TE Vwgh Beschluss 1996/10/10 AW 96/04/0054

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Veröffentlicht am 10.10.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §45 Abs1;
GewO 1994 §79;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der P-GmbH in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Dezember 1995, Zl. MA 63-P 260/94, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1994, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Dezember 1994 wurde der Beschwerdeführerin in Ansehung ihrer gewerblichen Betriebsanlage gemäß § 79 GewO 1994 folgende Auflagen vorgeschrieben:

"1.) Die durch chlorierte Kohlenwasserstoffe kontaminierten Bodenbereiche beim Entfetter in der Werkstatt (einschließlich der zugehörigen CKW-Lagerbereiche bei der Rampe sowie neben dem Entfetter in der Werkstatt), im "Hof 1" zur G-Gasse und im "Hof 2" zur P-Gasse (Parkplatz und Manipulationsfläche) sind durch Bodenluftabsaugung oder technisch gleichwertige Verfahren soweit zu sanieren, daß der Wert von 10 mg CKW/m3 abgesaugter Bodenluft in diesen Bodenbereichen nicht überschritten wird.

2.) Die Sanierung ist von einem befugten Fachmann bzw. -unternehmen, der Inhaber einer Erlaubnis nach § 15 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 in der geltenden Fassung, ist, durchführen zu lassen. Der Name bzw. die Firma des beauftragten Rechtsträgers ist dem Magistratischen Bezirksamt für den 16. Bezirk vor Beginn der Sanierungsarbeiten zur Kenntnis zu bringen. Ferner ist jeder Wechsel des mit der Sanierung beauftragten Rechtsträgers unverzüglich dem Magistratischen Bezirksamt für den 16. Bezirk bekanntzugeben.

3.) Nach Abschluß der Sanierung ist dem Magistratischen Bezirksamt für den 16. Bezirk durch Vorlage eines Attestes eines befugten Fachkundigen die Einhaltung des im Punkt 1 angegebenen Grenzwertes binnen vier Wochen nachzuweisen. Ferner ist dem Bezirksamt eine Dokumentation vorzulegen, die zumindest folgenden Inhalt aufweisen muß:

-

alle Meßergebnisse samt planlicher Darstellung der für die Projektierung der Sanierung herangezogenen Meßpunkte

-

Angaben über die Beschaffenheit des Bodens

-

Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Sanierung

-

Beschreibung des angewendeten Sanierungsverfahrens und der verwendeten Anlagen."

Nach der Begründung dieses Bescheides seien bereits bei einer im Jänner 1991 vorgenommenen Messung hohe Überschreitungen des im § 3 Abs. 4 der CKW-Anlagen-Verordnung, BGBl. Nr. 27/1990, festgelegten Sanierungsgrenzwertes im Bereich des Entfettungsraumes und des Lagerplatzes für CKW-Abfälle der in Rede stehenden Betriebsanlage festgestellt worden. Weitere Meßberichte hätten dieses Ergebnis bestätigt. Die in der ungesättigten Bodenzone der Betriebsanlage (teilweise in äußerst hoher Konzentration) befindlichen chlorierten Kohlenwasserstoffe könnten ins Grundwasser gelangen und dort nach einer bestimmten Zeit zu einer erheblichen Grundwasserverunreinigung führen. Es müsse daher mit einer Verunreinigung des Grundwassers, die eine Nutzung als Trinkwasser hindere, gerechnet werden. Um dies zu verhindern seien die in Rede stehenden Auflagen vorgeschrieben worden, wobei keine Prüfung zu erfolgen habe, ob diese Kosten für die Beschwerdeführerin wirtschaftlich zumutbar seien, da es um die Abwendung einer Gefahr für die Gesundheit von Menschen gehe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 17. Juni 1996, Zl. B 585/96-11, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit der zur hg. Zl. 96/04/0151 protokollierten Beschwerde ist der Antrag verbunden, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung wird vorgebracht, die Kosten der mit dem angefochtenen Bescheid aufgetragenen Maßnahmen würden rund S 500.000,-- betragen. Die Beschwerdeführerin habe die in Rede stehende Betriebsanlage aus einer Konkursmasse erworben und befinde sich augenblicklich dabei, sich wirtschaftlich zu konsolidieren. Die Finanzierung der Auflagen würde mit Sicherheit die Insolvenz der Beschwerdeführerin verursachen, was zur Folge hätte, daß am Betriebsstandart mehr als 40 Arbeitsplätze verlohren gingen. Aus einem Gutachten der MA 45 vom 5. Juli 1995 ergebe sich, daß ein ... von chlorierten Kohlenwasserstoffen aus der Bodenluft in das Grundwasser bereits meßbar sei, jedoch zum Zeitpunt der Erstattung der Gutachtens kein Sanierungsbedarf bestanden habe. In ihrem Gutachten vom 2. November 1995 stelle die MA 45 fest, daß es denkbar und wahrscheinlich sei, daß CKW-Einträge bereits seit etwa 20 Jahren stattfinden. Aus diesen beiden Stellungnahmen werde deutlich, daß kein unmittelbarer Handlungsbedarf bestehe. Somit bestehe kein zwingendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der im Bescheid genannten Auflagen. Für die Beschwerdeführerin hätte die unmittelbare Durchführung der Sanierungsarbeiten jedoch unverhältnismäßige Nachteile. Sie werde aller Voraussicht nach zu ihrem wirtschaftlichen Ende führen.

Die belangte Behörde brachte in ihrer Äußerung zum Aufschiebungsantrag, soweit dies für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung ist, vor, sie habe im angefochtenen Bescheid zwar keine bereits bestehende Gefahr für die Gesundheit von Menschen durch mit chloriertem Kohlenwasserstoff verunreinigtes Grundwasser angenommen, weil zur Zeit zumindest aus dem Brunnen auf der Nachbarliegenschaft kein Trinkwasser entnommen werde, doch hätte sie zu beachten, daß der Gesetzgeber angeordnet habe, daß Gewässer so reinzuhalten seien, daß Grund- und Quellwasser als Trinkwasser verwendet werden könne, auch wenn sie derzeit nicht zu diesem Zweck genutzt würden. In diesem Zusammenhang werde auch von der Beschwerdeführerin zugestanden, daß der Sachverständige in nachvollziehbarer Weise ausgeführt habe, der biologische Abbau von chlorierten Kohlenwasserstoffen im Boden gehe nur sehr langsam vor sich. Wenn mit der Sanierung des Bodens unter der Betriebsanlage in den von betriebskausalen Kontaminationen betroffenen Bereichen daher nicht unverzüglich begonnen werde, sei eine schwerwiegende Kontamination des Grundwassers auf Jahrzehnte hinaus zu befürchten. Der Amtssachverständige der MA 45 habe in Übereinstimmung mit den von der Beschwerdeführerin beauftragten Sachverständigen schlüssig dargelegt, daß die chlorierten Kohlenwasserstoffe in mit Grundwasser gesättigte Bodenschichten absinken und dort infolge von Auswaschungsvorgängen zu einer weitreichenden Verunreinigung des Grundwassers führen würden. Damit würden aber nicht nur die als Reserve für die Notwasserversorgung der Stadt Wien angesehenen Grundwasserhorizonte auf Jahrzehnte hinaus kontaminiert, sondern auch bestehende Nutzungsrechte beeinträchtigt. Daß Grundwasser auch in städtischen Bereichen nach wie vor genutzt werde, sei daraus zu ersehen, daß im

16.

Bezirk u.a. eine Brauerei einen Tiefwasserbrunnen besitze.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof aber davon auszugehen, daß als Folge der bestehenden Kontamination des Bodens mit chlorierten Kohlenwasserstoffen die Gefahr verbunden ist, daß infolge eines Absinkens dieser chlorierten Kohlenwasserstoffe es zu einer Kontamination des Grundwassers kommen werde. Die Gefährlichkeit chlorierter Kohlenwasserstoffe insbesondere für die Genießbarkeit des Grundwassers kann in diesem Zusammenhang allgemein als bekannt angesehen werden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher der Rechtsansicht der belangten Behörde, der Zuerkennung der beantragten aufschiebenden Wirkung der Beschwerde stünde im Hinblick auf die mit einem weiteren Zuwarten mit den Sanierungsmaßnahmen verbundene Gefahr einer Grundwasserverunreinigung das gemäß § 30 Abs. 2 VwGG rechtserhebliche Tatbestandselement zwingender öffentlicher Interessen entgegen, nicht entgegenzutreten.

Es war daher dem Antrag nicht stattzugeben.

Schlagworte

Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:AW1996040054.A00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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