TE Vwgh Beschluss 2021/12/1 Ra 2021/02/0227

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Veröffentlicht am 01.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §99 Abs1 lita
VStG §22 Abs2
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des J P in D, vertreten durch Mag. Bernhard Schwendinger, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 30. August 2021, LVwG-1-268/2021-R13, betreffend Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 21. April 2021 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, am 22. Dezember 2020 in L, Rstraße 7, um 17.30 Uhr 1. ein näher bezeichnetes Fahrzeug A in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft von 0,66 mg/l) gelenkt zu haben, 2. bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem er in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, nicht sofort die nächste Polizeidienststelle verständigt zu haben, 3. Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Verkehrsschild „Halten und Parken verboten“) beschädigt zu haben und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter verständigt zu haben sowie um 17.34 Uhr 4. ein näher bezeichnetes Fahrzeug B in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft von 0,66 mg/l) gelenkt zu haben. Dadurch habe der Revisionswerber zu 1. und 4. jeweils § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO, zu 2. § 4 Abs. 5 StVO und zu 3. § 99 Abs. 2 lit. e StVO iVm § 31 Abs. 1 StVO verletzt, weshalb über ihn Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens festgesetzt wurden.

2        Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht, wobei er diese in der mündlichen Verhandlung am 25. August 2021 hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 3. zurückzog.

3        Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass der Tatort in den Spruchpunkten 1. und 4. „Dstraße 6, L bis Rstraße 7, L“ und die Tatzeit in Spruchpunkt 4. statt „17:34“ nunmehr „ca 17.40“ zu lauten habe. Weiters sprach es aus, dass gemäß § 25a VwGG gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Zur Begründung der Zulässigkeit wird ein Abweichen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen eines fortgesetzten Delikts unter Verweis auf einen einheitlichen Tatvorsatz hinsichtlich beider Alkoholfahrten und ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot behauptet.

8        Um nach der Rechtsprechung von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, müssen die Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, vom sogenannten Gesamtvorsatz, getragen sein, das heißt, der Täter muss von vornherein ein bestimmtes Endziel ins Auge gefasst haben, das er durch die Begehung mehrerer Teilakte, somit schrittweise, erreichen will. Von einem solchen Gesamtvorsatz kann daher nur dann gesprochen werden, wenn der Täter den angestrebten Enderfolg von Anfang an in seinen wesentlichen Umrissen erfasst hat, sodass sich die einzelnen Akte zu dessen Erreichung nur als Teilhandlungen eines (von vornherein gewollt vorhandenen) Gesamtkonzeptes darstellen. Erst dieser innere Zusammenhang lässt die Einzelakte nur als sukzessive Verwirklichung des einheitlich gewollten Ganzen erscheinen (vgl. VwGH 2.5.2018, Ra 2018/02/0062; zur ausnahmsweisen Anwendung beim Fahrlässigkeitsdelikt vgl. VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108). Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, wird von Delikt zu Delikt verschieden sein und hängt im besonderen Maße von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss getragen werden (vgl. VwGH 15.9.2006, 2004/04/0185, mwN).

9        Es entspricht ferner der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Beurteilung eines Deliktes als fortgesetzt begangen trotz eines engen zeitlichen Zusammenhanges ein „Ereignis“ innerhalb dieses Zeitraumes entgegenstehen kann. Als solches ist etwa eine Verkehrskontrolle und der darauf neu gefasste Tatentschluss zu sehen (vgl. etwa VwGH 24.9.2010, 2010/02/0155; 16.6.2020, Ra 2020/02/0099, mwN).

10       Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der vom Revisionswerber verursachte Verkehrsunfall und der darauf neu gefasste Tatentschluss, zu Fuß zurück zu seinem Arbeitsplatz zu gehen, dort ein anderes Kraftfahrzeug in Betrieb zu nehmen, um seine Sachen aus dem Unfallfahrzeug umzuladen und danach heimzufahren, ein solches „Ereignis“ darstellt. Ein fortgesetztes Delikt liegt daher im Revisionsfall nicht vor.

11       Soweit der Revisionswerber unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision einen Begründungsmangel erblickt, weil das Verwaltungsgericht begründungslos Änderungen hinsichtlich des Tatortes und hinsichtlich des Spruchpunktes 4. auch hinsichtlich der Tatzeit vorgenommen habe, trifft dies auf dem Boden des Inhalts des Erkenntnisses nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat mit näheren beweiswürdigenden Erwägungen schlüssig unter Verweis auf den polizeilichen Bericht über den Verkehrsunfall und den in der Anzeige festgehaltenen chronologischen Ablauf der Geschehnisse sowie unter Bedachtnahme auf die Länge der zurückgelegten Strecken ausgeführt, warum es die Tatzeit der zweiten Fahrt auf „ca. 17.40 Uhr“ korrigierte. Das greift die Revision nicht an. Bei der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO kommt es außerdem nicht auf die exakte Angabe der jeweiligen Minute an, sodass die Anführung von „ca. 17.40 Uhr“ unbedenklich ist (vgl. VwGH 20.1.1993, 92/02/0282, mwN).

12       Der Revisionswerber vermag auch nicht darzutun, dass er wegen der gegenständlichen Fassung des Spruches der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wäre. Es wird vom ihm nicht bestritten, dass er zwei Fahrten mit zwei unterschiedlichen Fahrzeugen jeweils von seinem Arbeitsplatz bis zum Unfallort tätigte. Eine weitere (dritte) Fahrt wird von ihm aber nicht behauptet. Im Übrigen wird das dem Revisionswerber zur Last gelegte Delikt des § 5 Abs. 1 StVO - von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen - während des Lenkens eines Kraftfahrzeuges und somit auf einer Wegstrecke begangen (vgl. VwGH 24.9.2010, 2009/02/0329, mwN), sodass die Korrektur der Tatorte auf die zurückgelegte Wegstrecke einer Gefahr der Doppelbestrafung geradezu entgegenwirkt.

13       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. Dezember 2021

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort Tatbild

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020227.L00

Im RIS seit

29.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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