TE Vfgh Erkenntnis 2007/6/14 B966/06

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Veröffentlicht am 14.06.2007
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Index

64 Besonderes Dienst- und Besoldungsrecht
64/03 Landeslehrer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
LDG 1984 §26 Abs7
Nö Landeslehrer-DiensthoheitsG §3

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch neuerliche Abweisung derBewerbung der Beschwerdeführerin um die Leiterstelle an einerVolksschule in einem Ersatzbescheid nach aufhebendem Erkenntnis desVerfassungsgerichtshofes; objektive Willkür infolge bloßerBerücksichtigung der - auf Grund der zu prüfendenSchulleiterbestellung - seither erworbenen Leitungserfahrung derMitbewerberin

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin steht als Volksschullehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Ihre Dienststelle ist die Volksschule Kottingbrunn. Sie bewarb sich - neben neun weiteren Personen - um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Niederösterreich vom 1. Oktober 2002 ausgeschriebene Leiterstelle an dieser Volksschule.

2.1. Im Rahmen des Auswahlverfahrens fand am 18. November 2002 eine von einem Unternehmensberatungsinstitut durchgeführte Anhörung statt. Gegenstand dieser Anhörung war "eine Potentialanalyse mit der Aufgabe, vor allem die fachunabhängigen Managementfähigkeiten der BewerberIn festzustellen". Dabei wurden sowohl die Beschwerdeführerin als auch die letztlich ernannte Mitbewerberin (im Folgenden kurz: Mitbewerberin) "im Bezug auf die Leitung einer ... VS

... mit 5 oder mehr Klassen ... hinsichtlich der Anforderungsdimensionen insgesamt wie folgt eingestuft: teilweise erfüllt"; in einer Bewertung nach Punkten erhielt die Beschwerdeführerin neun Punkte und damit um einen Punkt mehr als die Mitbewerberin.

2.2. Das Kollegium des Bezirksschulrates Baden beschloss in seiner Sitzung am 10. Dezember 2002 einen Besetzungsvorschlag, in dem die Beschwerdeführerin vor der Mitbewerberin an zweiter Stelle gereiht war.

2.3. Im Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Niederösterreich vom 4. Juli 2003 wurde die Beschwerdeführerin hinter der letztlich ernannten Mitbewerberin an dritter Stelle gereiht. [Der im Reihungsvorschlag sowohl des Bezirksals auch des Landesschulrates erstgereihten Mitbewerberin wurde in der Folge die schulfeste Leiterstelle an einer anderen Schule verliehen.]

2.4. Die Mitglieder des Schulforums der Volksschule Kottingbrunn sprachen sich in einer begründeten Stellungnahme für die Besetzung der ausgeschriebenen Leiterstelle mit der Beschwerdeführerin aus.

3. Die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemein bildende Pflichtschulen verlieh die schulfeste Leiterstelle an der Volksschule Kottingbrunn auf Grund des Ergebnisses ihrer

2. Geschäftssitzung vom 4. August 2003 mit Wirksamkeit vom 1. September 2003 an die Mitbewerberin und wies die Bewerbung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 4. November 2003 ab.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welcher mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. Juni 2004 keine Folge gegeben wurde.

Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hob dieser mit Erkenntnis VfGH 5.10.2005, B1005/04, den bekämpften Bescheid wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auf. Begründend wurde dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einem Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987, 16.607/2002).

Einer Behörde kann aber auch dann, wenn sie unrichtig entschieden hat, nicht Willkür zur Last gelegt werden, sofern sie nur bemüht war, richtig zu entscheiden, indem sie Gründe und Gegengründe gegeneinander abgewogen hat. Dies bedeutet, dass es aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes in der Regel nicht ausreicht, wenn die Behörde nur die für die Abweisung (hier: einer Bewerbung) maßgeblichen Gründe aufzählt, es jedoch unterlassen hat, in einem für die zu treffende Auswahl unter den vorgeschlagenen Bewerbern entscheidenden Punkt Gründe und Gegengründe einander gegenüber zu stellen und gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa VfSlg. 4722/1964, 8526/1979, 8808/1980, 9665/1983, 10.942/1986, 12.477/1990, 12.556/1990, 15.114/1998 mwH).

Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen, ob die von der belangten Behörde getroffene Auswahl in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, wohl aber, ob die Behörde bei dieser Auswahl von sachlichen Erwägungen geleitet war und ihr keine in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensmängel unterlaufen sind.

... In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird - nach Darstellung der Rechtsgrundlagen, des Verfahrensverlaufes und des Ergebnisses der geführten Beobachtergespräche - u.a. ausgeführt:

'Bei einem Vergleich der Ergebnisse der Anhörungen kann festgestellt werden, dass Sie [die Beschwerdeführerin] die Anforderungsdimension Organisationsfähigkeit erfüllen, die Anforderungsdimensionen Kommunikative Kompetenz, Antrieb/Initiative zum Beruf, Delegationsfähigkeit, Teamorientierung, Entscheidungsfreude und Konfliktfähigkeit teilweise erfüllen.

Nach der festgelegten Gesamtbewertung erhält ein Bewerber, der mehr als sechs, aber weniger als dreizehn Punkte erreicht, das Kalkül 'teilweise erfüllt'. Sie erzielten neun Punkte.

Die Ernannte erfüllt die Anforderungsdimension Organisationsfähigkeit. Die Anforderungsdimensionen Kommunikative Kompetenz, Antrieb/Initiative zum Beruf, Delegationsfähigkeit, Entscheidungsfreude und Konfliktfähigkeit erfüllt sie teilweise. Die Anforderungsdimension Teamorientierung erfüllt sie nicht. Sie erhielt somit acht Punkte.'

Zu den Kriterien für die Verleihung der ausgeschriebenen Leiterstelle an die Beteiligte führt die belangte Behörde Folgendes aus:

'Die Behörde I. Instanz hat sich bei der Begründung ihrer Entscheidung ... im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Ernannte im Jahr der Bewerbung Leiterstellvertreterin an einer Volksschule gewesen sei und sie 'sehr konkrete Vorstellungen über die Führung einer Schule' habe sowie Führungsqualifikation in der Organisation und Durchführung von großen Projekten bewiesen habe.

Der Bescheid der NÖ Landeslehrerkommission ist zu recht erfolgt und nachvollziehbar.

Dies aus folgenden Überlegungen:

Das Landesschulratskollegium hebt in seiner Reihungsbegründung zugunsten der Ernannten die Veröffentlichung des Artikels 'Leseverstehen bei lernschwachen Schülern im Fremdsprachenunterricht' in der Zeitschrift der PÄDAK hervor und reiht sie an zweiter Stelle vor der [Beschwerdeführerin]. Das Bezirksschulratskollegium verweist in seiner Reihungsbegründung auf viele Zusatzqualifikationen der Ernannten und reiht sie hinter der [Beschwerdeführerin] an dritter Stelle.

Die Behörde erster Instanz begründet ihre Entscheidung damit, dass sich aus dem umfassend erstellten Bewerbungsbogen ergebe, dass die Ernannte sehr konkrete Vorstellungen über die Führung einer Schule habe. Sie habe ihre Führungsqualifikation in der Organisation und Durchführung von großen Projekten bewiesen.

Die Veröffentlichung des erwähnten Artikels und die vielen Zusatzqualifikationen, die die Ernannte aufweist, wiegen die formalen Momente und das Hearingergebnis auf. Die Ernannte hat konkrete Vorstellungen über die Umsetzung der Leitung einer Schule. Sie [= die Beschwerdeführerin] sehen die wichtigsten Tätigkeiten im Schulmanagement, in der Schulentwicklung, in der Qualitätssicherung, in der Evaluierung, in der Organisation, als Berater der Lehrer und Eltern und zusammengefasst in organisatorischen Angelegenheiten.

In ihrem Bewerbungsbogen führt die Ernannte unter anderem aus, sie sieht die wichtigsten Tätigkeiten eines Schulleiters in der verantwortlichen Leitung und Koordination der gesamten Schule, als Anlaufstelle für alle Kolleginnen und Kollegen bei pädagogischen und schulrechtlichen Fragen, als Vermittler zwischen Lehrern und Erziehungsberechtigten, in der Erprobung und Umsetzung neuer Lehrformen, in der Prüfung und dem Ankauf aktueller Lehrmittel, im kostenbewussten Schulmanagement, in der Kooperation mit dem Schulerhalter, in der aktiven Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen und in der Repräsentation in der Öffentlichkeit.

Anforderungsdimensionen können auch durch erfolgreiche praxisbezogene Tätigkeiten nachgewiesen werden und ein Hearingergebnis relativieren.

Die Ernannte hat die Qualifikation zur Ausbildungslehrerin und neben der Lehramtsprüfung für Volksschulen auch die Lehramtsprüfung für Hauptschulen. Sie hat zahlreiche Seminare in verschiedenen Bereichen absolviert.

Diese Tatsachen bewirken gemeinsam, dass das geringfügig bessere Anhörungsergebnis sowie der weiter zurückliegende Vorrükkungsstichtag und die längere Verwendungszeit in der Schulart aufgewogen werden.'

... Soweit diesen Ausführungen überhaupt Begründungswert zukommt (für die bloße Wiedergabe der 'Vorstellungen' nur einer Bewerberin 'über die Umsetzung der Leitung einer Schule' sowie hinsichtlich der 'wichtigsten Tätigkeiten eines Schulleiters' - ohne abwägende Bewertung - trifft dies im hier vorliegenden Zusammenhang nicht zu) hat es die belangte Behörde damit aber verabsäumt, bei der von ihr zu treffenden Entscheidung die (dafür) maßgeblichen - für und gegen die Beschwerdeführerin und die zum Zuge gekommene Mitbewerberin sprechenden - Kriterien einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und derart das Übergehen der Beschwerdeführerin zu begründen. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als teilweise Qualifikationen als entscheidend für die Auswahl der Ernannten herangezogen wurden, die bei der Beschwerdeführerin ebenfalls vorlagen (zB die Qualifikation zur Ausbildungslehrerin, der Besuch von Seminaren); andere Qualifikationen wiederum, so beispielsweise die 10-jährige Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Leiterstellvertreterin und ihre mehrfache Betrauung (zuletzt bis zur Ernennung der Beteiligten) mit der Leitung der betroffenen Volksschule, blieben - ohne nähere Begründung - gänzlich unberücksichtigt. Es bleibt der belangten Behörde zwar unbenommen, die (Zusatz)Qualifikationen der einzelnen Bewerber unterschiedlich zu bewerten bzw. zu gewichten, doch müssen die der Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen transparent gemacht werden, da nur so die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich ist.

Der angefochtene Bescheid aber lässt die erforderliche vergleichende Auseinandersetzung der Qualifikationen der Ernannten mit jenen der Beschwerdeführerin vermissen. An keiner Stelle des angefochtenen Bescheides findet sich eine Gegenüberstellung der Qualifikationen der einzelnen Bewerberinnen in einer Weise, aus der die der Entscheidung der belangten Behörde zu Grunde liegenden Erwägungen erschließbar wären. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als sich die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung ohne nähere Begründung über die Tatsache hinweggesetzt hat, dass die Beschwerdeführerin sowohl hinsichtlich der in §26 Abs7 LDG 1984 angeführten Kriterien als auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Anhörung im Vorteil war und sowohl seitens des Kollegiums des Bezirksschulrates als auch seitens des Schulforums präferiert wurde.

... Die aufgezeigten Mängel sind von einer Art und Schwere, dass sie eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides bewirken."

4. Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften (Ersatz-)Bescheid vom 6. April 2006 wies die Niederösterreichische Landesregierung die oben unter Pkt. 3. genannte Berufung der Beschwerdeführerin abermals ab.

5. In der dagegen erhobenen, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde wird erneut die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. zB VfSlg. 13.007/1992 mwH) - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil die belangte Behörde bei Erlassung des Bescheides willkürlich vorgegangen sei.

2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Die belangte Behörde begründet den hier bekämpften Bescheid vor allem wie folgt:

"Im Vergleich zur Ernannten sprechen die Formalkriterien 'Vorrückungsstichtag' und 'Verwendungsdauer' für die Berufungswerberin, welche ca. 14 Jahre länger in der erforderlichen Verwendung als Volksschullehrerin stand und dadurch auf diesem Gebiet mehr Erfahrungen aufweist als die Ernannte. Allerdings ergeben sich dadurch keinerlei Aufschlüsse darüber, welche Erfahrungen auf dem Gebiet der Leitung einer Schule gemacht worden sind.

Die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens liegen lediglich einen Punkt zugunsten der Berufungswerberin auseinander. Dies bedeutet daher keine eindeutige Besserqualifikation der einen oder anderen Bewerberin.

Auch sonst gibt es keine nennenswerten qualitativen Unterschiede zwischen den Bewerberinnen aufgrund der vorhandenen Ermittlungsergebnisse.

Da die Berufungsbehörde jeweils die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung in letzter Instanz heranzuziehen hat, ist die tatsächliche Leitung der Ernannten seit mehr als 2 Jahren der Betrauung mit der Leiterstelle der Berufungswerberin im Schuljahr 1998/1999 gegenüberzustellen. Hiedurch ergibt sich unwiderlegbar ein großer Erfahrungsvorsprung der Ernannten gegenüber der Berufungswerberin[,] und zwar zum einen durch die nunmehr zeitlich gesehen längere Erfahrung in der Leitungstätigkeit, zum anderen ist die Leitungserfahrung seit dem Schuljahr 2003/2004 als gewichtiger zu bewerten, da die Leitungserfahrung der Berufungswerberin bereits länger zurückliegt.

Die Erfahrungen, die die Berufungswerberin in der Zeit als Leiterstellvertreterin gemacht hat, sind gegenüber einer tatsächlichen Leitung lediglich als gering zu bewerten, da die faktische Leitung einer Schule dem jeweiligen Schulleiter zukommt. Nur an jenen wenigen Tagen des Schuljahres[,] an welchen der Schulleiter von der Schule abwesend ist, hat der jeweilige Stellvertreter Leiterarbeiten zu erledigen. Da der Schulleiter während de[s] Schuljahres keinen Urlaub nehmen darf, erhält der Stellvertreter nur wenige Chancen[,] sich mit den Leitungsaufgaben vertraut zu machen oder diese sogar durchzuführen.

Auch die Befürwortung der Berufungswerberin durch das Schulforum kann die höher zu bewertende Leitungserfahrung nicht aufwiegen. Dies auch deshalb, da dem Ergebnis des Anhörungsverfahrens, aufgrund seiner Objektivität, mehr Gewicht zu geben ist als der Stellungnahme des Schulforums. Nach der Stellungnahme des Schulforums würde die Berufungswerberin die Kriterien Kommunikative Kompetenz, Delegationsfähigkeit, Teamorientierung und Konfliktfähigkeit bestens erfüllen. Das Ergebnis der Anhörung ergab allerdings, dass sie diese Anforderungsdimensionen nur teilweise erfüllt.

Ebenso wenig kann die Tatsache, dass die Formalkriterien für die Berufungswerberin sprechen, diesen qualitativen und quantitativen Erfahrungsvorsprung der Ernannten [gemeint wohl:] vermindern. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend sind zuerst nach dem Leistungsprinzip die Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse zur Entscheidung heranzuziehen und erst in zweiter Linie die im Gesetz vorgesehenen Formalkriterien. Es ist daher trotz der bedeutend längeren Verwendungszeit der Berufungswerberin die nunmehrige Erfahrung der Ernannten im Bereich der Leitung der Schule höher zu bewerten.

Zusammenfassend kommt die Berufungsbehörde zu dem Ergebnis, dass bei genauer Gegenüberstellung aller vorliegenden Unterlagen (Bewerberbogen, Ernennungsvorschläge des Bezirksschulrates und Landesschulrates, Beschluss des Schulforums, Anhörungsverfahren) und Abwägung der verschiedenen Kriterien und Argumente ... die Ernannte als besser geeignet anzusehen ist."

Demnach wird die neuerlich zu Ungunsten der Beschwerdeführerin getroffene Entscheidung der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass "bei genauer Gegenüberstellung

aller vorliegenden Unterlagen ... und Abwägung der verschiedenen

Kriterien und Argumente ... die [Mitbewerberin] als besser geeignet

anzusehen" sei, wobei unter den verschiedenen Kriterien und Argumenten offenbar nur die "höher zu bewertende Leitungserfahrung" eine Rolle spielt.

Diese Argumentation ist insoferne nicht nachvollziehbar, als sich - wenn man von der "höher zu bewertenden Leitungserfahrung" einmal absieht, auf die im Folgenden noch gesondert einzugehen sein wird - nämlich an keiner Stelle der soeben im Wortlaut wiedergegebenen Begründung des bekämpften Bescheides ein Argument findet, das bei einer vergleichenden Auseinandersetzung der Qualifikationen der Mitbewerberin mit jenen der Beschwerdeführerin für die Mitbewerberin spricht. Vielmehr tut die belangte Behörde dort lediglich dar, dass bei den Formalkriterien "Vorrückungsstichtag" und "Verwendungsdauer" sowie im Ergebnis des Anhörungsverfahrens und im Hinblick auf die Stellungnahme des Schulforums die zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Gesichtspunkte für die von der Behörde zu treffende Entscheidung nicht maßgeblich sind. Dass sich daraus für die "bessere Eignung" der Mitbewerberin nichts ableiten lässt, liegt auf der Hand. Worin das "Ergebnis [der genauen] Gegenüberstellung aller vorliegenden Unterlagen ... und [der] Abwägung der verschiedenen Kriterien und Argumente" bestehen soll, geht aus der Begründung des bekämpften Bescheides nicht hervor. Daher lässt sich auch nicht beurteilen, inwiefern dieses Ergebnis für die "bessere Eignung" der Mitbewerberin spricht.

Was nun aber die von der belangten Behörde begründungsweise behauptete "höher zu bewertende Leitungserfahrung" der Mitbewerberin anlangt, so ergibt sich Folgendes:

Zum einen setzt sich die belangte Behörde nicht damit auseinander, dass die Beschwerdeführerin nicht nur im Schuljahr 1998/1999 mit der Leitung der hier in Rede stehenden Volksschule betraut war, sondern auch im Schuljahr 2002/2003 (wobei diese Betrauung gerade mit jener bescheidmäßigen Schulleiterbestellung endete, die den Gegenstand sowohl des mit Erkenntnis 5.10.2005, B1005/04, abgeschlossenen als auch des nunmehr vorliegenden verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahrens bildet), und dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus - unter Berufung auf den Reihungsvorschlag des Bezirksschulrates - für sich ins Treffen führt, dass sie in den 10 Jahren als Stellvertreterin des Schulleiters wegen dessen schwerer Erkrankung lange Zeit hindurch tatsächlich Leiterfunktionen ausgeübt habe. Zum anderen stellt die belangte Behörde bei der von ihr zu treffenden Auswahlentscheidung - wie sich aus den bisherigen Darlegungen ergibt - einzig und allein auf den "großen Erfahrungsvorsprung" der Mitbewerberin gegenüber der Beschwerdeführerin ab, den die Erstgenannte erst auf Grund der hier auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Schulleiterbestellung erwerben konnte. Damit führt die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Rechtskontrolle des Verfassungsgerichtshofes geradezu ad absurdum. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde zu Ende gedacht, würde nämlich selbst ein ursprünglich verfassungswidriger Ernennungsbescheid durch die in Ausübung der Schulleitung erworbene Leitungserfahrung nachträglich verfassungsrechtlich "saniert". Je länger das Verfahren bis zu einer ordnungsgemäßen Beendigung dauert, desto gewichtiger würde der "Erfahrungsvorsprung" der Mitbewerberin. Im Hinblick darauf ist das Verhalten der belangten Behörde bei der Erlassung des bekämpften Bescheides - zum einen wegen des Ignorierens eines Parteivorbringens in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt und zum anderen wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage - als objektiv willkürlich zu qualifizieren. Der bekämpfte Bescheid ist daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie Eingabengebühr in der Höhe von € 180,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Lehrer, Bescheidbegründung, Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B966.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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