TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/14 LVwG-604653/2/Zo/LKK

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Veröffentlicht am 14.10.2021
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Entscheidungsdatum

14.10.2021

Norm

KFG §1
KFG §36
KFG §103
VStG §44a
VStG §7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Zöbl über die Beschwerde des M Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, SVA 1 – Strafamt, vom 16.06.2021, GZ: VStV/920302118815/ 2020, wegen mehrerer Übertretungen des Kraftfahrgesetzes (KFG)

zu Recht:

I.     Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.    Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang:

I.1. Mit Straferkenntnis vom 16.06.2021, GZ: VStV/920302118815/2020, verhängte die Landespolizeidirektion Oberösterreich SVA 1 – Strafamt (im Folgenden: belangte Behörde) über Herrn M Z (im Folgenden: Bf) Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes, wobei dem Bf Folgendes vorgeworfen wurde:

1.   Datum/Zeit:

19.07.2020, 17:17 Uhr

Ort:

x T

Betroffenes Fahrzeug:

Elektroroller, Fa. Shenzhen Hao Yang New Energy Co., Modell HY18650MP

Sie haben als Besitzer des unten angeführten Fahrzeuges, dieses P A zum Lenken überlassen, obwohl das KFZ nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen war.

Durch die Überlassung des KFZ an die genannte Person, welche das KFZ am angeführten Ort zum angeführten Zeitpunkt gelenkt hat, haben Sie vorsätzlich Beihilfe zu einer Verwaltungsübertretung geleistet.

Fahrzeugart: Mofa L1e

Beschreibung des Fahrzeuges: Elektroroller, Fa. Shenzhen Hao Yang New Energy Co., Modell Modell HY18650MP

 

 

2.   Datum/Zeit:

19.07.2020, 17:17 Uhr

Ort:

X T

Betroffenes Fahrzeug:

Elektroroller, Fa. Shenzhen Hao Yang New Energy Co., Modell HY18650MP

Sie haben als Zulassungsbesitzer des angeführten KFZ nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von P A gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass für den Elektroroller keine vorgeschrieben Haftpflichtversicherung bestand.

 

 

3.   Datum/Zeit:

19.07.2020, 17:17 Uhr

Ort:

x T

Betroffenes Fahrzeug:

Elektroroller, Fa. Shenzhen Hao Yang New Energy Co., Modell HY18650MP

Sie haben als Zulassungsbesitzer des angeführten Elektrorollers diesen Herrn P A zum Lenken überlassen, obwohl diese(r) keine von der Behörde erteilte, gültige Lenkberechtigung besitzt.

Das genannte Fahrzeug wurde zu angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von der genannten Person gelenkt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 7 VStG i.V.m. § 36 lit. a KFG

2.   § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG i.V.m. § 36 lit. d KFG

3.   § 103 Abs. 1 Zif. 3 lit a KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Bf gemäß § 134 Abs 1 KFG drei Geldstrafen in der Höhe von insgesamt 580 Euro, ersatzweise Freiheitsstrafen in der Dauer von 4 Tagen und 20 Stunden, verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 58 Euro verpflichtet.

Die belangte Behörde führte in der Begründung aus, dass sich im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle ergeben hätte, dass der Elektroroller, welchen der Bf besitzt, weder versichert noch zum Verkehr zugelassen gewesen sei. Auf dem Elektroroller sei ein Typenschild angebracht, wonach dieser 1.200 W sowie eine Bauartgeschwindigkeit von 45 km/h aufgewiesen hätte. Darüber hinaus habe der Lenker, ein Angestellter des Bf, über keine gültige Lenkberechtigung verfügt. Daraus würden sich die dem Bf vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen ergeben.

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf mit Schreiben vom 08.07.2021, bei der belangte Behörde eingelangt am 14.07.2021, binnen offener Frist Beschwerde, in welcher er zusammengefasst ausführte, dass das vom Kontrollorgan beschriebene Typenschild die Beschreibung der Batterie sei, keine Aussage bezüglich der Leistung des Elektrorollers treffe und der betreffende Elektroroller eine Leistung von 500 W und eine Geschwindigkeit von 25 km/h aufgewiesen habe.

I.3. Mit Schreiben vom 14.07.2021 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde samt Verfahrensakt zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 3 VwGVG), wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt. Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 44 Abs 2 VwGVG, da das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

II.      Sachverhalt, Beweiswürdigung:

II.1. Es liegt folgender entscheidungsrelevanter  S a c h v e r h a l t  vor:

Ein Mitarbeiter des Bf, Herr P A, lenkte am 19.07.2020 um 17:17 Uhr einen Elektroroller im Bereich der S. Ein Beamter der PI Traun führte eine Anhaltung des Mitarbeiters des Bf samt Lenker- und Fahrzeugkontrolle statt.

Bei der im Straferkenntnis dargelegten Beschreibung des Fahrzeuges mit „Elektroroller, Fa. Shenzhen Hao Yang New Energy Co., Modell HY18650MP“ in den drei Spruchpunkten handelt es sich weder um eine nähere Beschreibung noch um eine Konkretisierung des von Herrn A gelenkten Fahrzeuges (Elektroroller), sondern um das Typenschild der Batterie (Akku).

Eine Zulassung für das genannte Fahrzeug liegt nicht vor.

Der Spruch des in der Folge ergangenen Straferkenntnisses vom 12.06.2021 lautet wie unter Punkt I.1. dargestellt.

II.2. Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt samt Beschwerde. Dass es sich bei der „Typenbezeichnung“ um die Beschreibung des Akkus handelt, ergibt sich aus der Verhandlung des LVwG Oberösterreich zu einem ähnlichen Elektroroller, den selben Bf betreffend (LVwG-248).Im gesamten Verwaltungsakt fehlt eine konkrete Beschreibung des Fahrzeuges, welches von Herrn A gelenkt wurde. Es finden sich lediglich Angaben zur Leistungsfähigkeit der Batterie bzw. des Akkus und nicht hinsichtlich des Motors.

III.     In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

III.1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

III.1.1. Kraftfahrgesetz (KFG):

㤠1. Anwendungsbereich

[...]

(2a) Nicht als Kraftfahrzeuge, sondern als Fahrräder im Sinne der StVO 1960 gelten auch elektrisch angetriebene Fahrräder mit

1. einer höchsten zulässigen Leistung von nicht mehr als 600 Watt und

2. einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h. [...]“

„§36. Kraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, dürfen unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn

a) sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39) oder mit ihnen behördlich bewilligte Probe- und Überstellungsfahrten (§§ 45 und 46) durchgeführt werden,

[...]

d) für sie die vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (§ 59) oder Haftung (§ 62) besteht [...]“

103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

(1) Der Zulassungsbesitzer

1. hat dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder –bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;

[...]

3. darf das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers nur Personen überlassen, die

a) die erforderliche Lenkberechtigung [...] besitzen [...]“

III.1.2. Verwaltungsstrafgesetz (VStG):

㤠44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“

„Anstiftung und Beihilfe

§ 7. Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.“

III.2. Gemäß § 38 VwGVG sind auf das Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des VStG (mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles) anzuwenden.

Die als erwiesen angenommene Tat iSd § 44a Z 1 VStG ist der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird (VwGH 08.08.2008, 2008/09/0042). Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte einerseits seine Verteidigungsrechte wahren und im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und er andererseits nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist, sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschriften erforderlich sind, ermöglichen und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (vgl Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 44a Rz 2 (Stand 1.5.2017, rdb.at); VwGH 23.04.2008, 2005/03/0243).

Diesen genannten Anforderungen wird der verfahrensgegenständliche Spruch nicht gerecht. Dies ergibt sich aus den nachstehenden Gründen:

Die dem Bf vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen (Spruchpunkt 1. bis 3.) nach dem KFG setzen als Tatbestandsmerkmal voraus, dass es sich bei dem Fahrzeug nicht um ein Fahrrad iSd § 1 Abs 2a KFG sondern um ein Kraftfahrzeug handelt. Dem Spruch des Straferkenntnisses muss daher eindeutig entnommen werden können, ob es sich um ein Fahrzeug iSd KFG handelt. Die angeführten Verwaltungsvorschriften setzen eine Qualifikation als Kraftfahrzeug voraus.

Die im Spruch des verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisses (Spruchpunkt 1 bis 3) verwendete Beschreibung „Elektroroller, Fa. Shenzhen Hao Yang New Energy Co., Modell Modell HY18650MP“ erfüllt die oben genannten Anforderungen nicht, da es sich lediglich um die Bezeichnung der Batterie bzw. des Akkus handelt. Wesentlich wäre die Bezeichnung des Fahrzeuges samt Motorleistung, weil nur dadurch überprüft werden kann, ob überhaupt ein Kraftfahrzeug vorliegt bzw mit welchem Fahrzeug die Übertretung begangen worden sein soll.

Die zusätzliche Bezeichnung „Mofa L1e“ in Spruchpunkt 1. führt nicht automatisch zu einer Einordnung als Fahrzeug iSd KFG; es ist – wie bereits oben ausgeführt – abhängig von Leistung und Bauartgeschwindigkeit, wozu gegenständlich die Angaben fehlen.

Dem Bf wurde somit die als erwiesen angenommene Tat nicht vollständig vorgeworfen, da im Spruch dieses wesentliche Tatbestandsmerkmal fehlt.

III.3. Zur weiteren Formulierung des Spruchpunkt 1. im verfahrensgegenständlichen Straferkenntnis:

Der Spruch hat auch u.a. – wie oben ausgeführt – die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen. Wenn der Spruch des Straferkenntnisses keine oder unrichtige Angaben über den Zeitpunkt der Tat enthält, belastet dies das Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Gleiches gilt, wenn der Spruch widersprüchliche Angaben hinsichtlich der Tatzeit enthält (vgl aaO Rz 3). In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Tatzeitnennung schon allein zur Vermeidung von Doppelbestrafungen geboten ist (vgl. VwGH 19.12.2014, Ro 2014/02/0087).

Wird jemand der Beihilfe gemäß § 7 VStG zu einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt, so ist im Spruch auch konkret – unter Angabe von Zeit, Ort und Inhalt der Beihilfehandlung – das als Beihilfe gewertete Verhalten zu umschreiben. Im Falle der Beihilfe sind daher im Spruch sowohl jene Tatumstände in konkretisierter Form zu umschreiben, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zu der durch seine Tat verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglichen, als auch jenes konkrete Verhalten des Beschuldigten darzustellen, durch welches der Tatbestand der Beihilfe hiezu verwirklicht wird; dazu gehört der konkrete Tatvorwurf, der die Annahme rechtfertigt, der Beschuldigte habe die Tat vorsätzlich begangen (vgl Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 44a Rz 4).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen iSd § 32 Abs 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG.

Nach der Tatumschreibung iSd § 44a Z 1 VStG des gegenständlichen Straferkenntnisses wird dem Bf unter Spruchpunkt 1. vorgeworfen, er habe Beihilfe gemäß § 7 VStG zur näher bezeichneten Verwaltungsübertretung geleistet. In concreto wird dem Bf ein Tatbeitrag in Form der Überlassung eines Fahrzeuges (Elektrorollers) an einen Dritten zum Vorwurf gemacht (§ 36 lit a KFG: fehlende Zulassung). Als Tatzeit wurde von der belangten Behörde jene Zeit (Datum und Uhrzeit) angelastet, welche sich für das Delikt des unmittelbaren Täters, Herrn P A, ergibt. Somit ist aber der gegenständliche Tatbeitrag (die Überlassung des Elektrorollers) der in der Folge durch den unmittelbaren Täter begangenen Verwaltungsübertretung nach dem KFG zeitlich logisch vorgelagert. Außerdem nimmt die belangte Behörde im Hinblick auf den dem Bf zur Last gelegten Tatbeitrag einen anderen Tatort, nämlich die S in T an (Ort der Lenkerkontrolle). Auch vor diesem Hintergrund ist ein zeitliches Zusammenfallen von Überlassung des Elektrorollers und der durch den unmittelbaren Täter begangene Verwaltungsübertretung somit ausgeschlossen. Im Ergebnis hat die belangte Behörde dem Bf unter Spruchpunkt 1. eine Tatzeit zur Last gelegt, in dem er die Tat nicht begangen haben kann.

„Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Damit ist auch der äußerste Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts bestimmt. Ein Austausch der Tat durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes – somit insbesondere auch der Tatzeit – ginge darüber hinaus (VwGH 25.09.2018, Ra 2018/05/0019, mwN).

Eine Korrektur der Tatzeit durch das Verwaltungsgericht wäre nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann möglich, wenn die falsche Tatzeit die Folge eines Versehens der Behörde wäre, das für den Beschuldigten ohne weiteres erkennbar war und ihm die richtige Tatzeit innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgehalten worden ist (VwGH 16.12.2015, Ro 2015/10/0013, mwN). Gegen ein Versehen spricht allerdings, dass auch schon in der Strafverfügung vom 13.08.2020, in der Aufforderung zu Rechtfertigung vom 25.02.2021 sowie in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 19.05.2021 die dem Beschwerdeführer in dem relevanten Spruchpunkt des Straferkenntnisses angelastete Tatzeit angeführt war. Die belangte Behörde hat vielmehr zwischen Tatbeitrag und der Tatbegehung durch den unmittelbaren Täter eine nicht ausreichende bzw. unrichtige Differenzierung vorgenommen. Der Austausch der Tatzeit erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht würde daher eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Beschwerdeverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG darstellen. Zu einer Korrektur der Tatzeit war das Verwaltungsgericht somit im vorliegenden Fall nicht berufen.

III.4. Zu Spruchpunkt 2. und 3. des verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisses:

Wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Subsumtion einer Verwaltungsübertretung unter § 103 Abs 1 KFG ist die spruchgemäße Feststellung, dass der Beschuldigte als „Zulassungsbesitzer“ zur Verantwortung gezogen wird (VwGH 23.04.1986, 85/18/0180). Da es sich bei den in § 103 Abs 1 KFG genannten Pflichten um Pflichten des Besitzers des Rechtes der Zulassung handelt, bestehen diese nur, solange das Fahrzeug zugelassen ist (Nedbal-Bures/Pürstl, KFG11 § 103 EB 2 (2019). Diese Voraussetzung (in der Person des Täters gelegenes Merkmal) ist gegenständlich, schon alleine aufgrund des Vorwurfs in Spruchpunkt 1. (fehlende Zulassung), nicht gegeben. Der Tatbestand des § 103 Abs 1 Z 3 lit a KFG kann sich nur auf zugelassene Fahrzeuge beziehen (VwGH 26.11.1980, 1819/80).

III.5. Der Spruch genügt damit in allen drei Punkten nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren aufgrund der bereits verstrichenen Verfolgungs-verjährungsfrist einzustellen war.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteile war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die vorliegende Entscheidung orientiert sich vielmehr vollinhaltlich an der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an die Formulierung eines Spruches (insbesondere §§ 44a und 7 VStG) sowie den Voraussetzungen zur Spruchergänzung innerhalb und außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Spruchmangel Straferkenntnis; Elektroroller; E-Scooter; Kraftfahrzeug; Fahrrad; mangelhafter Tatvorwurf; Bauartgeschwindigkeit; Leistung; Formulierungsmangel; Konkretisierung der Tat; Tatzeit; Beitragstäterschaft

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2021:LVwG.604653.2.Zo.LKK

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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