TE Vfgh Erkenntnis 1994/11/28 B267/94

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Veröffentlicht am 28.11.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Vlbg GVG §1 Abs1 lita
Vlbg GVG §5 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs; Tauschintention der Beschwerdeführerin keine Grundlage für die Entscheidung über das vorliegende Kaufgeschäft

Spruch

Die beschwerdeführende Agrargmeinschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der bekämpfte Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin (die Agrargemeinschaft Röthis) beantragte am 24. November 1992 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Erwerb der Grundstücke Nr. 1231/1, 1231/2 und 1232 der KG Zwischenwasser. Die (Vorarlberger) Grundverkehrs-Landeskommission versagte mit Bescheid vom 17. September 1993 gemäß §5 Abs1 des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977, idF der Novelle LGBl. 63/1987, (Vlbg. GVG) die begehrte Genehmigung. Begründet wurde die abweisende Entscheidung damit, daß die Agrargemeinschaft Röthis nicht beabsichtige, das kaufgegenständliche Grundstück selbst landwirtschaftlich zu nutzen; vielmehr sei beabsichtigt, es gegen ein anderes Grundstück, welches zum Teil der Agrargemeinschaft gehöre, einzutauschen. Da der in Frage stehende Tauschpartner kein Landwirt sei, werde durch den nunmehrigen Grunderwerb das kaufgegenständliche Grundstück der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Dies wiederum widerspräche den Intentionen des §5 Abs1 GVG Vbg.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Agrargemeinschaft Berufung. Darin führte sie aus, daß das kaufgegenständliche Grundstück sehr wohl der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleibe. Die Argumentation der Grundverkehrs-Landeskommission sei unschlüssig, wenn sie behauptet, die vorgesehenen Tauschpartner seien keine Landwirte. Ein Tausch könne auch durch mehrere Tauschschritte (Ringtausch) vorgenommen werden. Außerdem seien auch die Verkäufer des Grundstückes keine Landwirte. Schon durch den Erwerb des Grundstückes durch eine Agrargemeinschaft sei gewährleistet, daß das Grundstück zukünftig der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung nicht entzogen werde.

Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat wies mit Bescheid vom 13. Dezember 1993 die von der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft erhobene Berufung gemäß §66 Abs4 AVG iVm §5 Abs1 Vlbg. GVG ab.

Der Bescheid der belangten Behörde wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"Bei der Besichtigung der Kaufgrundstücke durch den Grundverkehrssenat, an welcher auch der Fachmann für Land- und Forstwirtschaft teilnahm, wurde u.a. festgestellt, daß jedenfalls der im Flächenwidmungsplan als Wald ersichtlich gemachte Teil der Kauffläche bewaldet und forstwirtschaftlich genutzt ist. Dieser Umstand wurde im Verfahren nicht bestritten. Es handelt sich somit um forstwirtschaftliche Grundstücke gemäß §1 Abs1 lita Grundverkehrsgesetz mit der Folge, daß der Verkehr mit diesen Grundstücken den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes unterliegt.

Gemäß §5 Abs1 Grundverkehrsgesetz ist ein Rechtserwerb an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nur zu genehmigen, wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht, der Rechtserwerb an ausschließlich forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken überdies nur dann, wenn er dem allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse oder dem Interesse der Forstwirtschaft im besonderen nicht widerspricht.

Die Agrargemeinschaft Röthis erwirbt die Kaufgrundstücke, um sie später gegen andere Grundstücke einzutauschen. Nun ist es jedoch in den durch das Grundverkehrsgesetz zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet werden (VfSlg. 10941/1986, 10928/1986, 10902/1986 ua.). Da der gegenständliche Grunderwerb nicht diesem Zweck dient, sind im §5 Abs1 Grundverkehrsgesetz normierte Interessen verletzt. Zudem ist die beabsichtigte Verwendung als Tauschfläche zu unbestimmt, zumal jedenfalls die Zustimmung der ins Auge gefaßten Tauschpartner nicht vorliegt. Der gegenständliche Rechtserwerb widerspricht somit dem Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes, sodaß die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt werden mußte."

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. In der Beschwerde wird ausgeführt, daß die Agrargemeinschaft Röthis wohl beabsichtige, in unbestimmter Zeit das kaufgegenständliche Grundstück gegen ein anderes - in ihrem Hälfteeigentum stehendes - Grundstück zu tauschen. Inzwischen sei jedoch selbstverständlich beabsichtigt, das Grundstück selbst landwirtschaftlich zu nutzen.

3. Der Grundverkehrssenat als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift. Darin wird begehrt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) In §1 Abs1 lita und Abs2 Vlbg. GVG werden jene Grundstücke bezeichnet, die den Bestimmungen über die Beschränkung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unterliegen:

"§1

(1) Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen

a) der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, sofern er nicht unter litb fällt,

b) der Verkehr mit Grundstücken, sofern an diesen Ausländer Rechte erwerben.

(2) Ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 lita ist, ist nicht nach der aus dem Grundsteuer- oder Grenzkataster ersichtlichen Benützungsart, sondern nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner tatsächlichen Verwendung zu beurteilen."

Die in Rede stehenden Grundstücke sind unstrittig "landwirtschaftliche" i.S. dieser Gesetzesbestimmung.

b) Wenn die Grundverkehrsbehörde nunmehr argumentiert, die beschwerdeführende Agrargemeinschaft beabsichtige, das Grundstück zu tauschen und damit der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen, so verkennt sie, daß sie die Möglichkeit hätte, dem (den) Tauschgeschäft(en) die Genehmigung zu verweigern. Das GVG Vbg spricht nämlich vom Verkehr mit Grundstücken; mitumfaßt ist also auch das Tauschgeschäft. Das verfahrensgegenständliche Rechtsgeschäft ist somit nicht das letzte Rechtsgeschäft, aufgrund dessen die Grundverkehrsbehörde Einfluß auf das weitere Schicksal des kaufgegenständlichen Grundstückes nehmen kann.

c) Die beschwerdeführende Partei hat sowohl im Verfahren vor der Landes-Grundverkehrskommission als auch im Berufungsverfahren und im verfassungsgerichtlichen Verfahren klargelegt, daß sie beabsichtigt, das kaufgegenständliche Grundstück irgendwann gegen den Hälfteanteil jenes Grundstückes einzutauschen, welches in ihrem Miteigentum steht. Die Intentionen eines Grundstückskäufers hinsichtlich jener Grundstücksgeschäfte, welche er (irgendwann) in der Zukunft mit dem Grundstück hat, können jedoch nicht als Grundlage für die Entscheidung über das jetzt vorliegende Kaufgeschäft herangezogen werden. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft ist in der Lage und auch Willens, das kaufgegenständliche Grundstück bis zur weiteren Disposition landwirtschaftlich zu nutzen.

d) Die belangte Behörde hat somit das Gesetz (das GVG Vbg) derart verfehlt angewendet, daß dies als Willkür zu bezeichnen ist. Damit hat sie die beschwerdeführende Agrargemeinschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B267.1994

Dokumentnummer

JFT_10058872_94B00267_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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