TE Bvwg Beschluss 2021/8/16 W274 2244103-1

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Veröffentlicht am 16.08.2021
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Entscheidungsdatum

16.08.2021

Norm

AVG §38
AVG §73
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch


W274 2244103-1/2E

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch Mag. Lughofer als Einzelrichter über den Antrag des XXXX , vom 02.05.2021, auf Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde im Verfahren vor der Datenschutzbehörde, Barichgasse 40-42, 1030 Wien, GZ D124.557, den

BESCHLUSS:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

Dem Verfahren liegt ein Antrag des XXXX (im folgenden Antragsteller, ASt) wegen Verletzung im Grundrecht auf Geheimhaltung sowie auf Auskunft gegenüber der Stadt Wien - Wiener Schlichtungsstelle - im Zusammenhang eines HMZ-Verfahrens zugrunde. Betreffend Verfahrensgang wird auf den Beschluss des BVwG vom 18.05.2021, W274 2232945-1, verwiesen.

Die Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) legte mit Schreiben vom 23.06.2021 den Verwaltungsakt samt einem Verfahrenshilfeantrag vom 02.05.2021 (eingelangt bei der belangten Behörde am 10.05.2021) zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde mit dem Bemerken vor, eine zeitnahe Erledigung des Beschwerdeverfahrens werde in Aussicht genommen.

Das gegenständliche Verfahren vor der belangten Behörde wurde zunächst mit Bescheid vom 20.02.2020 unter Bezugnahme auf ein zwischenzeitlich eingeleitetes Verfahren zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters ausgesetzt.

Mit Beschluss vom 23.06.2021 erfolgte ein Bescheid der belangten Behörde, womit diese "den Aussetzungsbescheid aufhebt und das Verfahren fortsetzt". Begründend führte sie aus, mit Mitteilung vom 28.04.2021 habe sie vom BG XXXX erfahren, dass das Erwachsenenschutzverfahren durch Beschluss des OGH vom 02.03.2021 eingestellt wurde.

Der ASt legt einen Verfahrenshilfeantrag samt Vermögensbekenntnis "zur Erhebung von Säumnisbeschwerden" bezugnehmend auf mehrere Verfahren vor der belangten Behörde, darunter auch das hier zugrundeliegende, vor, wobei sich die näheren Angaben aus einer Beilage ./W ergeben. Aus dieser ergibt sich insbesondere, dass der ASt davon ausgeht, dass die Behörde mit Stichtag 02.05.2021 mit ihrer Erledigungspflicht säumig sei. Er besorge, ob nicht eine Verfahrensaussetzung unrechtmäßig sein könne, wenn „das zugrundeliegende Verfahren selbst einer Unterbrechung unterlegen“ sei. Fraglich sei, ob die Behörde die Verfahrensaussetzung rechtmäßig getroffen habe. Es liege eine „primär gegebene“ Säumnis vor.

Der Verfahrenshilfeantrag ist nicht berechtigt:

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies aufgrund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Darüber hinaus sind gemäß Abs. 2 die Voraussetzungen und Wirkungen der Verfahrenshilfe nach der ZPO zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

Offenbar aussichtslos ist eine Rechtsverfolgung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs-und/oder Abwehrmittel als erfolglos erkannt werden kann. Ob eine Rechtsverfolgung offenbar aussichtslos ist, muss objektiv beurteilt werden. Offenbar aussichtslos ist eine Rechtsverfolgung im Bereich eines Rechtsmittelverfahrens dann, wenn die gegenständlich ins Auge gefasste Berufung (Beschwerde) aus rechtlichen Gründen zu keinem Erfolg führen kann (M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 63 ZPO, Rz 20, Stand 1.9.2014).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann eine Behörde, die von ihrem durch § 38 AVG eingeräumten Recht auf Aussetzung des Verfahrens Gebrauch macht, nicht gegen die Bestimmungen über die Entscheidungspflicht verstoßen, solange die Aussetzung berechtigt andauert bzw kann die Entscheidungspflicht solange nicht im Wege einer Säumnisbeschwerde geltend gemacht werden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz. 49, Stand 01.07.2005, rdb.at). Das AVG befugt die Behörde im § 38 letzter Satz zwar dazu, das Verfahren bescheidmäßig "auszusetzen", sagt aber nichts darüber aus, wie sich diese Aussetzung auf die Entscheidungspflicht und Frist der Behörde (§ 73 Abs. 1 AVG, § 27 Abs. 1 VwGG) auswirkt. Der VwGH spricht in diesem Zusammenhang von einer "Unterbrechung" des Verfahrens. Allgemein bedeutet die Unterbrechung einer Frist, dass nicht nur der Zeitraum der Unterbrechung, sondern auch jener, der vor dem Unterbrechungstatbestand liegt, nicht berücksichtigt wird. Nach dem VwGH steht ab Wegfall des Unterbrechungsgrundes, daher ab Vorliegen einer rechtskräftigen Vorfrageentscheidung, der Behörde wieder die volle Entscheidungsfrist zur Verfügung. Eine verfrüht eingebrachte Säumnisbeschwerde wäre als unzulässig zurückzuweisen (wie oben, Rz 49, mwN).

Mit Wegfall des Unterbrechungsgrundes, somit mit Einstellung des Erwachsenenschutzverfahrens (per 02.03.2021), hat die Entscheidungsfrist der belangten Behörde von sechs Monaten (§ 73 AVG) neuerlich zu laufen begonnen. Weder im Zeitpunkt des hier zugrundeliegenden Verfahrenshilfeantrags (02.05.2021) noch im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt liegt daher eine relevante Säumnis der belangten Behörde vor. Eine Prüfung der Frage, ob die rechtskräftige Aussetzung des Verfahrens zu Recht erfolgte, war im Rahmen der hier zu beurteilenden Frage nicht anzustellen.

Die diesbezüglich vom ASt gewünschte Rechtsverfolgung ist daher als aussichtslos zu qualifizieren. Ein Verfahrenshilfeantrag zur Setzung aussichtsloser Verfahrensschritte ist aber nicht zu genehmigen, sodass der Antrag ohne weitere Prüfung der finanziellen Voraussetzungen der Verfahrenshilfe abzuweisen war.

Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass im Zusammenhang mit der Prüfung der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung anhand der bestehenden Rechtsprechung Einzelfallumstände zu beurteilen waren, die eine Revisibilität ausschließen.

Schlagworte

Aussetzung offensichtliche Aussichtslosigkeit Säumnis Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W274.2244103.1.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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