TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/16 W247 2221708-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2021
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Entscheidungsdatum

16.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46a Abs1 Z4
FPG §52
FPG §52 Abs2 Z2
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W247 2169180-2/22E

W247 2221708-1/15E

W247 2221709-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. am XXXX , StA. Tadschikistan, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2021 und am 02.07.2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerden von 2.) XXXX , geb. am XXXX , und 3.) XXXX , geb. am XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter, beide StA. Russische Föderation und vertreten durch die XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2019, 2.) Zl. XXXX , 3.) Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2021 und am 02.07.2021, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. werden gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Spruchpunkte IV. lauten: "Die Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG iVm § 46a Abs. 1 Z 4 FPG bis 8 Wochen nach der Geburt des Kindes von XXXX vorübergehend unzulässig."

II. Im Übrigen werden die Beschwerden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF3) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation (BF2 und BF3) bzw. Tadschikistans (BF1), sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind verheiratet und Eltern, sowie gesetzliche Vertreter des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (BF3).

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren des BF1 im Bundesgebiet:

1.1. Der BF1 reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, spätestens am 30.10.2015, unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an ebendiesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er vor der LPD XXXX am 29.11.2015 erstbefragt wurde. Im Wesentlichen gab der BF1 dabei zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er von der Regierung bedroht werde. Es habe in seinem Land ein Treffen gegeben und seien alle, die an diesem Treffen teilgenommen hätten, von der Polizei mitgenommen worden. Auch als er in Russland gewesen sei, sei er von der russischen Polizei oder dem KGB in Zivil überfallen worden, weshalb er auch aus Russland hätte fliehen müssen.

1.2. Am 14.03.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe für die „ XXXX “ CDs kopiert und verteilt, auf denen Reden des Gründers dieser Gruppe zu sehen gewesen wären. Als Mitglied dieser „ XXXX “ habe er auch für den Radiosender „ XXXX “ gearbeitet. Er habe im Jahr 2015 in XXXX an einer Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude teilgenommen. Konkreter Auslöser für das Verlassen seines Herkunftsstaates sei das Scheitern einer geplanten Kundgebung am 10.10.2014 gewesen.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tadschikistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt IV.).

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 18.08.2017 fristgerecht Beschwerde, in welcher er sein Vorbringen zu seinem Fluchtgrund erneuerte. Weiters gab der Beschwerdeführer an, die Polizei frage regelmäßig bei seiner Familie in Tadschikistan nach, wo dieser sich aufhalte und ob er zu Hause sei. Die Eltern des Beschwerdeführers seien bereits von der Polizei mitgenommen und einer Befragung unterzogen worden.

1.5. Am 17.07.2018 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer, sowie ein Zeuge, einvernommen wurden. In der Verhandlung wurden die persönlichen Umstände und Fluchtgründe des Beschwerdeführers erläutert und die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut aus Informationen über das politische System in Tadschikistan und die Situation der Oppositionsbewegung „ XXXX “ in englischer Sprache vor. Er brachte vor, dass die bloße Tatsache des Vorwurfes, dass eine Person mit der „ XXXX “ in Verbindung stehe, ausreiche, dass diesen Personen unverhältnismäßig hohe Freiheitsstrafen drohen würden.

1.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 13.11.2018, GZ XXXX , wurde die gegen den Bescheid vom 02.08.2018 erhobene Beschwerde, als unbegründet abgewiesen und sehr ausführlich dargetan, warum das Fluchtvorbringen des BF1 als nicht glaubhaft angesehen werde. Beweiswürdigend wird dabei zusammenfassend ausgeführt, dass es aufgrund der in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgebrachten zeitlichen Abfolge der Ereignisse geradezu ausgeschlossen erscheine, dass sich der BF1 vor seiner Ausreise aus Tadschikistan als führendes Mitglied der Organisation etabliert habe oder derart exponiert gewesen sein soll, dass er Verfolgung durch die Behörde ausgesetzt gewesen wäre. Darüber hinaus habe der BF1 hinsichtlich der zeitlichen Abfolge widersprüchliche Angaben getätigt und sei nicht klar, wann er sich der „ XXXX “ angeschlossen habe bzw. wie lange er für sie tätig gewesen sei. Aufgrund seiner Ausführungen sei auch nicht davon auszugehen, dass er ein führendes Mitglied gewesen sei. Insgesamt sei auch nicht ersichtlich, dass sich der BF1 besonders intensiv mit den Zielen und Vorstellungen der „ XXXX “ auseinandergesetzt habe und seien die Angaben des BF1 zu den Inhalten der Arbeit der „ XXXX “ insgesamt sehr allgemein gehalten. Der BF1 habe außerdem zu keinem Zeitpunkt angegeben, von den Behörden persönlich zu seinen allfälligen Aktivitäten befragt worden zu sein. Er habe auch nicht vorgebracht, vorgeladen oder festgenommen worden zu sein. Der BF1 habe lediglich angegeben, die Polizei sei bei seiner Familie im Haus gewesen und habe nach seinem Aufenthaltsort gefragt und habe man seinen Eltern gesagt, er sei ein Extremist. Generell ließe sich festhalten, dass der BF1 zur Frage, warum er eine Verhaftung bzw. Verfolgung im Allgemeinen fürchte, bloß unsubstantiierte Befürchtungen bzw. Vermutungen vorgebracht habe. Der BF1 habe wiederholt angegeben, der konkrete Auslöser, Tadschikistan verlassen zu haben, sei die gescheiterte Kundgebung gewesen. Inwiefern aufgrund des Scheiterns dieser Kundgebung die Behörden Rückschlüsse auf seine (wie ausgeführt) untergeordneten Tätigkeiten für die „ XXXX “ ziehen hätten können, habe der BF1 nicht nachvollziehbar dargetan. Insbesondere habe der BF1 selbst gesagt, dass die Behörde über keinerlei Beweismittel verfüge, dass er wirklich Mitglied der Gruppe sei. In einer Gesamtschau sei das Vorbringen des BF1 auch vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht glaubhaft.

1.7. Am 15.01.2019 wurde der BF1 im Zuge einer Schwerpunktstreife einer Personenkontrolle unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, weshalb seine Festnahme gemäß § 40 BFA-VG vollzogen und er gemäß § 120 Abs. 1a FPG wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts angezeigt wurde. Der BF1 wurde in das PAZ XXXX eingeliefert.

1.8. Am 16.01.2019 wurde der BF1 vor dem BFA zur Klärung einer Sicherheitsmaßnahme, Durchsetzung und Effektuierung der Ausreiseentscheidung, sowie der Beantragung eines Ersatzreisedokuments niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass er ausreisen müsse. Der BF1 werde in Tadschikistan politisch verfolgt und könne nicht zurückkehren. Er habe in Österreich eine Frau, mit der er traditionell verheiratet sei und ein Kind, er könne nicht nach Russland fahren. Der BF1 wohne mit seiner Frau und seinem Kind gemeinsam in einer 3-Zimmer Wohnung. Er sei politischer Flüchtling und nicht bereit Österreich zu verlassen. Im Herkunftsstaat habe er noch seine Eltern, 5 Brüder und zwei Schwestern. Er habe in Tadschikistan 11 Jahre lang die Gesamtschule und drei Jahre lang das Sportinstitut besucht. Gearbeitet habe er in einem Supermarkt, dessen Besitzer er offiziell gewesen sei. Im Herkunftsstaat würden seine Eltern von den Behörden besucht und gefragt werden, wo sich der BF1 befinde. Sie würden mitteilen, dass er in Österreich studiere.

1.9. Mit Bescheid vom 16.01.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

1.10. Am 18.01.2019 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF1 zur Beantragung eines Ersatzreisedokuments und wurde der BF1 an ebendiesem Tag der tadschikischen Botschaft vorgeführt, wobei am 28.01.2019 ein Heimreisezertifikat für den BF1 erteilt und seine Abschiebung für den 24.02.2019 organisiert wurde.

1.11. Am 18.02.2019 stellte der BF1 aus dem Stande der Schubhaft gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, wobei ein Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG angefertigt und dem BF1 ausgehändigt wurde. Nach Zulassung seines Antrags auf internationalen Schutz wurde der BF1 am 22.02.2019 jedoch aus der Schubhaft entlassen.

2. Vorverfahren der BF2 im Bundesgebiet:

2.1. Die BF2 stellte am 01.04.2016, einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsbewilligung – Student“ und reiste am 06.04.2016 legal, mit einem Visum C, gültig von 04.04.2016 bis 04.10.2016, in das österreichische Bundesgebiet ein.

2.2. Mit Bescheid der XXXX wurde der BF2 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsbewilligung – Student“, gültig von 20.06.2016 bis 20.06.2017, erteilt. Am 13.06.2017 stellte die BF2 einen Verlängerungsantrag ihres Aufenthaltstitels, weshalb dieser neuerlich, gültig von 21.06.2017 bis 21.06.2018, verlängert wurde.

2.3. Im Herbst 2017 heirateten der BF1 und die BF2 nach traditionell islamischen Ritus. Am XXXX wurde der BF3 als deren gemeinsamer Sohn im Bundesgebiet nachgeboren.

2.4. Am 14.06.2018 stellte die BF2 neuerlich einen Verlängerungsantrag ihres Aufenthaltstitels, welcher aufgrund ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz vom 15.01.2019 mit Bescheid der XXXX vom 16.05.2019, Zl. XXXX , zurückgewiesen wurde.

3. Gegenständliche Anträge der BF1-BF3 im Bundesgebiet:

3.1. Die BF2 stellte für sich und als gesetzliche Vertreterin für den BF3 am 15.01.2019, während der Anhaltung des BF1 in Schubhaft, Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen die BF2 am 15.01.2019 vor der LPD XXXX erstbefragt, sowie am 06.05.2019 vor dem BFA, Regionaldirektion XXXX , jeweils im Beisein eines der BF2 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH niederschriftlich einvernommen wurde. Der BF1 stellte am 18.02.2019 aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am 18.02.2019 vor der LPD XXXX erstbefragt, sowie am 06.05.2019 vor dem BFA, Regionaldirektion XXXX , jeweils im Beisein eines dem BF1 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH niederschriftlich einvernommen wurde.

3.2. Der BF1 brachte im Rahmen seiner Erstbefragung am 18.02.2019 vor, dass er in XXXX in Tadschikistan aufgewachsen sei, muttersprachlich Tadschikisch, gut Russisch und mittelmäßig Usbekisch spreche. Er sei der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig und habe mit seiner Frau, der BF2, das gemeinsame Sorgerecht über seinen Sohn, den BF3. Der BF1 werde monatlich von der Caritas finanziell unterstützt. Befragt dazu, was sich seit der Rechtskraft seines entschiedenen Verfahrens hinsichtlich seiner Fluchtgründe geändert habe, gab der BF1 an, dass die alten Gründe noch aktuell seien und er in Österreich eine Familie gegründet habe. Im Jahr 2015, bevor er nach Österreich eingereist sei, habe der BF1 als Textilverkäufer in XXXX , der Russischen Föderation, gearbeitet. Mit ihm habe ein Mann aus Syrien gearbeitet, der kurzfristig in die Türkei gereist sei, um Dokumente erneuern zu lassen, wobei er anschließend nach Russland zurückgekehrt sei. Dieser habe den BF1 gebeten ihm USD 300,- zu überweisen, weil er kein Geld gehabt habe. Der BF1 habe seinem Kollegen das Geld als Freund geliehen. Der Fall werde in Tadschikistan von den Behörden überprüft. Der BF1 werde in seiner Heimat von der Regierung gesucht und solle er bzgl. dieser Geldüberweisung befragt werden. Das habe der BF1 vor ca. 3 Monaten von seinen Eltern erfahren. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er festgenommen und im Gefängnis getötet zu werden.

Die BF2 brachte im Rahmen ihrer Erstbefragung am 15.01.2019 vor, dass sie in XXXX geboren und sunnitische Muslima sei, muttersprachlich Russisch spreche und im Herkunftsstaat 11 Jahre die Mittelschule, sowie 4 Jahre die Universität besucht habe. Zuletzt habe sie den Beruf der Chemikerin ausgeübt. Im Herkunftsstaat verfüge die BF2 noch über ihre Eltern, sowie ihren Bruder und sei ihre letzte Wohnadresse XXXX , gewesen. Die BF2 verfüge über ihren in Österreich nachgeborenen Sohn, den BF3, im Bundesgebiet, für den sie und ihr Lebensgefährte, der BF1, das Sorgerecht hätten. 2016 habe die BF2 den Entschluss zur Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat gefasst und sei am 05.06.2016 legal, mit dem Flugzeug aus der Russischen Föderation ausgereist. Sie habe einen Auslandsreisepass, dieser sei von der Polizei sichergestellt worden und sei sie im Besitz eines 90-tägigen Visums, gültig von 04.04.2016 bis 04.10.2016 gewesen. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab sie an, dass sie nach Österreich gekommen sei, um zu studieren. Sie habe Deutsch gelernt und ihren Lebensgefährten nach islamischen Ritus geheiratet. Ihr Lebensgefährte, mit welchem sie den gemeinsamen Sohn habe, lebe ebenfalls in Österreich. Die BF2 sei zum Islam konvertiert und seien ihre Eltern diesbezüglich intolerant. Sie könne nicht zurückkehren, weil ihre Eltern den Religionswechsel nicht akzeptieren würden. Dort wo die Eltern der BF2 leben würden, gäbe es keine Muslime. Im Jahr 2010 sei außerdem festgestellt worden, dass die BF2 ein krankes Herz habe, weshalb sie permanent Pflege brauche. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst keine Arbeit zu bekommen. Menschen in ihrer Heimat seien gegenüber Menschen mit Kopftuch aggressiv.

Der BF3 habe keine eigenen Fluchtgründe, sondern beziehe sich sein Antrag auf internationalen Schutz auf die von der BF2 angegebenen Gründe.

3.3. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 06.05.2019 vor dem BFA, führte der BF1 im Wesentlichen aus, dass er muttersprachlich Tadschikisch spreche, sowie des Weiteren Persisch, Usbekisch, Russisch und etwas Deutsch. Russisch könne er nicht so gut, aber er bemühe sich die heutige Einvernahme auf Russisch zu führen. Dem BF1 gehe es „normal“, er sei gesund, befände sich nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Der BF1 heiße XXXX und sei am XXXX in der Stadt XXXX in Tadschikistan geboren. Er sei tadschikischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Der Vater des BF1 heiße XXXX , sei im Jahr XXXX geboren und arbeite als Chauffeur in Tadschikistan. Seine Mutter heiße XXXX , sei im Jahr XXXX geboren, arbeite nicht und lebe ebenfalls in Tadschikistan. Der BF1 habe 5 Brüder und zwei Schwestern. Seine Brüder hießen XXXX , geb. im Jahr XXXX , er befinde sich in Russland; XXXX , geb. im Jahr XXXX , er befinde sich in Tadschikistan; XXXX , geb. im Jahr XXXX , er befinde sich ebenfalls in Tadschikistan; XXXX , geb. im Jahr XXXX , er befinde sich in Russland; und XXXX , geb. im Jahr XXXX , er befinde sich auch in Tadschikistan. Seine Schwestern hießen XXXX , geb. im Jahr XXXX , sie befinde sich in Tadschikistan und sei dort verheiratet, XXXX , geb. im Jahr XXXX , sie befinde sich auch in Tadschikistan und sei ebenfalls verheiratet. Die Schwestern des BF1 würden nicht arbeiten und zu seinen Brüdern habe er seit langem keinen Kontakt mehr. Manche würden in Russland arbeiten, was seine Brüder in Tadschikistan machen würden, wisse er nicht. Früher hätten sie in einer Firma gearbeitet. Kontakt habe der BF1 lediglich mit seinen Schwestern, ca. einmal pro Woche. Sie würden sich gegenseitig nach ihrer Familie fragen. Der BF1 habe mit seiner Familie in Tadschikistan gelebt, habe jedoch auch eine eigene Wohnung gehabt, in der nun sein Bruder lebe. Man habe Angst gehabt ihn von Tadschikistan aus anzurufen. Der BF1 sei traditionell nach islamischen Ritus verheiratet, jedoch nicht standesamtlich. Er habe einen Sohn, wobei seine Frau die Obsorge über diesen habe und sei sein Sohn gesund. Der BF1 habe 11 Jahre die Grundschule im Herkunftsstaat besucht und in einem Supermarkt gearbeitet. Er habe Judo trainiert und drei Jahre lang in einer Sportschule gelernt. Zuletzt habe der BF1 im Rayon XXXX , im Bezirk XXXX , in der Stadt XXXX gewohnt. 2014 sei er legal, ohne Probleme, mit dem Flugzeug aus Tadschikistan ausgereist und sei nach Russland gegangen. Seitdem sei der BF1 nicht mehr in Tadschikistan gewesen und befinde er sich seit Oktober oder November 2015 in Österreich. Auf Frage, ob er in Tadschikistan politisch aktiv gewesen sei, vermeinte der BF1: „Aktiv nicht, aber insgeheim. Es war so, dass nicht jeder alles gewusst hat“. Der BF1 habe im Herkunftsstaat keine Strafrechtsdelikte begangen. Doch sei er so verfolgt worden, wie die anderen, die mit ihnen gearbeitet hätten. Am 10.10.2014 habe es in Tadschikistan eine Kundgebung gegeben, schon am 09.10.2014, jedenfalls vor dem 10.10.2014, habe man die „ XXXX “ als extremistisch eingestuft. Das Gericht habe das so entschieden, weshalb die Gruppierung verboten worden sei. Die Leute, die in dieser Gruppe gewesen seien, hätten Tadschikistan verlassen. Als der BF1 in Tadschikistan gelebt habe, habe er keine Probleme mit der Polizei gehabt. Befragt zu, was sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens am XXXX geändert habe, führte der BF1 aus, er sei 2015 in Russland gewesen und habe dort mit zwei Arabern aus Syrien gearbeitet. Einer von ihnen habe die türkische Grenze überschritten und habe Dokumente umtauschen wollen, das müsse alle drei Monate oder jedes Jahr gemacht werden. Sein Kollege habe dann den anderen Araber angerufen und mitgeteilt, dass er Geld brauche. Der andere Araber habe dem BF1 gesagt, er solle ihm (Anm.: demjenigen, der die Grenze überschritten habe) USD 250,- oder USD 300,- schicken. Der BF1 habe damals einen Pass besessen, sich bei der Bank damit ausgewiesen und das Geld in seinem Namen überwiesen. Der BF1 habe das dann vergessen. Er hätte mit den beiden Arabern zusammengearbeitet und nichts Terroristisches getan. Der BF1 habe große Angst, dass man ihn in Tadschikistan aktiv verfolgen werde. Der BF1 habe das Geld überwiesen und alles sei normal gewesen, doch dann seien seine Eltern von der Polizei bzw. dem KGB aufgefordert worden zur Polizei zu kommen. Sie seien gefragt worden, warum der BF1 Geld an einen syrischen Araber schicke, wer der Araber sei und warum der BF1 ihm Geld geschickt habe. Dem Vater des BF1 sei gesagt worden, dass viele in Syrien im Dschihad seien. Als der Krieg in Syrien begonnen habe, seien viele Leute von ihnen dorthin gefahren. Man wolle, dass der BF1 nach Tadschikistan zurückkomme, um sich zu stellen und sei das eine gefährliche Situation. Man denke möglicherweise, der BF1 habe jemandem in Syrien geholfen. Der BF1 sei davon überzeugt, dass man auch wisse, dass er Mitglied bei der „ XXXX “ gewesen sei. Man hasse Leute und politische Gruppen, die gegen das Regime des Präsidenten seien und könne man den BF1 für viele Jahre ins Gefängnis bringen. Der BF1 habe Angst um sein Leben. Er habe in Österreich seine Frau, sein Kind und befinde sich seit fast 4 Jahren in Österreich. Hätte der BF1 keine Probleme, wäre er nicht hier. Er habe in Österreich keine Arbeit, er schlafe nur und esse. Der BF1 habe bis jetzt auch Deutschkurse zweimal pro Woche besucht, dieser sei nun jedoch zu Ende. In Tadschikistan herrsche ein Regime, bei welchem man für achteinhalb Jahre ins Gefängnis komme, jedenfalls viele Jahre, wenn man ein Video like. Als der BF1 das Schreiben bekommen habe, er solle zur tadschikischen Botschaft kommen, sei er nicht hingegangen. Er sei nicht hingegangen, weil er mit diesen Leuten keine Verbindung haben wolle. Nach dem negativen Verfahren, sei er von der österreichischen Polizei verhaftet und zur tadschikischen Botschaft gebracht worden, wobei man ihn gefragt habe, was er hier mache. Er habe gesagt, dass er hier lebe und arbeite. Man habe dem BF1 dort mitgeteilt, dass man feststellen werde, wer und was er sei. So habe man mit ihm gesprochen. 38 Tage habe er in Österreich abgesessen und sei dann freigelassen worden. Bei der tadschikischen Botschaft seien alle Dokumente des BF1. Wenn ein Tadschike in die tadschikische Botschaft komme, werde ihm eine Kopie der weißen Karte des BF1 gezeigt und werde er gefragt, ob sie den BF1 kennen würden. Dort werde auch gesagt, dass man wisse, dass der BF1 bei der „ XXXX “ sei. So habe ein Tadschike das dem BF1 erzählt. Seinen Namen dürfe der BF1 nicht sagen, weil dieser auch Angst habe. Bei der Botschaft habe man gemeint, sie dürften um Asyl ansuchen, jedoch nicht aus politischen Gründen, damit ihr Präsident nicht erniedrigt werde. Man habe gesagt, irgendwann würden sie sowieso nach Tadschikistan zurückkommen und habe man gefragt, warum sie hier um politischen Asyl ansuchen würden.

Nachgefragt, wer die Araber gewesen seien, denen der BF1 Geld geschickt habe, gab er an, sie hätten auf dem Markt gearbeitet und Stoffe verkauft. Der BF1 habe dort lange gearbeitet und alle gekannt. Der dem der BF1 das Geld geschickt habe, habe XXXX geheißen und der Andere XXXX . Familiennamen wisse der BF1 nicht mehr. Dass er tatsächlich zur Bank gegangen sei, könne der BF1 nicht beweisen. Er verstehe nicht, warum man in Tadschikistan ohne seine Erlaubnis dieser Sache nachgehe. Ob ein Haftbefehl gegen ihn vorliege, wisse er nicht, das werde einem nicht gesagt. Man sage den Leuten, dass sie zurückkommen könnten und ihnen verziehen werde, aber dann würden Strafverfahren eingeleitet. Vor Kurzem sei jemand, XXXX , Mitglied einer islamischen Partei in Tadschikistan, aus Russland zurückgekehrt. Man habe ihm gesagt, dass er zurückkommen könne, weil man ihm verziehen habe. Er sei hingefahren und zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Politische Aktivisten hätten keine Chance in Tadschikistan. Der BF1 erwarte den Tod bei einer Rückkehr in sein Heimatland. Auch wenn er zu einer langen Haftstrafe verurteilt würde, könnte er im Gefängnis umgebracht werden.

Der BF1 wohne seit ca. 4 Jahren in Österreich. Er habe zunächst in XXXX gewohnt und dann geheiratet, sowie einen Sohn bekommen, weshalb er nach XXXX gezogen sei. Der BF1 und seine Frau würden alles zu zweit machen. Sie würden zu zweit einkaufen gehen und seine Frau koche. Der BF1 sei mit seinem Leben zufrieden, aber ohne Arbeit sei es schwer. Er wisse nicht, was in Zukunft passiere. Der BF1 sei Mitglied in einem Verein gewesen, jetzt jedoch nicht mehr, er habe sich mit Judo beschäftigt. Der BF1 bekomme finanzielle Unterstützung in Österreich, sei arbeitswillig und müde nicht arbeiten zu können. Der BF1 habe beim AMS nachgefragt und sei ihm mitgeteilt worden, dass Stellen besetzt seien. In XXXX habe er jedoch für die Gemeinde gearbeitet. Das Leben in Österreich unterscheide sich Großteils von dem in seiner Heimat. Hier könne er seine Meinung frei äußern und sei auch als Mensch frei. Er lebe in Österreich seit fast vier Jahren und niemand habe ihn gefragt, warum er so angezogen sei. Der BF1 wolle in Österreich arbeiten, ein normales Leben mit seiner Frau und seinem Sohn führen, Steuern zahlen, sowie einen Nutzen von seiner Arbeit haben und auch der Gesellschaft einen Nutzen bringen. Er habe einen A2 Deutschkurs abgeschlossen und wolle weiter Deutsch lernen. Der BF1 wisse, dass es in Österreich 9 Bezirke gäbe. XXXX , XXXX , Tirol seien große Städte, die er kenne. Er wisse, dass es ein demokratisches Land sei und die Leute geachtet würden. Der BF1 habe österreichische Freunden, mit denen er zu McDonald oder irgendwo anders einen Kaffee trinken gehe. Wie der Bundespräsident heiße wisse er, den Namen könne er jedoch nicht aussprechen. Es gäbe einen Kurz, der in der Politik sei und der Präsident sei ein alter Mann, sein Name falle dem BF1 aber gerade nicht ein. Ein Gespräch mit dem BF1 auf Deutsch während der niederschriftlichen Einvernahme war nicht möglich.

Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 06.05.2019 vor dem BFA, gab die BF2 zusammenfassend an, dass es ihr „normal“ gehe, sie gesund sei und sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde. Sie nehme keine Medikamente, brauche jedoch ärztliche Behandlung. Die BF2 heiße XXXX , sei am XXXX im Oblast XXXX und der Stadt XXXX in der Russischen Föderation geboren. Sie sei russische Staatsangehörige, der russischen Volksgruppe und nunmehr der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Ihr Vater heiße XXXX , sei am XXXX geboren, arbeitslos und in der Russischen Föderation aufhältig. Ihre Mutter heiße XXXX , sei am XXXX geboren, ebenfalls in der Russischen Föderation aufhältig und arbeite dort inoffiziell in einem Geschäft. Alle ihre Verwandten befänden sich in der Russischen Föderation. Ihr Bruder heiße XXXX , sei am XXXX geboren und lebe in XXXX , wo er auch im technischen Bereich arbeite. In der Russischen Föderation hätten sie ein Haus in einem Dorf, wo die Eltern der BF2 leben würden. Sie habe regelmäßig, ca. zweimal wöchentlich Kontakt zu ihren Familienangehörigen in der Russischen Föderation. Diese seien orthodoxen Glaubens und ihr Verhältnis zueinander sei schwer, weil die Eltern der BF2 mit ihrer Religion nicht einverstanden seien. Das habe jedoch nichts mit ihrem Fluchtgrund zu tun. Am Telefon würden sie sich erzählen, wie es den Verwandten gehe und was sie machen würden. Die BF2 frage nach den Großeltern und ihrem Gesundheitszustand. Die BF2 sei seit 18.02.2018 traditionell nach islamischen Ritus verheiratet und habe einem Sohn, den BF3. Dem BF3 gehe es gut, die BF2 und ihr Mann hätten die Obsorge über ihren Sohn. Weitere Familienangehörige habe die BF2 in Österreich nicht. Im Herkunftsstaat habe sie 11 Jahre die Grundschule besucht und vier Jahre lang studiert. Die BF2 habe seit dem Jahr 2015 ein Bachelordiplom in Chemie. In ihrem erlernten Beruf habe die BF2 in der Russischen Föderation nie gearbeitet. Sie habe Unterstützung von ihren Eltern erhalten und sei es normal, dass Studenten inoffiziell arbeiten würden. Die BF2 habe zuletzt in XXXX gewohnt und die Russische Föderation am 05.04.2016 legal mit dem Flugzeug verlassen. Ein weiteres Mal sei sie danach im September 2017 in der Russischen Föderation gewesen. Damals habe sie ihren Eltern erzählt, dass sie zum Islam konvertieren wolle.

Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe brachte die BF2 vor, dass ihre Eltern gegen ihre Religion seien. Außerdem habe die BF2 Herzprobleme und könne ihr Kind nicht allein in der Russischen Föderation großziehen. Ihr Mann könne nicht nach Russland, weil er politische Probleme habe. Die gesamte Familie der BF2 sei gegen den Islam und gäbe es in dem Dorf, in welchem die BF2 gelebt habe, keine Moslems. Keine Frau trage islamische Kleidung und sei es praktisch nicht möglich in Russland Arbeit zu bekomme, wenn man islamisch (mit Kopftuch) gekleidet sei. Der BF2 könne auch etwas passieren, weil sie Herzprobleme habe. Aus diesem Grund könne sie nicht alleine leben und habe in Österreich ebenfalls nie allein gelebt. Immer sei jemand in der Nähe gewesen, beispielsweise ihr Nachbar, dem sie immer sage, dass ihr etwas passieren könne. Die BF2 könne im Herkunftsstaat nicht arbeiten und nicht mit ihren Eltern sprechen. Sie wolle in Österreich in ihrem Beruf arbeiten. Bis zu dem Zeitpunkt, als die BF2 ihren Eltern mitgeteilt habe, dass sie konvertieren wolle, habe sie mit ihnen keine Probleme gehabt. Nun würden ihre Eltern nicht mehr regelmäßig mit ihr sprechen wollen, weil sie nicht mehr orthodox sei. Der Mann der BF2 könne auch nicht nach Russland zurück, weil er in Tadschikistan ein politisches Problem habe. Von Russland würden sie den BF1 nach Tadschikistan abschieben.

2017 sei die BF2 im Prater bewusstlos geworden und sei die Rettung gerufen worden. Das sei passiert, weil sie ihre Tabletten zu Hause vergessen habe. Seitdem habe die BF2 keinerlei Probleme mehr. Die BF2 stille, aus diesem Grund dürfe sie derzeit ihre Tabletten nicht einnehmen. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte die BF2 keine Arbeit zu finden. Alleinerziehende Mütter würden in der Russischen Föderation nur EUR 100,- bekommen und würde die BF2 auch keine Wohnung finden. Sie könne auch nicht bei ihren Eltern leben, weil diese gegen ihre Religion seien. Die BF2 könne nicht einmal ein Zimmer mieten, weil das ca. EUR 100,- monatlich kosten würde und die BF2 aufgrund ihres Kopftuchs keine Arbeit finden würde. Außerdem habe sie ein Baby und könne derzeit überhaupt nicht arbeiten. Wenn man sich bewerbe, würde man gleich gefragt, ob man Kinder habe und wenn sie alleine lebe, könnte der BF2 etwas passieren.

Derzeit lebe die BF2 mit ihrem Mann, dem BF1, und ihrem Sohn, dem BF3, in der XXXX auf einem Campus. Ihr Alltag sehe so aus, dass sie aufstehen, sowie etwas essen und um 13 oder 14 Uhr spazieren gehen würden. Danach koche die BF2, putze die Wohnung und lerne Deutsch. Um 21 oder 22 Uhr lege sie das Kind schlafen. Die BF2 mache den Haushalt gemeinsam mit ihrem Mann, er helfe ihr, weil die BF nicht alles machen könne. Die BF2 sei nicht in einer Organisation oder einem Verein tätig. Ihre Nachbarin habe sie bei einem muslimischen Verein anmelden wollen, um anderen muslimischen Frauen zu helfen. Die BF2 wolle einen Verein registrieren, wobei sie noch nicht wüsste, wie dieser heißen solle. Die BF2 finanziere ihren Lebensunterhalt über die Caritas und sei arbeitswillig. In ihrer Heimat könne sie nicht in ihrem Beruf arbeiten. In einem anderen Beruf könnte sie arbeiten, aber da würde sie nicht mehr als EUR 200,- verdienen. In Österreich wolle die BF2 ein Masterstudium machen und in ihrem Beruf arbeiten. Die BF2 fühle sich integriert, weil sie oft mit Österreichern Kontakt habe. Ihr Leben sei hier viel einfacher als in der Russischen Föderation. Als sie zum ersten Mal ein Kopftuch getragen habe, sei sie noch in Russland gewesen und die Leute hätten sie komisch angeschaut, sowie sich von ihr entfernt. In Österreich sei es anders. Die Menschen würden mit ihr sprechen und nicht darauf achten, ob sie ein Kopftuch trage. In Österreich gäbe es Ruhe und würden hier ruhige Menschen leben. Das Leben verlaufe ruhig und die Leute würden das Leben viel positiver als in Russland sehen. Der BF2 wurden im Anschluss noch ein paar Fragen über Österreich gestellt. Zu den Länderfeststellungen führte sie aus, dass sie derzeit nicht wisse, was dort vorgehe. XXXX habe jedenfalls die Wahlen gewonnen und sei das Pensionsalter erhöht worden. Man wolle die Pensionen anders gestalten, sodass die Eltern von den Kindern erhalten werden. Viele Leute seien dagegen, weil sie nicht einmal das alte Pensionsalter erreicht hätten. In der Ukraine habe XXXX die Wahl gewonnen und glaube die BF2, dass es deshalb Probleme wegen der Krim geben werde.

Der minderjährige BF3 wurde aufgrund seines kindlichen Alters nicht einvernommen.

3.4. Die BF1-BF3 brachten erstinstanzlich folgende Unterlagen in Vorlage:

?        Tadschikischer Führerschein des BF1 in kyrillischer Schrift;

?        Kopie des russischen Auslandsreisepasses der BF2, ausgestellt am 15.05.2015, mit der XXXX ;

?        Medizinische Unterlagen aus der Russischen Föderation in kyrillischer Schrift vom 29.06.2010 (Übersetzung durch das BFA beauftragt);

?        Geburtsurkunde des BF3, ausgestellt am 27.11.2018;

?        Bestätigung der Meldung des BF3, ausgestellt am 18.11.2018;

3.5.1. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde (BFA) vom 25.06.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Tadschikistan (BF1) bzw. Russische Föderation (BF2 und BF3) abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tadschikistan (BF1) bzw. in die Russische Föderation (BF2 und BF3) zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

3.5.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat und führte rechtlich aus, dass die Ausführungen zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft gewesen seien bzw. diese keine Asylrelevanz hätten. Es hätte keine Verfolgung im Konventionssinn glaubhaft gemacht werden können. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr eine Verfolgung drohen würde. Auch die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 9 zur Konvention könne bei einer Rückkehr nicht erkannt werden. Der Erlass von Rückkehrentscheidungen gegen die BF1-BF3 seien zulässig.

3.5.3. Beweiswürdigend führte das BFA in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen aus, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft dargelegt werden konnte. Hinsichtlich des Vorbringens, wonach der BF1 einem Arbeitskollegen in der Russischen Föderation Geld überwiesen hätte, sei auszuführen, dass er diesbezüglich keine konkreten Angaben getätigt habe, insbesondere seien dem BF1 nur mehr deren Vornamen in Erinnerung geblieben und habe er die Überweisung nicht belegen können. Bereits in seinem Vorverfahren habe das BVwG in seinem Erkenntnis vom 13.11.2018 ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des BF1 betreffend einer Verfolgung durch die „ XXXX “ unglaubhaft sei. Dem BF1 sei die Ausreise aus Tadschikistan problemlos möglich gewesen und wisse er nicht, ob ein Haftbefehl gegen ihn bestehe, weshalb sein Vorbringen in einer Gesamtschau nicht glaubhaft sei. Hinsichtlich des Fluchtvorbringens der BF2 sei anzuführen, dass die Probleme mit ihren Eltern nicht asylrelevant iSd Genfer Flüchtlingskonvention seien. Darüber hinaus seien diese Angaben auch nicht glaubhaft, zumal die BF2 angegeben habe zweimal wöchentlich mit ihren Eltern Kontakt zu haben, obwohl diese vermeintlich mit ihrer Religion nicht einverstanden wären. In der Vergangenheit sei die BF2 keiner konkreten Verfolgung in der Russischen Föderation ausgesetzt gewesen. Sofern die BF2 geäußert habe aufgrund ihrer Religion eine eingeschränkte Lebensführung im Herkunftsstaat zu führen, bleibe festzuhalten, dass die Russische Föderation Glaubensfreiheit garantiere und der Islam eine traditionelle Hauptreligion, sowie die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in der Russischen Föderation sei. Asylrelevante Verfolgung der BF2 im Herkunftsstaat sei insgesamt nicht ersichtlich.

3.5.4. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätten. Es ergebe sich auch keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheint eine Rückkehr nach Tadschikistan (BF1) bzw. in die Russische Föderation (BF2 und BF3) zumutbar und gerechtfertigt.

3.5.5. Demnach – so die belangte Behörde – könnten die von den Beschwerdeführern behaupteten Fluchtgründe nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus deren Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Das Familienleben der BF1-BF3 sei zu einem Zeitpunkt entstanden, in welchem sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und könne der BF1 seine Frau und seinen Sohn jederzeit in der Russischen Föderation besuchen. Die BF1-BF3 würden ihren Aufenthalt aus öffentlichen Geldern finanzieren und hätten bis dato keinerlei integrative Schritte gesetzt, weshalb Rückkehrentscheidungen gegen die BF1-BF3 zulässig seien.

3.6. Mit Verfahrensanordnung vom 01.07.2019 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

3.7.1. Mit fristgerecht am 23.07.2019 eingebrachten Schriftsatz vom 23.07.2019, wurde für den BF1 durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 05.07.2019, gegen die Spruchpunkte I. bis V., wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung, sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften, erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF1 tadschikischer Staatsangehöriger sei und sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Die tadschikischen Sicherheitsbehörden seien nicht im Stande bzw. gewillt dem BF1 den notwendigen Schutz zu bieten. Bereits vor dem Bundesamt habe der BF1 angegeben, dass er gemeinsam mit zwei Arabern aus Syrien gearbeitet habe. Einem habe er sodann Geld überwiesen und seien in der Folge die Eltern des BF1 vom KGB aufgefordert worden zur Polizei zu kommen, weil man möglicherweise vermutet habe, dass der BF1 jemanden in Syrien unterstütze. Darüber hinaus habe der BF1 von einem Tadschiken, der in der tadschikischen Botschaft gewesen sei, gehört, dass man dort wisse, dass der BF1 Mitglied der „ XXXX “ sei. Der BF1 habe seine Frau, die BF2, zunächst nach islamischen Recht und nunmehr standesamtlich geheiratet. Sie hätten einen gemeinsamen Sohn und würden im gemeinsamen Haushalt leben. Der BF1 habe seine Asylgründe aus seiner Sicht schlüssig, ausführlich und glaubhaft angeführt. Er habe alles getan um seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nachzukommen. Der BF1 halte seine Aussagen inhaltlich aufrecht und bestehe ein Fluchtgrund iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Falls dem BF1 kein Asylstatus zugebilligt werden könne, werde ein Antrag auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gestellt, weil dem BF1 im Falle einer Abschiebung nach Tadschikistan eine Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK drohe. Es bestehe die Gefahr, dass der BF1 in eine aussichtslose Lage gerate und wäre er bei seiner Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen, sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Beantragt wurde von Beschwerdeseite, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) den gegenständlichen Bescheid dahingehend abändern, dass dem BF1 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; 2.) in eventu dem BF1 den Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkennen; 3.) in eventu die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig erklären und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung nach Tadschikistan aufheben; 4.) in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG erteilen; 5.) in eventu den Bescheid hinsichtlich der angefochtenen Spruchpunkte beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückverweisen; und 6.) eine mündliche Verhandlung anberaumen.

Mit der Beschwerde vorgelegt wurden ein Schreiben der „ XXXX vom 21.07.2019, Fotos von der Teilnahme des BF1 an einem Meeting in der XXXX als Mitglied der „ XXXX “, die Heiratsurkunde des BF1 und der BF2, sowie ein ÖSD-Zertifikat betreffend den BF1 über die Absolvierung der Deutschprüfung auf Sprachniveau A2.

3.7.2. Mit für die BF2 und den BF3 gleichlautendem fristgerecht am 23.07.2019 eingebrachten Schriftsatz vom 23.07.2019, wurde durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter für die BF2 und den BF3 gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA, zugestellt am 05.07.2019, gegen Spruchpunkte I. bis V., Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung, sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften, erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die die BF2 vor dem Bundesamt angegeben habe, sie habe den BF1 in Österreich kennengelernt und sei mit ihm nach islamischen Recht verheiratet. Sie hätten einen Sohn und sei die BF2 zum Islam konvertiert, weshalb sie nicht in ihren Herkunftsstaat zurückkehren könne, weil ihre Eltern den Religionswechsel nicht akzeptieren würden. Am 16.07.2019 hätten die BF2 und der BF1 standesamtlich geheiratet. Außerdem habe die BF2 Herzprobleme. Sie habe aus ihrer Sicht ihre Asylgründe schlüssig, ausführlich und glaubhaft angeführt. Die BF2 habe alles getan um ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen und halte ihre bisherigen Aussagen aufrecht. Falls der BF2 kein Asylstatus zugebilligt werden könne, werde ein Antrag auf Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten gestellt, weil der BF2 im Falle einer Abschiebung in die Russische Föderation eine Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK drohe. Beantragt wurde von Beschwerdeseite, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) die gegenständlichen Bescheide dahingehend abändern, dass den BF2-BF3 der Status von Asylberechtigten zuerkannt werden; 2.) in eventu den BF2-BF3 den Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkennen; 3.) in eventu deren Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig erklären und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation aufheben; 4.) in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG erteilen; 5.) in eventu den Bescheid hinsichtlich der angefochtenen Spruchpunkte beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückverweisen; und 6.) eine mündliche Verhandlung anberaumen.

Mit der Beschwerde vorgelegt wurde der ÖOG Feedback-Bogen und die Heiratsurkunde des BF1 und der BF2.

3.8. Die Beschwerdevorlagen vom 24.07.2019 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 25.07.2019 ein.

3.9. Am 10.01.2020 wurde gegen den BF1 Anklage wegen § 202 Abs. 1 StGB erhoben.

3.10. Mit Schriftsatz vom 01.06.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern Feststellungen zur Situation in ihrem Herkunftsstaat (Länderinformationsblatt Tadschikistan, Gesamtaktualisierung vom 17.03.2020; Beweismittelliste zur Lage in der Russischen Föderation, insbesondere das Länderinformationsblatt vom 04.09.2020) und wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, dazu innerhalb von 10 Tagen hg. einlangend Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern die Ladung für die mündliche Verhandlung am 18.06.2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Am 16.06.2021 wurden der Beschwerdeseite vom BVwG die aktuelle Beweismittelliste mit dem neuen Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation, Stand 10.06.2021, zur Stellungnahme übermittelt.

3.11. Am 18.06.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

Befragung der BF2:

„RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Russischen Föderation an dem Sie sich zuletzt vor Ihrer Ausreise aufgehalten haben.

BF2: Ich heiße XXXX . Ich bin am XXXX geboren, in Russland. In einem Dorf namens XXXX . Ich habe die russische Staatsbürgerschaft und ich habe in der Stadt XXXX gelebt. Ich kann mich an die Adresse nicht mehr erinnern.

RI: Wie lange haben Sie dort gewohnt?

BF2: Fast 6 Jahre lang.

RI: Und da wissen Sie die Adresse nicht mehr?

BF2: Zuerst habe ich in einem Studentenheim gelebt, und dann habe ich mit meinem Bruder in einer Wohnung gelebt, das war das letzte Mal.

RI: Sie haben also nur ein Jahr an dieser Adresse gewohnt?

BF2: Ja.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF2: Russin.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF2: Jetzt bin ich sunnitische Muslima.

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Russischen Föderation, welche Ihre Identität beweisen?

BF2: Nein… Nur den Auslandspass, aber das habe ich schon vorgelegt.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie abgeschlossen? Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt? Ich ersuche um eine chronologische Auflistung Ihrer bisherigen Berufstätigkeit? Gemeint ist sowohl im Herkunftsstaat als auch hier.

BF2: Ich habe 11. Klassen Grundschule abgeschlossen und dann habe ich an der staatlichen Uni in XXXX studiert und zwar Chemie. Ich habe auch ein Bachelordiplom in der Fachausrichtung Chemie. Ich habe während meiner Ausbildung an der Uni in einem Labor gearbeitet. Das ist alles, was meine Ausbildung anbelangt. In Russland habe ich nicht gearbeitet und in Österreich habe ich ca. ein Jahr als Putzfrau gearbeitet, nur als Teilzeitkraft, das Kaffeehaus hieß XXXX . Das gibt es aber nicht mehr. Nachgefragt: Die Tätigkeit war angemeldet.

RI: Wann wurden Sie in Österreich zum Studium zugelassen und was wollten Sie genau in Österreich studieren?

BF2: Ich habe per Mailpostfach einen Bescheid erhalten, das war am 16.02.2016. Ich habe dann die Dokumente vorbereitet. Am 06.04.2016 bin ich nach Österreich gekommen. Ich wollte hier ein Masterstudium in Chemie machen.

RI: Warum wollten Sie das Masterstudium in Chemie gerade in Österreich studieren?

BF2: Mir gefällt es, wie es hier vorgetragen wird. Abgesehen davon, bekommt man hier viel mehr allgemeines Wissen bzw. es werden mehr Kenntnisse vermittelt.

RI: Deshalb sind Sie nach Österreich studieren gekommen?

BF2: Ja. Abgesehen davon konnte ich ohne Deutschkenntnisse kommen und erst hier habe ich die Kenntnisse erlangen.

RI: Woher wussten Sie vorab, dass das Chemiestudium in Österreich so vorteilhaft ist?

BF2: Ich stand mit Studenten aus Österreich, die aus Russland kommen, in Verbindung und zwar per Internet. Ich habe dann eine Studentengruppe gefunden, wo sich die Studenten ausgetauscht haben. Ich habe in dieser Gruppe Fragen gestellt, die mich in Bezug auf meine Ausbildung interessiert haben. Ich habe also Fragen gestellt, die in meiner Berufsausbildung Ausschlag geben waren.

RI: Wo war diese Gruppe?

BF2: In „Kontakt“ (D führt aus, dass es sich um so etwas wie ein russischen Facebook handelt)

RI: Was war der Grund, dass Ihr Aufenthaltstitel „Studierende“ nicht mehr verlängert worden ist?

BF2: Dieser Aufenthaltstitel wurde verlängert. Ich habe hier mit diesem Visum 2 Jahre gelebt. Es wurde jedes Jahr verlängert. Dann 2019 am 15.01. habe ich die Dokumente eingereicht um die Asylkarte zu bekommen.

RI: D. h. Sie haben zum Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung noch ihren Aufenthaltstitel „Studierende“ verfügt?

BF2: Zu dem Zeitpunkt habe ich die Dokumente für eine Verlängerung eingereicht, aber habe noch keine Antwort erhalten.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zur Zeit in der RF und in welcher Stadt?

BF2: Meine Eltern, sie leben in XXXX . Mein älterer Bruder lebt in XXXX . Meine Großmutter lebt ebenfalls in XXXX . Mein Onkel und meine Tante vs. leben auch in XXXX . Meine Tante ms lebt in XXXX .

RI: Haben Sie Geschwister?

BF2: Nur den einen Bruder, der in XXXX lebt.

RI: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren in der RF lebenden Verwandten? Und wenn ja, wie oft?

BF2: Nur mit meinen Eltern und mit meinem Bruder. Ungefähr 3-4 Mal in der Woche.

RI: Wovon leben Ihre in der RF wohnhaften Verwandten?

BF2: Meine Eltern arbeiten und mein Bruder arbeitet auch. Nachgefragt: Ich kann das nicht genau sagen. Ich kann sagen, dass meine Mutter als Verkäuferin arbeitet. Nachgefragt zum Bruder: Ich weiß nicht, wie sein Beruf heißt. Er arbeitet in der Firma XXXX . Das ist so wie A1 oder Drei in Russland.

RI: Geht es Ihrer Familie im Herkunftsstaat finanziell gut?

BF2: Sie sind im Stande sich selbst zu erhalten.

RI an RV: Ich ersuche Sie binnen einer Wochenfrist, die letzte Verlängerung des Aufenthaltstitel „Studierende“ der BF2.

RI: Welche Verwandte von Ihnen leben in Österreich und seit wann?

BF2: Ich habe hier niemanden.

RI: Wann und wie haben Sie ihren jetzigen Mann kennen gelernt?

BF2: Das war 2017, im Juni. Wir haben uns über das Internet kennengelernt. Wir standen dann in Kontakt. Im Februar 2018 haben wir nach dem islamischen Ritus geheiratet.

RI: Wie haben Sie sich über das Internet kennengelernt?

BF2: Über XXXX . (D: Es ist eine Art wie Facebook)

RI: Sie haben gesagt, Sie haben im Februar 2018 nach islamischen Ritus geheiratet. Wann sind Sie zum Islam konvertiert und welche Religion hatten Sie davor?

BF2: Vorher war ich orthodox. Am 14.09.2017 bin ich zum Islam konvertiert.

RI: Seit wann leben Sie mit Ihrem jetzigen Mann in einem gemeinsamen Haushalt?

BF2: Er hat in XXXX gelebt und ich hier (in XXXX ). Seit 2019, März leben wir im gemeinsamen Haushalt, in der XXXX .

RI: Sind Sie seit Ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation im April 2016 wieder einmal in der Russischen Föderation gewesen, sei es auf Besuch oder auf Urlaub?

BF2: Ja, ich bin einmal. Das war 2017. Ich glaube das ich Ende August 2017 dorthin geflogen bin. Im September 2017 bin ich nach Österreich zurückgeflogen.

RI: Schildern Sie bitte Ihre Fluchtgründe? Ich ersuche Sie mir ein möglichst klares und stimmiges Bild des Geschehenen zu vermitteln.

BF2: 2017 im September war ich in Russland. Ich habe die Religion gewechselt. Meine Eltern sind dagegen. Sie sagten mir, dass sie mich nicht aufnehmen werden, wenn ich solche Kleidung weitertrage. (Kopftuch) Wenn ich Muslima bleibe, dann werden sie mich nicht aufnehmen. Damals habe ich noch die Ausbildung in XXXX gemacht. Damit meine ich Deutsch, habe ich gelernt. Sie wollten mich zwar nicht gehen lassen, aber da ich in XXXX noch in Ausbildung war, konnte ich ausreisen. Sie dachten, dass ich bei einer muslimischen Gruppierung dabei bin und sie hatten Angst davor. Bei uns in Russland wird sehr viel gegen die Moslems gesagt.

RI: Sie haben vorhin angegeben 3-4 Mal die Woche mit Ihren Eltern und Bruder in Kontakt zu sein, mittlerweile dürfte sich das Verhältnis zwischen Ihnen und ihren Eltern gebessert haben bzw. ihren Eltern klargeworden sein, dass sie nicht in einer muslimischen Gruppierung sind.

BF2: Wir kommunizieren jetzt normal. Das ist so, seitdem man mir gesagt hat, dass es meinem Großvater gesundheitlich schlecht geht und er sterben wird. Nachgefragt: Am 01.07 wird es ein Jahr her sein, das er tot ist. Ca. Ende Juni 2020 ist ihm schlecht gegangen.

RI: D. h der Kontakt zu den Eltern hat sich normalisiert?

BF2: Bei unseren Gesprächen geht es um meinen Sohn. Sie sprechen vorwiegend mit ihm und fragen mich nach seinem Gesundheitszustand und seinem Wohlbefinden. Aber wenn wir über die Religion oder die Bekleidung sprechen, dann enden solche Gespräche meistens im Streit.

RI: Haben Ihre Eltern den BF3 schon mal persönlich besucht oder gesehen?

BF2: Nein.

RI: Wie haben Ihre Eltern reagiert mit der Nachricht, dass sie ein 2ten Enkel bekommen?

BF2: Sie sind dagegen, weil ich Herzproblem habe.

RI: Also sie werden sich doch auch wohl freuen, dass sie ein zweites Enkelkind bekommen?

BF2: Ich hoffe das.

RI: VORHALTUNG: Sie haben laut eigenen Angaben am 05.04.2016 legal die Russische Föderation verlassen und sind am 06.04.2016 mit Visum in Österreich eingereist. Sie hatten bis 21.06.2018 einen gültigen Aufenthaltstitel „Studierende“ in Österreich. Sie haben Österreich zwischen 14.09.2017 und 08.10.2017 verlassen und sind in Ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt. Am 15.01.2019 haben Sie gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Warum sollten Sie fast drei Jahre nach Ihrer Einreise nach Österreich und ein Jahr und 3 Monate nachdem Sie im Herkunftsstaat Ihre Eltern besucht haben, einen Asylantrag stellen?

BF2: Ich habe meinen Mann kennengelernt. Er hatte auch Probleme in Russland. Da wir schon zusammen waren, und heiraten wollten, sowohl offiziell als auch mit dem islamischen Ritus, und mein Kind bereit geboren wurde, habe ich um die weiße Karte angesucht.

RI: Sie haben 3 Jahre nach ihrer Einreise in Österreich und ein Jahr und mehrere Monate nach dem Sie zum Islam konvertiert und die Eltern besucht haben. Warum so viel später?

BF. Zuerst war ich Studentin und habe Deutsch gelernt. Ich habe meinen Mann nicht gekannt und hatte nicht vor zum Islam zu konvertieren. Ich war eine gewöhnliche Studentin. Ich wollte weiterhin hier an der Uni studieren, deswegen haben ich kein anderes Dokument außer dem Studentenvisum gebraucht. Ich habe mich offiziell hier in Österreich aufgehalten. Dann als ich zu meinen Eltern gefahren bin, und ich ihnen erzählt habe, dass ich die Religion gewechselt habe, habe ich gehofft, dass sie mich aufnehmen werden. Dass sie mich so aufnehmen werden, wie ich bin, mit meiner Religion und meinem Aussehen und dass sie mich nicht brutal oder schlecht behandeln werden. Aber sie haben gesagt, dass ihre Tochter keine Muslima sein darf.

RI: Sind Sie von Ihren Eltern schlecht oder brutal behandelt worden? Hat es Misshandlungen gegeben?

BF2: Sie wollten mich nicht von zu Hause gehen lassen. Es kam zu einem großen Skandal, sie haben mich nie geschlagen aber es hat einen psychologischen Druck gegeben. Sie sagten, dass ich wieder orthodox werden muss, weil sie sich sonst von mir lossagen werden. Deswegen ich nur 5 Tage lang zu Hause geblieben, max. eine Woche.

R: Wo waren Sie die restliche Zeit?

BF2: Ich war in XXXX , bei einer Freundin von mir. Ich habe versucht den Kontakt zu meinen Eltern besser zu machen, aber sie wollten mit mir nicht reden. Ich konnte sie nicht telefonisch erreichen und hatte Angst nach Hause zu fahren, da ich befürchtet haben, dass sie mich nicht wieder wegfahren lassen.

RI: Wie sind Sie zum ersten Mal mit dem Islam in Berührung gekommen?

BF2: Eine Freundin von mir ist Muslima, sie ist in XXXX . Wir stehen schon sehr lange in Verbindung, ca. 8-9 Jahre.

RI: Trägt sie auch das Kopftuch?

BF2: Ja.

RI: Nennen Sie mir die genauen Beweggründe für die Glaubensänderung?

BF2: Islam ist für mich, wie soll ich das sagen… Zuerst muss ich nach Worten suchen… Ich glaube, dass das die richtige Religion für mich ist. Das ist die Religion, die ich verstehe. In der orthodoxen Religion, in der orthodoxen Bibel steht ebenfalls geschrieben, dass eine Frau ein Kopftuch tragen soll. Die Leute, die in der orthodoxen. Kirche arbeiten, wiedersprechen aus welchen Grund auch immer der Bibel. Sie sagen, dass es nicht wahr ist. Dass bedeutet, dass sie der Bibel wiedersprechen obwohl sie selbst in der orthodoxen Kirche arbeiten.

RI: Die Kopftuchfrage wird doch nicht der Grund für den Glaubenswechsel gewesen sein. Was war die innere Motivation zum Glaubenswechsel?

BF2: Ich habe mich eine Zeit lang mit dem Islam auseinandergesetzt. Für mich ist der Islam, die Religion an die ich mich halten will. Das ist die Religion, die ich für mich als meine Religion beschlossen habe.

RI: Sind Sie konvertiert, weil es Ihr jetziger Mann von Ihnen verlangt hat?

BF2: Nein.

RI: Gibt es noch andere Fluchtgründe als die von Ihnen Geschilderten?

BF2: Es gibt noch etwas, was ich nicht erzählt habe. Ich wollte noch etwas sagen, warum ich so spät um die weiße Karte angesucht habe, ich meine, warum ich so spät um Asyl angesucht habe. Als ich und mein Mann nach dem islamischen Ritus geheiratet habe, hatte ich noch ein Dokument, ich meine ein Studentenvisum. Im März habe ich dann erfahren, dass ich schwanger bin, das war 2018. Da habe ich erfahren, dass ich schwanger bin. Im Juni habe ich dann die Dokumente für das Studentenvisum eingereicht. Es kam keine Antwort obwohl mein Kind schon auf der Welt war. Ich habe mich mit meinem Mann beratschlagt. Ich konnte nach Russland nicht zurück, deswegen habe ich am 15.01.2019 um die weiße Karte angesucht. Ich kann ja nicht alleine mit einen kleinen Kind nach Russland fahren.

RI: Waren das alle Fluchtgründe die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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