TE Vfgh Erkenntnis 1994/11/29 B1773/94

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Veröffentlicht am 29.11.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Nö GVG 1989 §3 Abs2 lith
Nö GVG 1989 §3 Abs3 litb

Leitsatz

Keine denkunmögliche oder willkürliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs mangels Absicht zur Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage und wegen eines den ortsüblichen Verkehrswert erheblich übersteigenden Kaufpreises

Spruch

Der beschwerdeführende Fonds ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds erwarb von der Stadt Wien (Wiener Stadt- und Elektrizitätswerke) mit Kaufvertrag das landwirtschaftlich genutzte Grundstück Nr. 1749/1 in EZ 2167 KG Vösendorf im Ausmaß von 22.645 m2 zum Preis von 6,700.000,- S.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirksbauernkammer Mödling am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Mödling versagte der beabsichtigten Eigentumsübertragung die Zustimmung.

Die gegen diesen Bescheid (nur) vom Käufer eingebrachte Berufung wurde von der Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission richtet sich die ausschließlich vom Käufer erhobene, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die Grundverkehrs-Landeskommission als Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die für den angefochtenen Bescheid inhaltlich bedeutsamen Vorschriften des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1989, LGBl. 6800-0, idF der Gesetze LGBl. 6800-1 und 6800-2 (im folgenden: NÖ GVG 1989), lauten:

"§1

Begriffsbestimmungen

1. Land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaften sind

a) ...

b) einzelne oder mehrere Grundstücke, Betriebs- und Wohngebäude, die ganz oder überwiegend zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehören oder land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Hiebei ist die Beschaffenheit oder die Art ihrer tatsächlichen Verwendung maßgebend. ...

§2

Beschränkungen des Verkehrs mit land- oder

forstwirtschaftlichen Liegenschaften

(1) Rechtsgeschäfte unter Lebenden über land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaften bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde, wenn sie zum Gegenstand haben:

Die Übertragung des Eigentums,

...

§3

Voraussetzungen für die Zustimmung

(1) Die Grundverkehrsbehörde hat einem Rechtsgeschäft die Zustimmung zu erteilen, wenn es dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht widerstreitet. Soweit ein solches Interesse nicht besteht, hat die Grundverkehrsbehörde dem Rechtsgeschäft auch dann die Zustimmung zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerstreitet.

(2) Ein solcher Widerstreit ist jedenfalls gegeben, wenn

...

g) Gründe zur Annahme vorliegen, daß eine spekulative Kapitalsanlage beabsichtigt ist. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn aus der Tatsache der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers oder aus seiner Entfernung von der land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaft zwingend geschlossen werden kann, daß er zur Selbstbewirtschaftung offenbar nicht in der Lage ist oder der Erwerb nur zum Zweck der Verpachtung erfolgt oder eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht zu erwarten ist;

h) die Gegenleistung den ortsüblichen Verkehrswert, bei Pachtverträgen den ortsüblichen Pachtzins ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt;

...

(3) Ein solcher Widerstreit liegt nicht vor, wenn eine land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaft

a) ...

b) zum Zweck der Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage bestimmt ist, es sei denn, daß mehr Grundflächen als notwendig in Anspruch genommen werden. Die Zweckbestimmung ist durch eine Bescheinigung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich glaubhaft zu machen und von der Grundverkehrsbehörde zu überprüfen;

..."

2. Die Grundverkehrs-Landeskommission hat, indem sie die Berufung des beschwerdeführenden Fonds abwies, einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen (s. zB VfSlg. 13193/1992 mit Hinweisen auf Vorjudikatur), mit dem sie der beabsichtigten Eigentumsübertragung die Zustimmung versagte.

Sie vertrat, gestützt auf ein von ihr eingeholtes Gutachten eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen, gleich der Behörde erster Instanz die Auffassung, daß der Kaufpreis von S 295,87/m2 den ortsüblichen Verkehrswert ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt. Zum Unterschied von der Erstbehörde, die sich (wenngleich nur in der Begründung ihres Bescheides) auf §3 Abs2 lith NÖ GVG 1989 gestützt hatte, berief sich die Grundverkehrs-Landeskommission auf §3 Abs2 litg dieses Gesetzes. Sie verneinte außerdem das Vorliegen der in §3 Abs3 litb NÖ GVG 1989 umschriebenen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung und ging demnach insbesonders davon aus, daß das Kaufgrundstück nicht im Sinne dieser Vorschrift zum Zweck der Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage bestimmt sei.

3.a) Ein die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagender Bescheid greift iS der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 6735/1972, 7539/1975, jeweils mit Hinweisen auf Vorjudikatur) in das Eigentum (auch) des Erwerbers ein.

Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 11413/1987, 12119/1989, S. 14) dann verfassungswidrig, wenn der Bescheid entweder ohne jede gesetzliche Grundlage oder unter Heranziehung eines verfassungswidrigen Gesetzes erlassen worden wäre, wobei die denkunmögliche Anwendung des Gesetzes als Gesetzlosigkeit anzusehen ist. Ein derartiger Fall läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. etwa VfSlg. 9693/1983, 10566/1985).

b) Der beschwerdeführende Fonds zieht zwar die Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid inhaltlich tragenden gesetzlichen Vorschriften nicht in Zweifel, er wirft jedoch der Grundverkehrs-Landeskommission vor, ihn durch eine denkunmögliche und willkürliche Anwendung dieser Vorschriften in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu haben. Dies trifft nach dem Beschwerdevorbringen einmal insofern zu, als die belangte Behörde bei der Ermittlung des ortsüblichen Verkehrswertes außer acht gelassen habe, daß vom Amtssachverständigen nach seinem eigenen Bekunden in einem vergleichbaren Fall ein Kaufpreis von

S 300.-/m2 als angemessen beurteilt worden sei, und daß sie ferner nicht geprüft habe, ob der Kaufpreis den ortsüblichen Verkehrswert ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt. Dabei habe sie insbesondere den Umstand nicht berücksichtigt, daß die Verkäuferin bereits im Jahre 1986 für das Kaufgrundstück einen Kaufpreis von S 250.-/m2 entrichtet habe. Zum anderen habe die Grundverkehrs-Landeskommission insofern willkürlich gehandelt, als sie die Versagung der Zustimmung auch auf das Argument gestützt habe, daß das Kaufgrundstück nicht unmittelbar für die Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen (industriellen oder bergbaulichen) Anlage bestimmt sei. Dabei habe sie nämlich verkannt, daß das Kaufgrundstück nach dem Vorbringen des beschwerdeführenden Fonds auch künftighin landwirtschaftlich genutzt werden solle, weil es im Tauschwege Landwirten zur landwirtschaftlichen Nutzung als Ersatz für Grundflächen übertragen werden solle, die von den Landwirten für die - vom beschwerdeführenden Fonds zu fördernde - Betriebsansiedlung zur Verfügung gestellt werden.

4.a) Der Verfassungsgerichtshof hat aus der Sicht des Beschwerdefalles gegen die dem angefochtenen Bescheid inhaltlich zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken (s. in diesem Zusammenhang zu §3 Abs2 lith etwa die zu gleichartigen Bestimmungen ergangenen Erkenntnisse VfSlg. 12611/1991 und 13101/1992 und die dort jeweils zitierte Vorjudikatur; zu §3 Abs3 litb etwa VfSlg. 9564/1982; zu der von der Grundverkehrs-Landeskommission zitierten Bestimmung des §3 Abs2 litg etwa VfSlg. 7403/1974, 9682/1983, 10047/1984).

b) Die Grundverkehrs-Landeskommission hat diese Vorschriften aber auch nicht denkunmöglich oder willkürlich angewendet.

Wie sich aus §3 Abs1 iVm §3 Abs3 litb NÖ GVG 1989 ergibt, ist der Übertragung des Eigentums an einer land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaft zuzustimmen, wenn sie zum Zweck der Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage bestimmt ist, es sei denn, daß mehr Grundflächen als notwendig in Anspruch genommen werden. Die Zweckbestimmung ist durch eine Bescheinigung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich glaubhaft zu machen und von der Grundverkehrsbehörde zu überprüfen (§3 Abs3 litb zweiter Satz NÖ GVG 1989).

Die Grundverkehrs-Landeskommission ging davon aus, daß diese Voraussetzung für die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung nicht vorliege, weil das Kaufgrundstück (jedenfalls) nicht (unmittelbar) im Sinne des §3 Abs3 litb NÖ GVG 1989 zum Zweck der Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage bestimmt sei. Die dieser Auffassung zugrunde liegende Tatsachenannahme steht durchaus im Einklang mit dem Vorbringen des beschwerdeführenden Fonds, wonach das Kaufgrundstück im Austausch gegen andere Grundstücke an Landwirte zur (landwirtschaftlichen) Nutzung im Rahmen ihres Betriebes übertragen werden solle.

Bei diesen tatsächlichen Gegebenheiten aber ist die Auffassung der Grundverkehrs-Landeskommission, es lägen die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung nach §3 Abs1 iVm §3 Abs3 litb NÖ GVG 1989 nicht vor, jedenfalls - worauf es hier allein ankommt - vertretbar und daher weder denkunmöglich noch willkürlich.

Die Grundverkehrs-Landeskommission versagte die Zustimmung im Ergebnis mit der Begründung, daß die Gegenleistung den ortsüblichen Verkehrswert ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt. Sie stützte damit den angefochtenen Bescheid der Sache nach auf den in §3 Abs2 lith NÖ GVG 1989 normierten Versagungstatbestand. Dem von ihr eingeholten Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen folgend ging sie davon aus, daß der im Sinne dieser Bestimmung maßgebliche "ortsübliche Verkehrswert" des Kaufgrundstückes sich auf (höchstens) S 100.-/m2 belaufe. Zu diesem Ergebnis war der Amtssachverständige unter ausschließlicher Berücksichtigung der von Landwirten getätigten Käufe landwirtschaftlicher Grundstücke gelangt, ließ aber nicht unerwähnt, daß beim Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke für nicht landwirtschaftliche Zwecke wesentlich höhere Preise erzielt und in einem Fall vom Amtssachverständigen als angemessen erachtet wurden. Den Umstand, daß die Verkäuferin des in Rede stehenden Grundstückes dieses im Jahre 1986 um einen Preis von S 250.-/m2 erworben habe, ließ die Grundverkehrs-Landeskommission nicht außer acht, sie sah darin bloß keine ausreichende Begründung dafür, daß der entscheidungsgegenständliche Kaufpreis den ortsüblichen Verkehrswert erheblich übersteigt.

Wenn die Beschwerde dies und den Umstand rügt, daß die Landes-Grundverkehrskommission bei der Ermittlung des ortsüblichen Verkehrswertes (vgl. dazu etwa VfSlg. 7539/1975 mwH) - insoweit dem Gutachten des Amtssachverständigen folgend - lediglich auf die beim Erwerb von Grundstücken für landwirtschaftliche Zwecke entrichteten (und damit auf der gegenwärtigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung beruhenden) Preis abstellte, so wird damit eine allenfalls unrichtige, nicht aber eine denkunmögliche - einer Gesetzlosigkeit gleichkommende - Gesetzesanwendung dargetan.

Der beschwerdeführende Fonds ist somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

5. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid inhaltlich zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften (s. dazu oben unter II.4.a), da es ferner keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die Grundverkehrs-Landeskommission diesen Vorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat - auch die Beschwerde behauptet dies nicht -, und weil schließlich, wie bereits dargelegt, der belangten Behörde auch nicht ein willkürliches Vorgehen zur Last fällt, ist der beschwerdeführende Fonds durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

6. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der beschwerdeführende Fonds in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat nicht der Verfassungsgerichtshof zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 10659/1985, 11754/1988, 13207/1992).

7. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid inhaltlich zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften (s. dazu oben unter II.4.a) ist es auch ausgeschlossen, daß der beschwerdeführende Fonds wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Preis ortsüblicher

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1773.1994

Dokumentnummer

JFT_10058871_94B01773_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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