TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/9 L517 2245463-1

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Veröffentlicht am 09.12.2021
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Entscheidungsdatum

09.12.2021

Norm

AlVG §11
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


L 517 2245463-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter*innen Mag. SIGHARTNER und Frau NEULINGER als Beisitz über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom XXXX nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm §§ 38 und 11 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 (WV) idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Der Antrag auf Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Seit 08.10.2010 – Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe (mit kurzen Unterbrechungen) durch XXXX (in der Folge „bP“)

01.06.2021 – Beschäftigung der bP bei der Firma XXXX als Arbeiter

02.06.2021 – Ende des Dienstverhältnisses durch Lösung in der Probezeit Dienstnehmer

29.06.2021 – Angabe von Gründen bezüglich der Lösung des Dienstverhältnisses

30.06.2021 – Bescheid des AMS XXXX (in der Folge „bB“ bzw. „AMS“)

05.07.2021 – Beschwerde der bP

08.07.2021 – Parteiengehör

26.07.2021 – Beschwerdevorentscheidung

10.08.2021 – Vorlageantrag der bP

16.08.2021 – Beschwerdevorlage am BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP bezieht seit 08.10.2010 mit kurzen Unterbrechungen (überwiegend nur 1 Tag bzw. geringfügige Beschäftigungen) Arbeitslosenunterstützung bzw. Notstandshilfe beim AMS. Seit 09.08.2021 geht die bP einer Beschäftigung als Arbeiter nach. Bereits von 05.08. – 13.08.2019 war die bP als Arbeiter bei der Fa. XXXX beschäftigt.

Am 01.06.2021 nahm die bP wiederum ein Beschäftigungsverhältnis bei Fa. XXXX auf. Sie war dort als Fensterreiniger eingestellt worden. Die bP teilte dem Betriebsleiter vor Arbeitsantritt nicht mit, dass sie Probleme mit Höhenangst hätte.

Die bP erschien am 02.06.2021 nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz und war für den Dienstgeber telefonisch nicht erreichbar.

Das Dienstverhältnis endete durch Lösung in der Probezeit Dienstnehmer. Die bP erklärte dazu dem AMS gegenüber am 29.06.2021 Folgendes: „Der Grund wegen meiner nicht zufriedene Arbeitsstelle war: Höhenangst, Kein gutes Arbeitsklimmer, Keine Erklärungen“

Am 30.06.2021 erließ die bB einen Bescheid und sprach aus, dass die bP gem. § 38 iVm § 11 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) idgF für den Zeitraum 07.06.2021 – 30.06.2021 keine Notstandshilfe erhalte. Nachsicht sei nicht erteilt worden. Begründend führte die bB nach Anführung der zugrundegelegten Gesetzesbestimmungen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die bP ihr Dienstverhältnis bei der Firma XXXX freiwillig gekündigt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

Die bP erhob dagegen am 05.07.2021 rechtzeitig Beschwerde und brachte vor wie folgt:

„Der erste Grund warum ich bei der Firma XXXX nicht mehr arbeiten kann ist wegen meiner Höhenangst, es war der Wahnsinn, mir wurde schwindelig sobald ich mich nur bewegte und ''Schwitzschübe'' bekam ich auch.

Der zweite Grund, Das Arbeitsklima war absolut katastrophal, keiner hat jemanden verstanden, es wurde blöd geschertzt, nur auf der Muttersprache geflucht.

Der dritte Grund, Keiner hat mir ganz genau erklären können was zu tun war obwohl ich dauend fragte. Niemand hat seine Arbeit ernstgenommen, und dauernd haben sie mich herum geschickt von einem Fenster zum anderen obwohl ich mein letztes Fenster nicht mal fertig hatte. Genau so fragte ich auch ein paar mal wo wir am nächsten Tag arbeiten würden aber nicht mal auf das bekam ich eine normale Antwort, ausser : keine ahnung ich weis nix''

Ich hab mein bestes gegeben. Aber es ist mir nicht möglich diese Arbeit weiter zu führen.“

Am 08.07.2021 wurde der bP Parteiengehör gewährt. Am 19.07.2021 ging beim AMS ein handgeschriebenes Schreiben der bP gleichen Inhalts wie die Beschwerde vom 05.07.2021 ein.

Am 26.07.2021 erging eine Beschwerdevorentscheidung der bB, die Beschwerde der bP wurde gem. § 14 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) iVm § 56 AlVG (Arbeits- losenversicherungsgesetz 1977) abgewiesen.

Begründend führte die bB nach Darlegung von Verfahrensgang und Sachverhalt aus, die bP sei am zweiten Tag nicht mehr zur Arbeit erschienen, auf Anrufe habe sie nicht reagiert. Sie sei bei Ihrer Tätigkeit nicht exponierter Höhenlage ausgesetzt gewesen, weswegen Höhenangst kein Grund zur Lösung ihres Dienstverhältnisses gewesen wäre.

Ihr Dienstverhältnis wegen Unstimmigkeiten unter den Mitarbeitern zu lösen bzw. nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen, zeige kein ernsthaftes Bemühen diese Arbeitsstelle zu halten.

Es falle im Bereich der Selbstorganisation, Probleme im Bereich der Kollegen beispielsweise mit dem Betriebsrat, direkten Vorgesetzten oder der Arbeiterkammer zu besprechen, um diese von der bP beschriebenen Unstimmigkeiten aufzuklären und zu lösen.

Für die Zeit vom 07.06.2021 bis 30.06.2021 bestehe daher kein Anspruch auf Notstandshilfe.

Die bP stellte am 10.08.2021 einen Vorlageantrag, in welchem sie auch die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung beantragte und ergänzend vorbrachte, sie habe beim Generali-Gebäude am Brückenkopf im fünften Stock Fenster putzen und dabei immer wieder am geöffneten Fenster stehen müssen, was sich mit ihrer Höhenangst nicht habe vereinbaren lassen. Sie habe dieses Problem dem Teamleiter der Fa. XXXX mitgeteilt, doch der habe nur gemeint, dass sie dann halt aufpassen solle.

Am 16.08.2021 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH, vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen der bP und dem Bezug von Unterstützungsleistungen wurden aufgrund einer Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger getroffen.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 (WV) idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

- Gewerbeordnung 1859, RGBl. Nr. 227/1859 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 56 Abs. 4 AlVG steht das Vorschlagsrecht für die Bestellung der erforderlichen Anzahl fachkundiger Laienrichter und Ersatzrichter für den Kreis der Arbeitgeber der Wirtschaftskammer Österreich und für den Kreis der Arbeitnehmer der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu. Die vorgeschlagenen Personen müssen über besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung verfügen. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BGBl. I Nr. 10/2013).

Gegenständlich liegt Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Die Beschwerdevorentscheidung tritt mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Kraft, sondern wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Dünser, ZUV 2013/1, 17; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 15 VwGVG, K 2; Hauer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rz. 178; jeweils unter Hinweis auf den diesbezüglich ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 5). Gemäß zweiter Satz des § 15 Abs. 1 hat ein Vorlageantrag, der von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3) und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3). Damit ist im gegenständlichen Beschwerdefall der Prüfungsumfang auch mit dem Vorbringen im Vorlageantrag definiert.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.3. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten:

Gemäß § 7 Abs. 1 hat Anspruch auf Arbeitslosengeld wer u.a. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht.

Gemäß § 7 Abs. 2 steht der Arbeitsvermittlung insbesondere zur Verfügung, wer arbeitswillig ist.

Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

(3) – (8) […]

§ 11. (1) Arbeitslose, deren Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben, erhalten für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld. Dies gilt auch für gemäß § 3 versicherte Personen, deren Erwerbstätigkeit in Folge eigenen Verschuldens oder freiwillig beendet worden ist.

(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB wegen Aufnahme einer anderen Beschäftigung, freiwilliger Beendigung eines Dienstverhältnisses oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden gesundheitlichen Gründen oder Einstellung der Erwerbstätigkeit wegen drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder bei Saisonabhängigkeit wegen Saisonende, nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.

3.4. § 82 a der Gewerbeordnung 1859 lautet:

Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Kündigung kann ein Hilfsarbeiter die Arbeit verlassen:
a)         wenn er ohne erweislichen Schaden für seine Gesundheit die Arbeit nicht fortsetzen kann;
b)         wenn der Gewerbsinhaber sich einer thätlichen Misshandlung oder einer groben Ehrenbeleidigung gegen ihn oder dessen Angehörige schuldig macht;
c)         wenn der Gewerbsinhaber oder dessen Angehörige den Hilfsarbeiter oder dessen Angehörige zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen zu verleiten suchen;
d)         wenn der Gewerbsinhaber ihm die bedungenen Bezüge ungebührlich vorenthält oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt;
e)         wenn der Gewerbsinhaber außer Stande ist, oder sich weigert, dem Hilfsarbeiter Verdienst zu geben.

Die mangelnde Arbeitswilligkeit wird in den (systematisch miteinander zusammenhängenden) §§ 9 – 11 AlVG näher geregelt. Während § 9 jene Fälle regelt, in denen Arbeitslosigkeit bereits eingetreten ist, der Arbeitslose jedoch an der Beendigung dieses Zustandes nicht hinreichend mitwirkt (wofür der Gesetzgeber die in § 10 Abs. 1 AlVG vorgesehene Sanktion des Verlustes des Anspruches auf Arbeitslosengeld vorsieht), bestimmt § 11 (in Ergänzung dazu), dass eine solche Sanktion u.a. auch denjenigen trifft, der den Zustand der Arbeitslosigkeit infolge Auflösung seines Dienstverhältnisses ohne triftigen Grund herbeiführt.

§ 10 und § 11 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, nämlich den arbeitslos Gewordenen, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d. h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. VwSlg 13286 A/1990 und die dort angeführte Vorjudikatur).

§ 10 Abs. 1 und § 11 AlVG sanktionieren daher das Verhalten desjenigen, der entweder einen solchen Zustand des Unterhalts- und Vermittlungsbedarfes schuldhaft herbeigeführt hat oder zwar ohne Verschulden in einen solchen Zustand geraten ist, seine Beendigung aber zu vereiteln sucht (§ 10 AlVG) – vgl. VwGH vom 01.06.2001, 2000/19/0136).

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zufolge sind die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Vorliegen von „triftigen Gründen“ iSd § 11 (idF vor der Novelle BGBl I 2004/77) auch für die Beurteilung der „berücksichtigungswürdigen Gründe“ iSd nunmehrigen Fassung heranzuziehen (VwGH 19.01.2011, 2009/08/0272).

§ 11 Abs. 2 AlVG normiert eine Nachsicht des Ausschlusses vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB freiwilliger Beendigung eines Dienstverhältnisses oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden gesundheitlichen Gründen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind als Nachsichtsgründe zunächst die Austrittsgründe im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes zu verstehen.

Die bP hat aufgrund ihres unentschuldigten Nichterscheinens am Arbeitsplatz am zweiten Tag ihrer Beschäftigung ihr Beschäftigungsverhältnis zur Firma XXXX freiwillig gelöst und damit zunächst den Tatbestand des § 11 Abs. 1 AlVG erfüllt.

Aufgrund der Angaben der bP ist zu prüfen, ob ein Nachsichtsgrund im Sinne des § 11 Abs. 2 AlVG vorliegt. Unter diesen Gründen versteht die Rechtsprechung in erster Linie die triftigen Gründe im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes (z.B. im Sinne des § 82 a der Gewerbeordnung 1859 oder des § 26 Angestelltengesetz)

Die bP gibt an, ihre Tätigkeit aufgrund von Höhenangst nicht ausüben zu können, da sie im fünften Stock eines Gebäudes teilweise am geöffneten Fenster die Fensterputzarbeiten vornehmen habe müssen. Diese Behauptung wird vom erkennenden Gericht als Schutzbehauptung gewertet. Laut telefonischer Auskunft der Firma XXXX gegenüber dem AMS vom 29.06.2021 war die bP als Fensterreiniger eingestellt worden. Der bP musste demnach bewusst gewesen sein, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht nur Fenster im Erdgeschoss von Gebäuden sondern auch in höhergelegenen Stockwerken zu reinigen habe. Nachdem das erkennende Gericht davon ausgeht, dass die von der bP behauptete Höhenangst nicht erst im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme am 01.06.2021 plötzlich bei der bP aufgetreten ist, wäre die bP verpflichtet gewesen, bereits im Vorfeld gegenüber dem Arbeitgeber auf dieses Problem hinzuweisen. Die bP hätte sich aber jedenfalls nach dem ersten Arbeitstag, an dem diese Schwierigkeit sie in ihrer Tätigkeit beeinträchtigt hatte, an ihre Vorgesetzten wenden müssen, die Mitteilung an den Teamleiter kann hier nicht als ausreichend erachtet werden und kann auch kein Grund dafür sein, einfach am zweiten Arbeitstag nicht mehr am Arbeitsplatz zu erscheinen und für den Arbeitgeber nicht mehr erreichbar zu sein. Von einer Arbeitswilligkeit der bP kann hier nicht mehr ausgegangen werden. Auch liegen keine Nachsichtsgründe im Sinne des § 82 a der Gewerbeordnung 1859 vor.

Das erkennende Gericht hat sich im Internet auf der homepage der Fa. XXXX informiert und sind dort unter dem Tätigkeitsbereich „Gebäudereinigung“ die Punkte: Innenreinigung, Außenreinigung, Industriereinigung, Reinraumreinigung, Hygienereinigung und Verkehrsmittelreinigung angeführt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass bei entsprechenden Bemühungen der bP auch ein Wechsel in einen anderen Arbeitsbereich möglich gewesen wäre. Die bP hat bereits von 05. – 13.08.2019 für einige Tage bei der Firma XXXX gearbeitet, wobei davon ausgegangen wird, dass sie damals nicht als Fensterreiniger tätig war. Es musste ihr demnach bekannt sein, dass es auch noch andere Betätigungsmöglichkeiten in der Firma gibt.

Es lässt sich im gegenständlichen Fall jegliches Bemühen und Interesse der bP daran, das Beschäftigungsverhältnis länger als einen Tag aufrecht zu erhalten, vermissen. Die bP hat sich bis zum 29.06.2021 weder beim Dienstgeber noch beim AMS gemeldet. Gerade als Langzeitarbeitsloser, der trotz voller Arbeitsfähigkeit seit dem Jahr 2010 mit kurzen Unterbrechungen Unterstützungsleistungen der Versichertengemeinschaft in Anspruch genommen hat, hätte die bP ernsthafte Anstrengungen an den Tag legen müssen, um sich endlich wieder dauerhaft in den Arbeitsprozess einzugliedern.

Unstimmigkeiten unter den Mitarbeitern wie von der bP ins Treffen geführt, stellen keine triftigen Gründe dar, die eine Lösung des Arbeitsverhältnisses durch die bP rechtfertigen würden. Wie bereits vom AMS zutreffend ausgeführt, hätte sich die bP auch hier an ihre Vorgesetzten wenden müssen, anstatt einfach nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen.

Mangels Vorliegens von Nachsichtsgründen im Sinne des § 11 Abs. 2 AlVG ist von einer freiwilligen Lösung des Dienstverhältnisses während der Probezeit durch die bP auszugehen und war die Beschwerde der bP abzuweisen.

3.5. Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß § 24 Abs 5 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden.

Gegenständlich stellt sich der relevante Sachverhalt nicht als ergänzungsbedürftig dar, insbesondere liegt auch kein Rechtsschutzdefizit der bP vor und ließe eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich daher als nicht erforderlich.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von einer Verhandlung absehen, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dies ist eben dann der Fall, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre.

Des Weiteren ist in Ergänzung des eben Ausgeführten auch darauf hinzuweisen, dass aufgrund der bestehende Corona-Pandemie die Durchführung einer Verhandlung ein Gesundheitsrisiko für alle Verhandlungsteilnehmer darstellt. Zwar sind gemäß § 3 Abs. 1 Z 6 und § 18 Abs. 1 Z 5 bis 6 der 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (idF der 1. Novelle zur 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 511/2021) die Verwaltung und die Justiz von der angeordneten Ausgangsbeschränkung ausgenommen und können unaufschiebbare behördliche und gerichtliche Wege, einschließlich der Teilnahme an mündlichen Verhandlungen der Gerichte, von der Bevölkerung wahrgenommen werden, jedoch steht für das erkennende Gericht der entscheidungserhebliche Sachverhalt fest und bedarf dieser keine Ergänzungen mehr, weshalb das Gericht auch im Hinblick auf das erhöhte Infektionsrisiko bei Verhandlungen von der Durchführung einer solchen Abstand nimmt.

Schlussfolgernd hat das erkennende Gericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

3.6. Zu Spruchpunkt B):

Soweit im Vorlageantrag die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung beantragt wird, war dieser Antrag zurückzuweisen, da diese Wirkung ex lege eingetreten ist und von der bB nicht mit Bescheid aberkannt wurde.

3.7. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum AlVG. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anspruchsverlust aufschiebende Wirkung Dienstverhältnis ex lege - Wirkung Freiwilligkeit Kündigung Notstandshilfe Sperrfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L517.2245463.1.00

Im RIS seit

04.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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