TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/17 96/08/0050

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Veröffentlicht am 17.10.1996
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §22 Abs2;
AlVG 1977 §23 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §6 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H in I, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 24. Jänner 1996, Zl. V-7022 B, SVNR 5416200439, betreffend Widerruf der Zuerkennung und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezog vom 1. Jänner 1994 bis zum 21. August 1994 Arbeitslosengeld. Am 26. Juli 1994 stellte sie einen Pensionsantrag, ohne dies dem zuständigen Arbeitsmarktservice Innsbruck zu melden. Gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt gab sie an, im Bezug von Arbeitslosengeld zu stehen. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 13. Juli 1995 wurde ihr die beantragte vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1. August 1994 zuerkannt. Der Bescheid enthielt den Beisatz, die Nachzahlung für den Zeitraum vom 1. August 1994 bis zum 18. September 1994 werde "vorsorglich zur Verrechnung mit dem Arbeitsmarktservice" einbehalten. Eine Kopie dieses Bescheides übermittelte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dem Arbeitsmarktservice Innsbruck, wo sie am 14. Juli 1995 einlangte. Das Arbeitsmarktservice Innsbruck führte eine Umstellung des Arbeitslosengeldbezuges im August 1994 auf den Bezug von Pensionsbevorschussung durch und schrieb der Beschwerdeführerin die Rückzahlung des sich daraus ergebenden Überbezuges von S 979,-- vor. Dieser Betrag war die (gerundete) Differenz zwischen täglich S 309,-- und täglich S 262,40 für die 21 Bezugstage im August 1994.

Mit Schreiben vom 20. Juli 1995 forderte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten das Arbeitsmarktservice auf, allfällige Ersatzansprüche bekanntzugeben. Dieses Schreiben langte beim Arbeitsmarktservice Innsbruck am 24. Juli 1995 ein. Mit Schreiben vom 14. Juli 1995 hatte das Arbeitsmarktservice Innsbruck der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten aber schon mitgeteilt, daß hinsichtlich der Beschwerdeführerin kein Ersatzanspruch gestellt werde. Dieses Schreiben langte am 24. Juli 1995 bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ein. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wies der Beschwerdeführerin - nach dem unwidersprochenen Vorbringen in der Beschwerde - den zunächst einbehaltenen Betrag mit der Mitteilung an, daß das Arbeitsmarktservice keinen Ersatzanspruch gestellt habe.

Im Oktober 1995 wurde das Arbeitsmarktservice Innsbruck auf seinen Irrtum aufmerksam. In einem Aktenvermerk vom 30. Oktober 1995 wurde festgehalten, die schriftliche Mitteilung, daß kein Ersatzanspruch gestellt werde, sei zustandegekommen, weil das Bezugsende der Beschwerdeführerin auf dem Karteiblatt irrtümlich mit 29. Juli 1994 festgehalten worden sei. Als der Aktenvermerk angelegt wurde, hatte die Beschwerdeführerin den Betrag von S 979,-- bereits zurückgezahlt. In bezug auf den Restbetrag für August 1994 (das 21-fache von S 309,--, das sind S 6.489,--, abzüglich S 979,--, ergibt S 5.510,--) hatte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dem Arbeitsmarktservice telefonisch mitgeteilt, es könne "kein Ersatzanspruch mehr gestellt werden" (Aktenvermerk vom 2. Oktober 1995).

Mit Bescheid vom 9. November 1995 sprach das Arbeitsmarktservice Innsbruck gegenüber der Beschwerdeführerin aus, für die Zeit vom 1. August 1994 bis zum 21. August 1994 werde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt", und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG werde die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung von S 6.489,-- verpflichtet. Begründend wurde der Inhalt der angewandten Rechtsvorschriften auszugsweise wiedergegeben und im übrigen ausgeführt:

"Das Ermittlungsverfahren hat ergeben: Laut Bescheid der PVA vom 13.7.1995 ist Ihnen die vorz. Alterspension zuerkannt worden. Dies hätten Sie dem Arbeitsmarktservice melden müssen, sodaß Ihr Leistungsbezug richtig gestellt worden wäre. Somit entstand ein Überbezug von S 6.489,--, wobei von Ihnen S 979,-- bereits eingezahlt wurden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid machte die Beschwerdeführerin - vertreten durch einen Sekretär der Arbeiterkammer Tirol - geltend, sie habe keinen Rückforderungstatbestand gesetzt. Die Pensionsversicherungsanstalt habe ihr mit Schreiben vom 28. Juli 1995 mitgeteilt, daß seitens des Arbeitsmarktservice Innsbruck kein Ersatzanspruch geltend gemacht worden sei und sie daher die gesamte Nachzahlung erhalte. Eine Anfrage bei der Pensionsversicherungsanstalt habe ergeben, daß zurückbehaltene Nachzahlungen immer erst dann ausbezahlt würden, wenn seitens des Arbeitsmarktservice eine Mitteilung eingelangt sei. Für die Beschwerdeführerin sei nicht erkennbar gewesen, daß ihr die zuerkannten Leistungen (gemeint: nicht) gebührt hätten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung könne zwar der Leistungsbezug widerrufen, die Leistung aber nicht zurückgefordert werden. Beantragt werde eine Entscheidung des Inhalts, es werde der erstinstanzliche Bescheid "aufgehoben, festgestellt, daß kein Überbezug vorliegt, und ausgesprochen, daß von einer Rückforderung Abstand zu nehmen ist".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung ab. In der Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe bis zum 21. August 1994 Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich S 309,-- bezogen. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 13. Juli 1995 sei sie (die Beschwerdeführerin) davon verständigt worden, daß ihr ab 1. August 1994 die von ihr beantragte Pension zuerkannt werde. Durch die "hiedurch" von der regionalen Geschäftsstelle Innsbruck "erfolgte" Umstellung des Arbeitslosengeldbezuges auf den Bezug einer Pensionsbevorschussung gemäß § 23 Abs. 1 lit. b AlVG (täglich S 262,40) sei ein Überbezug von S 979,-- (S 46,60 x 21 Tage) "entstanden", den die Beschwerdeführerin bereits eingezahlt habe. Zudem sei "die an die PVA der Angestellten zu stellende Ersatzforderung von S 5.510,-- (Tagessatz S 262,40 x 21 Tage) deshalb als Überbezug ausgewiesen" gewesen, "weil diese irrtümlicherweise nicht gestellt wurde. Dieser Betrag wurde daher seitens der PVA an Sie ausbezahlt".

Rechtlich sei erwogen worden, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 50 AlVG verpflichtet gewesen wäre, den Pensionsantrag vom 26. Juli 1994 umgehend bzw. spätestens binnen einer Woche der regionalen Geschäftsstelle zu melden. Dieser Meldepflicht, der sie nicht nachgekommen sei, sei die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie bei der Stellung des Pensionsantrages den Bezug von Arbeitslosengeld angegeben habe, nicht enthoben gewesen. Die in erster Instanz ausgesprochene Rückforderung sei daher berechtigt gewesen. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß die regionale Geschäftsstelle Innsbruck es irrtümlicherweise "verabsäumt" habe, gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt "rechtzeitig" die "entsprechende Ersatzforderung" zu stellen. Über ein allfälliges "Erkennenmüssen" der Beschwerdeführerin betreffend den Überbezug sei daher nicht zu entscheiden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen unrichtiger Anwendung der §§ 24 und 25 AlVG, wodurch die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, die im August 1994 bezogene (restliche) Leistung von S 5.510,-- zu behalten, verletzt worden sei. Eine Verständigung des Arbeitsmarktservice vom Pensionsantrag im Juli 1994 würde zunächst (gemeint wohl: hinsichtlich des jetzt strittigen Betrages) keine Folgen ausgelöst haben. Von der Zuerkennung der Pension im Juli 1995 habe das Arbeitsmarktservice rechtzeitig Kenntnis erlangt. Für die Beschwerdeführerin folge das daraus, daß die Umstellung des Bezuges und die Rückforderung des Differenzbetrages von S 979,-- sonst nicht erfolgt wäre. Tatsächlich habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den entsprechenden Teil der Pensionsnachzahlung zunächst einbehalten und erst ausgezahlt, als ein Ersatzanspruch seitens des Arbeitsmarktservice "unterblieben" gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe daher keinen Rückforderungstatbestand gesetzt. Sie habe sich auf die Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, daß kein Ersatzanspruch geltend gemacht worden sei, verlassen dürfen und den Betrag gutgläubig verbraucht. Es werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, worin sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und dem Argument der Beschwerdeführerin, das Arbeitsmarktservice habe von der Zuerkennung der Pension rechtzeitig Kenntnis erlangt, entgegenhält, auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin sich auf die Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt, das Arbeitsmarktservice habe keine Ersatzforderung gestellt, verlassen durfte, komme es nicht an. Für die Rückforderung sei "ausschließlich von entscheidender Bedeutung" gewesen, ob die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG (zitiert mit den Worten "wenn er/sie den Bezug durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat") erfüllt habe. Die Beschwerdeführerin sei ihrer Pflicht, den Pensionsantrag zu melden, aber nicht nachgekommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat die strittigen Leistungen nicht als Pensionsvorschuß, sondern als Arbeitslosengeld iS des § 6 Abs. 1 lit. a AlVG empfangen, obwohl die Voraussetzungen dafür für die Zeit des "laufenden Verfahrens auf Zuerkennung" der beantragten vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, für die diese Leistungen gewährt wurden, nicht mehr vorlagen (§ 22 Abs. 2, erster Satz, AlVG). Dadurch, daß das Arbeitsmarktservice vom Pensionsantrag (im vorliegenden Fall: und dessen Erledigung) Kenntnis erlangte, stellte sich die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes iS des § 6 Abs. 1 lit. a AlVG für diesen Zeitraum nachträglich als gesetzlich nicht begründet heraus, womit die Voraussetzungen für den Widerruf der Zuerkennung gemäß § 24 Abs. 2 AlVG erfüllt waren.

Für die Beschwerdeführerin ist auch nichts daraus zu gewinnen, daß der Pensionsvorschuß nur eine Variante des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) ist und keines gesonderten Antrages bedarf, weil ein Antrag auf Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) auch diese Variante einschließt. Danach hat zwar eine Umstellung auf die Gewährung von Pensionsvorschuß zu erfolgen, wenn der Pensionsantrag während des Bezuges von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe), aber vor der Entscheidung über den Pensionsantrag vom Versicherten ordnungsgemäß gemeldet oder dem Arbeitsmarktservice auf andere Weise bekannt wird und mit der Zuerkennung der Pension zu rechnen ist. Ist die Pension schon zuerkannt, so kommt dies im Hinblick auf § 23 Abs. 1 AlVG ("bis zur Entscheidung") und den Zweck des Pensionsvorschusses aber nicht mehr in Frage. Im vorliegenden Fall war das Arbeitsmarktservice daher einerseits berechtigt, das Arbeitslosengeld iS des § 6 Abs. 1 lit. a AlVG zu widerrufen, und andererseits - nach dem Bekanntwerden nicht nur des Pensionsantrages, sondern auch der Entscheidung darüber - nicht mehr verpflichtet, rückwirkend den Pensionsvorschuß zu gewähren. Daß letzteres ihr gegenüber geschehen sei oder nach der Zuerkennung der Pension noch zu geschehen gehabt hätte, macht die Beschwerdeführerin auch nicht geltend.

Den Bezug des Arbeitslosengeldes iS des § 6 Abs. 1 lit. a AlVG während des hier zu beurteilenden Zeitraumes hat die Beschwerdeführerin durch die Verletzung ihrer Meldepflicht hinsichtlich des Pensionsantrages und somit durch die Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt. Nach § 25 Abs. 1, erster Satz, AlVG waren damit auch die Voraussetzungen für die Rückforderung des strittigen Betrages erfüllt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996080050.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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