TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/18 L518 2159295-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2021
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Entscheidungsdatum

18.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L518 2159301-1/38E
L518 2159297-1/21E
L518 2159292-1/12E

L518 2159295-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , XXXX (alias XXXX ) , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. ASERBAIDSCHAN, die minderjährigen bP vertreten durch XXXX , alle vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2017, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.10.2021 zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. ASERBAIDSCHAN, die minderjährigen bP vertreten durch XXXX , alle vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2017, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.10.2021 den Beschluss gefasst:

A) II. Der Antrag, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP4“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 02.09.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und Eltern der minderjährigen bP 3 und 4.

Da die bP 1 sich am XXXX .2015 bei der Deutschen Botschaft in Baku ein Visum-C ausstellen hat lassen, wurde am XXXX .2015 im Rahmen der Dublin-Verordnung eine Konsultation mit Deutschland durchgeführt, am XXXX .2015 aber die Verfahren mit dem Vermerk „Kein Dublin-Verfahren möglich“ zugelassen. Im Fall der bP 2-4 konnten wegen der falschen Identitätsangaben (Geburtsdaten bzw. leicht veränderte Namen) vorerst keine Visa gefunden werden, wobei tatsächlich später festgestellt werden konnte, dass die bP 2-4 ebenfalls über Schengen Visa der deutschen Botschaft vom XXXX .2018 verfügten.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 im Wesentlichen Folgendes vor:

„Ich bin Anhänger der Oppositionspartei namens Musavat. Meine Freunde, die auch Anhänger dieser Partei waren, wurden verhaftet. Als ich mit meinen Freunden an Demonstrationen teilnahm, wurden wir geschlagen. Meine Kinder durften nicht zur Schule, mein jüngster Sohn ging gar nicht zur Schule. Er weinte, weil er nicht durfte. Mein Bruder XXXX ist nach einem Abendessen in einem Lokal ins Krankenhaus gekommen. Er hatte starke Magenschmerzen, wir vermuten, dass er vom Staat vergiftet wurde. Er war 1 Monat stationär in Behandlung, da sich sein Zustand nicht besserte, ließen wir ihn in die Türkei verlegen, dort wurde behauptet, dass er mit falschen Medikamenten versorgt und unnötig operiert wurde. Er wurde am XXXX 2015 in die Türkei verlegt. Das Krankenhaus hieß XXXX ). Am XXXX .2015 ist er dann verstorben. Mein Bruder hat unsere Partei finanziell unterstützt. Ich wurde von Staatsmännern mit dem Umbringen meiner Kinder bedroht. Ich hatte einen Grund im Wert von 120.000 Euro. Ein Mann namens XXXX baute eine Mauer auf meinem Grundstück und behauptete, dass diese Fläche XXXX , dem Bruder des XXXX , gehöre. Diese Vorfälle begannen vor fast 1 Jahr. Unser Haus wurde gestürmt und durchsucht. Das Grundbuch wurde mir weggenommen. Ich wurde geschlagen, sodass Folterspuren an meinem Körper noch sichtbar sind. Sie wollten mich zu einer Unterschrift für die Schenkung des Grundes nötigen. Ich habe aber nicht unterschrieben. Ich konnte diese Zustände nicht mehr ertragen, außerdem hätten sie meine Kinder umgebracht. Das sind meine Fluchtgründe.“

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 2 befragt zu den Fluchtgründen Folgendes vor:

„Aufgrund der politischen Probleme meines Gatten. Er nahm an Meetings und Demonstrationen teil. Daraufhin wurde er geschlagen. Wir wurden auch genötigt, dass wir unseren Grund herschenken. Sie nötigten meinen Gatten, damit er die Schenkung des Grundes unterschreibt. Es hieß, dass unser Grund XXXX gehört, seine Männer haben auf uns Druck ausgeübt. Wir wurden wegen der Unterschrift mit dem Umbringen bedroht. Wir versteckten uns bei meiner Schwester für 1 Woche. Wir wurden auch mit dem Umbringen meiner Kinder bedroht. Wir können in Aserbaidschan nicht mehr in Frieden leben, deshalb sind wir geflüchtet. Ich konnte meine Kinder nicht in den Kindergarten oder in die Schule schicken, es wurde uns verboten.

I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP 1 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

(…)

LA: Wie verstehen Sie die anwesende Dolmetscherin?

VP: Sehr gut (auf Deutsch).

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ja.

LA: Sind Sie oder Ihre mitgereisten Angehörigen je von einer gerichtlichen Untersuchung oder einem Gerichtsverfahren oder einer (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

VP: Nein weder noch. Ich hatte außer in Zusammenhang mit meinem Asylverfahren weder mit der Polizei noch den Gerichten bzw. noch mit anderen Behörden zu tun.

LA: Sie haben bis dato keine Identitätsdokumente vorgelegt und hätten durchaus welche mitnehmen können oder sich beschaffen! Können Sie nun Beweismittel zu Ihrer Identität vorlegen? ANM.: VP wird aufgefordert ihre Beweismittel vorzulegen.

VP: Ich habe meine Heiratsurkunde ( XXXX , Standesamt), Geburtsurkunde (ohne Bild), Wehrdienstbuch mit Einlage des Militärkrankenhaus-Protokolls über Verletzung ( XXXX in Russisch), und einen Parteiausweis mit (zum Akt). Meinen Führerschein habe ich in Aserbaidschan gelassen.

LA: Nennen Sie Ihren vollständigen Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort und Ihre Staatszugehörigkeit (VP wird auch aufgefordert, diese Angaben auf ein Blatt Papier zu schreiben, dieses wird zum Akt genommen).

VP: Mein Name XXXX geboren und Staatsangehöriger von Aserbaidschan.

LA: Woher haben Sie jetzt Ihre Dokumente?

VP: Ich habe mich mit meiner Partei in Verbindung gesetzt, und sie haben sie mir vor 2 Tagen mit einem Touristen mitgeschickt.

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Ich bin Azeri und Moslem.

LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

VP: Ich habe Rückenschmerzen durch Nervenprobleme. Weiter habe ich Kopfschmerzen und schwitze sehr oft an Händen und Kopf. Ich habe Gedächtnisprobleme. Wenn ich aggressiv werde, kann ich mich eine Stunde später nicht mehr an den Grund erinnern. Das kommt alles von dem Schädel-Hirn-Trauma während meiner Militärzeit. Ich habe eine Arztbestätigung für den XXXX mit ( XXXX .1993 im Militärkrankenhaus stationär behandelt). Die Rückenprobleme kommen vom Geschlagenwerden mit Gummiknüppeln. Ich wurde lange Zeit im Kofferraum eines Fahrzeuges angehalten. Seit 20 Tagen habe ich an den linken Zehen kein Gefühl, ich muss einen Stützgurt um den Rücken tragen).

LA: Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

VP: Ich war ich am 08.12.2015 und am 20.12.2015 in der Orthopädie-Notaufnahme in XXXX . Am 01.03.2016 hatte ich eine CT- der Wirbelsäule (zum Akt), aufgrund dessen bekomme ich physikalische Behandlungen.

LA: Haben Sie in Österreich andere Verwandte als Ihre mitgereiste Frau und die Kinder?

VP: Nein.

LA: Sprechen Sie Deutsch?

VP: Ich verstehe es.

ANM: Die VP wird vom Dolmetscher nach Namen/Geburtsdatum der Eltern und Geschwister befragt. Die Angaben werden mit jenen der Erstbefragung verglichen.

Es ergaben sich folgende geringfügige Änderungen bzw. Ergänzungen: Vater XXXX 2012 verstorben.

LA: Wo genau halten sich Ihre Angehörigen aktuell auf?

VP: Meine Mutter wohnt mit meinem Bruder XXXX und seiner Familie in meinem Haus im Dorf XXXX .

LA: Haben Sie noch andere Kinder außer XXXX ? Wenn ja, wie viele?

VP: Nein.

LA: Haben Sie noch eine Zweitfrau?

VP: Nein.

LA: Haben Sie Halbgeschwister?

VP: Nein.

LA: Wo haben Sie im Heimatland gelebt? Nennen Sie die Adresse.

VP: Ich habe einige Jahre von 2002 – zur Ausreise in Baku gelebt und bin fünfmal umgezogen. Die letzte Adresse war XXXX , da lebte ich ein paar Jahre. Vor 2002 lebte ich in dem Haus, wo jetzt meine Mutter lebt. 6 Jahre lang war ich bei meinen Brüdern in Kasachstan. Nachgefragt – 01 1994 – Winter 1999.

LA: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?

VP: Gestern mit einem Parteikollegen, telefonisch. Nachgefragt – ich habe aufgrund der Parteizugehörigkeit keinen Kontakt zu meinen Brüdern. Mit meiner Mutter habe ich vor ca. 6 Monaten Kontakt gehabt. Sie ist ca. 80 Jahre alt, ich kann sie aber nicht anrufen, weil es erstens sehr teuer ist und ich zweitens Angst habe, dass die Telefone abgehört werden. Mein Bruder Faik ist Lehrer und würde dann sofort entlassen werden.

LA: Welche Ausbildung haben Sie im Detail absolviert? Welchen Beruf?

VP: 10 Jahre Schule, gleichzeitig habe ich eine Mechanikerausbildung genossen. Danach hatte ich 2 Autowerkstätten, zuerst eine in XXXX , danach diese geschlossen und 2 in Baku eröffnet. Zusätzlich habe ich auch noch mit Autos gehandelt.

LA: Haben Sie im Herkunftsland oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

VP: Nein.

LA: Besteht ein offizieller Haftbefehl gegen Sie im Heimatland?

VP: Ja. Nachgefragt – ich habe zwei Vorladungen von der Polizei (zum Akt).

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig?

VP: Ja. Nachgefragt – 2000 – 2003 war ich Sympathisant der Musavat Partei, aber kein eingetragenes Mitglied. 1993 – 1994 habe ich die Oppositionelle Volksfront unterstützt. 2003 bis jetzt war bzw. bin ich registriertes Mitglied der Aserbaidschanischen Demokratischen Partei, ich bin ein sehr aktives Mitglied. Ich habe Demonstrationen organisiert, habe versucht für meine Partei Propaganda zu machen, um mehr Leute anzuwerben.

LA: Wie konnten Sie die Reise nach Europa finanzieren?

VP: Ich hatte Ersparnisse.

LA: Warum haben Sie nicht in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt? Sie waren ja bereits in der Ukraine und in Polen sicher! Warum sind Sie weiter gereist?

VP: Mir wurde Österreich durch einige Parteikollegen empfohlen. Außerdem wussten wir am Anfang nicht, in welchem Land wir angekommen waren.

LA: Würden Sie nun bitte alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung hier in Österreich ausführlich darlegen? Versuchen Sie Ihre Gründe nach Möglichkeit so zu erzählen, dass diese für eine unbeteiligte Person auch zu verstehen sind. Was ist alles passiert? Was haben Sie alles erlebt, gesehen, gedacht, befürchtet usw.? Warum konnten oder wollten Sie nicht mehr in der Heimat bleiben?

VP: Erstens einmal möchte ich angeben, dass wir ein als einfaches Volk und Parteiangehörige die heutigen Machthaber nicht akzeptieren. Es gibt neben der Korruption noch sehr viele Ungerechtigkeiten. Am XXXX .2003 gab es eine Demonstration in Baku. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon aktives Mitglied. Der Gründer und damalige Vorsitzende Resul GULIYEV (1991 in Nachtschewan gegründet) der Demokratischen Partei Aserbaidschan lebt jetzt in den USA als Flüchtling. Bereits zu diesem Zeitpunkt war GULIYEV in den USA, das Motto der Demo war die Wahrung der Rechte von GULIYEV. Wie immer wurde diese Demo von der Polizei in barbarischer Art und Weise gestürmt. Ich wurde mit mehreren anderen von der Polizei mitgenommen und wurde 7 Tage lang bei der Polizeidienststelle angehalten. Während dieser Zeit wurde ich zum ersten Mal gefoltert. Im August 2003 haben wir aus demselben Grund wieder in Baku eine Demonstration, wieder am XXXX -Platz, veranstaltet. Die Demo wurde wieder gestürmt. Dieses Mal wurde ich 10 Tage bei der Polizei festgehalten und gefoltert. Von dieser Anhaltung habe ich mehrere Narben an beiden Unterarmen. Es wurden daran Zigaretten ausgedämpft. Mir wurde immer wieder gesagt, Du wirst den Namen Resul GULIYEV nicht mehr in den Mund nehmen. Im Oktober 2003 waren die Präsidentschaftswahlen. Wir als Partei haben den neuen Vorsitzenden der Partei mit dem Vornamen Serdar (VP denkt nach), Familienname MEMMEDOV, als Präsidentschaftskandidaten nominiert. Die Wahlen hat natürlich Ilham ALIYEV gewonnen. Es war wie immer wieder Wahlbetrug. Die Wahlen waren am 15.10. Am 16.10.2003 gab es eine große Demonstration. Der Freiheitsplatz in Baku war voll mit Demonstranten, weil diese Demo von allen oppositionellen Parteien zusammen veranstaltet wurde. Normalerweise hätte der Vorsitzende der größten oppositionellen Partei MUSAVAT mit ca. 47% die Wahlen gewonnen, Ilham hatte nur ca. 27% der Stimmen. Ein Fernsehkanal ANS hat irrtümlich einmal die normalen Wahlergebnisse gleich nach den Wahlen durchgegeben. Anschließend hat der Fernsehkanal gesagt, das war ein Irrtum, hat die Ergebnisse zurückgenommen und neue veröffentlicht. Bei der Demonstration habe ich mich zum ersten Mal geschämt ein Aserbaidschaner zu sein. Ich wurde – so wie auch viele andere Demonstranten – noch am Freiheitsplatz sehr stark verprügelt. Es war nicht nur die Polizei im Einsatz, sondern auch die Streitkräfte, und auch zivile Kräfte. Es wurden sogar Menschen, die ohnmächtig am Boden lagen, mit Gummiknüppel geschlagen. Dort wurde mir ein Zahn ausgeschlagen. Man sieht an der linken Seite der Oberlippe eine Narbe. Auch an diesem Tag wurde ich mitgenommen und 10 Tage lang festgehalten. 2014 und 2015 gab es Demonstrationen unserer Partei gegen „Plünderung des Landes“. 2014 war ich 15 Tage lang und 2015 20 Tage lang festgenommen, wenn ich mich nicht irre. Bei beiden Malen wurde ich gefoltert. 2014 wurde ich 10 Tage davon in einem Raum festgehalten, in dem ungefähr 10 cm Wasser am Boden war. Nachgefragt – ich weiß nicht, ob das Sommer war – nein, es war Winter, weil das Wasser auch sehr kalt war. Auch 2015 wurde ich während der 20tägigen Anhaltung beschimpft, erniedrigt und auch geschlagen, das war im Mai 2015. Das stimmt nicht, sie haben es falsch geschrieben. Das erste Mal wurde ich von der Straße aus mitgenommen, beim zweiten Mal – das war im April 2015 – wurde ich von der Demo aus mitgenommen und musste 20 Tage lang in Haft sein. 2014 war das Motto „Freiheit für politische Gefangene“. Das Motto 2015 bei beiden Demos war gegen „Plünderung des Landes“. Bei einer Demonstration im Mai 2015 stürmte wieder die Polizei. Die Demonstranten und auch ich darunter wurden von der Polizei und auch Zivilen zu Polizeidienststelle mitgenommen. Dort haben sie uns nach russischer KGB-Methode gefoltert. Dort wurde mir mit einer langen Haftzeit gedroht. Auch drohten sie mir, sie setzen mich auf Flaschen und nehmen das Ganze auf und veröffentlichen es in YouTube, wenn ich nicht den Kontakt zu meiner Partei abbreche. Sie auch haben auch auf meinen Kopf gepinkelt. Wenn wir durstig waren, gaben sie uns ihren Harn zu trinken (VP hat Tränen in den Augen). Sie haben uns beschimpft und erniedrigt, die Beschimpfungen waren auch gegen Frau und Mutter. Freigelassen wurde ich jedes Mal (auch schon 2003) so, dass es spät in der Nacht oder den frühen Morgenstunden war. Sie haben mich geschlagen und aus dem Fahrzeug gestoßen. Nachgefragt – von zivilen Personen. Ich musste während meiner Anhaltung im Mai 2015, das waren nur einige Stunden, eine Blanko-Unterschrift leisten. Sie haben gesagt, es würden Vorfälle in Verbindung mit Nardaran passieren. Ich solle dabei sein und demolieren. Nachgefragt – Nardaran ist ein Dorf, ca. 8 km von Baku entfernt. Dort gibt es eine Moschee. Ich sollte mich verpflichten diese Moschee zu demolieren. Der Geistliche heißt Haci Talih, er ist ein religiöser Oppositioneller der heutigen Regierung. Das ganze Dorf Nardaran steht hinter ihm. Diese Vorfälle fanden zwar statt, aber ich war nicht mehr in Aserbaidschan. Ich bin vorher geflüchtet. Ich sollte in dieser Moschee auch eine Bombe legen. Weil ich mich nicht an mein Versprechen hielt, kamen sie sehr oft zu uns nach Hause. Wir waren aber bereits untergetaucht. Meine Frau und die Kinder waren zu Hause und es kamen zwei Ladungen der Polizei. Nachdem diese gekommen waren, kam ich gar nicht mehr nach Hause. Auch meine Frau hat sich danach bei ihrer Schwester und an anderen Adressen versteckt. Am XXXX .2015 sind wir von Baku nach Nachtschewan geflogen. Ich habe mich in meinem Elternhaus, meine Frau sich in ihrem Elternhaus, versteckt. Die Kinder waren meistens bei meiner Frau. Es gibt mit der Türkei schon seit den 40er Jahren ein Abkommen, dass alle, die mit Haftbefehl gesucht werden, an Aserbaidschan ausgeliefert werden müssen. Aus diesem Grund mussten wir die Türkei meiden. Wir kehrten nach Baku zurück und flüchteten über Russland nach Europa.

LA: Was haben Sie da noch mit?

VP: Ich habe gemeinsam mit den Dokumenten auch 2 Gerichtsurteile geschickt bekommen (Anm.: zum Akt).

Kurze Pause 11:40 – 11:45

LA: Warum sollten gerade Sie in Nardaran demolieren?

VP: Haci Talih spricht immer gegen den Staat, der Staat mag ihn nicht. Ich sollte dort mit einer Bombe oder in anderer Weise die Moschee demolieren, sollte Waffen in der Moschee verstecken, damit der Staat einen Grund hat den Haci Talih festzunehmen. Nachgefragt – bei der letzten Festnahme hat man mir vorgeschlagen, an der Seite der Regierung zu stehen. Dafür boten sie mir auch Geld an und versprachen mir, dass ich auch keine Probleme mehr mit dem Staat haben würde. Sie haben auch versprochen, dass meine Kinder auch den Kindergarten besuchen würden, meine Frau wieder als Juristin arbeiten könnte. Und ich habe mich mit der Blankounterschrift damit einverstanden erklärt.

LA: Wie hätten Sie zu einer Bombe oder Waffen kommen sollen?

VP: Nicht ich hätte diese finden müssen, sondern sie hätten sie mir gegeben. Nachgefragt – Zeitpunkt war noch keiner vereinbart, aber nachdem ich freigelassen worden war, konnten sie mich nicht finden. Sie haben gesagt, sie würden sich bei mir melden.

LA: Wann und wie kamen Sie in Kontakt mit der Partei?

VP: Die demokratische Partei ist die Partei von Nachtschewan, den Gründer schätzte ich sehr. Ich hatte einen Freund namens XXXX , durch den ich zu dieser Partei kam. Er wurde 2008 vom Staat entführt. Er war 20 Tage lang verschwunden. Als er wieder auftauchte, musste er alle Kontakte zur Partei abbrechen, weil er auch – so wie ich auch – eine Blankounterschrift geleistet hatte. XXXX und auch andere haben mich zur Partei gebracht. Ich habe immer ferngesehen. Ich kannte GULIYEV vom Sehen seit meiner Kindheit. Die Dokumente habe ich auch mithilfe von XXXX bekommen.

LA: Wie wurden Sie Mitglied bei der Partei?

VP: Ich musste meinen Personalausweis vorlegen. Detailliert weiß ich nicht, weil Faik alles für mich erledigt hat. Anfang 2003 füllte ich ein Formular aus und stellte einen Antrag an die Partei. 4 Fotos gab ich ab, obwohl ich glaube, dass man nur 2 benötigt hätte. Ich habe 5 – 7 Monate gewartet. In der Zwischenzeit war ich immer mit Faik in Kontakt. Er sagte mir dann, dass mein Parteiausweis vorliegt und brachte mir dann persönlich den Ausweis. Nachgefragt – der Schlepper hat uns alle Dokumente und auch den Goldring und die Ohrringe meiner Frau weggenommen.

LA: Was war Ihre Aufgabe als Mitglied der Partei?

VP: Vor den Demonstrationen habe ich vor den Schulen an die Eltern Flugblätter verteilt. Vor den Präsidentschaftswahlen habe ich von unserem Kandidaten Bilder aufgehängt. Einmal wurde ich dabei sogar geschlagen von Zivilgekleideten, sie haben auch die Plakate zerrissen. Ich habe den Demonstranten gesagt, welche Parolen wir rufen. Ich habe sie ermutigt, an der Demonstration teilzunehmen und keine Angst vor der Polizei zu haben. Es gibt ein Stadion im XXXX . Dort haben wir viele Demonstrationen veranstaltet. Nach 2003 hat uns der Staat nicht erlaubt, dort Demonstrationen zu veranstalten. Ich habe jedes Mal dafür gesorgt, dass die Demonstranten nicht zu schnell aus Angst vor der Polizei die Demo verlassen, und dass unser Demonstration ihr ziel erreicht.

LA: Wo befindet sich das Parteilokal in Bezug auf Ihr Haus?

VP: Die Partei wurde in Nachtschewan gegründet, zurzeit gibt es aber dort kein Lokal. Ich kenne nur das Parteilokal in Baku. Die Adresse ist Esref Elizade Str. 13. Ein zweistöckiges Haus. Nachgefragt – ich bin immer mit dem Auto gefahren. Mein Bezirk ist XXXX . Die Mietwohnung war 200 Meter von der XXXX entfernt. Von mir fuhr ich 2 Minuten über eine Brücke geradeaus. Vor der Brücke gibt es rechts eine XXXX Tankstelle. Nach der Tankstelle nach rechts, über die Brücke, unten weiter in die XXXX Straße. Geradeaus, ein bisschen rechts, eine Unterführung, dann 100 – 150 m geradeaus, dann nach links, dann ist der XXXX , ein Marktplatz. Hinter diesem ist das Parteigebäude.

LA: Wann und wo haben Sie 2015 genau demonstriert?

VP: Die erste war im Stadion, das war im April, ich glaube am XXXX .2015 war sie auch im Stadion. Nachgefragt – ich meinte vorher, es wird NUR mehr im Stadion erlaubt zu demonstrieren.

LA: Wie viele Leute waren bei diesen Demonstrationen?

VP: Das weiß ich nicht. Nachgefragt – 1500, 3000, ich weiß es nicht. Es könnten auch 5000 gewesen sein. Aber beide Demos waren sehr gut besucht.

LA: Mit wem gingen Sie zu den Demonstrationen?

VP: Ich ging mit Freunden hin, ich will aber deren Namen nicht sagen. Nachgefragt – sowohl enge Freunde als auch nur Parteikollegen.

Kurze Pause von 12:35 – 12:45

LA: Wie kamen die Demonstrationen zustande, wie erfuhren die Leute davon?

VP: Über Facebook und durch heimliche Telefonate. Es gibt da keine Probleme, weil das alles erlaubte Demonstrationen sind. Wir haben auch die Leute öffentlich verständigt. Nachgefragt – meine Freunde und ich haben uns gegenseitig verständigt.

LA: Wo wurden Sie während der Anhaltungen hingebracht?

VP: Bei der ersten zur Polizeidienststelle in XXXX , beim zweiten Mal zur Polizeidienststelle im XXXX . Es kann aber sein, dass ich mich irre. Es kann sein, dass es umgekehrt ist.

LA: Wann war der Vorfall, wo Sie längere Zeit in einem „Kofferraum“ angehalten worden waren?

VP: Das war bei der Demonstration im April 2015. Man hat mich in den Kofferraum von zivilen Sicherheitsbeamten hineingesteckt und dann den Deckel zugeworfen. Bei diesen Sicherheitsbeamten geht es um verurteilte, kriminelle Straftäter, die vom Staat für solche Aufgaben eingesetzt werden. Zwei haben mich an den Armen gepackt und hineingeworfen.

LA: Wie ging es dann weiter?

VP: Sie brachten mich zu einem Gebäude. Das war bei dem letzten Mal. Nachgefragt – Nein, das war doch beim vorletzten Mal im April. Sie brachten mich zur Polizeidienststelle in XXXX . Dort haben sie mich gefoltert und 20 Tage lang festgehalten. Nachgefragt – das waren alles die Zivilen. Die Polizisten beschimpfen einen dort, die Zivilen foltern.

LA: Erzählen Sie, was Ihnen bei diesem Vorfall geschah?

VP: Ich wurde geschlagen, beschimpft und erniedrigt. Nachgefragt – beschimpft und mit Fußtritten wurde ich einmal ins Gebäude gebracht. Dann haben sie mich geschlagen und währenddessen immer wieder gefragt, warum wir Demonstrationen veranstalten, warum wir gegen Alyev vorgehen usw. Nachgefragt – 3 Tage wird man geschlagen, dann wieder einen Tag Pause, das ist willkürlich. Nachgefragt – wenn man mich 20 Tage durchgehend geschlagen hätte, wäre ich jetzt tot. Ich wurde aber sehr viel geschlagen.

LA: Sie sollen bitte genau erzählen, was Ihnen dabei geschah. Nicht irgendjemandem, sondern Ihnen. Und bitte so, wie es passierte!

VP: Sie sind jedes Mal zu zweit oder zu dritt in die Zelle, nachgefragt – Einzelzelle, gekommen. Sie haben mich mit Gummiknüppeln geschlagen. Jedes Mal, wenn ich nach Wasser verlangte, wurde ich auch wieder geschlagen. Wenn sie Wasser brachten, spuckten sie hinein. Wenn ich nach Essen verlangte, haben sie mich beschimpft. Sie sagten, ob ich auch Kot essen würde, wenn sie ihn mir servierten. Ab und zu habe ich etwas zu essen bekommen, das wie Hundefutter aussah. Als ich eingeschlafen war, kamen sie hinein und gaben mir Fußtritte und fragten mich, warum ich schlafe. Sie haben mir nicht erlaubt auf die Toilette zu gehen. Ich musste meine Notdurft in der Zelle verrichten. Sie haben mich gezwungen mit meiner Kleidung bzw. meinem Unterhemd den Harn oder Kot am Boden zu reinigen. Ich durfte mich nicht waschen. Sie haben mir einen Eimer für die Notdurft gegeben. Eine Woche lang musste der volle Eimer neben mir stehen, ich durfte ihn nicht ausleeren. Nachgefragt – es war Willkür, wann sie mir den Eimer brachten. Manchmal musste ich am Boden in der Zelle machen, manchmal in den Eimer. Nachgefragt – am 5. oder 6. Tag brachten sie ihn und ließen ihn 1 Woche stehen. Ganz am Anfang gab es den Eimer. Nachdem ich einige Male meine Notdurft in den Eimer verrichtet habe, haben sie mir befohlen diesen wegzubringen und diesen zu reinigen. Dann haben sie mir einige Zeit nicht mehr erlaubt den Eimer mitzunehmen, ich musste die Notdurft am Boden verrichten. Nachgefragt – meine Zelle befand sich im Keller, dort gab es auch eine Toilette am Ende des Ganges.

LA: Wie oft durften bzw. mussten Sie in dieser Zeit die Zelle verlassen?

VP: 3 – 4 Mal, um den Eimer zu leeren. Nachgefragt – sonst nicht, auch nicht zu Verhören.

LA: Wie lange dauerte die Fahrt, bei der sie im Kofferraum waren?

VP: Ca. 20 Minuten, halbe Stunde.

LA: Wie lange waren Sie bei der Anhaltung nach der Demo am XXXX .2015 inhaftiert?

VP: Damals wurde ich nicht für längere Zeit inhaftiert, das war kein Tag. Nachgefragt – man hat mich in den Abendstunden festgenommen. Bei uns geht die Sonne um 21 Uhr unter, und gegen 4 Uhr in der Früh haben sie mich wieder freigelassen.

LA: Wurde (nach Ihrer Ausreise) nach Ihnen gesucht?

VP: Ja. Nachgefragt – ich habe von der Partei davon gehört. Nachgefragt – Vor einer Woche oder 10 Tage habe ich erfahren, dass die Polizei immer wieder nach mir fragt. Sie haben gehört, dass die Polizei an meiner letzten Adresse gewesen ist.

LA: Aus welchem Grund suchte die Polizei ausgerechnet nach Ihnen und nicht auch nach Ihren Parteikollegen?

VP: Das weiß ich nicht. Nachgefragt – ich weiß das wirklich nicht, das muss man die Polizei fragen.

LA: Hatten Ihre Geschwister und Ihre Mutter Ihretwegen irgendwelche Probleme?

VP: Nein, weil ich aufgrund meiner Parteiangehörigkeit mit meinen Brüdern keinen Kontakt mehr habe. Meine Brüder haben mir vorgeworfen, dass ich der Grund dafür bin, dass ihre Kinder keine Arbeit finden und die Zukunft ihrer Kinder meinetwegen beeinträchtigt ist. Das ist das System. Nachgefragt – die Kinder haben nach wie vor Probleme, sowohl meinetwegen als auch wegen der Korruption eine Arbeit zu finden.

LA: Wofür brauchten Sie es und wie kamen Sie zu Ihrem Schengener-Staaten-Visum?

VP: Das ist schon lange her. Weil ich Autohändler war habe ich aus Deutschland einige Male Autos geholt. 2004, 2005 und 2013 oder 2014. Nachgefragt – das Visum vom XXXX .2015 war, um nach Österreich zu flüchten. Ich habe es selbst beantragt. Nachgefragt – ich habe das über andere Personen gemacht.

LA: Erzählen Sie, wie Sie dazu kamen!

VP: Ich bin selber zum deutschen Konsulat gegangen, habe einen Antrag gestellt. Ich weiß nicht, wie lange ich darauf warten musste, aber ich habe ein Visum bekommen. Nachgefragt – ich weiß auch nicht mehr, wann ich auf die Botschaft ging. Ich habe Gedächtnisprobleme. Nachgefragt – ich habe nur für mich eines beantragt. Für Frau und Kinder weiß ich nichts.

LA: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass Sie die Wahrheit sagen müssen. Es ist nicht von Vorteil, wenn Sie irgendwelche Geschichten vorbringen, die Sie nicht persönlich erlebt haben. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder etwas sonst Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

VP: Ich bin im Moment sehr durcheinander, kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich habe Magen- und Kopfschmerzen, mir fällt nichts mehr ein. In unseren Gefängnissen werden mehrere Häftlinge getötete, indem sie geschlagen werden. Sie haben mir öfter gedroht, mich und meine Kinder umzubringen. Sie haben auch meine Frau geschlagen. Meine Frau erlitt eine Fehlgeburt. Zivile Männer waren bei uns zu Hause, als ich nicht mehr zu Hause war. Meine Frau wollte den Müll raustragen. In diesem Moment kamen zwei Männer in die Wohnung und durchsuchten alles. In der Nacht, als ich nach Hause kam, erzählte mir meine Frau davon. Sie rief mich zwar vorher an und sagte, ich solle schnell nach Hause kommen, erzählte mir aber erst am Abend davon. Sie hatte noch am selben Tag Blutungen. Einige Tage später ging sie in die Klinik in unserer Gegend und bekam eine Curettage. Einmal wurde mir in mein Ohrläppchen geschnitten. Meiner Frau brachen sie mir die Nase. Nachgefragt – 2012 war das mit meinem Ohr, 2008 wurde meiner Frau die Nase gebrochen, unser ältester Sohn war 3 – 3,5 Monate alt.

LA: Theoretisch, was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten?

VP: Es geht um mein Leben und auch das Leben meiner Kinder ist in Gefahr. Man würde mich nicht am Leben lassen.

LA: Hätten Sie die Möglichkeit gehabt, sich im Heimatland wo anders – z.B. in ein anderes Gebiet – hinzubegeben, um sich den angegebenen Übergriffen / Problemen / Schwierigkeiten zu entziehen, bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht oder bestünde diese Möglichkeit jetzt?

VP: Sie würden mich überall in Aserbaidschan finden, und das würde meinen Tod bedeuten.

LA: Auf die Vertraulichkeit der von Ihnen angegebenen Daten wird nochmals hingewiesen. Sind Sie damit einverstanden, dass Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden? Es werden keine persönlichen Daten an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergegeben.

VP: Keine Einwände.

LÄNDERFESTSTELLUNGEN:

Anmerkung: Mit Ihnen wird nunmehr erörtert, auf welcher Basis und unter Zugrundelegung welcher Länderfeststellungen das BFA in Ihrem Fall zur Entscheidung gelangen wird. Sie haben die Möglichkeit, im Anschluss dazu Stellung zu nehmen. Diese Feststellungen werden Ihnen ausgefolgt und Sie haben die Möglichkeit binnen einer Frist von einer Woche eine Stellungnahme einbringen. Die auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat stützenden Aussagen basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

VP: Ich möchte das und bestätige hiermit die Übernahme der genannten Feststellungen und die mir eingeräumte Frist von 1 Woche.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen oder gibt es zur Einvernahme selbst irgendwelche Einwände?

VP: Ich bin im Moment so verwirrt, dass ich nicht weiß, ob ich alles gesagt habe. Ich habe sehr starke Nervenschmerzen am Rücken. Gegen die Einvernahme habe ich keine Einwände. Ich habe auch noch eine Bestätigung der demokratischen Partei mit (zum Akt).

LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

VP: Ich hatte zwar eine Schwierigkeit, bei der Wegbeschreibung konnte ich die Strecke nicht gut angeben. Es lag aber nicht an der Sprache. Nachgefragt – ich habe die Dolmetscherin sehr gut verstanden.

(…)

Vor der belangten Behörde brachte die bP 2 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

(…)

LA: Wie verstehen Sie die anwesende Dolmetscherin?

VP: Sehr gut (auf Deutsch).

LA: Sie vertreten Ihre Kinder. Haben die Kinder eigene Fluchtgründe, besteht für sie eine eigene Gefährdung bei einer eventuellen Rückkehr, oder dieselbe wie für Sie?

VP: Meine Kinder haben dieselben Fluchtgründe wie ich, ebenso besteht für sie dieselbe Rückkehrgefährdung.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ja, bis auf mein Geburtsdatum.

LA: Sind Sie oder Ihre mitgereisten Angehörigen je von einer gerichtlichen Untersuchung oder einem Gerichtsverfahren oder einer (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

VP: Nein weder noch. Ich hatte außer in Zusammenhang mit meinem Asylverfahren weder mit der Polizei noch den Gerichten bzw. noch mit anderen Behörden zu tun.

LA: Sie haben bis dato keine Identitätsdokumente vorgelegt und hätten durchaus welche mitnehmen können oder sich beschaffen! Können Sie nun Beweismittel zu Ihrer Identität vorlegen? ANM.: VP wird aufgefordert ihre Beweismittel vorzulegen.

VP: Ich habe jetzt die Geburtsurkunden der Kinder und mein Universitätsdiplom mit (zum Akt).

LA: Nennen Sie Ihren vollständigen Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort und Ihre Staatszugehörigkeit (VP wird auch aufgefordert, diese Angaben auf ein Blatt Papier zu schreiben, dieses wird zum Akt genommen).

VP: Mein Name ist XXXX .1988 in XXXX , Dorf XXXX , geboren und Staatsangehörige von Aserbaidschan. (Anm.: Daten werden in IFA ausgebessert, Karte bestellt, wird zugesandt).

LA: Woher haben Sie jetzt Ihre Dokumente?

VP: Die Geburtsurkunden der Kinder wurden per Post geschickt, ich weiß nicht von wem, mein Diplom kam mit einem Touristen. Nachgefragt – Kuvert haben wir nicht mehr.

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Azeri und Moslem.

LA: Wie geht es Ihnen und den Kindern gesundheitlich?

VP: Ich bin nur sehr nervös, den Kindern geht es gut.

LA: Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

VP: Ich wollte ein paar Mal zum Psychologen gehen, habe es aber nicht geschafft. Mein Mann hat mir in der Apotheke Antistress-Kapseln gekauft.

LA: Haben Sie in Österreich andere Verwandte als Ihren mitgereisten Mann und die Kinder?

VP: Nein.

ANM: Die VP wird vom Dolmetscher nach Namen/Geburtsdatum der Eltern und Geschwister befragt. Die Angaben werden mit jenen der Erstbefragung verglichen.

Es ergaben sich folgende geringfügige Änderungen bzw. Ergänzungen: Mutter XXXX , Schwester XXXX .

LA: Wo genau halten sich Ihre Angehörigen aktuell auf?

VP: Meine Eltern in XXXX . Nachgefragt – das ist ca. ½ Stunde zu Fuß vom Haus meines Mannes weg, gleich neben der Schule Nr. 1.

LA: Hat Ihr Mann eine Zweitfrau?

VP: Nein.

LA: Haben Sie oder Ihr Mann noch andere Kinder außer XXXX ? Wenn ja, wie viele?

VP: Nein.

LA: Wie lauten die Daten (Name, Geburtsdatum) Ihrer Kinder?

VP: XXXX (Namen in IFA geändert, Karten bestellt, werden zugesandt)

LA: Haben Sie Halbgeschwister?

VP: Nein.

LA: Wo haben Sie im Heimatland gelebt? Nennen Sie die Adresse.

VP: Bis zu meinem 16. Lebensjahr in XXXX , danach in Baku. Bis ich geheiratet habe im Jahr 2007 habe ich bei meinem Onkel mütterlicherseits gewohnt und in Baku studiert. Unsere letzte Adresse in Baku ist XXXX , dort haben wir 3 oder 4 Jahre bis zur Ausreise gelebt, auch die letzte Nacht dort verbracht. Das ist unsere 5. Mietwohnung in Baku, seitdem wir geheiratet haben.

LA: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?

VP: Vor einer Woche mit meiner Schwester über Internet.

LA: Welche Ausbildung haben Sie im Detail absolviert? Welchen Beruf?

VP: Ich bin Juristin, 4 Jahre habe ich studiert. Mit 15 Jahren habe ich einen 6monatigen Krankenschwesternkurs besucht.

LA: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

VP: Ich habe 6 Monate eine Praktikum gemacht, aber danach nicht gearbeitet.

LA: Haben Sie im Herkunftsland oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

VP: Nein.

LA: Besteht ein offizieller Haftbefehl gegen Sie im Heimatland?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig?

VP: Nein.

LA: Warum haben Sie nicht in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt? Sie waren ja bereits in der Ukraine und in Polen sicher! Warum sind Sie weiter gereist?

VP: Wir wollten in ein europäisches Land kommen. Österreich ist ein demokratisches Land. Sie hätten uns sowohl in der Ukraine als auch in Polen finden können.

LA: Würden Sie nun bitte alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung hier in Österreich ausführlich darlegen? Versuchen Sie Ihre Gründe nach Möglichkeit so zu erzählen, dass diese für eine unbeteiligte Person auch zu verstehen sind. Was ist alles passiert? Was haben Sie alles erlebt, gesehen, gedacht, befürchtet usw.? Warum konnten oder wollten Sie nicht mehr in der Heimat bleiben?

VP: Mein eigentlicher Fluchtgrund ist aufgrund meines Mannes. Ich hatte niemals eine politzische Aktivität. Mein Mann gehört einer oppositionellen, politischen Partei an. Deswegen ist mein Leben, und das Leben meiner Kinder in Gefahr geraten. Ich war immer dagegen, dass er politisch aktiv ist. Es fällt mir sehr schwer, dass ich nicht mehr in meiner Heimat bin. Ich vermisse meine Eltern. Ich durfte wegen ihm in Aserbaidschan nicht arbeiten, obwohl ich fertigstudiert habe. Ich habe im Jahr 2008 erst von den politischen Problemen meines Mannes erfahren. Als mein erstes Kind erst ca. 3 Monate alt war, klopfte es in den frühen Morgenstunden an der Tür. Ich machte auf. Zwei zivilbekleidete mir unbekannte Männer drangen in die Wohnung ein. Mein Mann war zu Hause. Sie packten meinen Mann an den Armen. Ich wollte meinem Mann helfen und habe laut gefragt, was sie von meinem Mann wollten. Der eine versetzte mir mit dem Ellbogen einen Schlag gegen die Nase, ich erlitt einen Nasenbeinbruch. Sie nahmen meinen Mann an dem Tag mit, aber am selben Abend kam er wieder zurück. Ich konnte nicht einmal atmen, meine Nase war geschwollen. Mein Mann hat mir erzählt, dass er geschlagen wurde und sehr starke Rückenschmerzen hatte. Am nächsten Tag in der Früh musste ich ins Krankenhaus, weil ich nicht atmen konnte. Der Arzt dort rief die Polizei. Die Polizei hat meinen Mann und mich mündlich als Zeugen einvernommen, es wurde aber kein Protokoll aufgenommen, und die Polizei ermittelte nicht in der Sache. Anschließend fing es an, dass ich immer wieder Drohanrufe am Festnetz bekam. Man sagte mir am Telefon, dass mein Mann von diesen Dingen abkommen solle, sonst würden sie mich und die Kinder umbringen. In meinem ganzen Eheleben habe ich aus Angst wie eine Gefangene leben müssen. 2012 geschah noch ein Vorfall. Ich hatte bereits die beiden Kinder. Ich war im 2. Monat schwanger. 2 Männer kamen – wieder in der Früh – zu uns. Ich wusste bereits, dass ich niemandem die Türe aufmachen darf. Ich habe aber die Tür kurz aufgemacht, den Mist in den Container gebracht, und als ich wieder in die Wohnung hinein wollte, kamen mir zwei Männer nach und mit mir in die Wohnung. Mein Mann war zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause. Sie schauten in die Zimmer und suchten nach meinem Mann. Ich sagte zu den Männern, dass sie meine Wohnung sofort verlassen sollen und drohte ihnen mit einer Anzeige. Sie lachten mich aus. Der eine stieß mich weg, dabei sagte er, dass sie meinen Mann – egal wo er sich versteckt – finden werden, und danach gingen beide weg. Ich fiel nach dem Stoß zu Boden. Einige Stunden später hatte ich Unterleibsschmerzen, bekam eine Blutung. Ich konnte meinen Mann nicht erreichen, deswegen ging ich am selben Tag nicht zum Arzt. Mein Mann kam gegen 3 Uhr in der Früh nach Hause. Ich möchte anmerken, dass er immer wieder so spät nach Hause kam, weil er Angst hatte. Ich konnte ihn nicht fragen, sonst wurde er zornig. Am Tag verließ er kaum noch die Wohnung. Am nächsten Tag in der Früh bekam ich sehr starke Blutungen. Ich ging dann zum Arzt und bekam eine Curettage. Die Drohanrufe gingen bis zur Ausreise weiter. In der letzten Zeit hat sich mein Mann wo anders versteckt, und ich ging mit den Kindern zu meiner Schwester. Wir haben ein Flugticket für den XXXX .2015 nach Nachtschewan gekauft. Mein Mann ging zu seiner Mutter und ich zu meiner. Zunächst hatte mein Mann vor, dass wir in die Türkei flüchten und dort weiterleben. Ich weiß aber nicht, warum das nicht geklappt hat und wir nicht dorthin fuhren. Einen Monat später flogen wir wieder nach Baku zurück, das war am XXXX .2015. Mein Mann sagte zu mir, dass ich mit den Kindern bei meiner Schwester, die in einem Dorf in Baku lebt, untertauchen soll. Ich habe 20 Tage lang nicht gewusst, wo sich mein Mann versteckt hatte. Erst am 20. Tag bekam ich von ihm einen Anruf, dass ich mich vorbereiten soll, dass wir aus Aserbaidschan flüchten werden.

LA: Was bekamen Sie selbst von den Problemen Ihres Mannes mit?

VP: Durch die Drohanrufe hatte ich Angst meine Kinder sogar in den Hof zum Spielen zu schicken. Nachgefragt – nur die beiden Vorfälle und die Drohanrufe.

LA: Hat Ihnen Ihr Mann nichts erzählt solange Sie noch in Aserbaidschan waren?

VP: Bis 2008 nicht, dann hat er angefangen mir langsam zu erzählen, weil ich gesehen habe, dass er in einem „geschlagenen“ Zustand nach Hause kam. Nachgefragt – er kam sehr oft so nach Hause. Immer wieder. Manchmal zweimal im Monat, manchmal war ein Monat Pause. Ich habe gesehen, dass er eine Schnittwunde am Ohrläppchen hatte. Er hatte blaue Flecken am Fuß und am Rücken.

LA: Wieso sagten Sie dann zuerst, dass Sie nichts von seinen Problemen mitbekamen?

VP: Ich meinte damit, ich wusste zunächst einmal nichts von seinen Problemen, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihn nicht geheiratet. Bei uns in den muslimischen Familien ist es traditionell so, dass die Männer ihren Ehefrauen nichts erzählen.

LA: Dann noch einmal: Was bekamen Sie selbst von den Problemen Ihres Mannes mit?

VP: Ich habe gesehen, dass er oft geschlagen wurde. Er ist manchmal für 10, 15, sogar 20 Tage verschwunden. Dann anschließend musste er mir zugeben, dass er dreimal angehalten wurde. Manchmal habe ich gesehen, dass er für 2 Tage verschwunden war, und ich konnte ihn nicht einmal fragen, dass er nicht zornig wurde. Meine beiden Kinder habe ich alleine erzogen, und ich hätte mich scheiden lassen sollen. Ich selbst bin ohne Vater aufgewachsen und wollte daher aber nicht, dass meine Kinder ohne Vater aufwachsen. (VP weint).

LA: Wann bzw. wie haben Sie Ihrem Mann von dem Vorfall erzählt, nach dem Sie das Kind verloren?

VP: Noch am selben Tag. Er war in der Nacht zu Hause. Er hat dann in der Früh auf die Kinder aufgepasst und ich ging zum Arzt.

LA: Wenn Ihr Mann aber – wie Sie sagen – oft so lange gar nicht nach Hause kam, war es da nicht sehr gefährlich auf ihn zu warten, bis Sie zum Arzt gehen?

VP: Ich hätte zum Arzt gehen könne, hätte im Notfall meine Nachbarin bitten können. Aber mein Mann kam an dem Tag in der Nacht nach Hause. Aufgrund der Probleme meines Mannes konnte ich nicht meinen Magister machen, weil wir immer umziehen mussten, ich die Kinder bekam. Mich hat niemand angestellt, weil mein Mann in der Opposition war. Ich wollte meine Kinder in den Kindergarten geben, sie wurden aber wegen der Probleme meines Mannes nirgendwo aufgenommen. Unser ältester Sohn konnte zwar einige Monate in die erste Klasse gehen, weil wir dann aber untertauchen mussten, musste er die Schule abbrechen.

LA: Wie war das, dass Ihre Kinder im Kindergarten abgelehnt wurden? Was wurde gesagt?

VP: Sie hatten immer einen Vorwand. Dass sie keinen Platz haben. Und sehr oft nannten sie nicht einmal einen Grund. Zwei Jahre habe ich mich an jeden Kindergarten in der Kreisstadt XXXX gewendet und überall eine negative Antwort bekommen. Einmal wurde gesagt, dass wir der Opposition angehören und deshalb unser Kind nicht aufgenommen wird. Dem Direktor drohte ich mit einer Beschwerde, er sagte er habe keine Angst davor. Es gibt keine Frauenrechte und Menschenrecht in Aserbaidschan. Nachgefragt – das war für XXXX , der Kindergarten XXXX .

LA: Sie sagten vorher, Sie konnten Ihren Mann nicht erreichen. Wieso?

VP: Ich wusste nicht, wo er sich aufhielt und konnte ihn nicht erreichen. In der Nacht kam er aber mit Schmerzen nach Hause. Ich habe ihn zwar gefragt, er hat mir aber nicht gesagt, ob er wieder geschlagen wurde.

LA: Wo waren bei diesem Vorfall Ihre Kinder?

VP: Sie haben noch geschlafen. Die Männer wollten zwar ins Kinderzimmer gehen, machten die Tür auf, wieder zu und gingen wieder hinaus.

LA: Hatten die Verwandten Probleme wegen Ihres Mannes?

VP: Meine Verwandten hatten keine Probleme. Aber die Brüder meines Mannes hatten wegen meines Mannes berufliche Probleme bekommen. Sie haben den Kontakt mit uns abgebrochen. Ich nehme an, dass sie Angst hatten.

LA: Wurde (nach Ihrer Ausreise) nach Ihnen oder Ihrem Mann gesucht?

VP: Nach mir nicht, bei meinem Mann weiß ich das nicht. Nachgefragt – Im Jahr 2012 war mein Mann 10 Tage festgenommen, 2014 15 Tage, im April 2015 20 Tage. Er war von der Polizei verhaftete. Als mein Mann schon untergetaucht war habe ich zwei Ladungen übernommen.

LA: Gab es konkret gegen Sie gerichtete Verfolgungshandlungen?

VP: Nein.

LA: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass Sie die Wahrheit sagen müssen. Es ist nicht von Vorteil, wenn Sie irgendwelche Geschichten vorbringen, die Sie nicht persönlich erlebt haben. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder etwas sonst Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

VP: Ich glaube, dass ich alles erzählt habe und nichts ausgelassen habe.

LA: Theoretisch, was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten?

VP: Das alles wird weitergehen. Wenn ich alleine mit den Kindern zurückkehren sollte, werde ich dort belästigt, weil sie wissen wollen, wo sich mein Mann aufhält.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich im Heimatland wo anders – z.B. in ein anderes Gebiet – hinzubegeben, um sich den angegebenen Übergriffen / Problemen / Schwierigkeiten zu entziehen, bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht oder bestünde diese Möglichkeit jetzt?

VP: Wir sind ständig umgezogen, sie haben uns überall gefunden. Sie haben lange Arme.

LA: Wann kam der letzte Drohanruf?

VP: In den letzten Monaten, bevor wir untertauchten, ich nehme an, im Mai.

LA: Auf die Vertraulichkeit der von Ihnen angegebenen Daten wird nochmals hingewiesen. Sind Sie damit einverstanden, dass Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden? Es werden keine persönlichen Daten an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergegeben.

VP: Keine Einwände.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen oder gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

VP: Ich habe nichts mehr zu sagen, es war alles in Ordnung. Die Einvernahme war sehr angenehm.

LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

VP: Vielen Dank, sehr gut.

(…)

I.2.3. bP2 – bP4 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband.

Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:

?        Geburtsurkunden der bP

?        Heiratsurkunde bP 1 und 2

?        Diplom für Völkerrecht der bP 2

?        Militärbuch

?        Partei-Mitgliedsausweis der Demokratischen Partei Aserbaidschans der bP 1

?        Bestätigungsschreiben der Demokratischen Partei Aserbaidschans

?        2 Urteile wegen Verwaltungsübertretung vom XXXX .2014 und XXXX .2015.

?        Zwei Polizei-Ladungen für XXXX .2015 und für XXXX .2015 wegen Untersuchungen in Sachen eines Mordfalles

?        Medizinische Berichte aus Aserbaidschan und Österreich

I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1) :

-        Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Vorweg ist festzuhalten, dass Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass ein behaupteter Sachverhalt wahrscheinlich verwirklicht oder nicht verwirklicht worden ist. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (UBAS, 14.10.1998, 203.604/0-IX/26/98).

Unzweifelhaft ist im Asylverfahren die niederschriftliche Aussage eines Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle. Deshalb obliegt es dem Asylwerber alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen und müssen seine Angaben von der Behörde auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden.

Auch wenn für eine Glaubhaftmachung im Gegensatz zu einer Beweisführung der Nachweis der Wahrscheinlichkeit ausreicht, müssen aber die für die Annahme eines Sachverhaltes sprechenden Gründe die gegenteiligen Gründe jedenfalls überwiegen, wobei der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (AsylGH 15.6.2009, D11 260.145-0/2008/8E).

Grundsätzlich ist eine Aussage dann als glaubhaft einzustufen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers genügend substantiiert ist und der Asylwerber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Zudem muss das Vorbringen in sich schlüssig und plausibel sein, was voraussetzt, dass der Asylwerber sich nicht in wesentlichen Aussagen widerspricht bzw. dass sein Vorbringen mit den Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung übereinstimmt. Weiters muss der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein, was z.B. nicht anzunehmen ist, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder steigert.

Ihre Angaben zum Ausreisegrund waren – wie nachstehend ausgeführt – nicht nachvollziehbar und daher auch nicht glaubwürdig.

Allem voran wechselten sowohl Sie als auch Ihre Frau Ihr Fluchtvorbringen aus.

So gaben Sie bei der Erstbefragung am 03.09.2015 an Anhänger der Musavat-Partei zu sein. Ihr Bruder XXXX , der „unsere“ Partei finanziell unterstützt habe, wäre bei einem Abendessen in einem Lokal vermutlich „vom Staat vergiftet“ worden. Er wäre am XXXX .2015 in die Türkei in ein Krankenhaus verlegt worden und am XXXX .2015 verstorben. Sie selbst wären von „Staatsmännern mit dem Umbringen Ihrer Kinder bedroht“ worden. Zudem erklärten sie und Ihre Gattin, man habe Ihnen ein Grundstück im Wert von 120.000 Euro weggenommen und dem Bruder XXXX zugeschrieben. Dafür wäre Ihr Haus gestürmt, das Grundbuch weggenommen und Sie gefoltert worden, um Sie zu einer Unterschrift für die Schenkung des Grundes zu nötigen. Sie hätten nicht unterschrieben diese Zustände aber nicht mehr ertragen, weshalb Sie geflüchtet seien (AS 23).

In der Einvernahme vom 30.03.2016 erwähnten Sie davon NICHTS mehr. Da legten Sie abweichend dazu dar

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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