TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/23 95/03/0317

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Veröffentlicht am 23.10.1996
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §11 Abs2;
StVO 1960 §19 Abs4;
StVO 1960 §19 Abs7;
StVO 1960 §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 27. September 1995, Zl. UVS-3/2581/8-1995, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 26. November 1993 um 08.10 Uhr in Salzburg, Georg-von-Nissenstraße, ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und beim Abbiegen nach links in die Berchtesgadenerstraße Richtung stadteinwärts als Wartepflichtige das Vorschriftszeichen "Halt" insoferne nicht beachtet, als sie ihr Fahrzeug nicht so lange angehalten habe, bis der von links kommende und vorrangberechtigte Lenker des nach dem Kennzeichen bestimmten Gelenkbusses den Kreuzungsbereich zur Gänze verlassen gehabt habe, und dadurch den Omnibuslenker zum Ablenken seines Fahrzeuges genötigt und dadurch einen Verkehrsunfall verschuldet habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß "§ 19 Abs. 4 i.V.m. § 19 Abs. 7" StVO 1960 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: ein Tag) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wie bereits auf Verwaltungsebene vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, zum Tatzeitraum habe sich auf der Berchtesgadenerstraße der in Frage stehende Omnibus der Kreuzung Georg-von-Nissenstraße, auf der die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug entsprechend dem Vorschriftszeichen "Halt" angehalten gehabt habe, genähert. Geraume Zeit bevor der Gelenkbus sich der Kreuzung genähert habe, habe dieser das rechte Blinkzeichen gesetzt. Die Beschwerdeführerin sei davon ausgegangen, daß der Gelenkbus in die Georg-von-Nissenstraße einbiegen würde, was ihr ohne weiteres erlaubt hätte, nachdem der Gelenkbus das einzige sonst auf der Berchtesgadenerstraße befindliche, vorrangberechtigte Fahrzeug gewesen sei, gefahrlos in die Kreuzung einzufahren und nach links in die Berchtesgadenerstraße stadteinwärts abzubiegen.

Die belangte Behörde hat nach der Begründung des angefochtenen Bescheid die Frage, ob der Omnisbuslenker bereits vor der Kreuzung den rechten Blinker betätigt gehabt habe, aus folgenden Gründen dahingestellt gelassen:

Die Beschwerdeführerin habe selbst angegeben, ortskundig zu sein und in der Nähe des Tatortes zu wohnen. Ausgehend davon habe sie "abstrakt darüber Bescheid" wissen müssen, daß aus Richtung Berchtesgadenerstraße kommend sowohl Busse in die unmittelbar nach der Kreuzung mit der Georg-von-Nissenstraße befindliche Bushaltestelle einfahren und gleichzeitig andere Busse nach rechts in die Georg-von-Nissenstraße einbiegen würden. Es möge zutreffen, daß der Beschwerdeführerin vor dem Einfahren in die Kreuzung eine Beobachtung dahingehend, welche dieser beiden Busse sich nun nähere, nämlich einer mit Oberleitung, welcher nur geradeaus weiterfahre, oder ein dieselbetriebender Bus, welcher nur nach rechts einbiege, nicht zumutbar sei. Es sei ihr jedoch "die Verwertung ihres abstrakten Wissens um diese vorangeführte Tatsache" zumutbar; sie müsse auch bei Blinken eines Busses jedenfalls "in Kalkül ziehen oder mutmaßen, daß dieser ebenso geradeaus weiterfahren könne wie nach rechts abbiegen". Von einem Vorrangverzicht dürfe ein Wartepflichtiger immer nur dann ausgehen, wenn derselbe klar und eindeutig sei.

Es mag nun zutreffen, wie von der Beschwerdeführerin gerügt wird, daß im Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz des § 3 StVO 1960 sowie auf den Umstand, daß das Gesetz die rechtzeitige Anzeige der bevorstehenden Änderung der Fahrtrichtung normiert, ein in eine Kreuzung einfahrender Kraftfahrzeuglenker darauf vertrauen dürfe, ein von links kommender Kraftfahrer, der den rechten Blinker seines Wagens betätigt habe, werde auch tatsächlich nach rechts einbiegen (so OGH vom 17. November 1966, 2 Ob 314/66, vom 17. Juni 1993, 2 Ob 21/93, u.a.).

Von der Beschwerdeführerin wird aber unberücksichtigt gelassen, daß der Vertrauensgrundsatz dann nicht gilt, wenn eine unklare Verkehrssituation vorliegt. In Zweifelsfällen ist vielmehr eine Verkehrslage stets im bedenklichen Sinne auszulegen (vgl. OGH vom 25. Jänner 1962, 11 Os 27/62). Die Beschwerdeführerin geht nun selbst davon aus, daß "unmittelbar im Bereich nach der Kreuzung" eine Bushaltestelle angelegt ist. Damit war aber - bei pflichtgemäßer Sorgfalt - nach den Umständen mit dem Entstehen einer unklaren Verkehrslage nämlich dahin zu rechnen, daß für einen Haltepflichtigen nicht ausreichend erkennbar ist, worauf sich die angezeigte Änderung der Fahrtrichtung des gegenständlichen Busses bezieht: Auf ein Einbiegen in die Georg-von-Nissenstraße oder eine Änderung der Fahrtrichtung in die Bushaltestelle.

Damit geht die auf den Vertrauensgrundsatz aufbauende Beschwerdeargumentation ins Leere und kann auch vor dem Hintergrund des Vertrauensgrundsatzes der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, von einem Vorrangverzicht dürfe ein Wartepflichtiger immer nur dann ausgehen, wenn derselbe klar und eindeutig sei. Es kann dabei auch dahingestellt bleiben, ob die von der belangten Behörde angestrengten Überlegungen hinsichtlich des "abstrakten Wissens" um die Linienführung der Busse zutreffend sind.

Damit fehlt es aber auch der Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, die Behörde hätte eindeutig festzustellen gehabt, daß der Buschauffeur weit vor der Kreuzung bereits ein Blinkzeichen nach rechts gesetzt habe, an der rechtlichen Relevanz. Auch dahingehende Feststellungen hätten nichts daran ändern können, daß sich die Beschwerdeführerin wegen der unklaren Verkehrslage nicht auf den von ihr ins Treffen geführten Vertrauensgrundsatz zu berufen vermag.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Vertrauensgrundsatz bejahend Vertrauensgrundsatz verneinend

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995030317.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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