TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/4 W129 2207940-3

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Veröffentlicht am 04.10.2021
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Entscheidungsdatum

04.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §46a Abs4

Spruch


W129 2207940-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2021, 1101414507/200476474, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 4 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 09.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.09.2018 in allen Punkten abgewiesen wurde. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass seinem Vorbringen (außereheliche Beziehung zu einer verheirateten Frau) mangels Glaubwürdigkeit keine Asylrelevanz zugebilligt werden könnte, und dass er auch das Bestehen einer realen Gefahr bei einer Rückkehr nicht glaubhaft machen habe können. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2018, L525 2207940-1/6E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde vom 02.10.2018 in allen Punkten abgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer war nach Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet, machte von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch. Ferner wurde ihm mittels Mandatsbescheid aufgetragen, sich ein Reisedokument zu besorgen und wurde gegen ihn eine Wohnsitzauflage erlassen bzw. die Beugehaft angedroht. Dennoch nützte er weder die Frist zur freiwilligen Ausreise noch wirkte er bei der Erlangung eines Reisedokumentes oder Heimreisezertifikates mit.

3. Am 13.08.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag (Konversion/Apostasie), welcher mit Bescheid des BFA vom 04.09.2019, Zl. 1101414507 – 190829082, hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 18.09.2019 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.12.2019 wegen entschiedener Sache abgewiesen. Ein weiteres Einreiseverbot wurde rechtskräftig und der Beschwerdeführer kam der neuerlichen Verpflichtung zur Ausreise erneut nicht nach.

4. Am 20.08.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Duldung, wobei er dem Antrag kein gültiges Reisedokument beilegte. Daraufhin wurde er von der Behörde mittels Verbesserungsauftrag vom 12.10.2020 aufgefordert, ein Reisedokument beizubringen oder den Nachweis zu erbringen, dass ihm die iranische Botschaft trotz aufrechtem Antrag auf Ausstellung eines entsprechenden Dokumentes keinen Reisepass ausstellt.

5. Mit Bescheid des BFA vom 16.03.2021, Zl.: 1101414507/200476474, wurde der Antrag abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zur Einholung eines Reisedokumentes bei seiner zuständigen Botschaft verpflichtet (gewesen), seiner Mitwirkungspflicht jedoch nicht nachgekommen sei. Die Gründe für die Unmöglichkeit der Ausreise würden somit eindeutig in der Sphäre des Beschwerdeführers liegen und seien von ihm zu vertreten. Er sei seiner Ausreiseverpflichtung nämlich seit Jahren nicht nachgekommen, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.

6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 12.04.2021 rechtzeitig Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wegen einer ihm im Iran drohenden Verfolgung an den zur Erlangung eines Reisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitgewirkt habe. Er habe Angst, von der iranischen Botschaft sofort verhaftet zu werden. Aus diesem Grund sei es ihm nicht möglich an der Erlangung eines Reisedokumentes mitzuwirken. Deshalb sei eine Abschiebung aus tatsächlich vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich und ihm eine Karte für Geduldete auszustellen.

7. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 10.05.2021 mitsamt den bezughabenden Verwaltungsakten beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Rahmen einer Stellungnahme wurde ergänzend dazu ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Aussichtslosigkeit etwaiger Bemühungen des Bundesamtes bekannt sei, seine Außerlandesbringung zwangsweise durchzusetzen, wenn er seiner Rückkehrverpflichtung nicht nachkomme. Es würden seitens der iranischen Botschaft nämlich keine zwangsweisen Rückführungen zugelassen bzw. keine Heimreisezertifikate oder Reisedokumente ausgestellt werden, welche der Fremde nicht ausdrücklich wünscht. Der Fremde müsste freiwillig ausreisen. Das Vorbringen eines Fluchtgrundes sei nebensächlich bzw. gar nicht mehr nötig. Es würden daher keine Gründe vorliegen, die eine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen unmöglich machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger, seine Identität steht fest. Er stellte am 09.01.2016 und am 13.08.2019 jeweils Anträge auf internationalen Schutz, welche vom BFA in allen Punkten abgewiesen und die Entscheidungen vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurden. Der Beschwerdeführer konnte mit seinem jeweiligen Vorbringen in beiden Asylverfahren letztlich keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder eine reale Gefährdung bei einer allfälligen Rückkehr glaubhaft machen. Er kam seiner Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes bislang nicht nach.

Am 20.08.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG. Die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran erscheint nicht unmöglich, im Ausland lebenden Staatsangehörigen wird durch die Botschaft seines Heimatstaates auf Wunsch ausnahmslos ein Reisedokument ausgestellt.

Der Beschwerdeführer legte auch keinen Nachweis darüber vor, dass er sich zwecks Ausstellung eines Reisedokuments an die für ihn zuständige Behörde gewandt hat und erbrachte keinen Nachweis darüber, dass ihm dies nicht möglich ist. Vielmehr wird in der Beschwerde ausdrücklich bestätigt, dass er an den notwendigen Schritten zur Erlangung eines Reisedokumentes bislang bewusst nicht mitgewirkt hat. Dieser Umstand war somit ursächlich dafür, dass bislang kein Heimreisezertifikat erlangt werden konnte.

Festgestellt wird daher, dass es allein der Beschwerdeführer zu vertreten hat, dass er bisher keine Ausweise und kein Heimreisezertifikat durch die iranische Botschaft bekommen hat. Er hält sich nach zwei rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahren samt Ausweisungsentscheidung unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungs- und den Gerichtsakt, insbesondere in den gegenständlichen Antrag und die Beschwerde.

Der Beschwerdeführer gab im gegenständlichen Antrag lediglich an, dass die iranische Botschaft ihm keinen Reisepass ausstellen (vgl. Verbesserungsauftrag vom 12.10.2020) und dass dieser Umstand nicht in seiner Sphäre liegen würde. Eine Abschiebung sei daher aus tatsächlich nicht von ihm zu vertretenden Gründen nicht möglich (vgl. Beschwerde vom 12.04.2021). Er legte im gesamten Verfahren aber keine Nachweise vor, dass er sich an die für ihn zuständige Behörde gewandt bzw. welche dahingehenden Schritte er gesetzt hat. Für den Versuch des Beschwerdeführers, sich tatsächlich ein Reisedokument ausstellen zu lassen, finden sich weder im Antrag noch in der Beschwerde Anhaltspunkte. Vielmehr gesteht er in der Beschwerde selbst zu, dass er wegen der im Asylverfahren geltend gemachten Gründe und einer deshalb befürchteten Verfolgung an den zur Erlangung eines Reisedokumentes notwendigen Schritten bewusst nicht mitgewirkt hat. Wie sich jedoch aus den Entscheidungen des BFA und des Bundesverwaltungsgerichtes eindeutig ergibt, wurde seinem diesbezüglichen Vorbringen mangels Glaubwürdigkeit die Asylrelevanz abgesprochen.

Dass der Beschwerdeführer keine Versuche zur Erlangung identitätsbezeugende Dokumente unternommen hat, ergibt sich somit unmissverständlich aus den Ausführungen in der Beschwerdeschrift. Insbesondere aber ergibt sich bisher kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass eine allenfalls vorzunehmende Abschiebung des Beschwerdeführers unmöglich wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Zu A) Abweisung des Antrags auf Ausstellung einer Karte für Geduldete:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2021, lauten:

"Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn

1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;

2. die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;

3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder

4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet."

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1.       die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.       sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.       aufgrund  bestimmter  Tatsachen  zu       befürchten  ist,    sie      würden  ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.       sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

3.1. Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat gemäß § 46 Abs. 2 FPG – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

Das Bundesamt ist gemäß § 46 Abs. 2a FPG jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

Das Gesetz setzt es somit als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. – in dessen Auftrag – der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.

Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).

3.2. Zu überprüfen ist gegenständlich, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint. Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen gemäß § 46a Abs. 3 FPG jedenfalls vor, wenn er seine Identität verschleiert, er einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

3.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht iSd § 46a Abs. 3 Z 3 FPG auszugehen, wenn der Fremde einem Auftrag nach § 46 Abs. 2b FPG nicht nachkommt. Auf dieser Basis ist der gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG gezogene Schluss, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, allerdings vom Fremden zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, sodass die Voraussetzungen der Duldung nach dieser Gesetzesstelle nicht weiter vorliegen, vertretbar (vgl. VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0073).

Dass eine kausale Verknüpfung zwischen den in § 46a Abs. 3 FrPolG angeführten Handlungen bzw. Unterlassungen mit den Gründen für die Unmöglichkeit der Abschiebung bestehen muss, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 46a Abs. 1 Z 3 iVm dem Einleitungssatz des Abs. 3. (vgl. ErläutRV zum FrÄG 2011 (1078 BlgNR 24. GP 27)). Nach diesen Materialien soll die Duldung nicht eintreten können, wenn die Unabschiebbarkeit deshalb eintritt, weil der Fremde nicht im erforderlichen Ausmaß am Verfahren, etwa zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, mitwirkt (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0078 mwN).

3.4. Dem BFA ist vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen im Ergebnis zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer an den notwendigen Schritten zur Erlangung eines (Ersatz-) Reisedokumentes nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit mitgewirkt hat. Immerhin hat er in der Beschwerdeschrift letztlich sogar selbst zugegeben, dass er an den zur Erlangung eines Reisedokumentes notwendigen Schritten bewusst nicht mitgewirkt hat (vgl. Beschwerde vom 12.04.2021). Insbesondere aber besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass eine allenfalls erforderlich werdende Abschiebung aus tatsächlichen, vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint. Wie sich nämlich aus dem Amtswissen der belangten Behörde sowie auch des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt, stellt die iranische Botschaft im Ausland lebenden Staatsbürgern auf Wunsch ausnahmslos ein Reisedokument aus.

3.5. Vor diesem Hintergrund hat der Beschwerdeführer die Gründe, warum seine Abschiebung bislang nicht erfolgt ist, selbst zu vertreten und war sein Aufenthalt nicht iSd. § 46a Abs. 1 Z 3 FPG zu dulden und ihm auch keine Karte für Geduldete gemäß Abs. 4 leg. cit. auszustellen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.


Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Antragseinbringung Karte für Geduldete mangelnder Anknüpfungspunkt Reisedokument Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2207940.3.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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