TE Lvwg Beschluss 2021/11/11 LVwG-AV-1374/001-2021

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Veröffentlicht am 11.11.2021
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Entscheidungsdatum

11.11.2021

Norm

BAO §261 Abs1
BAO §284 Abs2

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Säumnisbeschwerde der C GmbH & Co KG vom 23. August 2021, gegen den Bürgermeister der Stadtgemeinde ***, den

BESCHLUSS:

1.   Die Säumnisbeschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 261 Abs. 1 iVm 284 Abs. 2 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

B e g r ü n d u n g

1.       Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2021 brachte die C GmbH & Co KG (in der Folge: Beschwerdeführerin) durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung beim Bürgermeister der Stadtgemeinde *** einen Antrag auf Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin in ***, ***, ein.

Mit Schriftsatz vom 23. August 2021 machte die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung die Säumnis des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** als erste Instanz in Abgabenangelegenheiten hinsichtlich des zu diesem Zeitpunkt noch unerledigten Antrages vom 20. Februar 2021 geltend.

Diese Säumnisbeschwerde wurde beim Landesverwaltungsgericht eingebracht und von diesem an die belangte Behörde mit dem Auftrag zur Nachholung der offenen Entscheidung binnen drei Monaten weitergeleitet.

Über den Antrag vom 20. Februar 2021 wurde vom Bürgermeister der Stadtgemeinde *** nunmehr mit zwei Abgabenbescheiden vom 22. Oktober 2021 zur Kundennummer ***, betreffend Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr für die Liegenschaft *** ab 1.7.2019 bzw. ab 1.1.2021, entschieden.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.

§ 261. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wird

a)   in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid oder

b)   in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid.

(2) Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

         a)       weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

         b)       als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

3.       Würdigung:

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Säumnisbeschwerde die Säumnis des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** in der Abgabenangelegenheit (Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren) geltend gemacht.

Mit den nunmehr vorgelegten Bescheiden vom 22. Oktober 2021 zur Kundennummer ***, betreffend Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr für die Liegenschaft *** ab 1.7.2019 bzw. ab 1.1.2021, wurde vom Bürgermeister der Stadtgemeinde *** über den Antrag vom 20. Februar 2021 bereits entschieden. Damit wurde dem erteilten Auftrag gemäß § 284 Abs. 2 BAO entsprochen, ein Übergang der Entscheidungspflicht auf das Verwaltungsgericht ist zufolge § 284 Abs. 2 BAO ausgeschlossen.

Wird der Bescheid erlassen, so ist das Verfahren gemäß § 284 Abs. 2 BAO einzustellen. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn auf andere Weise als durch formelle Klaglosstellung das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtes weggefallen ist (vgl. beispielsweise VwGH 89/08/0143, 90/08/0115, 2005/10/0084). Dies gilt nach der Rechtsprechung auch im Falle einer Säumnisbeschwerde (VwGH 2004/21/0230, 2006/09/0061, 2008/06/0175).

Mit der Erlassung der beiden Abgabenbescheide vom 22. Oktober 2021 wurde nun über den Antrag vom 20. Februar 2021 entschieden, hinsichtlich dessen die Säumnis mit der vorliegenden Beschwerde geltend gemacht wurde, und die von der Beschwerdeführerin angestrebte Sachentscheidung in ihrer Abgabensache getroffen.

Das Rechtsschutzinteresse an der Entscheidung über die Säumnisbeschwerde ist damit fortgefallen. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Einstellung wegen sonstiger Gegenstandslosigkeit vor (vgl. VwGH 2011/17/0166). Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes endet, wenn die säumige Behörde den betreffenden (versäumten) Bescheid erlässt (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl. § 284, Rz. 26).

Durch die Erlassung der Bescheide vom 22. Oktober 2021 ist die Entscheidungspflicht und damit auch ihre Verletzung weggefallen (vgl. VwSlg. 8.937 A). Im Verfahren über ihre Säumnisbeschwerde ist die Beschwerdeführerin damit klaglos gestellt, da dem Beschwerdebegehren durch Erlassung der Abgabenbescheide des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 22. Oktober 2021 bereits Rechnung getragen wurde. Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 284 Abs. 2 BAO einzustellen.

4.       Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (iVm Art. 133 Abs. 9 B-VG) ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Verfahrensrecht; Säumnisbeschwerde; Rechtsschutzinteresse; Einstellung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1374.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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