TE Vwgh Beschluss 2021/11/25 Ra 2020/11/0163

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
VStG §24
VStG §44a Z1
VStG §9
VStG §9 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des N H in G (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof und MMag. Maja Ranc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien, jeweils vom 7. Jänner 2020, Zlen. 1. VGW-041/046/3/2020, 2. VGW-041/046/4/2020 und 3. VGW-041/046/5/2020, jeweils betreffend Übertretung des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit drei Straferkenntnissen der belangten Behörde jeweils vom 28. August 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der V mit Sitz in den Niederlanden zu verantworten, dass dieses Unternehmen als Arbeitgeberin jeweils vier näher genannte, von ihr nach Österreich entsandte Arbeitnehmer beschäftigt habe, wobei sie keine ZKO3-Meldungen über die Entsendung bei der Zentralen Koordinationsstelle erstattet und diese sowie näher bezeichnete Lohnunterlagen weder bereitgehalten noch zugänglich gemacht habe. Über den Revisionswerber wurden wegen Übertretungen des § 19 Abs. 1 und 2 iVm. § 26 Abs. 1 Z 3 LSD-BG sowie des § 22 Abs. 1 iVm. § 28 Z 1 LSD-BG und des § 19 Abs. 1, 2 und 3 iVm. § 26 Abs 1 Z 1 LSD-BG jeweils für jeden betroffenen Arbeitnehmer Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, es wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag auferlegt, und die V wurde zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG verpflichtet.

2        Mit einem Erkenntnis vom 16. April 2019 und zwei Erkenntnissen vom 26. April 2019 wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Das Verwaltungsgericht änderte dabei die Straferkenntnisse mit der Maßgabe ab, dass der Revisionswerber in allen drei Verfahren nunmehr als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der V. mit Sitz in Slowenien bezeichnet wurde. Das erste Straferkenntnis wurde insofern abgeändert, als er schuldig erkannt wurde, gegen § 21 Abs. 1 Z 2 iVm. § 19 Abs. 1 LSD-BG sowie § 26 Abs. 1 Z 3 LSD-BG verstoßen zu haben, im zweiten Straferkenntnis wurde die Strafsanktionsnorm in „§ 28 Z 1 dritter Strafsatz LSD-BG“ abgeändert. Ferner wurde jeweils ein Verfahrenskostenbeitrag auferlegt.

3        Mit Erkenntnis vom 27. November 2019, E 2047-2049/2019-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse erhobenen Beschwerden gemäß Art. 144 B-VG hinsichtlich der Schuldaussprüche ab, hob jedoch die Erkenntnisse im Umfang der Straf-, Kosten- und Haftungsaussprüche auf.

4        Mit den im fortgesetzten Verfahren ergangenen, im Revisionsfall angefochtenen (Ersatz)Erkenntnissen gab das Verwaltungsgericht den Beschwerden des Revisionswerbers gegen die zugrundeliegenden Straferkenntnisse hinsichtlich der Strafaussprüche statt und setzte jeweils eine (einzige) Geldstrafe und einen Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren fest. Die ordentliche Revision erklärte es gemäß § 25a VwGG jeweils für unzulässig.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht jeweils aus, aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Maksimovic und des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033, 0034, habe die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe ebenso unberücksichtigt zu bleiben wie das gesetzlich vorgegebene Kumulationsprinzip. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe komme nicht in Betracht, da eine solche nach dem zitierten hg. Erkenntnis nicht im Einklang mit dem Unionsrecht stehe.

6        Mit Beschluss vom 26. Juni 2020, E 366-368/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse erhobenen Beschwerden des Revisionswerbers ab und trat diese mit Beschluss vom 29. Juli 2020, E 366-368/2020-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7        In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche Revision ein, zu der die belangte Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattete.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       In den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit behauptet die Revision eine Divergenz der Rechtsprechung zwischen (einerseits) der „Judikaturlinie des VfGH“, welcher nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Maksimovic „bereits einmal festgestellt“ habe, dass der Revisionswerber durch gegen ihn verhängte Geldstrafen gemäß §§ 26 und 28 LSD-BG in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sei, und (andererseits) dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034, das von der weiteren Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVRAG [gemeint hier: LSD-BG] mit der Maßgabe der bloß eingeschränkten Anwendbarkeit bestimmter Strafnormen ausgehe. Fraglich sei daher, „ab welcher Höhe einer Geldstrafe im Sinne der Judikatur des VfGH bereits im gegenständlichen Fall eine Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums vorliegt“ und ob die gegenständlichen Strafnormen „überhaupt angewendet werden können“.

12       Mit diesem zur Zulässigkeit erstatteten Vorbringen hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 9. November 2020, Ra 2020/11/0188, auseinandergesetzt, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird (vgl. zum gleichen Revisionsvorbringen auch VwGH 15.10.2021, Ra 2020/11/0173 bis 0176).

13       Soweit die Revision weiters geltend macht, dass nach der Rechtsprechung des EuGH nicht geklärt sei, ob weiterhin Mindeststrafen verhängt werden dürfen, stellt dies lediglich eine hypothetische Rechtsfrage dar, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision nicht abhängt, weil das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bei der Festsetzung der Strafen ausdrücklich von einem „Wegfall der Mindeststrafe“ ausgegangen ist. Vor diesem Hintergrund geht auch das Vorbringen des Revisionswerbers, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, § 20 VStG (Unterschreitung der Mindeststrafe) anzuwenden, ins Leere.

14       Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, im vorliegenden Fall sei eine Verjährung der Verfolgungshandlung gemäß § 31 Abs. 1 VStG eingetreten, weil die Straferkenntnisse gegen den Revisionswerber als Organ des niederländischen Unternehmens und nicht als Organ des slowenischen ergangen seien, übersieht die Revision, dass nach der hg. Rechtsprechung ein „Austausch“ der juristischen Person, für die nach § 9 VStG eine Verantwortlichkeit besteht, grundsätzlich zulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Auswechslung oder eine Überschreitung der „Sache“ nicht stattfindet, wenn das Verwaltungsgericht den Beschuldigten als nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen hat, für welche sie im ursprünglichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht wurde (vgl. etwa VwGH 12.11.2020, Ra 2020/15/0068; 20.12.2017, Ra 2017/10/0182, jeweils mwN). Davon, dass die jeweiligen Aufforderungen zur Rechtfertigung nicht als gegen den Revisionswerber gerichtete Verfolgungshandlung anzusehen sind, kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein, weshalb das behauptete Abweichen von der hg. Judikatur nicht vorliegt.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. November 2021

Schlagworte

Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes Verantwortlichkeit (VStG §9) zur Vertretung berufenes Organ

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110163.L00

Im RIS seit

23.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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