TE Vwgh Beschluss 2021/12/7 Ra 2021/09/0243

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Veröffentlicht am 07.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
24/01 Strafgesetzbuch
40/01 Verwaltungsverfahren
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
StGB §5 Abs1
VStG §19
VStG §19 Abs1
VStG §19 Abs2
VStG §5 Abs1
VStG §5 Abs2
VStG §9 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesminister für Finanzen, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 9. August 2021, KLVwG-331-337/7/2021, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Mag. Dr. Hans Herwig Toriser, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Osterwitzgasse 6/2. Stock), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufwandersatz wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 29. Dezember 2020 wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) in sieben Fällen für schuldig erkannt, weil dieses Unternehmen [am Tag der Kontrolle am 29. Mai 2020] sieben namentlich genannte irakische Staatsangehörige seit 1.) 18. März 2019, 2.) 12. August 2019, 3.) 16. März 2020, 4.) 23. September 2019, 5.) 31. Dezember 2018, 6.) vom 10. bis 23. Februar 2020, 7.) seit 14. Jänner 2019 ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen als Arbeiter beschäftigt habe, und verhängte über ihn sieben Geldstrafen zu je 2.000 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen.

2        Die vom Amt für Betrugsbekämpfung gegen die Höhe der mit diesem Bescheid verhängten Strafen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

3        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Der gemäß § 28a Abs. 1 AuslBG revisionslegitimierte Finanzminister sieht die Zulässigkeit seiner ausschließlich gegen die Strafbemessung hinsichtlich der Spruchpunkte 1.), 2.), 4.), 5.) und 7.) gerichtete, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende außerordentlichen Revision darin begründet, dass die gebotene Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe unzureichend vorgenommen worden sei; insbesondere sei bei der Beurteilung, ob relevante Erschwerungsgründe vorlägen, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden.

6        Dem Zulässigkeitsvorbringen der Amtsrevision ist vorweg zu entgegnen, dass es sich bei der Strafzumessung durch ein Verwaltungsgericht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Ermessensentscheidung handelt, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint. Soweit daher weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (vgl. etwa VwGH 21.1.2020, Ra 2019/09/0158; 21.4.2020, Ra 2020/09/0007, je mwN).

7        Nach § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im für den Revisionsfall maßgeblichen ordentlichen Verfahren sind § 19 Abs. 2 VStG zufolge überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Entscheidend für die Beurteilung des Unrechtsgehalts der Tat im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG ist nicht die abstrakte Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts - diese findet ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens - sondern das Ausmaß, in dem dieses Rechtsgut durch die in Rede stehende Tat konkret beeinträchtigt wurde. Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann (siehe zum Ganzen VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0161; 22.5.2019, Ra 2018/09/0171, mwN).

8        Das Landesverwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mitbeteiligten und dessen Unbescholtenheit zur Tatzeit berücksichtigt. Diese Ausführungen werden von der revisionswerbenden Partei nicht bestritten. Auch dem - wenn auch späten - Eingeständnis des Verschuldens durch den Mitbeteiligten wird im Zulässigkeitsvorbringen ein gewisses (geringes) Gewicht zugebilligt. Bei den Ausführungen zum allgemeinen Strafzweck, an dem sich die Strafhöhe orientiere, wird hingegen übersehen, dass die hohe ordnungspolitische Relevanz als abstrakte Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens findet und daher kein geeignetes Kriterium zur Strafausmessung innerhalb dieses im konkreten Einzelfall ist (VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0079).

9        Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden, wenn bei der Strafbemessung der bei durchschnittlicher Betrachtung sich ergebende wirtschaftliche Vorteil desjenigen berücksichtigt wird, den sich ein gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz verstoßender Arbeitgeber infolge der diesfalls zu erzielenden Ersparnis an Lohnkosten und Lohnnebenkosten verschafft (VwGH 15.9.2011, 2009/09/0116, mwN), die revisionswerbende Amtspartei lässt in diesem Zusammenhang jedoch völlig unerwähnt, dass nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, welchen in der Revision insoweit nicht entgegengetreten wird, der Mitbeteiligte bereits sämtliche Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer nachbezahlt hat (siehe die besonderen Milderungsgründe nach § 34 Abs. 1 Z 14 und 15 StGB), was auch das Gewicht der in der Revision besonders hervorgehobenen längeren Dauer der Übertretung in einem anderen Licht erscheinen lässt.

10       Es trifft schließlich zu, dass eine rechtliche Auskunft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der zuständigen Behörde einzuholen ist und sich ein Geschäftsführer selbst auf eine Auskunft von Rechtsanwälten oder Wirtschaftstreuhändern nicht verlassen darf. Ein Verstoß gegen diese Grundsätze führt dazu, dass sich der Beschuldigte nicht mit seiner Unkenntnis des Gesetzes zu entschuldigen und ihn die Unkenntnis der Vorschriften nicht von seiner Schuld zu befreien vermag (VwGH 19.11.2019, Ra 2019/09/0017, Rn. 48 ff; 2.10.2003, 2003/09/0126). Das Verwaltungsgericht ging aber ohnedies von einem Verschulden des Mitbeteiligten aus. Bloß aus dem Umstand, dass der Mitbeteiligte im Hinblick darauf, dass es sich bei den Arbeitnehmern um Asylwerber handelte, bei seinem Steuerberater eine Auskunft einholte, kann entgegen dem Revisionsvorbringen jedoch auch nicht abgeleitet werden, dass statt von Fahrlässigkeit von bedingtem Vorsatz auszugehen gewesen wäre.

11       Zusammengefasst hat das Landesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im angefochtenen Erkenntnis unter Ausführungen zum Unrechtsgehalt der Tat, und Berücksichtigung von Erschwerungs- und Milderungsgründen sowie den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Mitbeteiligten eine ausreichende Abwägung zur Strafbemessung vorgenommen. Demgegenüber wird in der Revision eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn eines Ermessensmissbrauchs oder einer Ausübung des Ermessens auf gesetzwidrige Weise nicht aufgezeigt.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

13       Nach § 30a Abs. 7 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 VwGG hat im Fall einer außerordentlichen Revision der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren zu führen und die Parteien zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung aufzufordern. Eine solche Aufforderung ist im vorliegenden Fall durch den Verwaltungsgerichtshof nicht ergangen. Der Ersatz der Kosten für die durch die mitbeteiligte Partei erstattete Revisionsbeantwortung war daher nicht zuzusprechen (vgl. VwGH 23.5.2017, Ra 2017/06/0031, u.a.; 25.6.2014, Ra 2014/07/0025).

Wien, am 7. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090243.L00

Im RIS seit

31.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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