TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/17 95/19/0271

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Veröffentlicht am 17.10.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Mai 1995, Zl. 104.856/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 5. Mai 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Juli 1994, mit dem seinem Antrag auf Verlängerung des ihm am 25. Februar 1993 erteilten, bis 8. März 1994 gültigen Wiedereinreise-Sichtvermerkes nicht stattgegeben worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Erstbehörde seinen Antrag mit der Begründung abgewiesen habe, daß die vom Gesetz verlangte ortsübliche Unterkunft nicht gegeben sei, weil die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Wohnung im Ausmaß von 42 m2 für den dauernden Aufenthalt von fünf Personen nicht ausreiche. Dabei habe die Behörde auch die allgemeine Wohnsituation in der unmittelbaren Umgebung der angegeben Wohnung zu berücksichtigen gehabt.

Dem Berufungseinwand des Beschwerdeführers, es werde ihm aufgrund eines aufzunehmenden Arbeitsverhältnisses eine Dienstwohnung ausreichender Größe zur Verfügung stehen, trat die belangte Behörde mit dem Argument entgegen, daß aufgrund "der fehlenden arbeitsrechtlichen Genehmigung auch die zu erwartende Dienstwohnung" nicht bei der Entscheidungsfindung habe berücksichtigt werden können. Weiters legte die belangte Behörde bezüglich der Wohnsituation des Beschwerdeführers dar, daß "aufgrund des Überbelages im Hinblick auf die sanitären Einrichtungen der Wohnung dieser Zustand nicht als ortsüblich für Inländer" qualifiziert werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Ortsüblichkeit der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Unterkunft "im Hinblick auf die sanitären Einrichtungen" der Wohnung verneint, ohne daß sie Feststellungen darüber getroffen hätte, ob und welche sanitären Einrichtungen in der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Wohnung vorhanden sind. Schon dadurch wird die Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtswidrigkeit unmöglich gemacht.

Der belangten Behörde fällt somit zunächst ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 in Verbindung mit § 67 AVG zur Last.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. März 1995, B 2259/94, und vom 12. Juni 1995, B 1599/94, dargetan hat, ist die Behörde bei Heranziehung des im § 5 Abs. 1 AufG enthaltenen Versagungstatbestandes der für die Dauer der Bewilligung nicht ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privatlebens und des Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936, und vom 19. September 1996, Zlen. 95/19/0523, 0559).

Aus den in den Verwaltungsakten erliegenden, der Erstbehörde vorgelegten Ablichtungen von Meldebestätigungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 7. Oktober 1991 bis 3. Februar 1992 und ab 21. Juli 1993 an Adressen in Wien gemeldet war. Überdies ergibt sich aus der im Akt der Erstbehörde erliegenden Ablichtung des Reisedokumentes des Beschwerdeführers, daß diesem aufgrund von zwei ihm erteilten Wiedereinreise-Sichtvermerken seit dem 28. Juli 1992 der Aufenthalt in Österreich und die mehrmalige Wiedereinreise nach Österreich bis zum 8. März 1994 durchgehend gestattet war.

Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK eine Interessenabwägung zwischen den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers einerseits und den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Bewilligung vorzunehmen. Indem sie dies unterließ, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, weil der Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes dem der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 592, angeführte Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190271.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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