TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/24 95/18/0785

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Veröffentlicht am 24.10.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
KFG 1967 §103 Abs1 Z1;
KFG 1967 §36;
KFG 1967 §42 Abs1;
KFG 1967 §57a Abs1;
MRK Art8 Abs2;
PaßG 1969 §40 Abs2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des F in R, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Februar 1995, Zl. 300.020/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 28. Februar 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz - FrG abgewiesen.

Über den Beschwerdeführer sei mit (rechtskräftigem) Urteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 17. September 1994 wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage (vor einer Verwaltungsbehörde) eine Geldstrafe in der Höhe von 140 Tagessätzen zu je S 160,-- verhängt worden. Weiters bestünden (rechtskräftige) Verwaltungsvorstrafen gemäß § 40 Abs. 2 Paßgesetz, gemäß § 57a Abs. 1 iVm § 36 KFG, gemäß § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG und gemäß § 42 Abs. 1 KFG.

Durch dieses Verhalten habe der Beschwerdeführer wiederholt gezeigt, daß er "sowohl in strafrechtlicher als auch in verwaltungsrechtlicher Hinsicht" nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen. Aus den wiederholten Rechtsbrüchen lasse sich "eine besonders sozialschädliche Neigung" des Beschwerdeführers ableiten. Der Beschwerdeführer habe österreichische Rechtsvorschriften mißachtet, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen im Interesse eines geordneten Zusammenlebens bestünden. Bei der Interessenabwägung sei zugunsten des ledigen Beschwerdeführers, den keine Sorgepflichten träfen, der inländische Aufenthalt seiner Mutter und seiner volljährigen Brüder berücksichtigt worden.

Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine erhebliche Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens dar; durch seinen weiteren Aufenthalt wäre die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Damit liege ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor, weshalb auch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könne. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen des Beschwerdeführers.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn (u.a.) ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Zufolge des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2. In der Beschwerde bleiben die Tatsachen der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung und der rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers (siehe oben I.1.) unbestritten.

3. Aus der bei den Verwaltungsakten erliegenden gekürzten Urteilsausfertigung ist ersichtlich, daß der Verurteilung wegen falscher Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde zugrunde lag, daß der Beschwerdeführer bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung unrichtig aussagte, nicht G (der Cousin des Beschwerdeführers, der keine Lenkerberechtigung besitzt) habe am 24. Juni 1993 einen bestimmten PKW gelenkt, sondern R (der Bruder des Beschwerdeführers, der eine entsprechende Berechtigung besitzt) und er selbst sei am Rücksitz gesessen.

Aufgrund dieses die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet der Rechtspflege gefährdenden Verhaltens durfte die belangte Behörde im Zusammenhang mit dem den verwaltungsbehördlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Fehlverhalten - ungeachtet des Umstandes, daß hinsichtlich der einzelnen Gesetzesverstöße an sich gebotene konkrete Sachverhaltsfeststellungen fehlen - den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG als verwirklicht ansehen.

4. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung, wobei er vor allem auf das bestehende Beschäftigungsverhältnis verweist.

Die belangte Behörde hat im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Beschwerdeführers zwar den inländischen Aufenthalt der Mutter und der volljährigen Brüder berücksichtigt. Darüber hinaus ergibt sich aber aus den Verwaltungsakten, daß der Beschwerdeführer - der sich seit 1990 mit Unterbrechungen im Inland aufhält - mit einem seiner Brüder im gemeinsamen Haushalt lebt und seit August 1991 einer Beschäftigung nachgeht, davon seit 11. April 1994 beim selben Arbeitgeber.

Demgegenüber steht die Gefährdung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß die Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Übertretungen von § 57a Abs. 1 iVm § 36 KFG (Verletzung der Pflicht zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen), § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG (vorschriftswidriger Zustand eines Fahrzeuges) und § 42 Abs. 1 KFG (Verletzung der Pflicht, der Zulassungsbehörde die Änderung von einzutragenden Daten bekanntzugeben) am selben Tag (25. Oktober 1993) erfolgten und daher nicht davon gesprochen werden kann, daß der Beschwerdeführer - trotz bereits erfolgter Bestrafung - wiederholt ein Verhalten gesetzt hat, das die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Kraftfahrwesens gefährdet. Aus dem bei den Verwaltungsakten erliegenden Vermerk der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis ergibt sich, daß der am 8. April 1996 erfolgten Bestrafung gemäß § 40 Abs. 2 Paßgesetz zugrundelag, daß der Beschwerdeführer nach sichtvermerksfreier Einreise seit 1. März 1991 einer - bewilligten - Beschäftigung nachging, das damals geltende Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht (BGBl. Nr. 365/1965 in der Fassung BGBl. Nr. 117/1983) bei Einreise zum Zwecke der Arbeitsaufnahme jedoch eine Sichtvermerkspflicht vorsah. Die aus diesem Fehlverhalten resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) wird dadurch relativiert, daß dem Beschwerdeführer danach (am 12. November 1993) eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilt wurde.

Insgesamt erreicht die durch das beschriebene Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkte Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht ein solches Ausmaß, daß es den durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung bewirkten erheblichen Eingriff in die genannten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers rechtfertigt.

5. Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage bei der Abwägung der Interessen zu einem für den Beschwerdeführer ungünstigen Ergebnis gelangte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung neben der (einfachen) Vorlage des angefochtenen Bescheides weitere Urkundenvorlagen nicht erforderlich waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180785.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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