TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/22 94/08/0029

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.1996
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie den Senatspräsidenten Dr. Knell und den Hofrat Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, L, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 2. Dezember 1993, Zl. VwSen-250262/2/Gu/Atz, betreffend Übertretung des § 111 ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 15. Juli 1992 sprach der Magistrat der Stadt Linz aus, daß es der Beschwerdeführer als der im vorliegenden Fall nach den Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) haftbare Arbeitgeber einer näher genannten Gesellschaft mbH mit Sitz in Linz zu verantworten habe, daß diese 1) im Rahmen der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung im Zuge der Errichtung eines Spinnereiwerkes eines näher genannten Unternehmens in Österreich acht ungarische Arbeitnehmer eines ungarischen Unternehmens mit Sitz in Budapest ohne Bewilligung gemäß § 16 Abs. 4 AÜG in der Zeit von November 1990 bis zumindest 19. März 1991 beschäftigt habe und 2) die obgenannten Ungarn nicht zur Sozialversicherung angemeldet bzw. keine Abgaben entrichtet habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1) nach § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. c iVm § 16 Abs. 3 und 4 AÜG und zu 2) nach § 111 iVm den §§ 3 Abs. 3 letzter Satz und 35 Abs. 2 letzter Satz ASVG begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werde über ihn folgende Strafe verhängt: Zu 1) S 30.000,-- (Ersatzarreststrafe 11 Tage) gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 AÜG, zu 2) S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe 1 Tag) gemäß § 111 ASVG, zusammen S 33.000,--. Ferner habe der Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG S 3.300,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten, Barauslagen) betrage daher S 36.300,--.

Der Beschwerdeführer erhob durch den auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einschreitenden Rechtsanwalt eine schriftliche Berufung. Auf dem Deckblatt ist angeführt:

"wegen § 22 Abs. 1 Zif. 1 lit. c Arbeitskräfteüberlassungsgesetz in Verbindung mit § 16 Abs. 3 plus 4 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz". Der Einleitungssatz der Berufung lautet: "In der umseits näher bezeichneten Rechtssache wurde ich mit Straferkenntnis des Magistrates Linz vom 15.7.1992, zugegangen am 31.7.1992, gemäß § 22 Abs. 1 Zif. 1 lit. c AÜG zu einer Geldstrafe im Ausmaß von S 33.000,-- und zum Kostenersatz in der Höhe von S 3.300,-- verurteilt. Innerhalb offener Frist erhebe ich gegen dieses Straferkenntnis Berufung ... und führe dazu im einzelnen aus wie folgt:". In den Berufungsausführungen ist keine Rede von der Übertretung gemäß § 111 ASVG. Kosenquenterweise heißt es dann zusammenfassend, es könne der Sachverhalt "daher keinesfalls unter den strafbaren Tatbestand des AÜG subsumiert werden. Abschließend wird der Antrag gestellt, es möge die belangte Behörde erstens das angefochtene Straferkenntnis und das Strafverfahren einstellen bzw. einen Freispruch fällen bzw. zweitens das angefochtene Straferkenntnis aufheben und zur Verfahrensergänzung an die Erstinstanz zurückverweisen, in eventu drittens die Strafe angemessen mildern.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 1993 entschied der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch seine vierte Kammer über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das obgenannte Straferkenntnis vom 15. Juli 1992 "wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (Faktum 1)" dahin, daß der Berufung (mit einer Maßgabe) keine Folge gegeben werde. Dagegen erhob der Beschwerdeführer keine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde durch ein näher bezeichnetes Mitglied über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das genannte Straferkenntnis vom 15. Juli 1992 "betreff die in Faktum 2 beschriebene Übertretung nach dem ASVG" dahin, daß der Berufung keine Folge gegeben und das bekämpfte Straferkenntnis im vorbezeichneten Umfang bestätigt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in dem gesetzlich gewährleisteten Recht, "entgegen den Bestimmungen der §§ 111, 3 Abs. 3 und 35 Abs. 2 ASVG nicht bestraft zu werden", verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der gemäß § 24 VStG mit der Maßgabe des § 51 Abs. 3 VStG (in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995) auch im Verwaltungsstrafverfahren anwendbaren Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG hat die schriftlich eingebrachte Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages gilt, wie sich aus der ebenfalls nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Bestimmung des § 61 Abs. 5 AVG ergibt, nur dann als Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG mit der Rechtsfolge einer Verpflichtung der Behörde, dem Einschreiter die Behebung des Formgebrechens aufzutragen, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages enthält; trifft letzteres - so wie im Beschwerdefall - nicht zu, so stellt ein solches Fehlen einen Inhaltsmangel der Berufung dar, der ihre Zurückweisung als unzulässig zur Folge hat (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zl. 92/08/0193, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Der Beschwerdeführer bekämpfte mit seiner oben wiedergegebenen Berufung, wie sich aus der Anführung der ausgesprochenen Straf- und Kostenhöhe und dem Berufungsantrag ergibt, zwar das gesamte Straferkenntnis, die Begründung der Berufung bezog sich aber, wie sich aus der wiederholten Benennung des Straftatbestandes nach dem AÜG klar erweist, nur auf den gemäß § 59 Abs. 1 AVG trennbaren Teil des Straferkenntnisses, mit dem er wegen der Übertretung nach dem AÜG bestraft wurde. Besteht jedoch eine rechtliche Trennbarkeit des im Bescheid der Unterbehörde enthaltenen Abspruches, so muß ein den Gesamtbescheid betreffender Berufungsantrag hinsichtlich jedes trennbaren Teiles eine Begründung enthalten, um der Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG zu entsprechen (vgl. dazu u. a. die Erkenntnisse vom 15. Jänner 1982, Zl. 08/0100/80, und vom 29. Juni 1982, Zl. 81/11/0057).

Da dieser Mangel, wie bereits ausgeführt wurde, einen nicht verbesserbaren Inhaltsmangel darstellte, hätte die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers insoweit, als sie sich - dem Berufungsantrag nach - gegen seine Bestrafung gemäß § 111 ASVG richtete, als unzulässig zurückweisen müssen. Dadurch, daß die belangte Behörde statt der formellen Zurückweisung der Berufung im genannten Umfang die Abweisung derselben ausgesprochen und den Beschwerdeführer zur Bezahlung der Berufungskosten verpflichtet hat, wurde dieser auch in dem für die Prüfung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Rahmen des geltend gemachten, oben wiedergegebenen Beschwerdepunktes (§ 41 iVm § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG; vgl. dazu u. a. das Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 95/08/0273, mit weiteren Judikaturhinweisen) in Rechten verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren an Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit nach § 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG abzuweisen.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994080029.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten