TE Vwgh Erkenntnis 2021/11/12 Ra 2019/16/0192

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
20 Privatrecht allgemein
22 Zivilprozess Außerstreitiges Verfahren
23 Insolvenzrecht Exekutionsrecht
27 Rechtspflege
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren
32/06 Verkehrsteuern

Norm

GGG 1984 §26 Abs3 idF 2013/I/001
GGG 1984 §26 Abs3 idF 2019/I/038
GGG 1984 §26 Abs3 Z1
GrEStG 1987 §5 Abs2 Z2
VwRallg
ZZRÄG 2019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2019, Zl. W176 2221755-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (mitbeteiligte Partei: C S in L, vertreten durch Mag. Arno Pajek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Plankengasse 7/2/27), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Baurechtsvertrag vom 14. November 2013 wurde der G-GmbH auf einer näher bezeichneten Liegenschaft ein Baurecht bis zum 31. Oktober 2113 eingeräumt. Das Baurecht wurde grundbücherlich erfasst und im Lastenblatt der Baurechtseinlage die Reallast zur Zahlung eines jährlichen Bauzinses iHv 16.303,52 € eingetragen.

2        In weiterer Folge errichtete die G-GmbH auf der Baurechtsliegenschaft eine Wohnungseigentumsanlage. Mit Kaufvertrag vom 15. September 2016 erwarb der Mitbeteiligte eine dieser Wohnungen zu einem Kaufpreis von 380.420 € und verpflichtete sich zusätzlich zum Kaufpreis entsprechend den Bedingungen des Baurechtsvertrags an den Baurechtsgeber den Bauzins anteilig nach Nutzwerten zu bezahlen.

3        Mit Beschluss vom 17. Oktober 2016 bewilligte das Bezirksgericht F ob der Baurechtseinlage die Einverleibung des Eigentumsrechts des Mitbeteiligten an 97/1734 Baurechtsanteilen (mit denen laut Kaufvertrag in weiterer Folge untrennbar das Wohnungseigentum an einer näher bezeichneten Wohnung verbunden werden sollte).

4        Für diese Eintragung entrichtete der Mitbeteiligte mittels Selbstberechnung unter Heranziehung des Kaufpreises von 380.420 € als Bemessungsgrundlage eine Eintragungsgebühr gemäß TP 9 lit. b Z 1 GGG iHv 4.185 € (1,1% von 380.420 €).

5        Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 19. März 2019 schrieb die Kostenbeamtin für die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien - nach einer Beanstandung durch den Revisor - dem Mitbeteiligten eine Eintragungsgebühr iHv 4.366 € abzüglich der bereits entrichteten Teilzahlung von 4.185 €, sowie eine Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv 8 €, somit einen Betrag iHv 189 € vor.

6        Nachdem der Mandatsbescheid nach Erhebung der Vorstellung durch den Mitbeteiligten außer Kraft getreten war, erklärte die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien mit Bescheid vom 14. Juni 2019 den Mitbeteiligten hinsichtlich einer Eintragungsgebühr iHv 4.366 € abzüglich der bereits entrichteten Teilzahlung von 4.185 €, sowie einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv 8 €, somit hinsichtlich einen restlichen Betrags iHv 189 € für zahlungspflichtig.

7        In der Begründung führte die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien aus, neben dem Kaufpreis sei auch der kapitalisierte Bauzins in die Bemessungsgrundlage der Eintragungsgebühr miteinzubeziehen. Der Mitbeteiligte habe sich beim Kauf der Eigentumswohnung neben der Zahlung des Kaufpreises iHv 380.420 € auch zur Leistung des anteiligen Bauzinses verpflichtet. Nach § 26 Abs. 3 Z 1 GGG seien auch vom Käufer übernommene sonstige Leistungen in die Ermittlung des Werts der Gegenleistung einzubeziehen. Dazu gehörten auch Leistungen an Dritte, die vom Erwerber getragen werden müssten. Für die vom Mitbeteiligten erworbenen 97/1734 Anteile sei ein jährlicher Bauzins von 912,02 € (16.303,52 € / 1734 x 97) zu entrichten. Dieser Wert sei nach § 15 BewG 1955 für die Berechnung der Eintragungsgebühr mit dem 18-fachen der Jahresleistung zu kapitalisieren, sodass sich eine noch offene restliche Gebührenschuld von 181 € (1,1% von 16.416,36 €) ergebe und zusätzlich eine Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv 8 € vorzuschreiben sei.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der vom Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien erhobenen Beschwerde statt und hob den Bescheid (ersatzlos) auf. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9        In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dem Mitbeteiligten sei zu folgen, wonach der anteilige kapitalisierte Bauzins nicht in die Bemessungsgrundlage der Eintragungsgebühr miteinzubeziehen sei. Nach § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG idF BGBl. I Nr. 38/2019 seien dauernde Lasten bei der Ermittlung der Gegenleistung nicht zu berücksichtigen. Zwar sei die ausdrückliche Ausnahme für dauernde Lasten erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 38/2019 in § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG eingefügt worden, aus den Gesetzesmaterialien (RV 560 BlgNR 26. GP) folge jedoch, dass es sich nur um eine Klarstellung handle und dauernde Lasten auch bereits zuvor bei der Ermittlung der Gegenleistung nicht hinzuzurechnen gewesen seien. Dies zeige auch die Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 Z 2 GrEStG 1987 in den Gesetzesmaterialien, seien doch auch bei der Ermittlung der Grunderwerbsteuer dauernde Lasten nicht zu berücksichtigen. Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur inhaltlich gleichlautenden Vorgängerregelung des § 11 Abs. 2 Z 2 GrEStG 1955 (Hinweis auf VwGH 1.7.1982, 82/16/0047) gehöre bei der Weiterveräußerung eines Baurechts gegen Übernahme der bereits im Grundbuch eingetragenen Bauzinsverpflichtung letztere als dauernde Last nicht zur Gegenleistung.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 VwGG) und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

11       In der Amtsrevision wird zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Anordnung des § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG, insbesondere des letzten Halbsatzes, jene des § 26 Abs. 3 Z 1 GGG durchbreche. Vor allem liege aber keine Rechtsprechung dazu vor, ob eine (bereits verbücherte) Verpflichtung zur Zahlung eines Bauzinses im Fall der Weitergabe des Baurechts als „dauernde Last“ iSd § 26 Abs. 3 letzter Halbsatz GGG zu qualifizieren sei.

12       Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

13       § 26 Abs. 1 und 3 GGG in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung der Grundbuchsgebührennovelle - GGN, BGBl. I Nr. 1/2013, lauteten:

„(1) Die Eintragungsgebühr ist bei der Eintragung des Eigentumsrechts und des Baurechts - ausgenommen in den Fällen der Vormerkung - sowie bei der Anmerkung der Rechtfertigung der Vormerkung zum Erwerb des Eigentums und des Baurechts vom Wert des jeweils einzutragenden Rechts zu berechnen. Der Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung üblicherweise zu erzielen wäre.

(3) Soweit keine außergewöhnlichen Verhältnisse vorliegen, die offensichtlich Einfluss auf die Gegenleistung gehabt haben, ist bei den nachstehend angeführten Erwerbsvorgängen der Wert der Gegenleistung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen,

1.   bei einem Kauf der Kaufpreis zuzüglich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen,

2.   bei einem Erwerb gegen wiederkehrende Geldleistungen, wenn der Gesamtbetrag der Zahlungen nicht von vornherein feststeht, der Kapitalwert,

3.   bei einer Leistung an Zahlungs Statt der Wert, zu dem die Leistung an Zahlungs Statt angenommen wird,

4.   bei der Enteignung die Entschädigung.

Der Gegenleistung sind Belastungen hinzuzurechnen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen.“

14       Mit dem Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019 - ZZRÄG 2019, BGBl. I Nr. 38/2019, wurden § 26 Abs. 1 GGG folgende Sätze angefügt:

„Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen. Maschinen und sonstige Vorrichten aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, sind nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.“

15       Zudem wurde in § 26 Abs. 3 GGG der Punkt nach dem letzten Satz durch einen Beistrich ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:

„ausgenommen dauernde Lasten“.

16       Nach § 26 Abs. 3 Z 1 GGG bestimmt sich der Wert der Gegenleistung bei einem Kauf nach dem Kaufpreis „zuzüglich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen“. Vom Käufer übernommene Leistungen sind auch Leistungen an Dritte, die dem Veräußerer - sei es aufgrund des Gesetzes, sei es auf Grund einer vertraglichen Verpflichtung - obliegen, aber auf Grund der Parteienabrede vom Erwerber getragen werden müssen (vgl. VwGH 19.5.2015, Ro 2014/16/0006).

17       Im revisionsgegenständlichen Fall ist unstrittig, dass sich der Mitbeteiligte im Kaufvertrag vom 15. September 2016 neben der Zahlung des Kaufpreises iHv 380.420 € ausdrücklich dazu verpflichtet hat, entsprechend den Bedingungen des Baurechtsvertrags an den Baurechtsgeber den Bauzins anteilig nach Nutzwerten zu bezahlen.

18       Damit hat der Mitbeteiligte kraft vertraglicher Vereinbarung die dem Veräußerer obliegende Verpflichtung zur Zahlung des (anteiligen) Bauzinses übernommen, sodass diese „sonstige Leistung“ schon auf Grund der ausdrücklichen Anordnung des § 26 Abs. 3 Z 1 GGG in die Ermittlung des Werts der Gegenleistung miteinzubeziehen ist.

19       Aber selbst wenn der Mitbeteiligte die Verpflichtung zur Entrichtung des anteiligen Bauzinses nicht vertraglich übernommen hätte, sondern diese nur kraft Gesetzes - aufgrund der grundbücherlichen Erfassung als Reallast - auf ihn übergegangen wäre, würde dies im Revisionsfall zu keinem anderen Ergebnis führen.

20       Nach § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG sind Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, der Gegenleistung hinzuzurechnen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen. Da Baurechte den Grundstücken insoweit gleichzuhalten sind, folgt aus § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG, dass auch die Verpflichtung zur Entrichtung des Bauzinses, die als Reallast auf dem Baurecht ruht, bei einer Weiterveräußerung des Baurechts als eine Belastung iSd § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG anzusehen ist, die in die Bemessungsgrundlage der Eintragungsgebühr einzubeziehen ist.

21       Soweit das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht vertritt, dass die Verpflichtung zur Entrichtung des Bauzinses als dauernde Last bereits nach der vor dem ZZRÄG 2019, BGBl. I Nr. 38/2019, geltenden Rechtslage nicht in die Bemessungsgrundlage für die Eintragungsgebühr einzubeziehen wäre, vermag sich dem der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.

22       Zwar ist, worauf das Bundesverwaltungsgericht zu Recht hinweist, den Gesetzesmaterialien (RV 560 BlgNR 26. GP) zu entnehmen, dass die durch das ZZRÄG 2019, BGBl. I Nr. 38/2019, in § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG eingefügte Ausnahme für dauernde Lasten lediglich als Klarstellung zu verstehen sei. Dies findet jedoch in § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG idF vor dem ZZRÄG 2019, BGBl. I Nr. 38/2019, keine Deckung, wonach Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, ausdrücklich der Gegenleistung hinzuzurechnen sind, soweit sie kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen (vgl. zu den Grenzen der Bedeutung von Gesetzesmaterialien VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0047, mwN).

23       Im Gegensatz zu der für die Grunderwerbsteuer geltenden Regelung des § 5 Abs. 2 Z 2 GrEStG, wonach zur Gegenleistung Belastungen gehören, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, „ausgenommen dauernde Lasten“, fehlte dieser letzte Halbsatz noch in § 26 Abs. 3 letzter Satz GGG idF vor dem ZZRÄG 2019, BGBl. I Nr. 38/2019.

24       Damit wäre aber nach der im revisionsgegenständlichen Fall noch maßgeblichen Rechtslage des § 26 Abs. 3 GGG idF der GGN, BGBl. I Nr. 1/2013, die Verpflichtung zur Zahlung des Bauzinses bei der Ermittlung der Gegenleistung selbst dann zu berücksichtigen gewesen, wenn die im Grundbuch eingetragene Reallast nicht schon aufgrund ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung sondern nur kraft Gesetzes auf den Mitbeteiligten übergegangen wäre.

25       Da das Bundesverwaltungsgericht die vom Mitbeteiligten vertraglich übernommene Verpflichtung zur Entrichtung des (anteiligen) Bauzinses nicht in die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Eintragungsgebühr einbezogen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 12. November 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019160192.L00

Im RIS seit

04.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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