TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 W183 2242013-1

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Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §6b Abs4
StGB §20 Abs1
StGB §20 Abs4

Spruch


W183 2242013-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Rainer RIENMÜLLER, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19.09.2020, Zl. XXXX , betreffend die Einbringung eines für verfallen erklärten Geldbetrages nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Urteil des Landesgerichts (LG) für Strafsachen Wien vom 17.10.2019, GZ XXXX , wurde der Beschwerdeführer für das von seinem Entscheidungsträger begangene Verbrechen des schweren Betrugs als Bestimmungstäter verantwortlich erkannt und über ihn eine Verbandsgeldbuße verhängt. Er wurde weiters für schuldig erkannt, an den Bund als Privatbeteiligten einen Betrag von EUR 130.000,00 zu bezahlen. Unter einem wurde – ausgehend von einem Vermögensschaden von gesamt EUR 333.503,00 und einer Rückzahlung von EUR 73.616,00 sowie unter Berücksichtigung gewisser Mittelabflüsse – ein Betrag von EUR 130.000,00 für verfallen erklärt.

2.       Mit Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Wien vom 03.06.2020, GZ XXXX , wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil, welche sich ausschließlich gegen den Verfallsausspruch richtete, nicht Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der dem Geschädigten zugesprochene Betrag nur einen Teil des Schadens und der festgestellten Bereicherung des Beschwerdeführers betreffe. Auch sei eine vertragliche Verpflichtung zur Rückzahlung in vollstreckbarer Form konkret weder behauptet noch bescheinigt worden.

3.       Mit Zahlungsauftrag vom 09.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer die Zahlung des Verfallsbetrages in Höhe von EUR 130.000,00 zuzüglich einer Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00 vorgeschrieben. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Vorstellung.

Mit Schriftsatz vom 09.09.2020 richtete er die Anregung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes an die Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof.

4.       Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid, dem Beschwerdeführer zugestellt am 23.09.2020, wurde dem Beschwerdeführer die Zahlung des mit Urteil des LG für Strafsachen Wien für verfallen erklärten Geldbetrages in Höhe von EUR 130.000,00 zuzüglich einer Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00, gesamt EUR 130.008,00, vorgeschrieben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der vorgelegten Ratenvereinbarung mit der Republik Österreich um keinen vollstreckbaren Titel im Sinne der Exekutionsordnung handle, sodass eine vertragliche Verpflichtung in vollstreckbarer Form zur Rückzahlung des Betrages von EUR 130.000,00 weder behauptet noch bescheinigt worden sei.

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche fristgerecht erhobene Beschwerde vom 21.10.2020.

6.       Mit Schriftsatz vom 23.12.2020 erhob die Generalprokuratur gegen das Urteil des LG für Strafsachen Wien sowie das Urteil des OLG Wien Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes an den Obersten Gerichtshof.

7.       Mit Urteil vom 16.03.2021, GZ 13 Os 1/21b und 13 Os 2/21z, hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 17.10.2019, welches im Übrigen unberührt blieb, im Ausspruch über den Verfall und das Urteil des OLG Wien als Berufungsgericht vom 03.06.2020 zur Gänze auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die vermögensrechtliche Anordnung an das LG für Strafsachen Wien zurück.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die auch auf Verbände anwendbaren vermögensrechtlichen Anordnungen des Strafgesetzbuches einem Günstigkeitsvergleich unterliegen würden. Der Verfall in der vom Erstgericht angewandten Fassung sei erst am 01.01.2011 geschaffen worden und habe die bis zum 31.12.2010 gültige Rechtslage als vergleichbare Anordnung die Abschöpfung der Bereicherung vorgesehen. Das Erstgericht habe undifferenziert den Verfall von Vermögenswerten angeordnet, die durch sowohl vor dem 01.01.2011 als auch danach begangene Taten erlangt worden seien und könne den Feststellungen nicht entnommen werden, auf welche Taten sich der Verfallsbetrag beziehe, auf welche der Zuspruch an den Privatbeteiligten und ob die Abschöpfung der vor dem 01.01.2011 erlangten Vermögensvorteile den Beschwerdeführer unbillig hart treffen würde. Der Ausspruch des Verfalls verletze daher das Gesetz, ebenso wie das Urteil des OLG Wien als Berufungsgericht, da dieses keine die Vornahme des Günstigkeitsvergleichs ermöglichenden Feststellungen getroffen und den Verfall allein auf Basis der erstrichterlichen Sachverhaltsannahmen als berechtigt erachtet habe.

8.       Mit Schriftsatz vom 27.04.2021 (eingelangt am 30.04.2021) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.             Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 17.10.2019, GZ XXXX , wurde über den Beschwerdeführer eine Verbandsgeldbuße verhängt und unter einem gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 4 StGB in Verbindung mit § 12 VbVG ein Betrag in Höhe von EUR 130.000,00 für verfallen erklärt. Das Urteil wurde vom OLG Wien als Berufungsgericht am 03.06.2020, GZ XXXX , bestätigt.

1.2.        Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, den für verfallen erklärten Betrag in Höhe von EUR 130.000,00 zuzüglich einer Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00, gesamt EUR 130.008,00, zu bezahlen.

1.3.        Mit Urteil vom 16.03.2021, GZ 13 Os 1/21b und 13 Os 2/21z, hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 17.10.2019, das im Übrigen unberührt blieb, im Ausspruch über den Verfall und das Urteil des OLG Wien als Berufungsgericht vom 03.06.2020 zur Gänze auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die vermögensrechtliche Anordnung an das LG für Strafsachen Wien zurück.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten, unstrittigen Verwaltungsunterlagen, dem Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 17.10.2019, GZ XXXX , dem Urteil des OLG Wien vom 03.06.2020, GZ XXXX , sowie dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 16.03.2021, GZ 13 Os 1/21b und 13 Os 2/21z.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

3.2.    Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

3.3.    Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

3.4.    Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.5.    Der in der Angelegenheit maßgebliche Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.

3.6.    Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist, und VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132, wonach Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen).

3.7.    Zu A)

3.7.1.  Gemäß § 6b Abs. 4 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 (GEG), können im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden.

3.7.2.  Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (VwGH vom 21.10.2014, Ro 2014/03/0076; VwGH vom 12.10.2021, Ra 2020/14/0229; VwGH vom 26.04.2021, Ra 2021/01/0027).

3.7.3.   Durch die Aufhebung des Urteils des LG für Strafsachen Wien vom 17.10.2019 im Ausspruch über den Verfall sowie die gänzliche Aufhebung des Urteils des OLG Wien als Berufungsgericht vom 03.06.2020 durch den Obersten Gerichtshof und Zurückverweisung der Sache an das LG für Strafsachen Wien zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die vermögensrechtliche Anordnung, ist das Verfahren hinsichtlich des Ausspruchs über den Verfall in den Stand vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgetreten.

Für die Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheids, mit welchem dem Beschwerdeführer die Zahlung des mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 17.10.2019 für verfallen erklärten Geldbetrages in Höhe von EUR 130.000,00 zuzüglich einer Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00, vorgeschrieben wurde, besteht daher keine Rechtsgrundlage mehr, weshalb der Bescheid ersatzlos zu beheben war.

3.8.    Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.7. zitierte Judikatur). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Bescheidbehebung Einbringung von Beträgen ersatzlose Behebung Gerichtsgebühren Strafurteil Verfallsbetrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W183.2242013.1.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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