TE Bvwg Beschluss 2021/11/9 W211 2224150-1

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Veröffentlicht am 09.11.2021
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Entscheidungsdatum

09.11.2021

Norm

AVG §6
B-VG Art130 Abs2a
B-VG Art133 Abs4
DSGVO Art55 Abs3
S.LVwGG §20 Abs1
S.LVwGG §21a Abs1
S.LVwGG §21a Abs3
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §8 Abs1

Spruch


W211 2224150-1/12E

beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Barbara SIMMA LL.M. als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Margareta MAYER-HAINZ und den fachkundigen Laienrichter Dr. Ulrich E. ZELLENBERG als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde des XXXX wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Datenschutzbehörde betreffend die am XXXX 2018 gestellte Datenschutzbeschwerde wegen einer behaupteten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch das Landesverwaltungsgericht XXXX in nichtöffentlicher Sitzung:

A)

Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht vom XXXX 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde vom XXXX 2018, ergänzt um die Beschwerdepunkte vom XXXX 2019, betreffend eine vorgeworfene Rechtsverletzung des Datenschutzes iZm der Veröffentlichung von Entscheidungen durch das Landesverwaltungsgericht XXXX auf der eigenen Website bzw. im Rechtsinformationssystem, wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG an das Landesverwaltungsgericht XXXX zuständigkeitshalber weitergeleitet.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom XXXX 2018 behauptete der Beschwerdeführer der Datenschutzbehörde gegenüber eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass er auf den Webseiten https://www. XXXX /veroeffentlichungen/entscheidungen sowie https://www.ris.bka.gv.at/ mehrere ihn betreffende Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts (LVwG) XXXX gefunden habe. In den betreffenden Entscheidungen des LVwG XXXX seien jeweils personenbezogene Daten des Beschwerdeführers verarbeitet bzw. sachverhaltsmäßig festgestellt worden. Der Beschwerdeführer führte zu den vom LVwG XXXX getroffenen Feststellungen aus, dass diese Informationen nur ihn etwas angingen und er nicht wolle, dass seine persönlichen Informationen mit unbekannten Personen geteilt würden. Er fürchte, dass seine Daten für illegale, islamophobe oder fremdenfeindliche Zwecke missbraucht würden.

2. Mit Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX 2018 wurde die Datenschutzbeschwerde vom XXXX 2018 zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Datenschutzbehörde gemäß Art. 55 Abs. 3 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zur Behandlung der Datenschutzbeschwerde unzuständig sei.

3. Mit Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX 2018 wurde der Bescheid vom XXXX 2018 gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben. Dazu wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich aus dem Beschwerdevorbringen ergebe, dass die Beschwerde nicht gegen eine Verwendung personenbezogener Daten durch das LVwG XXXX an sich gerichtet sei, sondern es werde vielmehr eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung infolge Veröffentlichung von Entscheidungen des LVwG XXXX im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) sowie auf der Website https://www. XXXX behauptet. Zur Veröffentlichung von Entscheidungen im RIS habe die Datenschutzbehörde in dem (damals nicht rechtskräftigen) Bescheid zu GZ DSB-D122.454/0010-DSB/2016 ausgesprochen, dass es sich dabei um Justizverwaltung handle. Im Falle von Justizverwaltung sei, anders als bei Datenverarbeitungen von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit gemäß Artikel 55 Abs. 3 DSGVO, eine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde gegeben. Die Datenschutzbehörde gehe daher davon aus, dass sie zur Behandlung der vorliegenden Beschwerdesache zuständig sei. Aus diesem Grund sehe sich die Datenschutzbehörde veranlasst, von § 68 Abs. 2 AVG Gebrauch zu machen und den Bescheid vom XXXX 2018 aufzuheben.

4. In einem Aktenvermerk vom XXXX 2019 hielt die Datenschutzbehörde fest, dass ein Bescheid der Datenschutzbehörde zu einem früheren Verfahren [mit einer vergleichbaren Rechtsfrage zur Zuständigkeit der Datenschutzbehörde] mit der GZ DSB-D122.454/0010-DSB/2016 seit XXXX 2016 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sei. Auf Wunsch der Leiterin der Datenschutzbehörde würden im vorliegenden Verfahren keine weiteren Verfahrensschritte gesetzt, bis das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den zuvor genannten Fall entschieden habe. Sollte es eine Säumnisbeschwerde geben, werde der Akt dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt werden.

5. Mit Schreiben vom XXXX 2019 wurde die gegenständliche Säumnisbeschwerde beim BVwG eingebracht. Mit Schreiben vom XXXX 2019 leitete das BVwG die Säumnisbeschwerde gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an die Datenschutzbehörde weiter, wo sie am XXXX 2019 einlangte.

6. Mit Schreiben vom XXXX 2019 legte die belangte Behörde den Akt vor. Dieser Akt wurde am BVwG unter der GZ 2224150 protokolliert und geführt.

7. Am XXXX 2020 legte die belangte Behörde die Rechtssache als Säumnisbeschwerde erneut vor und führte dazu aus, der Akt sei zuvor wegen des eingebrachten Verfahrenshilfeantrags an das BVwG weitergeleitet worden; die DSB habe sich zwischenzeitlich weiter bemühen wollen, die Beschwerde des Beschwerdeführers innerhalb der drei Monate im Rahmen des Säumnisbeschwerdeverfahrens zu behandeln. Allerdings habe der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme vom XXXX 2019 neu vorgebracht, dass durch die in einer Entscheidung des LVwG XXXX wiedergegebene Geschäftszahl des erstinstanzlichen Verfahrens auch sein Geburtsdatum veröffentlicht worden sei.

8. Die Vorlage vom XXXX 2020 wurde unter der GZ W274 228588 beim BVwG aufgenommen, wobei in weiterer Folge unter dieser GZ die folgenden weiteren Aktenteile und Unterlagen protokolliert wurden:

Das LVwG XXXX äußerte sich mit Stellungnahme vom XXXX 2019 auf Aufforderung der Datenschutzbehörde zusammengefasst derart, dass eine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde betreffend Tätigkeiten von Richtern und Richterinnen, die sich auf das Judizium beschränken würden, nicht gegeben sei.

Eine Stellungnahme des LVwG XXXX vom XXXX 2019 fasste den Vorgang der Anonymisierung und Pseudoanonymisierung von Gerichtsengscheidungen sowie jenen der Veröffentlichung im Rechtsinformationssystem des Bundes zusammen.

Der Beschwerdeführer replizierte mit Stellungnahme vom XXXX 2019 zusammengefasst dahingehend, dass es sich bei Veröffentlichungen von Entscheidungen im Rechtsinformationssystem des Bundes laut einer Entscheidung der belangten Behörde selbst um Justizverwaltung handeln würde. Daher sei eine Zuständigkeit der Behörde gegeben. Der Beschwerdeführer beantrage die Einleitung eines Strafverfahrens und die Verhängung einer Geldbuße. Außerdem bestehe eine Befangenheit der Mitarbeiter_innen der Datenschutzbehörde. Es werde die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen diese beantragt.

Mit Stellungnahme vom XXXX 2019 gab der Beschwerdeführer ergänzend bekannt, dass das LVwG XXXX eine den Beschwerdeführer betreffende Entscheidung mit der GZ XXXX vom XXXX 2016 veröffentlicht habe, in der es auch die Geschäftszahl der erstinstanzlichen Behörde wiedergegeben habe, die das Geburtsdatum des Beschwerdeführers enthalte.

In seinem Schreiben vom XXXX 2020 verwies der Beschwerdeführer erneut ua auf die oben genannte Veröffentlichung seines Geburtsdatums.

Das LVwG XXXX führte in seiner Stellungnahme vom XXXX 2020 zusammengefasst aus, dass seit September 2016 bekannt sei, dass das Geburtsdatum des Beschwerdeführers in der Aktenzahl von Verfahren betreffend die Erlangung der bedarfsorientierten Mindestsicherung enthalten sei. Ab diesem Zeitpunkt seien auch diese Aktenzahlen in den Entscheidungen betreffend den Beschwerdeführer anonymisiert bzw. pseudoanonymisiert worden. Bei Entscheidungen vor diesem Datum würden diese nach und nach nachanonymisiert werden.

9. Mit der Vorlage vom XXXX 2020 gab die Datenschutzbehörde bekannt, innerhalb der vorgesehenen drei Monate keine Entscheidung in der Sache treffen zu können.

10. Mit Schreiben vom XXXX 2020 wies der Beschwerdeführer soweit ergänzend zu seinen früheren Eingaben darauf hin, dass seine Beschwerde bereits seit November 2018 nicht behandelt worden sei. Weiter habe die Datenschutzbehörde eine Stellungnahme des LVwG XXXX vom XXXX bzw. XXXX 10.2019 akzeptiert, obwohl diese nach der gesetzten Frist von 2 Wochen eingebracht wurde, was eine Dienstpflichtverletzung darstelle.

11. Am XXXX 2021 wurde der beim BVwG unter der GZ W274 2228588 protokollierte Akt gemäß der Geschäftsverteilung des BVwG dem älteren Verwaltungsakt unter der GZ W211 2224150 zugordnet, da es sich um dieselbe Rechtssache handelte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts XXXX hat als Leiterin der Evidenzstelle in der Zeit vom XXXX 2016 bis zum XXXX 2018 auf den Webseiten https://www. XXXX sowie im RIS auf https://www.ris.bka.gv.at/ mehrere Entscheidungen betreffend den Beschwerdeführer veröffentlicht ( XXXX ).

Im Text der genannten Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts XXXX wurden der Vor- und Nachname, das Geburtsdatum und die Adresse des Beschwerdeführers vollständig anonymisiert. Aus den in den Entscheidungen enthaltenen Sachverhaltsdarstellungen und Feststellungen lassen sich ua der Beruf, das Studium, die Familienverhältnisse, die Herkunft sowie der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers entnehmen.

Im Rahmen der Veröffentlichung der Entscheidung des LVwG XXXX vom XXXX 2016 zur Zl. XXXX wurde die erstinstanzliche Verfahrenszahl mitveröffentlicht. Diese Entscheidung ist nicht mehr im Rechtsinformationssystem veröffentlicht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Der Sachverhalt ist aktenkundig und nicht strittig.

Die Feststellungen zu den veröffentlichten personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Nachschau bezüglich der angeführten Entscheidungen im RIS, und dabei insbesondere aus der Veröffentlichung der Entscheidung vom XXXX 2018, Zl. XXXX .

Dass sich die Entscheidung vom XXXX 2016 zur Zl. XXXX nicht mehr im Rechtsinformationssystem befindet, ergibt sich aus einer Nachschau am XXXX 10. 2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zur Unzulässigkeit der Säumnisbeschwerde:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Nach Art. 132 Abs. 3 B-VG kommt die Legitimation zur Erhebung der Säumnisbeschwerde jedem/jeder zu, der/die im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet (vgl dazu etwa VwGH vom 6. April 2016, Fr 2015/03/0011, Rz 8 ff). Nach § 8 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG beginnt die Frist, nach deren Ablauf Säumnisbeschwerde erhoben werden kann, mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. § 73 Abs. 1 erster Satz AVG, der nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, bestimmt, dass die Behörden, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen haben. Sowohl aus § 8 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG als auch aus § 73 Abs. 1 erster Satz AVG ergibt sich, dass die Entscheidungspflicht der Behörde nur durch einen bei der zuständigen Behörde eingelangten Antrag einer zur Stellung dieses Antrags berechtigten Partei begründet werden kann. Voraussetzung für die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde ist somit das Vorliegen eines der Entscheidungspflicht der Behörde unterliegenden und noch nicht erledigten Antrags des Antragstellers/der Antragstellerin (VwGH vom 6. April 2016, Fr 2015/03/0011; vgl auch VwGH vom 23. September 1988, 88/17/0146) (vgl. zum vorstehenden Absatz VwGH, 03.05.2017, Ro 2016/03/0027, Unterstreichung nicht im Original).

3.2. Demnach ist für die Frage der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde zu prüfen, ob die Datenschutzbehörde für die Behandlung der gegenständlichen Beschwerde überhaupt zuständig gewesen wäre.

Gegenstand der ursprünglichen Datenschutzbeschwerde ist die Frage, ob das LVwG XXXX den Beschwerdeführer durch die Veröffentlichung mehrerer Entscheidungen in der Zeit vom XXXX 2016 bis zum XXXX 2018 auf den Webseiten https://www. XXXX sowie im RIS auf https://www.ris.bka.gv.at/, trotz vollständiger Anonymisierung des Vor- und Nachnamen, des Geburtsdatums (abgesehen von einer erstinstanzlichen Verfahrenszahl) und der Adresse des Beschwerdeführers, in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG verletzt hat.

3.3. Für die Prüfung der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde sind die folgenden Rechtsgrundlagen relevant:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), lauten (in Auszügen):
Artikel 55 Zuständigkeit
(1) – (2) […]

(3) Die Aufsichtsbehörden sind nicht zuständig für die Aufsicht über die von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen.

§ 20 Abs. 1 des XXXX Landesverwaltungsgerichtsgesetzes ( XXXX ) idF LGBl. Nr. XXXX lautete:
Geschäftsstelle und Evidenzstelle

§ 20 (1) Die Präsidentin oder der Präsident des Landesverwaltungsgerichtes hat eine Geschäftsstelle und eine Evidenzstelle einzurichten und zu leiten. Der Geschäftsstelle obliegt die Besorgung der Kanzleigeschäfte des Gerichtes, der Evidenzstelle die vollständige und übersichtliche, allen Richterinnen und Richtern zugängliche Dokumentation der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes. Alle Entscheidungen können, soweit sich diese für eine Veröffentlichung eignen, in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des Landesverwaltungsgerichtes veröffentlicht werden.

(2) – (3) […]

Die maßgeblichen Bestimmungen des XXXX idgF XXXX lauten (in Auszügen):
Geschäftsstelle und Evidenzstelle

§ 20 (1) Die Präsidentin oder der Präsident des Landesverwaltungsgerichtes hat eine Geschäftsstelle und eine Evidenzstelle einzurichten und zu leiten. Der Geschäftsstelle obliegt die Besorgung der Kanzleigeschäfte des Gerichtes, der Evidenzstelle die vollständige und übersichtliche, allen Richterinnen und Richtern zugängliche Dokumentation der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes.

(2) – (3) […]

Verarbeitung personenbezogener Daten

§ 21a (1) Das Landesverwaltungsgericht ist ermächtigt, die zur Ausübung seiner justiziellen Tätigkeit und zur Wahrnehmung der ihm sonst gesetzlich übertragenen Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten zu verarbeiten. Die justizielle Tätigkeit des Landesverwaltungsgerichts umfasst dabei alle Tätigkeiten, die zur Erfüllung der Aufgaben in Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit erforderlich sind.

(2) […]

(3) Das Landesverwaltungsgericht kann zur Information der Öffentlichkeit sowie zu wissenschaftlichen Zwecken seine Entscheidungen in anonymisierter oder pseudonymisierter Form, insbesondere im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des Landesverwaltungsgerichtes, veröffentlichen.

3.4. Aus Achtung der Unabhängigkeit der Justiz begrenzte der EU-Gesetzgeber die Zuständigkeit der Datenschutz-Aufsichtsbehörden gegenüber den Gerichten. Art. 55 Abs. 3 DSGVO sieht dementsprechend vor, dass die Datenschutz-Aufsichtsbehörden nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gerichte zuständig sind, wenn diese „im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit“ erfolgen. Die insofern vom EU-Gesetzgeber beabsichtigte Freistellung von aufsichtlicher Kontrolle erstreckt sich auf sämtliche Tätigkeiten, die mit der gerichtlichen Entscheidungsfindung in Zusammenhang stehen und die im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit (vgl. Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh) von externer Kontrolle nicht beeinflusst werden sollen. In den Zuständigkeitsbereich der Datenschutz-Aufsichtsbehörden fällt dagegen gemäß der DSGVO die Tätigkeit der Gerichte, die nicht ihrer richterlichen Unabhängigkeit unterliegt, also insbesondere die Tätigkeit der Gerichte in Verwaltungsangelegenheiten (vgl. Selmayr in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, K12 bis 14 zu Art 55).

Unter Justizverwaltung versteht Art. 87 Abs. 2 B-VG eine durch Richter_innen ausgeübte, ihrem Inhalt nach aber nicht der Rechtsprechung zuzuzählende Tätigkeit, die zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat; sei es, dass sie dem Funktionieren der Gerichtsbarkeit dient, durch gerichtliche Entscheidungen bedingte Vorkehrungen anderer Organe erleichtern soll oder auf eine andere Art mit richterlicher Tätigkeit in Zusammenhang steht (VfSlg 7.376/1974 und 8.158/1977).

Zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidungen des LVwG XXXX war die Präsidentin des LVwG als Leiterin der Evidenzstelle gemäß § 20 Abs. 1 XXXX idF LGBl. Nr. XXXX dafür zuständig, Entscheidungen des LVwG „in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des Landesverwaltungsgerichtes“ veröffentlichen zu können.

Auch gemäß der nunmehr geltenden Fassung dieses Landesgesetzes, LGBl Nr XXXX , ist die Präsidentin des LVwG gemäß § 20 Abs. 1 zur Leiterin der Evidenzstelle bestimmt. In § 21a Abs. 3 XXXX idgF wird die Möglichkeit der Veröffentlichung von Entscheidungen „in anonymisierter oder pseudoanonymisierter Form, insbesondere im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des LVwG“ festgeschrieben.

Entscheidend ist nun, ob die Veröffentlichung von Entscheidungen in anonymisierter oder pseudoanonymisierter Form durch das XXXX LVwG der Justizverwaltung oder der justiziellen Tätigkeit zuzuordnen ist.

Mit dieser Frage befasste sich erst kürzlich der VwGH in seiner Entscheidung vom 09.08.2021 zur Zl. Ra 2019/04/0106-9 und führte dazu aus:

„Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen (insbesondere im Rechtsinformationssystem des Bundes [RIS]) dient einerseits der Rechtssicherheit, in dem es dem Rechtssuchenden eine neben dem Gesetz bestehende Rechtsquelle insbesondere über die Anwendung und Auslegung des geltenden Rechts erschließt (vgl. VfGH 28.6.1990, G 315/89, G 67/90 = VfSlg. 12.409/1990), andererseits der Transparenz, indem es eine wirksame Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch die Öffentlichkeit ermöglicht (vgl. zu alldem Lutschounig, EvBl 2019/1, Anmerkung zu OGH 21.3.2018, 1 Ob 22/18v; Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 46). Um dabei die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren beteiligten Personen (Parteien, Zeugen und andere Verfahrensbeteiligte) zu wahren, bedarf es der Anonymisierung personenbezogener Daten (vgl. Weixelbraun-Mohr, EvBl 2019/1, Anmerkung zu OGH 21.3.2018, 1 Ob 22/18v).

Der VfGH hat mit seinem Erkenntnis vom 13.10.1993, G 248/91, V 190/91 (= VfSlg. 13.581/1993), ausgesprochen, dass die Gewährung von Akteneinsicht bzw. Abschriftnahme im zivilgerichtlichen Verfahren auch an dritte, am Verfahren nicht beteiligte Personen nicht dem Bereich der Justizverwaltung, sondern der gerichtlichen Rechtsprechung zuzurechnen ist, und hat daher die im § 219 Abs. 2 zweiter Satz ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, enthaltene Wortfolge „vom Vorsteher des Gerichtes“ betreffend die Übertragung der Entscheidung über die von einem Dritten verlangte Akteneinsicht an den Gerichtsvorsteher wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgebot als verfassungswidrig aufgehoben und die Gesetzwidrigkeit der Wortfolge „und Geschäfte, die sich für den Gerichtsvorsteher aus dem Ersuchen um Akteneinsicht ergeben“ in § 11 Abs. 1 Z 32 Geo, BGBl. Nr. 264/1951, sowie § 170 Abs. 2 Geo angesichts des Wegfalls ihrer gesetzlichen Grundlage festgestellt.

Der VfGH führte unter anderem begründet aus „gerade der Umstand, daß Anlaß zur Entscheidung über die von einem Dritten verlangte Akteneinsicht die fehlende Zustimmung zumindest einer Verfahrenspartei bildet, läßt auf die Möglichkeit eines zu klärenden und abzuwägenden Interessensgegensatzes zwischen Verfahrensparteien und dem Akteneinsicht verlangenden Dritten schließen; bei einer solchen - ... - anzunehmenden Lage erscheint es von vornherein als sachfremd, zu dieser Klärung und Abwägung ein mit dem Verfahren (jedenfalls noch) nicht vertrautes Organ zu berufen, das seine maßgebende (und potentiell auf den Rechtsfall rückwirkende) Entscheidung sogar im Gegensatz zur Auffassung des zur Entscheidung in der Zivilrechtssache zuständigen Richters treffen kann“.

So wie jeder Gewährung von Akteneinsicht bzw. Abschriftnahme an einen Dritten nach § 219 Abs. 2 ZPO eine Abwägung des Grundrechts auf Datenschutz der Betroffenen (§ 1 DSG) einerseits und des rechtlichen Interesses des Dritten an der Verwendung der Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen andererseits durch das Entscheidungsorgan vorangeht, bedarf auch die Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen zwecks Veröffentlichung einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz der am Verfahren beteiligten Personen und dem Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Rechtsprechung. Die Entscheidung, welche personenbezogenen Daten in gerichtlichen Entscheidungen zu anonymisieren sind, ohne den Sinngehalt des Entscheidungstextes wesentlich zu verändern, vermag am ehesten derjenige zu treffen, der den zur Veröffentlichung vorgesehenen Text verfasst hat bzw. an der Verfassung entscheidend mitgewirkt hat, also das jeweilige Entscheidungsorgan (Einzelrichter oder Richtersenat als Spruchkörper; vgl. Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 52; Danzl/Hopf, Oberster Gerichtshof3 § 15 OGHG Anm 9). Dabei ist zu beachten, dass ein - wie auch immer - durch Anonymisierung nachträglich redigierter Entscheidungstext von der Originalentscheidung abweicht und daher nicht mehr authentisch den Ausgangstext widerspiegelt (vgl. Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 46).

Ergebnis: Demnach handelt es sich beim Gegenstand der Datenschutzbeschwerde des Mitbeteiligten und zwar der zwecks Veröffentlichung unzureichenden Anonymisierung des ihn betreffenden Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts XXXX vom XXXXXX um einen Akt der Rechtsprechung, für den die Datenschutzbehörde gemäß den hier maßgeblichen Bestimmungen des § 5 Abs. 4 iVm § 31 Abs. 2 DSG 2000 nicht zuständig war.

Die Datenschutzbehörde hätte daher die wegen Veröffentlichung des behaupteter Maßen unzureichend anonymisierten Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes XXXX vom XXXXXX an sie gerichtete Datenschutzbeschwerde wegen Unzuständigkeit zurückweisen müssen.“

Demnach ordnet der VwGH die Anonymisierung und entsprechende Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen durch das XXXX LVwG der justiziellen Tätigkeit zu, für die gemäß Art. 55 Abs. 3 DSGVO keine Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten besteht.

Daher bestand und besteht für die Behandlung der gegenständlichen Beschwerde, die sich gegen die vorgenommene Anonymisierung und Veröffentlichung von den Beschwerdeführer betreffenden Gerichtsentscheidungen des LVwG XXXX richtet, keine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde.

3.5. Eine Säumnis kann erst dann ausgelöst werden, wenn eine Entscheidungspflicht der Behörde – hier der Datenschutzbehörde – begründet wurde. Entscheidungspflichtig ist eine Behörde jedoch nur dann, wenn bei ihr ein Antrag einlangt, dem eine bescheidmäßige Erledigung gebührt und für dessen Erledigung eine sachliche (und örtliche) Zuständigkeit besteht (vgl. auch Larcher in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 8, K2 [Stand 31.3.2018, rdb.at]).

Da im gegenständlichen Verfahren die Datenschutzbehörde jedoch für die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß Art. 55 Abs. 3 DSGVO nicht zuständig gewesen ist, traf sie keine Entscheidungspflicht, weshalb keine Säumnis eintreten konnte.

Die Säumnisbeschwerde ist daher zurückzuweisen (vgl. wieder VwGH, 03.05.2017, Ro 2016/03/0027, siehe aber auch im Kontext des Auskunftspflichtverfahrens VwGH, 27.05.2020, Ra 2020/03/0019).

3.6. Ergänzend wird betreffend die Anträge des Beschwerdeführers zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und zur Verhängung einer Geldbuße ausgeführt, dass dieser Antrag jedenfalls von der Datenschutzbehörde zurückzuweisen gewesen wäre, weil es sich dabei um eine amtswegige Kompetenz der Datenschutzbehörde handelt. Mangels Zuständigkeit der Datenschutzbehörde für den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt kommt auch die Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren durch diese nicht in Betracht.

Im Zusammenhang mit den Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend ein vorgeworfenes Fehlverhalten von Mitarbeiter_innen der Datenschutzbehörde wird erneut darauf verwiesen, dass für die Behandlung der gegenständlichen Beschwerde und zur Prüfung des gegenständlichen Sachverhalts keine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde bestanden hat und besteht.

Insoweit der Beschwerdeführer auf Art. 130 Abs. 2 Z 1 und Art. 131 Abs. 6 B-VG verweist, werden die Ausführungen aus dem Erkenntnis vom 02.06.2021, GZ W211 2223512-2, in Erinnerung gerufen:

„Soweit sich der Beschwerdeführer in der Beschwerde auf Art. 130 Abs. 2 Z 1 und Art. 131 Abs. 6 B-VG wegen des „hoheitlich rechtswidrigen Verhaltens der Datenschutzbehörde“ bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 130 Abs. 2 B-VG durch Bundes- oder Landesgesetz den Verwaltungsgerichten sonstige Zuständigkeiten übertragen werden können, so insbesondere die Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze. Welche Streitigkeiten diese Bestimmung im Einzelnen im Auge hat, ist unklar: Streitigkeiten, die mit Bescheid zu erledigen sind, unterliegen der Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Grabenwarter/Frank, B-VG Art 130 Rz 15 (Stand 20.6.2020, rdb.at)).

Im Gegensatz zu den Fällen des Art. 130 Abs. 1 erfasst Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG formfreies Verwaltungsverhalten (sog „schlichte Hoheitsverwaltung“), das nicht mit Bescheid- oder Säumnisbeschwerde bekämpfbar und auch nicht einer Maßnahmenbeschwerde zugänglich ist. Die Verhaltensbeschwerde ist nur zulässig, sofern sie einfachgesetzlich vorgesehen ist (Muzak, B-VG6 Art 130 Rz 10 (Stand 1.10.2020, rdb.at)).

Da im vorliegenden Fall die Rechtssache mit Bescheid zu erledigen gewesen wäre, und überdies einfachgesetzlich keine Verhaltensbeschwerde vorgesehen ist, ist auf das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers nicht weiter einzugehen.“

4. Gemäß Art. 130 Abs. 2a B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden von Personen, die durch das jeweilige Verwaltungsgericht in Ausübung seiner gerichtlichen Zuständigkeiten in ihren Rechten gemäß der DSGVO verletzt zu sein behaupten.

Gemäß § 21a Abs. 2 XXXX entscheidet das Landesverwaltungsgericht XXXX in einem Senat über Beschwerden von Personen wegen behaupteter Verletzung ihrer Rechte nach der DSGVO durch das Landesverwaltungsgericht in Ausübung seiner gerichtlichen Zuständigkeit (Art. 130 Abs. 2a B-VG). § 85 Abs. 3 – 5 erster Satz GOG gilt sinngemäß.

Da weder die Datenschutzbehörde zuständig war, um über die Beschwerdepunkte des Beschwerdeführers zu entscheiden, noch das Bundesverwaltungsgericht im Wege der Säumnisbeschwerde zur Entscheidung zuständig wurde, wird die Beschwerde nach § 17 VwGVG iVm § 6 AVG (Weiterleitung an die zuständige Behörde) an das gemäß Art. 130 Abs. 2a B-VG für die Beschwerde wegen Verletzung von Rechten nach der DSGVO zuständige Gericht weitergeleitet.

5. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann aber entfallen, wenn unter anderem die Säumnisbeschwerde zurück- oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG).

Da gegenständlich die Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers zurückzuweisen war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. dazu konkret VwGH, 03.05.2017, Ro 2016/03/0027 und VwGH, 09.08.2021, Ra 2019/04/0106); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Datenschutzbehörde Datenschutzbeschwerde justizielle Tätigkeit Landesverwaltungsgericht RIS Säumnisbeschwerde Unzuständigkeit Veröffentlichung Weiterleitung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2224150.1.01

Im RIS seit

11.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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