austausch der Kriegsgefangenen und gefallenen Soldaten. Der letzte Punkt der Vereinbarung weist auf die Öffnung aller Wirtschafts- und Transportwege in der Region hin. Demzufolge muss Armenien Verkehrsverbindungen zwischen den westlichen Regionen der Republik Aserbaidschan und der südwestlich von Armenien gelegenen und an die Türkei grenzenden aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan sicherstellen. Der Status von Bergkarabach wurde in der Erklärung offen gelassen (IFK 11.2020).

In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Russlands Präsident Wladimir Putin, sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Alijew und der armenische Regierungschef Nikol Paschinian auf eine neue Grenzziehung und die Stationierung eines russischen Militärkontingents zur Sicherung des neuen Status quo im Konflikt um Berg-Karabach geeinigt. Aserbaidschan übernimmt rund die Hälfte des abtrünnigen Gebiets, darunter die zweitgrößte Stadt Schuscha, die strategisch von immenser Bedeutung ist (DerStandard 10.11.2020).

Unter Vermittlung von Russlands Präsident Wladimir Putin haben die verfeindeten Nachbarn Aserbaidschan und Armenien bei einem ersten gemeinsamen Treffen in Moskau am 11.01.21 neue Schritte für einen Wiederaufbau der umkämpften Südkaukasusregion Berg-Karabach vereinbart. Rund zwei Monate nach dem Ende der Kampfhandlungen um Berg-Karabach betonten die drei Spitzenpolitiker im Kreml, dass das Waffenstillstandsabkommen weitgehend eingehalten werde. Es seien aber noch nicht alle Punkte umgesetzt, so Paschinian. Zugleich betonte er, dass der Konflikt um Berg-Karabach nicht endgültig beigelegt sei. Insbesondere sei der politische Status ungeklärt. Die nun getroffenen Vereinbarungen für eine Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur Berg-Karabachs sollen zu noch verlässlicheren Sicherheitsgarantien für beide Seiten führen. Die Vize-Regierungschefs von Aserbaidschan und Armenien sowie Russlands würden nun eine Arbeitsgruppe bilden, um konkrete Projekte bei der Wiederherstellung der Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen umzusetzen (BAMF 18.1.2021).

Die militärische Niederlage löste eine scharfe politische Krise in Armenien aus, in der die Opposition gegen Premierminister Nikol Pashinian seinen Rücktritt forderte (HRW 13.1.2021; vgl. DerStandard 10.11.2020). Tausende Menschen demonstrierten in Jerewan gegen die Waffenruhe. Sie beschimpften Paschinian als „Verräter“ und forderten seinen Rücktritt. Hunderte der Demonstranten stürmten den Regierungssitz und das Parlamentsgebäude (Krone 10.11.2020). Die Polizei ging mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Es gab dutzende Festnahmen. Unter den Festgenommenen waren auch mehrere Parlamentsabgeordnete (DerStandard 11.11.2020; vgl. ZeitOnline 11.11.2020).

Bei Zusammenstößen mit aserbaidschanischen Streitkräften sind drei armenische Soldaten an der Grenze zwischen den beiden Ländern getötet worden. Wie das armenische Verteidigungsministerium am Mittwoch mitteilte, habe Jerewan nach einem aserbaidschanischen "Angriff" eine "bewaffnete Aktion" eingeleitet. Zwei weitere Menschen wurden demnach bei den Zusammenstößen im nordöstlichen Grenzgebiet verletzt. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Verantwortung für die Eskalation (DerStandard 28.7.2021).

[…]

Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 06.10.2021

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Gruppen bei. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Nach Schätzungen der Weltbank für 2019 leben 22,2 Prozent der Armenier unterhalb der Armutsgrenze. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. 60.000 armenische Dram (AMD) im Monat, der offizielle Mindestlohn 55.000 AMD (= ca. 90 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist mangels zuverlässiger Daten schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach (AA 20.6.2021). Das Durchschnittseinkommen beträgt AMD 192.450 pro Monat (IOM 2020). Trotz relativ günstiger Wachstumsraten ist es nicht gelungen, den Lebensstandard für breite Bevölkerungsteile spürbar zu erhöhen. Wegen der Corona-Krise 2020 ist er nun massiv bedroht (SWP 5.2020).

Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, und ergab 2019 für Armenien einen Wert von 0.776 [Statistischer Bestwert ist 1] (zum Vergleich: der HDI von Österreich beträgt 0.922, Platz 18). Damit belegte Armenien Platz 81 von 189 Staaten (UNDP 2020).

Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Armenien hat über 480 bekannte Vorkommen mineralischer Rohstoffe und es gibt bedeutende Reserven von Metallen. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle. Das Wirtschaftswachstum konzentrierte sich bislang primär auf die Hauptstadt Jerewan. Das Entwicklungsgefälle zwischen der Hauptstadt und den übrigen Regionen des Landes bleibt groß. Die ländlichen Regionen haben eine hohe Unterbeschäftigung und niedriges Einkommen (WKO 1.2021).

[…]

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 02.06.2021

Das Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten verwaltet das Sozialschutzsystem in Armenien. Zu den wichtigsten Arten staatlicher Sozialleistungen in Armenien gehören: Familienbeihilfe, Sozialleistungen, dringende Unterstützungen, pauschales Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von zwei Jahren, Leistungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsgeld, Altersbeihilfe, Invaliditätsleistungen, Leistungen bei Verlust der geldverdienenden Person, Bestattungsgeld (IOM 2020).

Personen, die das 63. Lebensjahr vollendet und mindestens 10 Jahre Berufserfahrung haben, haben Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente. Personen, die keinen Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente haben, haben mit 65 Jahren Anspruch auf eine altersbedingte Rente. In Armenien gibt es zwei Kategorien von Renten: Arbeitsrenten umfassen Altersrenten, privilegierte Renten, Renten für langjährige Betriebszugehörigkeit, Invalidenrenten und Hinterbliebenenrenten. Militärrenten umfassen Renten für Langzeitdienstleistern, Invaliditätsrenten und Hinterbliebenenrenten (IOM 2020).

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von AMD 16.000 monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht AMD 500 monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (USSSA 3.2019).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2020).

Die staatliche Arbeitsagentur bietet im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung folgende Dienstleistungen an: Beratung und Information über die von der Agentur angebotenen Dienstleistungen, Beratung zur beruflichen Orientierung, Antrag auf freie Mitarbeit, Teilnahme an staatlichen Beschäftigungsprogrammen und -veranstaltungen, Berufsausbildung und Umschulung (IOM 2020).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (USSSA 3.2019).

[…]

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 06.10.2021

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet (AA 20.6.2021). Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist (AA 20.6.2021).

Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei. Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem (AA 20.6.2021).

Armeniens Gesundheitssystem ist durch den Staat stark unterfinanziert; weniger als 1,6% des BIP werden für Gesundheitsausgaben aufgewendet (einer der niedrigsten Werte weltweit) und mehr als 50% aller Gesundheitsausgaben entfallen auf Direktzahlungen von Patienten (einer der höchsten Werte weltweit). Dies führt zu erheblichen Problemen beim Zugang, der Steuerung und der Qualität der Versorgung (EVN 22.3.2020). Die COVID-19-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 hat das Gesundheitssystem noch weiter unter Druck gesetzt (ChH 4.6.2020). Das Gesundheitssystem leidet nicht unter einem Ärztemangel. Es besteht jedoch ein ernstes Missverhältnis zwischen ländlichen Gebieten und der Hauptstadt: Eriwan weist im Vergleich zum Rest des Landes eine übermäßige Konzentration von Ärzten auf. Im internationalen Vergleich gibt es in Armenien eine große Zahl von Fachärzten im Vergleich zu Allgemeinmedizinern (EVN 22.3.2020).

Informationen über soziale Bevölkerungsgruppen, die berechtigt sind, kostenlose Medikamente durch lokale Polikliniken zu erhalten, sind verfügbar unter: www.moh.am (IOM 2020).

Die Einfuhr von Medikamenten zum persönlichen Gebrauch ist auf 10 Arzneimittel, je 3 Packungen, beschränkt (IOM 2020).

Die armenische Verfassung von 1995 garantiert den universellen Anspruch auf medizinische Leistungen, die vom Staat finanziert werden sollten. Ab 1997 wurden aufgrund der Finanzierungsnöte die Ansprüche durch die Einführung des Basis-Leistungspakets (BBP) begrenzt, bei dem es sich um ein öffentlich finanziertes Paket handelt, das eine Liste von Dienstleistungen festlegt, die für die gesamte Bevölkerung kostenlos sind (weitgehend Grundversorgung, sanitär-epidemiologische Dienstleistungen und Behandlung von rund 200 gesellschaftlich bedeutsamen Krankheiten) und die diejenigen Gruppen festlegt, die alle Dienstleistungen kostenlos erhalten sollten. Die unter den BBP fallenden Dienstleistungen und Bevölkerungsgruppen werden jährlich seitens der Regierung überprüft. Zu den Kategorien von Menschen, die nach dem BBP Anspruch auf kostenlose Gesundheitsleistungen haben, gehören Menschen mit Behinderungen, die je nach Schweregrad in die Gruppen I, II oder III eingeteilt sind; Kriegsveteranen; Hinterbliebene von Gefallenen, aktive Soldaten und ihre Familienmitglieder; generell Kindern unter sieben Jahren, unter 18 Jahren mit Behinderung, Kinder von vulnerablen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit vier oder mehr Minderjährigen, von minderjährigen Elternteilen, Kindern ohne elterliches Sorgerecht oder aus Familien mit Menschen mit Behinderungen, Kinder in Pflegeheimen; alte Menschen in Pflegeheimen, Häftlinge, Opfer von Menschenhandel, Schutzsuchende und deren Familienmitglieder. D.h., wenn ein Patient unter das BBP fällt, ist die Behandlung kostenlos. Auch private medizinische Einrichtungen müssen kostenlose Dienstleistungen für die unter das BBP fallenden Personengruppen erbringen. Die Kosten übernimmt das Gesundheitsministerium. Gehört jedoch der Patient nicht zu einer der sozial schwachen oder besonderen Bevölkerungsgruppen, ist er nicht versichert oder fällt nicht unter ein "spezielles Krankheitsprogramm" (z.B. AIDS, Tuberkulose, Psychiatrie, etc. sowie die teilweise Abdeckung anderer Erkrankungen, wie Krebs), so muss er für die erhaltene Behandlung bezahlen (MedCOI 2.2018; vgl. MedCOI 12.11.2019).

Für die stationäre Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System), wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Ausgenommen sind wiederum Minderjährige und Personen, die unter das BBP hinsichtlich der Hospitalsbetreuung fallen, für die die gesamten Kosten übernommen werden. Wenn ein Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, nimmt die primäre medizinische Einrichtung (z.B. Poliklinik) eine Überweisung an den entsprechenden Krankenhausdienst vor. Die Hausärzte informieren die Patienten in der Regel über ihre Chance auf kostenlose Behandlung oder Zuzahlung in Krankenhäusern, die Dienstleistungen im Rahmen des BBP anbieten. Nach der Anmeldung hat der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter den ersten erforderlichen Betrag seines Anteils an der Zuzahlung zu begleichen. Der Selbstbehalt (Zuzahlungsbetrag) kann vollständig oder schrittweise bezahlt werden, spätestens jedoch mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Die staatliche Gesundheitsbehörde übernimmt den Rest der Gesamtkosten nach der Analyse der monatlichen Finanzberichte der Krankenhäuser. Es gibt keine Rückerstattung und beide Parteien (Patient und Staat) zahlen ihren eigenen Anteil. Der Betrag, den jede Partei innerhalb des Zuzahlungssystems zahlen muss, ist kein fester Prozentsatz für alle betroffenen Krankheiten (MedCOI 2.2018; vgl. MedCOI 12.11.2019).

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. EUR 250/Monat). Hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen – meist Privatkliniken – stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung (AA 20.6.2021).

Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze für Dialyse ist begrenzt, aber gegen Bezahlung von ca USD 100 jederzeit möglich. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Armavir, Gjumri, Kapan, Noyemberyan und Vanadsor sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 20.6.2021).

Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten, da nicht immer alle Präparate vorhanden sind (AA 20.6.2021).

[…]

Rückkehr

Letzte Änderung: 06.10.2021

Rückkehrende werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 20.6.2021).

Seit 2019 führ der Migrationsdienst der Republik Armenien das "Staatliche Programm zur primären Unterstützung der Wiedereingliederung von zurückgekehrten (einschließlich unfreiwillig zurückgekehrten) StaatsbürgerInnen in die Republik Armenien" durch. Das Programm bietet armenischen StaatsbürgerInnen, die nach Armenien zurückkehren primäre Unterstützung, um ihre vollständige und nachhaltige Wiedereingliederung zu gewährleisten (IOM 2020).

[…]

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

-        Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, insbesondere in das Antragsformular vom 31.08.2020, in die Beschwerde vom 12.05.2021, sowie die Urkundenvorlagen vom 01.09.2020, 06.10.2020 und 15.12.2020 und die Stellungnahme vom 15.02.2021;

-        Einsichtnahme in das vorangegangene Verfahren zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.04.2015 (vgl. L518 2129286-1);

-        Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zu Armenien;

-        Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Integrationsunterlagen;

-        Einvernahme des Beschwerdeführers, seiner Eltern und seines jüngeren Bruders am 24.09.2021;
-         Einsicht in das Grundversorgungsinformationssystem;

-        Einsicht in das Strafregister.

Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer legte erstmals im gegenständlichen Verfahren eine Kopie seines Originalreisepasses vor, aus welcher sein Name, sein Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit hervorgehen. Das mit dem im gegenständlichen Verfahren eingebrachten Antragsformular übermittelte Passfoto des Beschwerdeführers ähnelt dem auf der Passkopie abgebildeten Foto seiner Person, wobei ersichtlich ist, dass seither einige Zeit vergangen ist. Zudem stimmen die in der Passkopie enthaltenen Daten des Beschwerdeführers mit den Daten, die sich aus der vorgelegten Übersetzung seiner Geburtsurkunde in die deutsche Sprache ergeben, überein. Vor diesem Hintergrund bestehen erstmals im gegenständlichen Verfahren keine Zweifel an der Identität des Beschwerdeführers und konnten auch die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit auf die vorgelegten Unterlagen gestützt werden.

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinem Familienstand beruhen auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2021, die mit den im vorangegangenen Asylverfahren getroffenen Feststellungen übereinstimmen.

Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, dem Haus seines Vaters und dem Leben seiner Mutter und seines jüngeren Bruders vor der Ausreise gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Vaters des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht, die ebenfalls mit den im vorangegangenen Asylverfahren getroffenen Feststellungen übereinstimmen. Abweichend von den im Vorverfahren getroffenen Feststellungen erwähnte die Mutter des Beschwerdeführers das von ihr betriebene Lebensmittelgeschäft in der mündlichen Verhandlung am 24.09.2021 nicht mehr, sondern führte aus, dass sie nach Abschluss des medizinischen Colleges nicht gearbeitet habe. Da die Mutter des Beschwerdeführers aber weder einräumte, dass ihre Angaben im vorangegangenen Verfahren, auf die das Bundesverwaltungsgericht die Feststellungen zum Leben im Herkunftsstaat stützte, nicht zutreffen würden, noch sonst Anhaltspunkte dafür hervorkamen, aus denen abzuleiten wäre, dass die im vorangegangenen Asylverfahren getroffenen Feststellungen nicht mehr zutreffen, ist weiterhin davon auszugehen, dass die Mutter des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat ein Lebensmittelgeschäft führte.

Die Feststellungen zur Ausbildung des Beschwerdeführers, seiner Mutter und seines jüngeren Bruders sowie der Berufserfahrung seines Vaters in Armenien und zu seinem sowie dem Aufenthalt seines Vaters in Berg-Karabach gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2021, die im Vergleich zu den Angaben und Feststellungen im vorangegangenen Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert geblieben sind.

Im vorangegangen Verfahren gab der Vater des Beschwerdeführers am 10.06.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass die Enkelkinder seiner Tante (drei Söhne mit ihren Familien) mütterlicherseits sowie ein Cousin väterlicherseits in Etschmiadsin leben würden und er zu den Enkelkindern seiner Tante Kontakt habe, sodass das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 17.08.2020 die Feststellung traf, dass der Vater des Beschwerdeführers Verwandte im Herkunftsstaat hat, zu denen der Beschwerdeführer und seine Familie Kontakt haben. Da der Vater des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2021 weder ausführte, dass seine im vorangegangenen Verfahren genannten Verwandten umgezogen wären, noch sonst Anhaltspunkte dafür hervorkamen, dass diese Armenien verlassen hätten, ist davon auszugehen, dass die Verwandten seines Vaters nach wie vor in seinem Herkunftsstaat leben. Demgegenüber führten der Beschwerdeführer, seine Eltern und sein jüngerer Bruder im gegenständlichen Verfahren gleichbleibend aus, dass sie keine Kontakte mehr zu Personen in Armenien pflegen und kamen auch keine Anhaltspunkte hervor, die auf Gegenteiliges schließen lassen würden. Abweichend von den im Erkenntnis vom 17.08.2020 getroffenen Feststellungen ist daher davon auszugehen, dass der Kontakt zu den Verwandten in Armenien nicht mehr aufrecht ist.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich zum einen aus dem unstrittigen Akteninhalt des vorangegangenen Asylverfahrens, zum anderen stützen sich diese auf die damit übereinstimmenden und daher glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers am 24.09.2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht. Da einige der noch im Vorverfahren festgestellten Erkrankungen im gegenständlichen Verfahren nicht mehr genannt und auch nicht durch medizinische Unterlagen, aus denen Gegenteiliges hervorgehen würde, belegt wurden, war davon auszugehen, dass diese nicht mehr bestehen, sodass auch keine diesbezüglichen Feststellungen mehr getroffen wurden.

Wie sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.08.2020 ergibt, wurde der Beschwerdeführer in Armenien medizinisch behandelt und konnte jährlich für mehrere Wochen eine stationäre Therapie in Anspruch nehmen. Für die hospitale Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System) in Armenien, wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Zudem können Behinderte, 1. und 2. Gruppe (die Kategorien werden vom Ministerium für Arbeit und Soziales bestimmt) kostenfreie Medikamente in lokalen Polykliniken erhalten.

Vor diesem Hintergrund sowie der Tatsache, dass der Vater des Beschwerdeführers in Armenien ein Haus besitzt, in dem zumindest seine Mutter und sein jüngerer Bruder vor ihrer Ausreise durchgehend lebten, ist weiterhin davon auszugehen, dass er in Armenien – wie schon vor seiner Ausreise – entsprechende Behandlungsmöglichkeiten vorfinden wird. Zudem kann sich der Beschwerdeführer an staatliche sowie nichtstaatliche soziale Einrichtungen bei Bedarf wenden und hatte vor seiner Ausreise auch Zugang zum Gesundheitssystem, was auch bei seiner Rückkehr wieder angenommen werden kann.

Zu den Feststellungen zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet, seinem Antrag auf internationalen Schutz und dessen Abweisung ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 24.09.2021 sowie dem unstrittigen Akteninhalt des vorangegangenen Asylverfahrens.

Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen des Beschwerdeführers und der Bestreitung seines Lebensunterhaltes beruhen auf seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht, die mit jenen seiner Eltern und seines jüngeren Bruders übereinstimmen. Die Feststellungen zum Mietverhältnis ergeben sich aus der vorgelegten Kopie des Mietvertrages.

Die Feststellungen zur bestandenen A2-Deutschprüfung, den ehrenamtlichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers, den Einstellungszusagen, der Unterstützung durch einen Verein sowie der Teilnahme an Veranstaltungen stützen sich auf die vorgelegten Bestätigungen. Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben, etwas auf Deutsch zu erzählen und machte er daraufhin von sich aus Angaben zu seiner Herkunft und seinem Aufenthalt in Österreich machen, sodass festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spricht.

Die Feststellungen zur Freundin des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht, der vorgelegten schriftlichen Stellungnahme seiner Freundin, der Kopie ihres Reisepasses, ihrer Finanzübersicht, ihrem Gehaltsnachweis für Juli 2020 sowie der vorgelegten notariell beglaubigten Patenschaftserklärung.

Der Freundes- und Bekanntenkreis des Beschwerdeführers geht aus den zahlreichen Unterstützungsschreiben hervor. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer abgesehen von seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder keine Verwandten in Österreich hat, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften eigenen sowie den damit übereinstimmenden Ausführungen seiner Eltern und seines jüngeren Bruders vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ist aus dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug ersichtlich.

Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat:

Ein Vergleich der im Erkenntnis vom 17.08.2020 zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen sowie der dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte mit den im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers und den der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten ergab keine wesentlichen und nachhaltigen Änderungen.

Der Beschwerdeführer behauptete zuletzt in der mündlichen Verhandlung zwar, dass es in seinem Herkunftsort zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern komme. Dazu ist zunächst anzumerken, dass der Beschwerdeführer nicht konkretisierte, welchen Ort er als seinen Herkunftsort versteht. Das Gericht geht vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung einräumte, er sei in Etschmiadsin geboren und sein Vater ausführte, er habe dort ein Haus, in dem zumindest die Mutter des Beschwerdeführers mit seinem jüngeren Bruder vor der Ausreise lebten, davon aus, dass es sich bei der Stadt Etschmiadsin um den Herkunftsort des Beschwerdeführers handelt. Dem vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Länderberichtsmaterial kann allerdings nicht entnommen werden, dass es in Etschmiadsin in der jüngsten Vergangenheit zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen wäre. Der Beschwerdeführer übermittelte auch keinerlei Berichte, aus denen solche Auseinandersetzungen hervorgehen würden und legte auch sonst nicht offen, woraus er dies ableitet. Schon im Hinblick darauf lässt sich nicht erkennen, dass seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.08.2020 eine derartige Verschlechterung der Sicherheitslage in Armenien eingetreten wäre, die eine Rückkehr nunmehr abweichend von der bereits ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts unzumutbar erscheinen lässt, zumal Armenien nach wie vor als sicherer Herkunftsstaat gilt.

Soweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf die COVID-19-Situation sowie daraus resultierende eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten verweist, ist zum einen festzuhalten, dass diese nicht bloß den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, sondern auch Österreich betreffen. Zum anderen geht aus den Länderberichten hervor, dass der Lockdown für armenische Unternehmen bereits im Mai 2020 beendet wurde, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch hintanzuhalten, die armenische Regierung finanzielle Hilfspakete für gefährdete Haushalte und Privatpersonen bereitstellte und derzeit keine pandemiebedingten Einschränkungen mehr bestehen. Daraus ist zu schließen, dass dem Beschwerdeführer in Armenien uneingeschränkt Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und auch COVID-19 einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht entgegensteht. Im Übrigen setzte sich das Bundesverwaltungsgericht bereits im vorangegangenen Asylverfahren mit der Situation des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit COVID-19 auseinander, gelangte ebenfalls zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zumutbar ist und wurde diese Entscheidung vom Beschwerdeführer in weiterer Folge nicht beanstandet. Woraus der Beschwerdeführer nunmehr ableitet, dass sich die Arbeitsmöglichkeiten in Armenien aufgrund von COVID-19 seither maßgeblich verschlechtert hätten, ist unter Berücksichtigung der Länderberichte nicht nachvollziehbar und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht substantiiert dargelegt.

Ebenso wenig ist die Behauptung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, dass sein Fortkommen nicht durch Sozialhilfeleistungen gesichert wäre, durch die Länderfeststellungen gedeckt. Vielmehr ergibt sich daraus, dass in Armenien verschiedene Sozialleistungen, darunter auch Arbeitslosenunterstützung zur Wiedereingliederung am Arbeitsmarkt sowie Unterstützungsprogramme für behinderte Personen, angeboten werden und Rückkehrer nicht auf sich alleine gestellt sind, sondern verschiedene Rückkehrprogramme, die teilweise vom armenischen Staat zur Verfügung gestellt werden, in Anspruch nehmen können.

Der Beschwerdeführer hat mehrjährige Schulbildung in seinem Herkunftsstaat, den überwiegenden Teil seines Lebens dort verbracht, beherrscht die Landessprache und ist daher mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut. Der Beschwerdeführer wurde schon vor seiner Ausreise von seinen Eltern unterstützt, erhielt in Österreich Unterstützung von seinem jüngeren Bruder, der für seinen Lebensunterhalt aufkam und lebte mit seinem Vater bzw. in Österreich mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder zusammen, sodass auch im Falle der Rückkehr davon auszugehen ist, dass ihn seine Familienangehörigen, gegen die ebenfalls eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, weiterhin unterstützen werden. Wie bereits im vorangegangenen Asylverfahren festgestellt, ist der Beschwerdeführer arbeitsfähig, leidet an keinen Lungenkrankheiten und zählt auch nicht zu den Personen über 65 Jahren, bei denen im Falle einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlaufes üblicherweise erhöht ist.

Insgesamt sind daher keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine ausweglose oder existenzgefährdende Notlage geraten würde.

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung bzw. nach der mündlichen Verhandlung zur Stellungnahme übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihm wurde die Möglichkeit gegeben, in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und allenfalls schriftlich innerhalb einer Frist von einer Woche dazu Stellung zu nehmen. Davon hat der Beschwerdeführer zuletzt mit Schriftsatz vom 21.10.2021 Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. I

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten